Mitten im August -  Luca Ventura

Mitten im August (eBook)

Der Capri-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
336 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61000-0 (ISBN)
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Der Inselpolizist Enrico Rizzi hat es auf Capri zumeist mit kleineren Delikten zu tun und daher genügend Zeit, seinem Vater in den Obst- und Gemüsegärten hoch über dem Golf von Neapel zu helfen. Bis mitten im August ein Toter in einem Ruderboot an den felsigen Strand getrieben wird: Jack Milani, Spross einer Industriellenfamilie und Student der Ozeanologie. Es ist der erste Mordfall für den jungen Rizzi, ein Fall, bei dem es neben der Aufklärung eines Verbrechens auch um die Zukunft der Weltmeere geht.

Luca Ventura ist ein Pseudonym. Der Autor lebt am Golf von Neapel, wo er derzeit am nächsten Fall der Capri-Serie um den Inselpolizisten Enrico Rizzi und dessen norditalienische Kollegin Antonia Cirillo schreibt.

2


Matteo Savio hatte das Wenige berichtet, was er wusste, hatte von einem Boot gesprochen, draußen auf dem Wasser, von Blut und Messerstichen. Rizzi wusch sich schnell an der Pumpe die Hände, stieg in seine Uniform und wollte wissen, ob Ispettore Lombardi informiert sei.

»Es ist Mittwoch«, erinnerte ihn Savio.

»Teresa soll die Guardia Costiera informieren«, sagte Rizzi. »Wir brauchen ein Boot. Und der Zugang nach Punta Carena muss abgesperrt werden, bevor die Badegäste kommen.« Rizzi stieg auf den Roller. »Wo ist Agente Cirillo?«

Savio erklärte, dass sie die Kollegin direkt am Lido treffen würden.

Punta Carena lag mit dem Leuchtturm am südlichsten Zipfel der Westküste, für Capreser Verhältnisse also am Ende der Welt. Es war eine Badebucht mit bequemem Zugang zum Wasser, Bootsverleih und Felsen, auf denen man sitzen und sich sonnen konnte. Die Fahrt mit dem Roller dauerte zwanzig Minuten.

Als sie die große Kurve zum Parkplatz fuhren, stand ein Kollege mit ausgestreckten Armen vor einer Gruppe, rund zehn Leute mit Provianttaschen und Sonnenschirmen, die hinunter zum Wasser wollten. Rizzi parkte quer zum Weg.

»Bis auf Weiteres gesperrt«, hörte er den Kollegen sagen.

»Was ist denn passiert?«, rief jemand.

»Eine polizeiliche Ermittlung«, antwortete Rizzi, nahm den Helm ab und gab dem Kollegen die Hand. Hier oben war von der Bucht nicht viel zu sehen. Der Hang war steil, und Gestrüpp versperrte die Sicht.

»Kommt heute Nachmittag wieder«, riet Savio den Leuten und signalisierte einem ankommenden Wagen, dass er gleich wieder umdrehen sollte. »Dann ist alles wieder normal.«

Der Abstieg über den gepflasterten Weg führte an der Standbar von Maria Pierotti vorbei, die an der Treppe stand und ungläubig rief: »Was ist los, Rizzi? Stimmt es, was deine Kollegin sagt?«

»Falls hier Leute entlangkommen, lass sie nicht runter«, erklärte Rizzi.

»Was soll ich denen denn sagen?«, fragte Maria.

»Dass unten abgesperrt ist. Und dass sie bei dir einen Cappuccino trinken sollen.«

»Und überhaupt: Welche Leute?«, rief sie ihm hinterher. »Ihr lasst ja niemanden durch!«

Nach der zweiten Kurve hatte Rizzi freien Blick. Vom Meer näherte sich ein Boot der Guardia Costiera, und eine uniformierte schmale Gestalt, Antonia Cirillo, stand am Ufer, wedelte mit den Armen und zeigte in die Bucht.

Rund fünfzig Meter vor den Felsen trieb ein Ruderboot, in dem ausgestreckt ein menschlicher Körper lag. Unten angekommen, trat Rizzi neben Cirillo und sah, dass auf dem Bootsrand eine Hand lag.

