Myrrhe -  Hans Gerhard Wicklein

Myrrhe (eBook)

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2020 | 1. Auflage
256 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7504-6669-2 (ISBN)
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In einer Privatklinik am Starnberger See werden in einer Nachtschicht auf der Palliativstation vier Patienten tot aufgefunden. Zuerst vermutet man eine Fehlmedikation. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass die schwerkranken Personen keines natürlichen Todes starben. Ins Visier der Ermittlungen gerät der alternativmedizinisch engagierte Münchner Arzt und Psychotherapeut Dr. Paul Conradi. Die Ermittlungsbehörden lasten ihm aufgrund fragwürdiger Methoden eine fehlerhafte Patienteneinschätzung und Behandlung an. Die Ärztekammer leitete wegen der Schwere seines Fehlers mit Todesfolge den Entzug seiner Approbation als Arzt ein. Die leitende Ermittlungsbeamtin Elena Engels jedoch erkennt sehr schnell, dass hier einiges faul ist. Ein Komplott? Conradi droht nicht nur das berufliche Aus, ihn holt auch auf dramatische Weise seine Vergangenheit ein, die jetzt geklärt werden möchte.

Hans Gerhard Wicklein, Jahrgang 1957, zweifacher Diplom-Ingenieur, brauchte wie viele andere auch einen Wink des Schicksals, um sich in der zweiten Hälfte des Lebens an seinen Jugendtraum zu erinnern: Heilen und Schreiben. Er lebt heute in Kärnten/Österreich, lehrt im deutschsprachigen Raum im Rahmen seiner kleinen Akademie die Energetische Spagyrik. Schreiben - Buchstaben bewegen, wie er es nennt - begleitete ihn sein gesamtes Berufsleben. Die große Transformation dieser Zeit öffnete die Tür zum Fachbuchautor und jetzt scheint sogar die Zeit reif zu sein, seine reiche Berufs- und Lebenserfahrung mit Dichtung zu verbinden. Er zeigt mit seinem Debütroman, dass er sich auch in einem ganz anderen Genre zuhause fühlt. Das Herzblut für die Spagyrik fließt vollends in seine wirklich spannende Geschichte.

1. Juni, Samstag auf Sonntag


Wenn es auch einer der heißesten, tropisch dampfenden Frühsommertage im Juni war - Sandra konnte sich nur an endlos verregnete, klamme Juni erinnern - der heiße, frisch gemahlene Vierfachespresso durfte zu Beginn der Nachtschicht nicht fehlen.

Noch den großen, heißen Kaffeepott in beiden Händen nahm sie erst einmal geruhsam auf dem federnden Bürostuhl Platz und spreizte die viel zu langen Beine. Weil alleine, erlaubte sie sich mit ihren schmalen Lippen bei geschlossenen Augenlidern laut zu schlürfen. Es verlieh ihr eine kindliche Geborgenheit.

Die Luft im Stationszimmer war feucht und stickig, so, als wären alle Fenster schon den ganzen Tag geschlossen gewesen. Sie stellte vorsichtig ihre Tasse ab, öffnete auch das zweite Fenster und fuhr ihr Klinik-Pad hoch. Sie bemerkte sofort eine Nachricht:

Von c.buchholz@pm-klinik-drgerl.de
Betreff Übergabe
Datum 01.06.2019 20.17 Uhr
An s.schwarz@pm-klinik-drgerl.de

Hallo Sandra, muss heute überpünktlich weg, bin fürs Kino verabredet. Keine Sorge, ich warte bis ich dich kommen sehe. Bussi

--

Claudia Buchholz

Privatklinik Dr. Gerl - Fachklinik für ganzheitliche Onkologie

Abteilung Palliativmedizin

Waldstraße 12 82335 Berg Tel. 08151-1233

Sie löschte sofort die Mail, Doktor Gerl mochte es ganz und gar nicht, wenn sein Personal keine geordnete Übergabe bei Schichtwechsel durchführte. Aber auf Claudia war immer Verlass.

Wird Zeit, dass du dein Schneckenhaus einmal verlässt. Wusste gar nicht, dass du ins Kino gehst. Neuer Verehrer?

Claudia parkte immer hinter der Klinik entlang der Johannisgasse. Seit der Fertigstellung des modernen Anbaues der Palliativmedizin gab es auf dem Klinikgelände nicht mehr genügend Parkplätze, nur in der Nacht.

