G. F. Unger Tom Prox & Pete -34 (eBook)

Um Haaresbreite

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-9349-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

G. F. Unger Tom Prox & Pete -34 - G. F. Unger
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Jim Chester durchreitet den Fluss an seiner schmalsten Stelle.
Weit im Norden leuchten die Ketten der Blue Mountains am wolkenlosen Himmel. Sie scheinen greifbar nahe zu sein, aber das ist in der klaren Luft eine Täuschung: Bis zu den Vorbergen sind es noch drei Tagesritte.
Man könnte Jim Chester auf den ersten Blick für einen Spanier halten. Er ist mittelgroß, schlank und geschmeidig. In dem dunkelhäutigen Gesicht blitzen weiße Zähne, wenn er lacht. Seit einigen Tagen trägt er auf der Oberlippe ein schmales Bärtchen, was ihn einem Mexikaner spanischer Abstammung noch ähnlicher macht.
Das Pferd ist ein herrlicher rehbrauner Wallach mit langer Mähne und einem schwarzen Schweif, der fast bis zum Boden reicht. Vorsichtig setzt das Tier ein Bein vor das andere. An dieser seichten Stelle geht ihm das Wasser bis an den Bauch. Auf der anderen Uferseite angekommen, bleibt der Wallach stehen. Der Reiter gleitet aus dem Sattel und nimmt dem Tier das Gebiss aus dem Maul. 'So, Hektor, sauf erst mal, mein Junge!', sagt er.

Während das Pferd säuft, bindet Jim den Ziegensack vom Sattel und schüttet das warm gewordene Wasser aus. Dann füllt er Sack und Feldflasche neu und labt sich gründlich an dem köstlichen Nass.

»Genug, Hektor!«, mahnt er das Pferd und legt das Gebiss wieder ein. »Wir sollten beide ein richtiges Bad nehmen, schätze ich – aber ich möchte auch nicht mit der Kanone in der Hand ins Wasser steigen. Well, Kamerad, pilgern wir weiter!«

Hektor schnaubt unwillig, lässt sich aber doch am Zügel den Hang hinaufführen. Jim ist mit dem neuen Pferd sehr zufrieden. Hektor steht dem prächtigen Sunnyboy in nichts nach – er ist sogar noch gelehriger als der Goldfuchs. Jim hat ihm in ziemlich kurzer Zeit eine Menge Tricks beibringen können.

Der Mann steigt wieder in den Sattel und reitet weiter.

Die Sonne brennt. Bienen summen; Schmetterlinge taumeln umher. Vögel zwitschern in den Bäumen des Uferwaldes, und aus einiger Entfernung klingt das Kollern eines Truthahnes herüber.

Der Fluss macht einen Bogen. Jim verlässt das Ufergelände und reitet jetzt schnurgerade nach Westen, zwischen Büschen hindurch und über das Grasland, das sich langsam senkt.

»Noch etwa zwei Stunden, schätze ich«, murmelt Jim und pfeift dann eine Melodie vor sich hin. Plötzlich fällt ihm der Text des Liedes ein, und er beginnt halblaut zu singen:

»Tausend Meilen muss ich reiten

zu den Blauen Bergen hin.

Tausend Tränen weint mein Mädel,

weil ich nicht mehr bei ihr bin.

Tausend Sterne seh ich blinken,

wenn ich nachts im Grase ruh.

Tausend Grüße aus der Ferne

send ich dir, Geliebte du!«

Bald ist der Reiter weit vom Fluss entfernt. Der Pflanzenwuchs wird spärlicher, und zwischen den Grasbüscheln zeigt sich Sand.

»Wollen etwas zulegen, mein Junge!«, sagt Jim und setzt das Pferd in Galopp. Eine lange Staubfahne hinter sich herziehend, jagt er den Hügeln im Westen zu. Als das Gelände ansteigt, fällt das Tier wieder in Schritt.

Die Sonne steht genau im Scheitelpunkt des Himmels, als Jim auf einem Hügel hält und in eine weite Senke hinabblickt. Eine Ortschaft liegt vor ihm.

»Last Sun!«, murmelt der Reiter. »Das Ziel ist erreicht!«

Ein kleiner Bach schlängelt sich durch die Senke, verschwindet im Ort, kommt auf der Südseite wieder zum Vorschein und eilt zwischen Büschen und Bäumen weiter.

Eine halbe Stunde später reitet Jim Chester in Last Sun ein.

