Bornholmer Schatten (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2020 | 2. Auflage
368 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1949-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bornholmer Schatten -  Katharina Peters
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Fluchtort Bornholm.

Sarah Pirohl galt als hoffnungsvolle Kommissarin, doch gleich ihr erster eigener Fall in Rostock ging schief. Ein Mädchen wurde ermordet, und der Hauptverdächtige beging in der Haft Selbstmord. Wenig später aber wurde eine zweite Leiche gefunden - auf die gleiche Art getötet. Weil sie sich ihre Ermittlungsfehler nicht verzeihen kann, zieht Sara sich nach Bornholm zurück. Bis Henrik, ein ehemaliger Kollege, vor ihrer Tür steht. Ein weiterer Mord ist passiert, und es gibt Hinweise, dass der Täter eine Verbindung zu Sarah hat. Dann wird die nächste tote Frau gefunden - ausgerechnet auf Bornholm ...

Ein atmosphärischer, packender Roman von der Bestsellerautorin der Romane 'Schiffsmord' und 'Todeswoge'.



Katharina Peters, Jahrgang 1960, schloss ein Studium in Germanistik und Kunstgeschichte ab. Sie ist passionierte Marathonläuferin, begeistert sich für japanische Kampfkunst und lebt am Rande von Berlin. An die Ostsee fährt sie, um zu recherchieren, zu schreiben - und gelegentlich auch zu entspannen.

1


Der Hafen von Rønne tauchte schemenhaft im Novembernebel auf. Sarah stand an Deck und beobachtete, wie die Silhouetten nur zögerlich an Schärfe gewannen, während die Fähre gemächlich die Hafeneinfahrt passierte. Auf den zahlreichen Ferienreisen, die sie als Kind und Jugendliche mit ihren Eltern nach Bornholm unternommen hatte, war dies stets der Augenblick gewesen, auf den sie bereits eine Stunde vor dem Eintreffen sehnsüchtig in die Ferne starrend an der Reling gewartet hatte – bis sie endlich zu sehen waren: die roten Dächer der eng aneinandergeschmiegten Häuser, im Hintergrund die Kirchturmspitze, das Hafengelände mit seinen Baustellen und Kränen, das Gewusel an der Hafenstraße, das Kreischen der Möwen unter knallblauem Himmel, häufig jedenfalls. Doch selbst wenn sie im strömenden Regen angekommen waren, ihre unbändige Vorfreude hatte das kaum erschüttern können.

Sarah hatte vergessen zu zählen, wie oft sie bereits auf der Insel gewesen war – meist im Sommer, manchmal auch im Frühjahr –, doch sie konnte sich noch gut an die ersten Radtouren erinnern, die ihre Eltern mit ihr unternommen hatten. Anfangs hatte sie als Kleinkind bequem im Anhänger gesessen, später war sie auf einem wunderbaren Liegerad meist vorneweg gefahren – immer an der Küste entlang, durch dichte Kiefernwälder oder oben im Norden am Rande der schroffen Klippen. Sie hatten auf Naturplätzen gecampt und abends der Brandung gelauscht, wunderbares Softeis gegessen – angeblich gab es auf Bornholm die größte Eisportion weltweit zu kaufen – und Hering, geräucherten Hering, bis der Bauch prall war. Ihre Mutter bezeichnete Bornholm immer als Ostseeperle mit südlichem Flair und wurde nicht müde, bei jedem Aufenthalt die Offenheit, selbstverständliche Gelassenheit und Bedächtigkeit der Inselbewohner hervorzuheben. Nirgendwo auf der Welt gab es ein Oldtimer-Rennen wie auf Bornholm, bei dem der Langsamste gewann. Großstadthektik war hier ein Fremdwort, eigentlich jegliche Hektik. Ihr Vater hatte von den Kämpfen und Streitereien der Dänen und Schweden um die Insel in vergangenen Jahrhunderten erzählt, und auf jeder Reise hatten sie der Burgruine Hammershus im Norden und den Bunkern der Kanonenbatterie aus dem Zweiten Weltkrieg im Wald von Dueodde einen Besuch abgestattet. Zweimal waren auch die Großeltern in den Ferien mit von der Partie gewesen, die mit ihrer Segelyacht von Stralsund nach Bornholm geschippert waren. Jahrelang hatte zu Hause in Potsdam in Sarahs Zimmer eine überdimensionale Wandkarte von der Insel gehangen, die sie nach jedem Aufenthalt mit Zeichnungen und Anmerkungen ergänzt hatte; als sie älter wurde, hatte sie fotografiert und kleine Videos gedreht.

Mit achtzehn war sie zum ersten Mal ohne ihre Eltern, dafür mit Schulfreunden auf die Insel gefahren. Sie hatten ein großes Haus am Balka-Strand im Südosten gemietet, um zu surfen, zu feiern, zu kiffen und Sex ohne Ende zu haben. Das war vor zehn Jahren, dachte Sarah, kurz nach dem Abitur. Zwei wunderbare unvergessliche Wochen, die den Abschluss der Schulzeit markierten und zugleich den Aufbruch in ein völlig neues Leben – Umzug nach Berlin, Studium, das sie nach einigen Semestern abgebrochen hatte, um die Kommissarinnenlaufbahn einzuschlagen, schließlich die Stelle in Rostock. Einige Jahre hatte sie ihre Sommerferien in Spanien, Frankreich, Irland verbracht, um dann schließlich doch wieder die alte Tradition aufleben zu lassen, insbesondere nachdem Freunde aus Berlin auf Bornholm ein neues Zuhause gefunden hatten.