Du hättest wenigstens Hallo sagen können, als ich unter der Dusche war. Kino bei der Hitze? Na trotzdem, viel Spaß.

Sandra legte ihr Französischbuch für die Nacht zurecht. Immer wieder kämmte sie sich die nicht trocknen wollenden blonden, kurzen Haare und musste vor dem Spiegel des kleinen Waschbeckens feststellen, dass die brandneue Frisur ohne Fön ziemlich durchgeknallt aussah, so, als hätte ihr siebenjähriger Sohn Coiffeur gespielt.

In der Französischpause las sie auf ihrem Pad erst einmal gründlich alle Patienteneintragungen der vergangenen Schichten, während sie sich die letzten beiden kalten Tropfen ihres diesmal zu sehr gesüßten Kaffees wie heilende Medizin zuführte.

Hey, Ritter ohne Morphin? Claudia, du hast das Morphin bei Frau Ritter vergessen! Vergessen zu geben? Oder nur vergessen einzutragen? Mist. Muss‘ n toller Mann sein.

Sandra versuchte über Wire Claudia anzurufen. Ihr Pad war ausgeschaltet. Dann wollte sie die entlarvte Träumerin per Handy erreichen.

Leeres Klingeln.

Schließlich scrollte sie die Festnetznummer hervor.

Ebenfalls keine Antwort.

Verdammt. Naja, ist ohnehin Zeit für die erste Nachtrunde. Ich kann ja gleich bei Elisabeth Ritter beginnen.

Sie schlich über den schwach beleuchteten Flur nach oben über die Südtreppe in den 2. Stock. Ganz leise öffnete sie die schwere, überbreite Tür von Zimmer P23 und lugte ums Eck. Ritter schien zu schlafen. Sandra beschloss, lieber auf die Schmerzmittelgabe zu verzichten, sie wollte jedes Risiko einer Überdosierung, die Claudia in Schwierigkeiten bringen könnte, vermeiden. Sandra knipste die kleine Neonleuchte an. Ritters Gesicht glänzte seltsam.

Die Hitze? Irgendwie zu viel Glanz. Hat sie sich eingecremt? Daher die helle Hautfarbe? Diese grässlichen Neonlichter lassen uns alle wie sterbenskrank aussehen.

Sandra legte ihre Hand auf Ritters Stirn. Eiskalter Schweiß. Sie deckte die Patientin auf und fühlte den Puls. Rasendes Herz und kurze hechelnde Brustbewegungen. Sie versuchte Ritter mit Berührungen zu wecken. Keine Reaktion.

Sieht nach Ohnmacht aus. Jetzt bloß schnell Doktor Berkani rufen.

„Doktor Berkani? Hier Sandra Schwarz. Ich bin auf P23. Ein Notfall. Frau Elisabeth Ritter ist ohne Bewusstsein. Tachykardie. Kaltschweißig...“

Sandra Schwarz und der diese Nacht Dienst habende Doktor Mohammed Berkani duzten sich, jedoch brachte sie es nie fertig, ihn mit >Mohammed< anzusprechen. Sie erfand jedes Mal bizarre Anredeformen oder telegrafisch anmutende Mitteilungen, um diese islamistischen Buchstaben, wie sie meinte, nicht berühren zu müssen. Sie war überzeugt: Mohammed passte absolut nicht zu dieser besonderen, sensiblen, mitfühlenden und trotzdem sehr männlichen Seele. Bis auf den expliziten Verweis, dass er kein Araber, sondern ein Berber sei, hörte sie ihn nie von seiner Heimat reden. Nachrichten über den IS oder den Kriegen in der arabischen Welt überging er, als handle es sich um Drogenkonflikte in Mexiko. Überhaupt gab sich der Algerier privat sehr verschlossen.

Sandra war eben mit der Blutdruckmessung fertig, als Berkani hereinstürmte. Er kontrollierte mit seinen kräftigen, behaarten Händen den Puls, hielt dabei die Uhrzeit 1:19 Uhr fest, leuchtete mit einer aus seiner Brusttasche gefischten kleinen Lampe in die Pupillen und sah sich die Medikationen aufs Sandras Pad an.

