Totengericht (eBook)
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45096-3 (ISBN)
Daniel Holbe, Jahrgang 1976, lebt mit seiner Familie im oberhessischen Vogelsbergkreis. Insbesondere Krimis rund um Frankfurt und Hessen faszinierten den lesebegeisterten Daniel Holbe schon seit geraumer Zeit. So wurde er Andreas-Franz-Fan - und schließlich selbst Autor. Als er einen Krimi bei Droemer-Knaur anbot, war Daniel Holbe überrascht von der Reaktion des Verlags: Ob er sich auch vorstellen könne, ein Projekt von Andreas Franz zu übernehmen? Daraus entstand die Todesmelodie, die zum Bestseller wurde.
Daniel Holbe, Jahrgang 1976, lebt mit seiner Familie im oberhessischen Vogelsbergkreis. Insbesondere Krimis rund um Frankfurt und Hessen faszinierten den lesebegeisterten Daniel Holbe schon seit geraumer Zeit. So wurde er Andreas-Franz-Fan – und schließlich selbst Autor. Als er einen Krimi bei Droemer-Knaur anbot, war Daniel Holbe überrascht von der Reaktion des Verlags: Ob er sich auch vorstellen könne, ein Projekt von Andreas Franz zu übernehmen? Daraus entstand die Todesmelodie, die zum Bestseller wurde. Ben Tomasson, Jahrgang 1969, ist Germanist und Pädagoge und promovierter Diplom-Psychologe. Ehe er sich ganz dem Schreiben gewidmet hat, war er einige Jahre in der Bildungsforschung tätig. Tomassons Leidenschaften sind die Geschichten, die das Leben schreibt, die vielschichtigen Innenwelten der Menschen, Motorradfahren und Reisen zu jenen Orten, an denen Sonne und Meer sich treffen. Tomasson ist verheiratet und lebt in Kiel. Momentan schreibt er am vierten Band seiner Reihe um den Göteborger Kommissar Forsberg.
3
Sabine Kaufmann stand auf dem Balkon ihrer Wohnung und schaute über die Dächer des Wiesbadener Stadtteils Dotzheim zum Taunus. Buckelige Felsen, dicht bestanden von dunkelgrünen Bäumen. Seit fast einem Jahr lebte sie hier, auf knapp sechzig Quadratmetern. Zwei Zimmer, offene Küche, Bad und Balkon. Erstbezug nach Sanierung, hatte es in der Anzeige geheißen. Dafür zahlte sie fast tausend Euro warm, kein Vergleich zu der Wohnung, in der sie in Bad Vilbel mit ihrer Mutter gelebt hatte. Aber zum Ausgleich war ihr neuer Arbeitsplatz im Zentrum nur gut drei Kilometer entfernt. Lediglich zu der in ihrem Viertel angesiedelten Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung wäre es noch näher gewesen.
Sabine mochte die Stadt, die so viel sauberer und geordneter wirkte als Frankfurt. Man spürte, dass man sich in der Landeshauptstadt aufhielt. Zugleich war Wiesbaden mit seinen fünfzehn Mineral- und Thermalquellen eines der ältesten Kurbäder Europas. Trotzdem fehlte ihr Bad Vilbel. Oder, vor allem, ihre Mutter. Natürlich war es anstrengend gewesen, sich um die psychisch kranke Frau zu kümmern. Die schizophrenen Phasen hatten ihr Angst gemacht. Oft hatte sie sich gefragt, wie das auf Dauer weitergehen sollte. Wenn ihre Mutter neben ihrer seelischen Verfassung auch noch älter und gebrechlicher würde. Doch diese Fragen hatten sich mit Hedwigs Tod erledigt. Was geblieben war, war Trauer. Und Einsamkeit.
Der Job im Hessischen Landeskriminalamt machte Sabine Spaß, es war eine neue Herausforderung. Weniger gut gefiel ihr, dass sie die meiste Zeit am Schreibtisch verbrachte. Sie vermisste die Arbeit auf der Straße. Und vielleicht auch Ralph Angersbach. Was er wohl gerade tat?
Seit Hedwigs Beerdigung hatte sie, abgesehen von einer SMS zu Weihnachten und einer zu ihrem Geburtstag, nichts mehr von ihm gehört. Sie hatte sich bedankt und ihm zu seinem Geburtstag ebenfalls eine Nachricht geschickt, doch mehr auch nicht. Hätte sie sich wieder bei ihm melden sollen? Aber er wusste doch auch, wie man ein Telefon bediente. Warum musste immer sie es sein, die hinter ihm herlief? Weil er ein grantelnder Sturkopf war? Dann musste er sich eben ändern.
Die Kollegen im LKA waren nett und viel unkomplizierter als Angersbach. So etwas wie eine Freundschaft hatte sich jedoch mit keinem von ihnen entwickelt. Die meisten der jüngeren hatten gerade eine Familie gegründet, manche auch ein Haus gebaut, die älteren hatten seit Langem Familie und Freunde. Sie waren beschäftigt, vergeben, gebunden. Sabine war die Einzige in ihrer Abteilung, die Kapazitäten frei gehabt hätte.
