Im Tal der roten Sonne (eBook)

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2019 | 1. Auflage
400 Seiten
MORE by Aufbau Digital (Verlag)
978-3-96797-008-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Tal der roten Sonne - Lynne Wilding
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Die Nachricht vom Tod ihres Vaters trifft Carla Hunter schwer und dann erfährt sie auch noch, dass ihr Vater ein Spross der schwerreichen Winzerdynastie Stenmark im südaustralischen Barossa Valley war. Vor vielen Jahren wurde er aus der Familie verstoßen und hat nie wieder davon geredet. Als Cara nun mit ihrem kleinen Sohn in Barossa Valley auftaucht, schlägt ihr Hass und Ablehnung entgegen. Doch Carla kämpft für ihr Erbe, ihr Recht - und für die Liebe ihres Lebens...



Lynne Wilding ist in Australien längst als die Königin der großen Australien-Sagas bekannt und erhielt viele Preise für ihre Romane. Lynne Wilding lebt mit ihrer Familie in Arncliff bei Sydney.

2


Der Morgen dämmerte heran und erhellte das spartanisch möblierte Zimmer, als Carla aufwachte. Sie hatte merkwürdige, beunruhigende Träume gehabt und würde weder Ruhe finden noch in der Lage sein, irgendeine Entscheidung zu treffen, ehe sie nicht das Tagebuch ihres Vaters gelesen hatte. Sie fröstelte, als sie aus dem Bett kletterte, denn die Morgenluft war extrem kühl. Sie zog den Morgenmantel eng um sich und bemerkte, dass Sam noch fest schlief. Sie nahm das Tagebuch und ging auf Zehenspitzen über den polierten Holzboden ins Wohnzimmer.

Ihr Vater und Angie hielten das Haus tipptopp in Ordnung. Es war zweckmäßig eingerichtet und nur mit wenigen Dekorationsstücken geschmückt. Seine einzige Konzession an ›Unordnung‹ war ein kleiner runder Tisch, auf dem mehrere Fotos standen. Zum Beispiel ein Familienfoto – sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Vater. Ein Mitreisender hatte es aufgenommen, als sie in Auckland von Bord des Schiffes gingen, das sie in Italien bestiegen hatten. Neben dem Foto standen ein Hochzeitsfoto von ihr und Derek sowie einige Fotos von Sam in verschiedenen Altersphasen. Dann fiel ihr etwas auf, das vorher für sie nie von Bedeutung gewesen war. Es gab keine Fotos, die vor 1972 aufgenommen worden waren.

Sie nahm das Foto, auf dem ihre dunkelhaarige Mutter abgebildet war, in die Hand. Gina Bardolino-Kruger war ausgesprochen hübsch gewesen, war es vermutlich heute noch. Mit wehmütigem Gesichtsausdruck zeichnete Carla mit dem Nagel ihres Zeigefingers ihre Umrisse nach, denn sie hatte sie seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen. Gina war es nie gelungen, sich an das Leben in Neuseeland zu gewöhnen. Sie hatte Verständigungsschwierigkeiten gehabt, obwohl sie sich einigermaßen in Englisch ausdrücken konnte. Klimatische Unterschiede zwischen dem heiteren Norditalien und dem oft eisigen Valley View sowie die allmähliche Entfernung von Rolfe hatten dazu beigetragen, dass sich ihre einstmals fröhliche Mutter im Laufe der Jahre in eine traurige Frau verwandelt hatte, die ständig darüber klagte, dass sie ihr Leben und ihre Familie in Italien vermisste. Mit der Zeit hasste sie ihre Ehe und alles, was damit zusammenhing.

Sie gab Rolfe die alleinige Schuld, liebte aber Carla über alle Maßen.

Als Verkäuferin in einem Modegeschäft für Damen hatte Gina gut verdient und genug gespart, um nach Vicenza in der Nähe von Venedig reisen zu können und dort mit ihrer Tochter einen dreimonatigen Urlaub bei der Familie zu verbringen. Carla konnte sich daran kaum noch erinnern. Gina blieb in Italien und hatte ihre Tochter nur einmal danach in Christchurch besucht – und zwar nach Sams Geburt.

