Schwarzwälder Morde (eBook)

Ein Schwarzwald-Krimi

***

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
384 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00517-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwarzwälder Morde -  Linda Graze
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Schwarzwald-Kennerin Linda Graze: originell und schlagfertig, mit einem hintergründigen neuen Fall für den unverwechselbaren Kommissar Justin Schmälzle. Genießen Sie die erfrischende Schwarzwaldluft - mit einem Hauch von Mord und Verbrechen. Flaute im Polizeiposten Bad Wildbad. Kollege Scholz bastelt Papierflieger, Kommissar Justin Schmälzle - Veganer, Reismilch-Macchiato-Fan und Badener mit haitianischen Wurzeln - langweilt sich. Bis eine Moorleiche mit eingeschlagenem Schädel gefunden wird, bei ihr eine beträchtlichen Anzahl Goldmünzen und eine große Flasche Kirschschnaps. Schmälzle reibt sich die Hände: endlich ein neuer Fall! Aber die Frau lebte im vorletzten Jahrhundert, meldet die Pathologie. Täter tot, seufzt Schmälzle ... Wenigstens erzählt die Putzfrau des Postens von illegal verschobenen Grenzsteinen zwischen der Schnapsfabrik und der geplanten Wildbader Ferienanlage. Dann schießt jemand dem Investor der Anlage in den Fuß. Wer war das? Warum? Und bestimmt nicht immer die Vergangenheit die Gegenwart?

Linda Graze verbrachte ihre Kindheit im Nordschwarzwald. Nach einer Ausbildung zur Dolmetscherin beschloss sie: Nicht die Texte anderer übersetzen, lieber selber schreiben! Sie wurde Werbetexterin und arbeitete für die großen Agenturen des Landes, von München über Hamburg bis Frankfurt. Sie schrieb Kampagnen für Kameras und Kosmetik, textete für Sahnebonbons, Schokoriegel und Schrauben. Inzwischen betreibt sie eine Recruiting-Agentur für die Werbebranche in Stuttgart.

Linda Graze verbrachte ihre Kindheit im Nordschwarzwald. Nach einer Ausbildung zur Dolmetscherin beschloss sie: Nicht die Texte anderer übersetzen, lieber selber schreiben! Sie wurde Werbetexterin und arbeitete für die großen Agenturen des Landes, von München über Hamburg bis Frankfurt. Sie schrieb Kampagnen für Kameras und Kosmetik, textete für Sahnebonbons, Schokoriegel und Schrauben. Inzwischen betreibt sie eine Recruiting-Agentur für die Werbebranche in Stuttgart.

Montag, 6. Mai


Während im Bannwald die frühen Vögel zwitschern

«Du musst unten anfangen zu graben, Harald. Im Keller. Da liegt die erste Leiche. Um die geht es, bei jeder Serie.» Schmälzle nippt an seinem Reismilch-Macchiato und bringt den Schreibtischstuhl in Schräglage. Aus den Augenwinkeln betrachtet er den Polizeipostenleiter, der am anderen Schreibtisch sitzt und sich über eine aufgeschlagene Zeitung beugt. Schmälzle glaubt, zwei, drei neue Silberfäden in den dunklen Haaren des Kollegen auszumachen. Könnte aber auch am Licht liegen – der Posten ist sonnendurchflutet.

Scholz fragt: «Von welcher Serie sprichst du? Wir haben nicht mal einen einfachen Mord.»

«Noch nicht, Kollege.» Schmälzle fährt sich über die Stoppelhaare und seufzt. «Wenn sich mal die Särge vor uns stapeln, finden wir bei der ersten Leiche das Motiv.»

Der Postenleiter sieht ihn scharf von der Seite an. «Ist alles okay mit dir, Schmälzle?»

«Das ist Polizeipsychologie, Harald.»

«Aha.»

«Es ist symbolisch gemeint. Metaphorisch. Also im übertragenen Sinne.»

«Übertragene Leichen. Metaphorische Tote. Soso.» Scholz legt die Zeitung weg und knackt seine Finger.

Das Seminar gestern war gut, fand Schmälzle. Er hat die alten Kollegen getroffen, sie haben über Täterprofile und Tatmotive diskutiert und danach zwei Bier über den Durst getrunken. Er vermisst das Dezernat 1.1 Kapitalverbrechen, Selbsttötungen, Brände und Beamtendelikte der Kriminalinspektion Karlsruhe. Hätte die Rommel-Klinik nicht gerufen und seine Frau nicht geklagt – «Justin, ich kann dieses Angebot nicht ablehnen!» –, er säße heute noch dort. «Wir könnten pendeln», hatte er vorgeschlagen. «Und Sam geht im Zug zur Schule?», hatte sie entgegnet.

Seitdem sitzt Schmälzle in der Bätznerstraße 2, im Posten des beschaulichen Bad Wildbads, wo ihn eine tiefe Stimme ermahnt: «Während du nach symbolischen Leichen gräbst, Kollege, kümmere ich mich um die Anzeige.» Mehrmals tippt Scholz auf ein Papier, das auf seiner Zeitung liegt.