Alte Männer, Frauen und ein paar Kinder beobachten den fremden Reiter, dessen Tracht – Hut, Hemd, Reithosen und Stiefel – völlig schwarz ist. Jim sieht nicht einen einzigen Mann im Alter zwischen achtzehn und fünfzig Jahren. Er entdeckt auch kein einziges Reitpferd an den Haltestangen, weder vor einem Lokal noch vor der Schmiede oder dem Store.

Jim kommt am Marshal’s Office vorüber und hält an. Als er sich aus dem Sattel schwingen will, ruft ein alter Mann von der Veranda des Nachbarhauses herüber: »Bleib im Sattel, Fremder! Der Marshal ist mit einer Posse unterwegs! Ist’s wichtig, he?«

»No – ist nicht so wichtig, Großvater!«, sagt Jim grinsend und reitet weiter. Vor der Filiale der Western-Union-Bank hält er an und rutscht langsam aus dem Sattel. Er wirft die Zügel über die Haltestange und geht langsam auf den Eingang zu. Als er sich zufällig umwendet, bemerkt er, dass man ihm von überall her nachschaut. Sogar mitten auf der Straße stehen zwei Frauen, die gespannt herüberstarren.

»Nanu?«, murmelt Jim und greift nach der Türklinke.

Die Tür ist verschlossen. Jim wundert sich mit Recht, denn diese kleinen Bankfilialen inmitten eines Viehdistriktes haben meist den ganzen Tag geöffnet.

Neben der Tür befindet sich ein Fenster. Zwischen den Gitterstäben schiebt sich jetzt der Lauf einer Flinte heraus.

»Was wünschen Sie, Fremder?«, fragt eine heisere Stimme.

Jim nimmt an, dass er den Kassierer der Bank vor sich hat und sagt: »Ich würde gern mal mit dem Chef dieser Bank ein paar wichtige Worte reden!«

»Kommen Sie morgen wieder! Heute ist geschlossen!«

Jim grinst und sagt spöttisch: »Sie sollten sich die Hosen zubinden, Mann! Vor was haben Sie denn Angst, he?«

Ein zweites Gesicht zeigt sich jetzt hinter dem Fenster, und dieses Gesicht kennt Jim. Er schiebt den Hut in den Nacken und sagt eifrig: »Hallo! Mr. Clayes! Sie sind doch Mr. Clayes, wie? Sie sollten mich noch kennen, Mann! Wir hatten vor zwei Jahren in Boisé City das Vergnügen! Damals waren Sie erster Kassierer und …«

»Hallo! Mr. Chester!«, erwidert der Mann. »Sie schickt uns der Himmel! Warten Sie! Ich öffne sofort!«

»Ich würde nicht aufmachen, Mr. Clayes!«, warnt der Mann, der die Flinte hält.

»Quatsch!«, sagt der Bankleiter. »Ich kenne den Herrn!«

Wenig später wird die Verriegelung zurückgeschoben, und Jim muss die Hände des alten Bekannten drücken.

Daniel Clayes ist ein kleiner, schmächtiger Mann, dessen Gesicht sehr hässlich wirkt, da es von Pockennarben übersät ist. Aber so viel Jim weiß, ist Clayes als Bankfachmann sehr tüchtig.

Die Männer betreten zusammen den Kassenraum.

»Das ist Mitshell, mein Kassierer«, sagt Clayes vorstellend. »Meine übrigen Leute sind ganz plötzlich krank geworden und nach Hause gegangen. Was sagen Sie dazu?«

»Was soll ich dazu sagen?«, grinst Jim und blickt lächelnd auf den großen Revolver, den sich der kleine Bankmann umgeschnallt hat. Dann wirft er einen Blick auf den Kassierer, der ihn aus misstrauischen Augen scharf beobachtet. »Sie müssen mir erst mal erklären, was hier überhaupt los ist, Mr. Clayes!«

Der kleine Filialleiter packt Jim am Arm und zieht ihn in den nächsten Raum. Vor einem großen Tresor macht er halt. »Da drin sind mehr als zweihunderttausend Dollars, Mr. Chester!«

»Ist ’n guter, fester Schrank!«, lächelt Jim.

»Nicht gut genug für die Blizzard-Bande!«, sagt Clayes heiser.