In den folgenden Jahren, während Sam heranwuchs, war die Beziehung zwischen Mutter und Tochter aufgrund der großen Entfernung und der Tatsache, dass Gina sich um ihre Familie kümmerte und Carla nach Dereks Tod ihren Beruf als Lehrerin wieder aufgenommen hatte, weiter abgeflaut. Sie riefen sich jedoch zweimal im Monat an, und Carla schrieb ihrer Mutter manchmal einen langen Brief. Carla bedauerte die große Entfernung, die zwischen ihnen lag und die ihr einst sehr zu schaffen gemacht hatte. Aber sie war reif genug, um zu begreifen, warum es geschehen war, obwohl es für Sam schön gewesen wäre, wenn er seine Großmutter mütterlicherseits besser kennengelernt hätte.

Carla legte das Foto beiseite und setzte sich in Rolfes Lieblingssessel, der immer noch an derselben Stelle stand. Von dort konnte er durch das Wohnzimmerfenster auf die Rebstöcke schauen. Während sie sich hinsetzte, knarzte das abgewetzte Leder unter ihrem Gewicht. Sie zog die Beine unter sich, um ihre nackten Füße zu wärmen, öffnete das Tagebuch und… fand auf der ersten Seite eine zusammengefaltete Notiz. Sie faltete sie auseinander und erkannte die Schrift ihres Vaters. In ihrer Kehle bildete sich ein Kloß. Er hatte die Notiz in dem Wissen geschrieben, dass sie sie erst nach seinem Tod lesen würde.

 

Liebe Carla,

verzeih mir, dass ich mich wie ein Feigling benommen habe und dir zu Lebzeiten nichts von meiner Vergangenheit erzählt habe. Die Erinnerung war einfach zu schmerzhaft für mich, und ich hoffe, du wirst das verstehen und mir verzeihen.

In Liebe, dein Dad.

 

Sie faltete die Notiz wieder zusammen, steckte sie in die Tasche ihres Morgenmantels und schaute auf das Datum in der oberen rechten Ecke des Tagebuchs. Dienstag, 3. Januar 1962 … Ihr Vater, der im Februar geboren war, war vierundzwanzig Jahre alt gewesen, als er dem Tagebuch seine Gedanken anvertraut hatte. Bevor sie anfing zu lesen, blätterte sie die Seiten durch, von denen viele Eselsohren und Flecken von Essensresten oder Flüssigkeiten aufwiesen – ein Beweis dafür, dass sie in den letzten dreißig Jahren viele Male durchgeblättert und gelesen worden waren.

Sie begann zu lesen und versuchte sich bildlich vorzustellen, was ihr Vater vor so langer Zeit geschrieben hatte…

 

Im Haus der Stenmarks herrschte eine Menge Trubel. Papa als Haushaltsvorstand hatte die Haushälterin Lilly angewiesen, jedes Zimmer in dem zweistöckigen Haus mit den fünfzehn Zimmern gründlich sauber zu machen und herzurichten, bevor Rolfes älterer Bruder Kurt und dessen deutsche Verlobte, Marta Gronow, ankamen. Greta Michaels, seine ältere Schwester, war in heller Aufregung. Ihr Mann John und ihr dreijähriger Sohn Luke wohnten seit dem Tod ihrer Mutter vor drei Jahren in Stenhaus, und Greta hatte die Rolle der Gastgeberin übernommen. Sie gab sich große Mühe, denn sie wollte, dass alles perfekt war – Papa hatte gesagt, dass es so sein musste. Außerdem wollte sie Marta beeindrucken, die aus einer wohlhabenden deutschen Familie mit Grafen und Gräfinnen stammte.

Lisel Stenmark, die Jüngste der Stenmarks, war zehn Jahre alt und wie üblich sehr altklug. Seit dem Tod der Mutter hatte Papa sie über alle Maßen verwöhnt, und fast immer bekam sie ihren Willen. Da alle mit den Vorbereitungen für Kurts Rückkehr beschäftigt waren, lief sie vor und nach dem Schulunterricht mit verdrossenem Gesicht in der Gegend herum und schmollte, weil alle, einschließlich Papa, zu beschäftigt waren, um ihr die gewohnte Aufmerksamkeit zu schenken, die sie von ihnen verlangte.