Die Guardia Costiera nahm Kurs auf das Ruderboot, und Rizzi fragte: »Wer hat den Notruf abgesetzt?«

Cirillo machte eine Kopfbewegung. Abseits, im Schatten der Felsen, saß eine junge Frau im blauen Kleid und neben ihr ein Hund. »Caterina Agnesi heißt sie. Feriengast. Kommt morgens zum Schwimmen hierher.«

Schweigend beobachteten sie, wie die Kollegen von der Guardia Costiera langsam an das Ruderboot heranfuhren, wie sich einer der Männer über die Reling beugte und in einer akrobatischen Nummer begann, ein Seil am Kahn zu befestigen, was schwieriger zu sein schien, als es aus der Entfernung aussah.

»Nervös?«, fragte Rizzi seine neue Kollegin.

»Nein«, antwortete sie knapp, »du?«

Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie sich abgewandt und ging langsam dem Polizeiboot entgegen, das den Kahn jetzt ins Schlepptau nahm.

Seit einigen Wochen war Antonia Cirillo nun schon am Polizeiposten Capri, aber so richtig schlau wurde er aus ihr noch nicht. Warum sie, die schon in ihren Vierzigern war, auf die Insel versetzt worden war und woher sie ursprünglich kam, darüber schwieg sie.

Einer der Polizisten sprang ans Ufer, das an dieser Stelle eine mit Beton geglättete ebene Fläche war. Mit vereinten Kräften zogen sie zu dritt den Kahn an Land. Der Tote geriet dabei in Bewegung, der Kopf wackelte hin und her, die leblose Hand rutschte vom Rand und fiel ins Boot.

Rizzi schätzte ihn auf höchstens Ende zwanzig. Der Mann trug karierte Shorts und ein kurzärmeliges Hemd, das bis zum Bauchnabel aufgeknöpft war. Mehrere Stichwunden waren in der blutverschmierten Brust zu sehen. Stirn und Augen waren von langen Haaren verdeckt, was dem Mann etwas Verwegenes gab. Eine schmale Nase schaute zwischen den Strähnen hervor, gebräunte Wangen und ein unrasiertes Kinn. Rizzi und die Kollegen nahmen betroffen ihre Mützen ab.

Wie er dalag: als hätte er sich überhaupt nicht gewehrt. Oder war er nach dem ersten Stich nach hinten gefallen, mit dem Kopf an der Kante aufgeschlagen und ohnmächtig geworden? Oder gleich gestorben?

Rizzi beugte sich ins Boot. Keine Tasche, kein Gepäckstück, nichts, auch nicht unter der Sitzbank. Er tastete die Hosentaschen des Toten ab. Der Stoff fühlte sich klamm an, und die Taschen waren so eng, dass er mit den Fingern kaum hineinkam.

Soweit er feststellen konnte, waren alle Taschen leer, auch die Gesäßtaschen und die Brusttasche. Rizzi stützte sich an der Bootswand ab und kämpf‌te gegen ein Gefühl der Übelkeit, als Cirillo ihn auf etwas aufmerksam machte.

Unter dem kurzen Ärmel war ein Tattoo zu erkennen. Rizzi schob den Stoff ein paar Zentimeter nach oben.

Auf dem Bizeps war ein kleines Kunstwerk tätowiert, das sich bei näherer Betrachtung als zwei ineinander versch‌lungene Buchstaben entpuppte: S und J.

Cirillo machte ein Foto, als der Kollege von der Guardia Costiera bemerkte, dass nur ein Ruder in seiner Verankerung steckte. Wenn das andere verschwunden war und irgendwo an Land gespült wurde, könnte sich das noch als glücklicher Umstand erweisen, und die Experten in Neapel könnten daraus vielleicht den einen oder anderen Rückschluss ziehen. Und der Außenbordmotor sei so stark, dass man damit auch längere Strecken zurücklegen könnte. Der Mann musste also nicht von der Punta Carena gestartet, sondern konnte überall, in Bagni da Gioia, Marina Piccola oder sonstwo, losgefahren sein.

Man müsste die Küste absuchen. Irgendwo zwischen den Felsen hatte der Mann vielleicht seine Sachen deponiert. Aber eine solche Aktion war allein nicht zu stemmen, dafür bräuchten sie Verstärkung aus Neapel.

Am Eingang der Bucht kreuzten die ersten Boote. Verdammte Gaffer, dachte Rizzi. Sollen sie doch ihre Inselumrundungen machen und die Grotten abklappern.