Schmälzle kann nicht lesen, was auf dem Papier steht, weil Scholz’ Schreibtisch zwei Meter von seinem entfernt steht. Quer. Also fragt er höflich: «Was für eine Anzeige, Harald?» Dabei streicht er das blaue T-Shirt über seinen Bauchmuskeln glatt. Es spannt – er hatte viel Zeit zum Trainieren in den vergangenen Monaten.

«Eine echte Anzeige, Schmälzle. Aus dem Hier und Jetzt.»

«Okay, Harald. Du kümmerst dich um die Anzeige, und ich löse die Kriminalfälle.»

Scholz hebt die Brauen.

«Also wieder nichts Neues.» Frustriert leert Schmälzle den Macchiato.

«Der Reichsbürger sitzt im Knast. Und der böse Wolf ist fort», sagt Scholz.

«Der Flüchtling aus Norddeutschland. Wie hieß der noch mal?»

«GW852.»

«Du hattest doch so großes Verständnis für ihn, Harald.»

«Der war ja auch ein einsamer Wolf.» Mit diesen Worten hebt der Postenleiter das Papier auf seiner Zeitung hoch und faltet es der Länge nach.

«Er hat dreißig Schafe gerissen. In einer einzigen Nacht.» Schmälzle fragt sich, was der Kollege wohl vorhat?

Scholz klappt die rechte obere Ecke zur mittigen Linie um. Grummelt: «Es war eine blutrote Nacht.» Dann wiederholt er das Ganze mit der linken Ecke.

Schmälzle erinnert sich gut an den Tag, an dem vierundvierzig Schafe auf der Landstraße zwischen Bad Wildbad und Enzklösterle getötet wurden. «Wildbad wird Wolfsland», unkte die Presse. Danach gab es noch Probleme mit einem renitenten Reichsbürger. Bei dessen Festnahme im Ortsteil Calmbach wurde ein Kollege angegriffen und musste im Krankenhaus behandelt werden. All dies geschah im letzten Jahr. In diesem Jahr gab es bisher nur eine Drogenrazzia. Hundert Kollegen waren beteiligt, die über sechzig Kilo Marihuana, zudem Ecstasy, Bargeld sowie Waffen sichergestellt und eine Cannabis-Aufzuchtanlage trockengelegt haben. Sieben Gebäude wurden allein in Bad Wildbad durchsucht, weitere im Raum Böblingen und im Ortenaukreis. Wochenlang waren sie dran. Schmälzle hatte Blut geleckt. Inzwischen ist das Blut wieder getrocknet.

Scholz holt ihn zurück in die Gegenwart. «Die Anzeige betrifft dich, Schmälzle.»

Sein Schreibtischstuhl dotzt auf dem Holzboden auf. «Mich? Wieso mich?»

Scholz faltet das Papier jetzt längsseitig und lässt eine Ecke die erste Tragfläche bilden. Dann wendet er das Blatt und widmet sich der zweiten Tragfläche. Vorsichtig nimmt er das Konstrukt in die Hand und schlägt die Enden zu Stabilisatoren um. Danach schickt er es auf die Reise. Flugrichtung Schmälzle. Der fängt den Papierflieger mit Daumen und Zeigefinger ab und lässt ihn zum Postenleiter zurücksegeln. Flach über die Schreibtische hinweg jagt das Objekt durch den Luftraum. Mit einem kühnen Hechtsprung schnappt Scholz nach dem Flieger und ruft: «Was du wieder für ein Glück hast, Kollege.»

Schmälzle taxiert Scholz. Warum dieser vor einem halben Jahr seine Uniform gegen Schwarz eingetauscht hat, weiß er bis heute nicht. Aber es ist jeden Tag das Gleiche: schwarzer Pulli zur schwarzen Stoffhose. Schwarzes Hemd zur schwarzen Cargohose. An diesem Tag steht schwarzes T-Shirt zu schwarzen Jeans auf dem Kleiderzettel.

«So einen Chef hatte ich nie», sagt Scholz. «Hätt ich immer gern gehabt.»

«Wie meinst du das, Harald?»

«So, wie ich es sage, Schmälzle. Weder symbolisch noch metaphorisch.»

Bevor Schmälzle Zeit hat, das Gesagte in seinem Hirn zu verarbeiten, düst das Flugobjekt über seinen Kopf hinweg. Weil die Fenster weit geöffnet sind – das Thermometer kletterte schon am Vormittag auf 20 Grad –, segelt der Flieger in die Freiheit. Er passiert die Stacheln des Kaktus, windet sich ein-, zweimal in der Schwarzwaldluft und steuert geradewegs auf den Gehweg zu. Schmälzle ist ans Fenster getreten und starrt dem Flieger erschrocken nach. Dabei erspäht er eine Seniorengruppe, die mit Walkingstöcken bewaffnet das ehemalige Forsthaus mit den hübschen grünen Fensterläden bestaunt. Als der Flieger über ihre Häupter gleitet und hernach im freien Fall zu Boden geht, ruft ein Weißhaariger: «Ha, waaas!»