Rolfe seinerseits war froh, bei dem ganzen Durcheinander eine berechtigte Ausrede dafür zu haben, dass er den ganzen Tag fort war. Von morgens bis abends kümmerte er sich auf Krugerhoff um die Rebstöcke, die jetzt fast reif waren und voller Weintrauben hingen. Zwei Arbeiter, Otto und Ernst, halfen ihm. Nach der Lese in diesem Sommer würde Rolfe den ersten Jahrgangswein abfüllen, der ein sehr guter zu werden versprach.

Ich weiß, dass Papa sauer auf mich ist, obwohl er versucht, es zu verbergen, dachte Rolfe, während er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zu dem kürzlich erstandenen Holden-Versorgungsbetrieb hinunterlief. Papas unzufriedener Gesichtsausdruck heute Morgen beim Frühstück gab ihm eindeutig zu verstehen, dass Rolfe für Rhein-Schloss, das Weingut der Familie, arbeiten sollte, und nicht auf seinem eigenen Weingut. Papas Missfallen und das Bewusstsein, dass er nicht der Sohn war, der Papas Wünsche erfüllte und obendrein zu vielen Themen seine eigenen Ansichten vertrat, waren etwas, mit dem er – ebenso wie sein Vater – sich abfinden musste.

Papa Carl Stenmark war ein Mann der alten Schule. Die Familie hatte Deutschland im späten 19. Jahrhundert verlassen und war nach Australien übergesiedelt. Papa war genauso autokratisch wie Rolfes verstorbener Großvater Wilfred, obwohl Carl die meiste Zeit ein gütiger Tyrann war.

Die Mutter – möge ihre Seele in Frieden ruhen – hatte das Richtige getan und ihrem Sohn 16 Hektar Land vererbt und genug Geld, damit er sein eigenes Weingut erstehen konnte. Eines Tages würde Kurt, der um zwei Jahre ältere Sohn der Familie, sowieso ganz Rhein-Schloss erben. Rolfe wusste das seit seinen Teenagerjahren. Deshalb war es lebenswichtig für ihn, sein eigenes Weingut zu kultivieren und zu entwickeln, um – unter anderem – Papa und Kurt zu beweisen, dass er unabhängig sein konnte und es auch sein würde.

Die Planung des Krugerhoff-Weingutes, das nach dem Mädchennamen seiner Mutter benannt war, war die schwierigste und verantwortungsvollste Aufgabe in seinem Leben gewesen. Obwohl Papa ihn nie gelobt oder irgendein Interesse gezeigt hatte, glaubte Rolfe – wahrscheinlich, weil er es unbedingt wollte –, dass Carl dennoch ein wenig stolz auf ihn war, nachdem er mit enormer Eigeninitiative einiges geschafft hatte. Greta und ihr Mann John lobten ihn sehr für seine Bemühungen. Dies hatte ihm genug Selbstvertrauen gegeben, um weiterzumachen, obwohl er verschiedene Male an seinen eigenen Fähigkeiten gezweifelt hatte. Für diese Rückenstärkung war er Greta und seinem Schwager wirklich dankbar.

 

Carla stieß einen Seufzer aus und schaute von dem Tagebuch auf. Zu lesen, was ihr Vater vor so vielen Jahren geschrieben hatte, seine Gedanken über sich selbst und seine Familie kennen zu lernen, war eine merkwürdige Erfahrung. Aus den wenigen Seiten, die sie erst gelesen hatte, war bereits der Mann ersichtlich, der er werden sollte, der Vater, den sie so geliebt hatte. Aber sie wollte sich Zeit lassen und nicht zu flüchtig lesen, um das, was zwischen der Zeilen...

Erscheint lt. Verlag 20.12.2019
Reihe/Serie Große Liebe, rotes Land
Große Liebe, rotes Land
Große Liebe, rotes Land
Übersetzer Marion Gieseke
Sprache deutsch
Original-Titel Sundown crossing
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Aborigines • Anna Jacobs • Australien • Australien Saga • Barbara Wood • Elizabeth Haran • enttäuschte Liebe • Erbe • Große Liebe • Harmony Verna • Känguru • Koala • Sarah Lark • Schicksal • Ulrike Renk • Weinberg • Winzerdynastie
ISBN-10 3-96797-008-6 / 3967970086
ISBN-13 978-3-96797-008-1 / 9783967970081
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