Schwanenperle Akt I (eBook)
485 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7502-2478-0 (ISBN)
Peter von Steinhaus ist Student und frei schaffender Autor. Er beobachtet die Welt, in der er lebt und mahnt ihre zerstörerischen Tendenzen an, bislang jedoch, ohne wirklich gehört zu werden. Er verarbeitet seine Erkenntnisse und Erfahrungen literarisch und hofft, damit einen Beitrag für ein Umdenken leisten zu können.
1
„Zieh dich aus, mein Kind“ die alte Frau bemühte sich, freundlich zu klingen, doch ihre raue Stimme kratzte unangenehm in den Ohren des Mädchens. Sie konnte sie nicht sehen, denn sie hatte den Blick gesenkt und betrachtete den dicken, roten Teppich, in welchen sie ihre nackten Zehen grub. Alles in ihr sträubte sich dagegen, der Aufforderung nachzukommen. Nicht weil es zu kalt gewesen wäre, nein, es war ein warmer Sommertag, das helle, freundliche Sonnenlicht drang durch das bunte Fenster hinter dem riesigen Schreibtisch, vor dem sie stand, und malte bunte Formen auf den steinernen Boden. Sie wollte sich nicht vor dieser alten Frau entblößen, und schon gar nicht vor dem Mann, der sie hierhergebracht hatte, und der noch immer hinter ihr, mit dem Rücken an der geschlossenen Tür gelehnt stand. Seine lüsternen Blicke stachen spürbar in ihren Nacken. Der Knall einer Peitsche ließ sie zusammenzucken. „Mach schon, Mädchen.“ Sagte der Mann hinter ihr, „Ich kann dich auf der Stelle töten, wenn ich will, ohne dass es Konsequenzen für mich hätte, denn du bist mein Eigentum.“ Furchtsam sah sie auf und erblickte die alte Frau, die jetzt langsam um den Schreibtisch herum auf sie zu geschritten kam, wobei sie leicht hinkte. In ihrem faltigen Gesicht trug sie ein Monokel neben ihrer spitzen Nase, durch welchen sie das Mädchen aufmerksam betrachtete. Ein ärgerlicher Ausdruck erschien auf ihrem strengen Gesicht und sie hob gebieterisch die Hand. „Nun mal langsam, Rosco, niemand wird hier getötet. Auch den Gebrauch einer Peitsche untersage ich in meinem Haus.“ Sprach sie mit ihrer rauen, Ehrfurcht gebietenden Stimme und sah den Mann streng an. „Hast du mich verstanden?“ Rosco, der Luftpirat stotterte merklich eingeschüchtert: „Jawohl, Ma’am.“ Die alte Frau fuhr mit kalter Stimme fort: „Aber ich habe andere Methoden, meinen Willen durchzusetzen, Methoden, die keine sichtbaren Spuren hinterlassen, und ihre Haut nicht verunstalten.“ Sie wandte sich wieder dem Mädchen vor ihr zu: „Also, Kind, wirst du jetzt Folge leisten, oder willst du diese speziellen Methoden kennen lernen?“ Sie wusste nicht, von welchen Methoden die alte Frau sprach, hatte jedoch viele Geschichten über die strenge Frau, sowie über diesen Ort gehört, an dem sie sich nun befand. Unheimliche, grausame Geschichten, von denen sie jedoch nicht wusste, ob sie tatsächlich der Wahrheit entsprachen oder nicht doch nur Legenden waren, die sich die Männer und Frauen in den verlotterten, dreckigen Gassen furchtsam, doch gleichzeitig geradezu sehnsüchtig zuraunten. Jedoch reichten ihre Zweifel nicht weit genug, sich weiterhin gegen die Aufforderung der alten Frau zur Wehr zu setzen. Zögernd begann sie, sich die zerschlissenen, farblosen Lumpen, die sie noch trug, abzulegen. Einer nach dem Anderen fielen sie zu Boden, wo sie als dreckiger Haufen liegen blieben, und schließlich stand sie entblößt in dem kleinen Raum. Sie wollte ihre Arme vor ihrer Brust verschränken, um sich ein wenig zu bedecken, doch die alte Frau hielt sie davon ab, indem sie schmerzhaft ihre Arme packte. „Hängen lassen.