Hatte sie sich nach dem Tod ihrer Mutter zu sehr vergraben? Sich abgeschottet und in ihrem Schneckenhaus verkrochen? Hatte es gar Angebote von den Kollegen gegeben, die sie einfach nur nicht wahrgenommen hatte?
Sabine holte tief Luft. Zwei Wochen Urlaub lagen vor ihr. Sie hatte nichts geplant, nur, ihre Wohnung fertig einzurichten. Eine Reihe von Umzugskartons stand immer noch unausgepackt am hinteren Ende des Flurs. Dort, wo Mirco Weitzel und Levin Queckbörner, die Kollegen aus Bad Vilbel, sie abgestellt hatten. Auch bei den beiden hatte sie sich nicht mehr gemeldet. Dabei hätte sich vor allem Mirco riesig über eine Einladung nach Wiesbaden gefreut. Noch mehr, wenn das Ganze unter der Kategorie »Date« laufen würde. Aber wollte sie das überhaupt?
Vielleicht sollte ich einfach eine Party geben, dachte sie. Ralph und die beiden Kollegen einladen und die Tür zu ihrem sozialen Leben wieder öffnen. Doch Ralph, Mirco und Levin waren ein Stück Vergangenheit. Ihre Zukunft lag in Wiesbaden. Sie musste hier Kontakte knüpfen und neue Freunde finden.
Aber wie? Sollte sie sich in einem Onlineforum anmelden? Eine Kontaktanzeige aufgeben?
Bin neu in Wiesbaden. Suche Gleichgesinnte für gemeinsame Aktivitäten.
Oder einfach in einen Club gehen?
Warum eigentlich nicht? Alles war besser, als jeden Abend zu Hause vor dem Fernseher abzuhängen und Junkfood in sich hineinzuschaufeln.
Sabine nickte entschlossen. Sie ging zurück in die Wohnung, in ihr schick modernisiertes Bad. Sogar ein eingebautes Radio unter dem Lichtschalter gab es. Sie stellte es an, drehte die Musik laut und legte ein flauschiges Handtuch bereit. Sie würde jetzt eine heiße Dusche nehmen und sich hübsch machen. Und anschließend würde sie auf die Piste gehen.
Ralph Angersbach betrat zur selben Zeit das Gebäude des Gießener Instituts für Rechtsmedizin. Professor Hack, Koryphäe mit Glasauge, erwartete ihn bereits im Obduktionssaal. Ralph musste wie immer tief durchatmen, bevor er eintrat, und Hack, dem das auch mit einem Auge nicht entging, lachte meckernd.
»Man möchte wirklich meinen, Sie wären mit den Jahren abgehärtet«, kommentierte er und dirigierte Angersbach zu dem Stahltisch, auf dem der Leichnam aus dem Wald lag. Zumindest im Moment noch von einem weißen Tuch bedeckt. Ralph hätte nichts dagegen gehabt, wenn es an Ort und Stelle geblieben wäre. Hackebeil dagegen schien geradezu begierig auf die Sektion. Er lüftete das Laken mit einer Geste wie ein Zauberer, der ein Kaninchen aus dem Zylinder zieht.
»Et voilà. Da haben wir Ihren bemerkenswerten Fund aus dem Wald.«
Angersbach musste erneut schlucken. Der Leichnam war mittlerweile gewaschen worden, was darauf hindeutete, dass die äußerliche Spurensuche abgeschlossen war. Doch statt den Schrecken zu mindern, trugen der Geruch nach Desinfektionsmittel und die stahlglänzende Tischfläche als Kontrast dazu bei, dass der Anblick des furchtbar zugerichteten Toten noch schockierender wirkte.
»Mein Gott. Wer macht so etwas?«, entfuhr es Ralph.
Hackebeil legte den Kopf schief. »Das herauszufinden ist wohl Ihr Job. Und der da oben«, er richtete einen gekrümmten Finger zur Decke, »hat überhaupt nichts damit zu tun. Oder, wenn er die Antwort kennt, wird er sie Ihnen vermutlich nicht mitteilen.«
»Ha, ha.«
»Ja, ja, ich weiß. Humor liegt Ihnen nicht.« Hack beugte sich über den Leichnam. Ralph zog die Schultern hoch. Zumindest Hackebeils Humor lag ihm nicht. Aber Hack machte seinen Job außerordentlich gut. Dafür musste man seine Marotten eben in Kauf nehmen. Und im Grunde mochte er den alten Kauz. Wenn Ralph überhaupt Freunde hatte, waren es Neifiger und Hack. Ein Metzger im Vogelsberg, der seit einem Ausrutscher beim Kotelettschneiden nur noch neun Finger hatte. Und ein Rechtsmediziner mit Glasauge. Der schon in den entlegensten Krisengebieten Leichen obduziert hatte, um Kriegsverbrechen auf die Spur zu kommen, und für den das Öffnen eines Brustkorbs mehr wie das erwartungsvolle Tranchieren eines Geflügelbratens zu sein schien. Und das für einen Vegetarier. Ralph hätte fast gelacht, doch er fand, dass sich das neben einer Leiche nicht gehörte.