»Wenn du mit den Fotos fertig bist«, sagte er zu Cirillo, »deck ihn bitte zu.«

Schweigend fuhr sie fort zu fotografieren, und er ging hinüber zur Frau im blauen Kleid. Caterina Agnesi kauerte unverändert auf dem Felsen, und sie schien gar nicht zu bemerken, dass ihr Hund anfing, wie wild herumzuspringen und zu bellen, als Rizzi sich näherte.

Er stellte sich vor und ließ den Hund seine Hand beschnüffeln. »Ich habe ein paar Fragen«, erklärte er und holte sein Notizbuch hervor.

»Mir ist kalt«, sagte sie mit leiser Stimme. »Und ich würde jetzt gerne nach Hause gehen.«

Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr über die Schultern. »Jetzt erzählen Sie mal. Wie haben Sie den Toten gefunden?«

»Ich habe zuerst gar nicht kapiert, dass der Mann tot ist«, sagte sie und berichtete stockend, wie sie, wie jeden Morgen zwischen sieben und acht, wenn es hier noch ganz leer war, hierher zum Schwimmen gekommen war. Das kleine Boot sei ihr gleich aufgefallen, und auch dass da jemand drin lag. Aber sie habe sich nichts Böses dabei gedacht und sei erst, als der Typ sich partout nicht rührte, neugierig geworden und hinübergeschwommen. Sie habe zuerst gerufen, sich dann am Bootsrand festgehalten, sich hochgezogen – und da habe sie ihn gesehen. Ein grauenhafter Anblick. Sie sei, so schnell sie konnte, ans Ufer zurückgeschwommen und hoch zur Strandbar gelaufen. Aber da war noch niemand. Völlig außer sich sei sie gewesen, bis sie endlich ihr Telefon gefunden und die Polizei gerufen habe. Caterina Agnesi verstummte, wischte sich mit dem Handrücken über die Nase und hauchte: »Ich habe den Mann schon einmal gesehen.«

Rizzi ließ sein Notizbuch sinken.

»Auf der Via Camerelle«, erklärte sie. »Er hat Gitarre gespielt. Als Straßenmusiker.«

»Wann war das?«

»Am Samstagabend.«

»Und Sie sind sicher, dass es sich um denselben Mann handelt?«, fragte er, während er sein Buch wieder aufschlug, um sich Notizen zu machen.

Sie nickte, und ihre Unterlippe begann zu zittern.

»War er allein?«

Sie schüttelte den Kopf und rang um Fassung. »Stimmt es denn«, stammelte sie, »wurde er wirklich ermordet?«

»Es sieht danach aus«, erklärte Cirillo, die sich zu ihnen gestellt hatte.

»Bitte entschuldigen Sie. Ich bin eine dumme Gans«, heulte Caterina Agnesi. Sie nahm das Taschentuch, das Rizzi ihr reichte, und schneuzte sich ausgiebig.

»Mit wem haben Sie ihn denn gesehen?«, fragte Rizzi.

»Mit einer Frau.«

»Beschreiben Sie bitte die Frau.«

»Pagenkopf.« Caterina Agnesi schnief‌te und wischte sich mit dem Taschentuch über die Nase. »Dunkle Haare, zierlich, ungefähr so alt wie er. Ich glaube, sie war seine Freundin.«

Rizzi machte sich Notizen. »Was hat sie gemacht?«, fragte er.

Caterina Agnesi knüllte das Taschentuch in ihren Händen. »Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht auf sie geachtet. Ich glaube, sie stand einfach nur bei ihm.«

»Würden Sie die Frau wiedererkennen?«

»Ich denke schon.«

»Haben Sie gesehen, wo die beiden an jenem Abend hingegangen sind, oder mit wem sie gesprochen haben?«

Caterina Agnesi überlegte und schüttelte den Kopf.

»Oder sind Ihnen die...

Erscheint lt. Verlag 25.3.2020
Reihe/Serie Der Capri-Krimi
Der Capri-Krimi
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bauern • Capri • Familie • Golf von Neapel • Industriellenfamilie • Insel • Italien • Italienische Küche • Kriminalroman • Landleben • Meeresbiologie • Mittelmeer • Neapel • Ökokrimi • Ökologie • Patchworkfamilie • Polizist • Polizistin • Sommer • Umweltaktivist • Umweltkrimi • Umweltschutz
ISBN-10 3-257-61000-9 / 3257610009
ISBN-13 978-3-257-61000-0 / 9783257610000
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