“ Befahl sie streng, und das Mädchen folgte der Anweisung. Sie spürte die brennende Röte, die ihr ins Gesicht stieg, heiß auf ihren Wangen. Auch wenn sie den Luftpiraten hinter sich nicht sah, so spürte sie doch seine begehrlichen Blicke ihre nackte Haut erkunden. Die alte Frau begann, sie zu umrunden, und musterte sie von oben bis unten. Das Mädchen hielt den Kopf eisern gesenkt, wollte nicht den erniedrigenden Blicken begegnen, die sie untersuchten. Noch nie hatte sie sich vor einem Menschen so schutzlos gefühlt. „Eine makellose, rein weiße und straffe Haut. Erstaunlich, das habe ich so bisher noch nicht gesehen.“ Begann die alte Frau nun zu kommentieren was sie sah. „Lange, dunkelrote Haare, ungefähr bis auf die Höhe der Ellbogen bei herabhängenden Armen. Etwas schmutzig und verfilzt, aber diesen Missstand beheben wir. Ein makelloses, ovales Gesicht, mandelförmige, blaue Augen. Das ist hier sehr exotisch.“ Sie lachte kalt, und der Laut ließ dem Mädchen einen Schauer über den Rücken laufen, „Hier im Süden gibt es nur braun oder grün, aber nach dem Blau werden sie sich ihre Finger lecken.“ Sie legte ihre alten, faltigen Hände auf die Brüste des Mädchens. Sie fühlten sich rau an, ledrig, wie totes Fleisch. Das Mädchen schauderte, wollte sie von sich stoßen, als die Hände der Frau über ihre Rundungen fuhren und dann plötzlich leicht zudrückten. Sie zuckte zurück, als ein Schmerz sie wie ein Blitz durchfuhr. „Feste, mittelgroße Brüste, mit kleinen Warzen“ Sie verschwand aus ihrem Blickfeld und plötzlich spürte sie einen Schmerz in ihrer Hinterbacke, sodass ihr Tränen in die Augen schossen. „Ebenfalls feste Gesäßbacken.“ Führte die alte Frau ihre nüchterne Katalogisierung ihrer Eigenschaften fort, als untersuche sie eine Ware, die ihr ein Lieferant brachte. Nun trat sie auf der anderen Seite wieder in das Sichtfeld des Mädchens und blieb vor ihm stehen. Ihr Blick wanderte noch weiter an ihr hinab, und beschämt versuchte das Mädchen, ihre Nacktheit zu bedecken. „Du wirst dich einer Ganzkörperenthaarung unterziehen müssen. Unsere Kundschaft bevorzugt es so.“ Sagte die alte Frau. „Wie heißt du, Kind?“ fragte sie nun. „Ich...“ mit einer Handbewegung ließ die Frau sie verstummen. „Ich habe dich das nicht gefragt, um deinen Namen in Erfahrung zu bringen. Ehrlich gesagt interessiert er mich nicht. Wie auch immer er gewesen sein mag, vergiss ihn für immer. Auch deine Vergangenheit wirst du für immer hinter dir lassen. Hier und heute beginnt ein neues Leben für dich, und der Name, der dich in diesem Leben begleiten wird, soll Pearl sein. Angesichts deiner perlweißen und makellosen Haut, erscheint er mir passend“ Pearl. Der Name gefiel dem Mädchen irgendwie, auch wenn es sich das ungern eingestand. „Sag, Pearl, hast du schon Erfahrung mit Männern gemacht?“ fragte die alte Frau sie. Pearl errötete und schüttelte heftig und bestimmt den Kopf, sodass ihre Haare in einem roten Wirbel um sie herum flogen. „Das ist gut.“ Antwortete die Frau, „deine Unschuld wird rentable Preise erzielen. Was waren deine Eltern von Beruf?“ Pearl wagte zum ersten Mal richtig zu sprechen: „Ich weiß es nicht, Madame, ich habe sie nie kennen gelernt.“ Ihre Stimme plätscherte als schwaches Stottern über ihre roten Lippen. Die Frau nahm diese Antwort mit einem freudlosen Lächeln hin. „Dann wird dich wenigstens niemand vermissen.“ Entgegnete sie. Nun wandte sie sich an den Mann, der nach wie vor hinter ihr stand: „Wo hast du sie gefunden?