«Ha, no!», pflichtet ihm eine Seniorin bei, die sich nach vorne beugt, den Blick auf den Flieger gerichtet. Schmälzle schaut auf einen Rücken voller Rosen.

Ein ballonartiger Glatzkopf schleicht sich an das Papier heran und verkündet mit kehliger Stimme: «Des kommt von der Wildbader Bolizei!»

«Ha, ja!», antwortet die Rosenbluse. Beide gehen in die Hocke und taxieren den Flieger argwöhnisch. Doch der liegt reglos im Rinnstein und macht keine Anstalten zu explodieren.

«Die henn an schwarze Kommissar, henn ihr des gwusst?», fragt der vierte Senior. Sein gelbes Käppi lässt Schmälzle an den Schrecklichen Pfeilgiftfrosch denken.

«An schwarze Kommissar?» Der Weißhaarige klingt nicht erstaunt, er klingt belustigt.

«Der guckt grad zom Fenschter raus», berichtet Seniorin Nummer fünf. Den Kopf in den Nacken gelegt, schiebt sie ihr türkises Stirnband zum Haaransatz hoch.

Die Rosenbluse formt Daumen und Zeigefinger zu Kringeln und kreist damit ihre Augen ein, als befürchte sie, die bloße Sehkraft würde ihr ein Schnippchen schlagen. Sie mustert Schmälzle neugierig.

Der beugt sich weiter aus dem Fenster. Wedelt mit den Armen, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. «Entschuldigen Sie bitte!», schreit er. «Der Flieger da, also der ist uns versehentlich entwischt, ich hol ihn gleich, lassen Sie ihn einfach liegen.»

«Isch des ein Corpus Delicti?», fragt der Pfeilgiftfrosch.

«Net anfasse!», warnt die Rosenbluse. «Da könntet Spure drauf sei.»

«Entführet die Leut jetzt scho Papierflieger?», wundert sich der Glatzkopf.

In das laute Lachen der Senioren tönt der Bass von Scholz. «Schmälzle! Pass auf, dass die das nicht zu lesen kriegen.»

Schmälzle wird das Gefühl nicht los, erneut eine Karte aus dem Stapel gezogen zu haben, die mit dem Buchstaben A beginnt. Er überlegt, ob er springen soll. Es ist das Hochparterre, keine große Sache. Aber es würde komisch aussehen, wenn ein Hauptkommissar aus dem Fenster seines Postens hüpft, ohne dass im Hintergrund die Flammen lodern. Erleichtert stellt er fest, dass die mit dem türkisen Stirnband den Flieger aufgehoben hat.

Sie hält ihn triumphierend in die Luft. «Des isch net g’sund, wenn mer sich uffregt», sagt sie und nähert sich mit einem verschmitzten Zwinkern dem Fenster. Dann fügt sie hinzu: «Senn Sie mit dem, wie heißt der nomal, Werner, wie …»

«Will Smith», lacht der Pfeilgiftfrosch.

«Senn Sie mit dem verwandt?», fragt die Rosenbluse.

Schmälzle verneint. Dann beugt er sich weiter aus dem Fenster, tief hinab, bis er den Flieger zu fassen kriegt.

Auch Scholz ist inzwischen ans Fenster getreten und späht über Schmälzles Schulter auf die konzertierte Seniorenaktion. «Wollen Sie eine Meldung machen?», brüllt er in die Runde.

«Ha, noi», sagt der Weißhaarige.

«Wer weiß», fiept der Pfeilgiftfrosch, worauf wieder fünfstimmiges Lachen folgt.

Doch Scholz versetzt der heiteren Runde den finalen Stoß: «Die Arrestzelle ist gerade frei. Sie ist frisch geputzt, immer hereinspaziert.»

«Dankscheh», haucht die Rosenbluse.

«Mir esset unser Gnadenbrot lieber in der Wirtschaft», meint der Glatzkopf. Eiligst verabschieden sich alle Fünfe und stapfen schnellen Schrittes und schnaufend den steilen Berg hinauf, den Stöcken nach, die dockdockdock...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2021
Reihe/Serie Schwarzwald-Krimi
Schwarzwald-Krimi
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bad Wildbad • Eberhofer • humorvoller Krimi • Kirschschnaps • Krimi • krimi lustig • Kriminalroman • Kriminalroman aus dem Schwarzwald • Krimi Neuerscheinungen 2021 • Krimis Neuerscheinungen 2021 • Regiokrimi • Regionalkrimi • Rita Falk • Schmälzle • Schnaps • Schwarzwald • Schwarzwald Krimi • Witziger Krimi
ISBN-10 3-644-00517-6 / 3644005176
ISBN-13 978-3-644-00517-4 / 9783644005174
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