Auf dem Weg hierher hatte er mit Neifiger telefoniert. Der Metzger, bei dem er gelegentlich Lammfleisch für seinen Vater besorgte, kannte Gott und die Welt. Er hatte ihm den Kontakt zu einem Baugutachter vermittelt, der sich bereit erklärt hatte, sich gleich am nächsten Morgen das Haus in Fuchsrod anzusehen und eine Beurteilung abzugeben. Ralph fühlte sich fiebrig erregt, was ihm half, das Unbehagen im Obduktionssaal auszuhalten. Ein bisschen jedenfalls.
Als Hack die Gliedmaßen des Toten anhob und demonstrierte, dass sie sich in alle Richtungen bewegen ließen, auch in solche, die beim Menschen anatomisch eigentlich nicht möglich waren, schnürte es ihm den Hals zu.
»Da hat einer gründliche Arbeit geleistet«, kommentierte der Rechtsmediziner. »Ich schätze, da ist kaum noch ein Knochen in den Armen und Beinen heil. Und die Sehnen und Bänder dürften auch zum überwiegenden Teil gerissen sein.« Er zog die linke Schulter hoch, als wollte er dem Patienten sein Bedauern mitteilen. »Ich würde auf einen Vorschlaghammer oder dergleichen tippen.«
Ralph fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Hat er da noch gelebt?«
»Kann ich so nicht sagen.« Hack bewegte den rechten Arm des Leichnams. »Wir sehen hier Einblutungen ins Gewebe. Nicht besonders ausgeprägt, das heißt, er hat zumindest nach dem Zufügen der Schläge nicht mehr lange geatmet. Hätte das Herz weitergepumpt, wären massive Blutergüsse entstanden.«
Ralph schluckte. »Aber die Schläge waren nicht die Todesursache?«
»Nein. An gebrochenen Knochen stirbt man nicht.« Hack blinzelte ihm zu. »Man wird höchstens ohnmächtig, weil man die Schmerzen nicht erträgt.«
»Und das da?« Ralph deutete auf das Wort »Verrat«, das schwarz in die Brust des Mannes eingebrannt war. Der Rechtsmediziner fuhr die Buchstaben mit den behandschuhten Fingern nach.
»Da hat sich jemand viel Mühe gegeben. So ein Brandeisen bekommt man nicht im Handel. Muss man vermutlich selbst schmieden. Oder vielleicht gibt es einzelne Buchstaben, die man zusammensetzen kann.«
Ralph nahm sich vor, das zu prüfen. »Das war aber auch nicht die Todesursache?«
»Theoretisch wäre es möglich. Es ist sicher mindestens ebenso schmerzhaft wie das Zertrümmern der Gliedmaßen, wenn einem jemand ein solches Brandzeichen aufdrückt. Und der Schock könnte einen Herzstillstand auslösen. Aber ob das hier so war?« Hacks Augen funkelten, das gläserne vom hellen Licht der Neonröhren, das gesunde aus Neugier. »Um das festzustellen, müssen wir ihn aufmachen.«
Angersbach verspannte sich. Er kannte die Programmpunkte, doch der Fluchtimpuls kam jedes Mal, wenn die Leichenöffnung anstand.
»Was ist mit dem Gesicht passiert?«, fragte er, um den Moment hinauszuzögern, in dem Hack zur Säge griff. »Tierfraß?«
Der Rechtsmediziner tippte mit dem behandschuhten Zeigefinger auf die Stellen, wo sich einmal Mund, Nase und Augen des Opfers...
Erscheint lt. Verlag | 24.2.2020 |
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Reihe/Serie | Ein Sabine-Kaufmann-Krimi | Ein Sabine-Kaufmann-Krimi |
Co-Autor | Ben Tomasson |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | alter Fall • Andreas Franz • Ben Tomasson • Bestseller-Autor • Daniel Holbe • Daniel Holbe Neuerscheinung • Daniel Holbe Sabine Kaufmann • Ermittler-Duo • Ermittler-Krimi • Grusel hinter der Idylle • Hessen • Kommune • Krimi • Krimi deutsche Autoren • Krimi Deutschland • Krimi Deutschland Neuerscheinungen • Krimi Kommissarin • Kriminalromane 2020 • Kriminalromane Serien • Kriminalromane Taschenbuch • Kriminalromann • Krimi Neuerscheinungen 2020 • Krimi Neuerscheinungen 2020 Taschenbuch • krimi reihen • krimi serie • Krimis und Thriller • ländliches Ambiente • Nele Neuhaus • Provinz • Ralf Angersbach • Ritualmord • Sabine Kaufmann • weiblicher Ermittler • Windräder |
ISBN-10 | 3-426-45096-8 / 3426450968 |
ISBN-13 | 978-3-426-45096-3 / 9783426450963 |
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