“ Die Stimme des Mannes ertönte näher als Pearl gedacht hätte, offenbar war er im Laufe der Untersuchung an sie herangetreten, um sie ausgiebig begaffen zu können und so zuckte Pearl innerlich zusammen: „Ist das denn wichtig, Lady Ruby? Sie scheint Eure Ansprüche zu erfüllen, das ist alles, was Euch und mich interessieren sollte.“ Antwortete er. Die alte Frau nickte. „Wir kommen ins Geschäft.“ Sagte sie schließlich. Aus einer Schreibtischschublade holte sie ein kleines Säckchen hervor, das in ihrer Hand verheißungsvoll klimperte, und warf es dem Mann zu, der es geschickt aus der Luft auffing. „Was ist mit ihr?“ fragte er dann, „darf ich…“ doch die alte Frau schüttelte vehement den Kopf. „Ihre Unschuld werden wir an den Meistbietenden verkaufen. Du kannst gerne mitbieten, aber ich bezweifle, dass du diese Summen, die dort geboten werden, aufbringen kannst. Schließlich bist du nur ein abgerissener Luftpirat.“ Unverhohlene Verachtung troff aus der Stimme Lady Rubys, und fand sich auch in ihrer Miene wieder. Das Gesicht des Mannes verdüsterte sich, wie das Mädchen namens Pearl mit einem scheuen Blick über ihre Schultern bemerkte und eine dunkle, drohende Kälte strahlte von ihm aus. „Hätte ich sie lieber genommen, als wir noch unterwegs hierher waren.“ Grummelte er. Die alte Frau antwortete: „Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Jedoch hätte das ihren Preis geschmälert. Ein Opfer ist nun einmal immer zu bringen. Und nun geh.“ Bei diesem letzten Satz hatte sich ihre Stimme verhärtet, und es war als Befehl herausgekommen, der keinerlei Widerspruch duldete. Ohne ein weiteres Wort öffnete der Mann die Tür und ging von dannen, die Tür fiel laut hinter ihm ins Schloss und verlieh dem ganzen Ärger Ausdruck, den diese Transaktion in Rosco aufgestaut hatte. Die Frau betrachtete Pearl noch einen Augenblick und schien sich einige geistige Notizen zu machen. Dann trat sie an ein kleines Schränkchen, welches vor der linken Wand stand, öffnete eine Tür und bückte sich, um hineinzusehen. Dabei krachten ihre Knochen vernehmlich, und der Laut erzeugte ein unangenehmes Kribbeln in Pearls Magen. Als Lady Ruby sich wieder erhob, hielt sie eine große Spritze in der Hand. Das Metall glänzte gefährlich im einfallenden Licht und fasste eine gläserne Phiole ein. Unwillkürlich trat Pearl einen Schritt zurück. „Keine Angst, mein Kind.“ Versuchte die alte Frau sie zu beruhigen, „Ich muss dir nur etwas Blut abnehmen, um zu überprüfen, ob du Krankheiten in dir trägst.“ Ihre kalte, kratzende Stimme war jedoch kaum dazu angetan, eine beruhigende Wirkung zu entfalten, und so sträubte sich alles in dem Mädchen, sie mit dieser Spritze in ihre Nähe zu lassen. Lady Ruby trat auf Pearl zu, die ängstlich einen weiteren Schritt zurückwich. Ärger machte sich auf dem alten Gesicht breit und grub die Falten tiefer in die ledrige Haut, als Lady Ruby zischte: „Ich will dir nicht weh tun müssen, aber wenn du mir keine andere Wahl lässt, werde ich darum nicht herumkommen. Ich lege Wert auf eiserne Disziplin, und wenn es nötig ist, kann ich auch ganz andere Maßnahmen ergreifen, um sie dir einzutrichtern.“ Pearl starrte die Frau einen Moment...
Erscheint lt. Verlag | 14.2.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Dystopie • Erotik • Fantasy • Imperium • Industrie • Lyrik • Natur • Poesie • Steampunk • Untergang |
ISBN-10 | 3-7502-2478-1 / 3750224781 |
ISBN-13 | 978-3-7502-2478-0 / 9783750224780 |
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Größe: 751 KB
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