»Blizzard-Bande? Stimmt! Die macht den Schrank mit Nitro auf.«

Der Bankleiter wischt sich den Schweiß von der Stirn. Seine Augen flackern unruhig. »In zehn Minuten wird die Blizzard-Bande hier herkommen. Die Kerle werden mich und den Kassierer umbringen und …«

»Na, na … so einfach wird’s ihnen doch nicht gemacht, was? Es werden doch wohl genügend waffenfähige Männer …«

»Eben nicht, Mr. Chester!«, ruft Clayes mit gepresster Stimme. »Die paar Großpapas und Knaben könnten gar nichts gegen die Gangster unternehmen. Die Banditen haben es nur mit mir und meinem Kassierer zu tun – das ist ja eben das Unglück!«

Jim wendet sich plötzlich um, als er Schritte hört.

Der Kassierer taucht in der halboffenen Tür auf und sagt mit zitternder Stimme: »Mr. Clayes! Ich gehe jetzt nach Hause! Es hat ja keinen Sinn. Warum sollen wir uns totschießen lassen? Wenn wir eine Chance hätten, dann …«

»Immer geh’n Sie, Mitshell!«, erwidert Clayes höhnisch. In seinen Augen liegt ein harter Glanz.

»Sie sollten auch lieber …«, beginnt der Kassierer, doch sein Vorgesetzter unterbricht ihn: »Nein! Ich tue meine Pflicht! Machen Sie, dass Sie fortkommen! Auf keinen ist mehr Verlass!«

Jim hört, wie die beiden Männer zur Tür gehen. Dann wird der Riegel vorgeschoben, und Clayes kehrt allein zurück. »Jetzt haben mich alle im Stich gelassen, Mr. Chester!«, sagt er bitter.

»Ich bin ja auch noch da«, erklärt Jim mit sanfter Stimme.

Clayes nickt, zieht aber die Stirn in sorgenvolle Falten.

Jim Chester dreht sich eine Zigarette und zündet sie an. Genießerisch saugt er den Rauch ein und stößt ihn in blaugrauen Wolken aus, »Nun erzählen Sie mal, Clayes! Warum sind alle waffenfähigen Männer weg … und warum ist es so sicher, dass die Blizzard-Bande in zehn Minuten antanzen wird? Es interessiert mich sehr!«

Jim setzt sich auf den Schreibtisch, schlenkert mit einem Bein und raucht. Seine Sporen klimpern leise, und von den Reitstiefeln löst sich etwas Staub.

»Vor Sonnenaufgang war ein Reiter hier«, erklärt Clayes mit leiser Stimme. Er holte den Marshal aus dem Bett und berichtete, dass die Blizzard-Bande oben in den Bergen ein Goldgräber-Camp belagere. Die Digger sollten sich gut verschanzt haben. Innerhalb einer Stunde trommelte der Marshal alle Männer zusammen und ritt mit ihnen los, um den Goldgräbern zu helfen. Das ist der Grund, warum keine kampffähigen Männer in der Town sind!«

»Weiter! Weiter!«, drängt Jim Chester.

»Vor etwa einer Stunde war der Indianer Joe hier. Er ist ein versoffener Kerl. Lebt davon, dass er Rinder und Pferde verarztet. Ansonsten ist er ’n fauler Bursche. Ich habe ihm mal ’nen Dahler geschenkt, als er nach Whisky lechzte. Joe hat es mir nicht vergessen. Er kam aus den Bergen, wo er nach Heilkräutern gesucht hatte. Er will die Blizzard-Bande belauscht haben. Sofort ist er auf seinem Schecken hierher geritten. Joe hat mir erzählt, dass die Blizzard-Bande selbst den Marshal und die Posse aus Last Sun weggelockt hat, um die Bank überfallen zu können. Der Marshal ist ein Narr. Er hat nicht mal gemerkt, warum der Bote nicht mit der Posse geritten ist. Angeblich war sein Pferd abgetrieben. Aber dieser Bote – natürlich ein Bandenmitglied – verließ trotzdem Last Sun. Ich glaube den Worten Joes und habe sofort ein paar Jungs nach den nächsten Ranches geschickt. Die Cowboys sollten mir helfen, Last Sun zu verteidigen. Aber ich fürchte, die Cowboys werden zu spät...

Erscheint lt. Verlag 14.1.2020
Reihe/Serie G.F. Unger Classic-Edition
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • GF • g f barner • Indianer • jack-slade • Jugend • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • martin-wachter • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • sonder-edition • Western • Western-roman • Westernromane • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp
ISBN-10 3-7325-9349-5 / 3732593495
ISBN-13 978-3-7325-9349-1 / 9783732593491
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