„Hilf mir mal, wir müssen sie in die Seitenlage bringen. Sieht nach diabetischem Koma aus. Ruf einen Krankenwagen, jetzt gleich! Sie muss schnellstens nach Harlaching.“

Doktor Berkani und Schwarz konnten sich die Hyper- oder Hypoglykämie - das wussten sie noch nicht - nicht erklären. Die Pathogenese der Patientin zeigte bisher keine ähnliche Symptomatik. Berkani entschied, ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, eine schwach konzentrierte Glukoselösung zu verabreichen.

„Daran kann sie nicht sterben, im umgekehrten Fall schon“, versicherte er.

Sie standen beide still am Krankenbett und kontrollierten Atmung und Puls. Berkani glaubte nach wenigen Minuten eine winzige Besserung zu spüren und legte bei der Glucosekonzentration noch einmal nach.

Als Sandra mit den Sanitätern nach oben kam, waren Puls und Atmung wieder völlig normal, jedoch holte die Frau im Koma keine Maßnahme Berkanis ins Bewusstsein zurück. 2:05 Uhr, Patientin Elisabeth Ritter den Sanitätern zur Einweisung ins Klinikum München Harlaching übergeben, vermerkte Sandra in den Patientendaten.

Sandra und Berkani durchsuchten jeden Winkel des Krankenzimmers, um die eventuelle Quelle für die unerklärlichen Symptome zu finden.

„Kann nur eine Fehlmedikation gewesen sein“, seufzte Berkani. „Hast du schon mit Claudia telefoniert?“

„Schon mehr als fünf Mal versucht. Hat wahrscheinlich ein Date. Keine Chance sie zu erreichen.“

„Ich glaube, wir haben uns jetzt erst einmal einen ordentlichen Kaffee verdient.“ Berkani wusste, damit Sandra belohnen zu können. Er selbst machte sich nichts aus Kaffee, aber ihre frisch gemahlenen Bohnen dufteten verführerisch im ganzen Kliniktrakt P, ein kulinarisches Parfum, welches selbst die widerlichsten Desinfektionsmittel nicht mehr zu beseitigen vermochten.

„Blendende Idee! Wir sollten aber vorher noch kurz bei den anderen Patienten reinsehen, die Runde ist längst fällig. Teilen wir uns die Arbeit?“ Sandra zwinkerte mit dem linken Auge so lange bis Berkani nickte.

In dieser Nacht waren von den einundzwanzig verfügbaren Zimmern nur sieben belegt.

Sandra begann gleich im Nachbarzimmer P22, Berkani ein Stockwerk tiefer. Sie schlich im Dunkeln ans Bett des siebenundsechzigjährigen Patienten. Alles war ruhig. Fernes Wetterleuchten, welches ins dunkle Zimmer drang, zeigte Sandra Blitze eines friedlichen Gesichts. Als sie ihn jedoch an der Stirn berührte, erstarrte ihr Blut.

Eiskalt. Auch die Hände.

Sie machte Licht. Wachsfarbene Totenblässe. Diesmal nicht wegen des Neonlichtes. Kein Puls, kein Atem, nur hochfrequentes Brummen der Neonleuchte.

Mein Gott!

Sie versuchte die Augenlider des Patienten zu öffnen. Die Totenstarre verwehrte bereits den Blick in die Pupillen. Wie gelähmt stand sie vor dem Toten. Sie hörte nicht einmal Berkani kommen.

„Das gleiche bei P11 und P13,“ flüsterte er laut. Er nahm die geschockte Sandra in die Arme. „Komm, vielleicht braucht einer noch unsere Hilfe, lass uns zusammen in alle Zimmer gehen.“

„Was ist hier passiert?“

„Auf jeden Fall nichts Natürliches, komm, schnell!“

Sie stellten bei vier von sieben auf der Station verbliebenen Patienten nur noch den Tod fest. Bei den beiden anderen „Überlebenden“ zeigten sich keine Unregelmäßigkeiten, sie schliefen tief und erwachten nicht einmal durch Doktor Berkanis Berührungen.

Berkani rief Doktor Gerl an. Es war das allererste Mal seit seiner fünfjährigen Dienstzeit.

Gegen 3:30 Uhr traf Inhaber Franz Gerl aufgeregt und außer Atem ein. Er wohnte im Ort und ging immer zu Fuß. Es reichte ihm der...

Erscheint lt. Verlag 28.1.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7504-6669-6 / 3750466696
ISBN-13 978-3-7504-6669-2 / 9783750466692
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