Tobias und Lisa, einige Jahre älter als Sarah, hatten sich als Ärzte auf der Insel niedergelassen und lebten seit drei Jahren in Rønne. Sie waren nie ihre engsten und vertrautesten Freunde gewesen, Menschen, mit denen man sich ständig austauschte und jeden Kummer teilte, aber Sarah hatte den Eindruck, dass sie sich seit gefühlt einer Ewigkeit kannten und gerade im Notfall die richtigen Ansprechpartner waren. Als sie angerufen hatte, um zu fragen, ob sie für einige Zeit in ihrem Ferienhaus unterkommen könnte, hatte Lisa sofort zugesagt.

»Natürlich. Wir wollten es in diesem Herbst endlich mal renovieren, das ist längst fällig, aber …« Leises Lachen. »Wir sind bisher wieder nicht dazu gekommen. Also, wenn es dir nichts ausmacht, dass es keine Zentralheizung gibt und längst ein neuer Anstrich fällig ist, von einem halben Dutzend anderer kleinerer Reparaturen mal ganz zu schweigen, komm vorbei, wann immer du willst, und bleib, so lange du magst.«

»Das ist sehr großzügig, danke. Ich bezahle natürlich …«

»Ach, komm, das können wir besprechen, wenn du hier bist.« Kurzes Zögern. »Warum erst jetzt, wenn hier alles still und einsam wird? Wir hatten einen wunderbaren Sommer, du hättest ihn in vollen Zügen genossen.«

Ich hatte einen schrecklichen Sommer, dachte Sarah. Mein Leben ist aus den Fugen geraten, und die Stille an der See ist genau das, was ich jetzt brauche. »Darüber sprechen wir, wenn ich da bin, okay?«, hatte sie schließlich gesagt.

Lisa hatte einen Moment geschwiegen. »Natürlich. Sag Bescheid, welche Fähre du nimmst. Wir freuen uns.«

Sarah spürte plötzlich, dass ihre Hände taub geworden waren, und stopfte sie tief in die Taschen ihrer Jacke. Ein kalter Wind fegte übers Deck. Der nahende Winter lag in der Luft, und es hieß, er würde diesmal ungewöhnlich streng werden. In den meisten Jahren herrschten zwischen November und März vergleichsweise milde, nahezu mediterrane Temperaturen auf Bornholm, bitterer Frost und schneereiche Zeiten waren selten, aber nicht gänzlich ausgeschlossen.

Das Schneechaos vor einigen Jahren würde den Bornholmern sicher lange in Erinnerung bleiben; die Bilder von der eingeschneiten und sturmumtosten Insel, die unter meterhohen Schneemassen ächzte, waren um die ganze Welt gegangen; einzelne Höfe und Gemeinden, die Sarah als sonnendurchflutete Idyllen kennen- und lieben gelernt hatte, waren komplett abgeschnitten – und inmitten dieser unberechenbaren Naturgewalten: die Dänen mit ihrer zupackenden, hilfsbereiten Art, die es sich nicht nehmen ließen, auch oder gerade unter diesen Umständen Weihnachten zu feiern.

Sarah drehte sich um und ging unter Deck zu ihrem Wagen. Während sie langsam aus dem Bauch der Fähre fuhr, traf eine Sprachnachricht von Lisa ein.

»Tut mir leid, Sarah, dass wir beide nicht zu Hause sind – Notfall in der Klinik.« Ihre Stimme klang etwas aufgeregt. »Fahr zum Haus. Der Schlüssel liegt an der üblichen Stelle. Holz und Kohle für den Ofen findest du im Schuppen. Du weißt ja Bescheid. Melde mich später. Oder auch Tobias. Komm gut an.«

Øster Sømarken lag an der Südküste. Die Strecke von Rønne über Arnager und Pederska betrug gut zwanzig Kilometer, und wenn man gemütlich unterwegs war und den Blick schweifen ließ, benötigte man eine halbe Stunde. Das kleine Ferienhaus lag in einem lichten Kiefernwald, wenige Meter vom Strand entfernt. Im nahegelegenen Fischerhafen gab es den besten frischgefangenen Fisch, den Sarah je gegessen hatte. Als sie am Haus eintraf, war es später Nachmittag und der Himmel immer noch grauverhangen. Sie stellte ihr Gepäck ins Haus und schlug den Weg zum Strand ein. Die See war unruhig. Sarah setzte sich und ließ den feinen Sand zwischen ihren Fingern hindurchrieseln. Kein Mensch war zu sehen. Die Ferienhäuser waren verwaist. Dämmrige Schatten krochen über den schmalen Strand. Einen Moment hatte sie das Gefühl, in einem seltsamen Traum gefangen zu sein.

»Du wirst umkommen vor Einsamkeit«, hatte ihre Mutter gesagt, als Sarah ihre Eltern in Potsdam besucht und nach einigen Tagen ihr Vorhaben angekündigt hatte, eine längere Auszeit auf Bornholm zu nehmen. »Ein dunkler skandinavischer Herbst macht dich nur trübe. Bleib doch erst mal bei uns. Wir finden eine Lösung. Dieser Polizeijob war nicht das Richtige für dich, aber das ist nicht weiter tragisch. Du bist so jung, nimm doch einfach dein Studium wieder auf. Obwohl wir es damals nicht ausdrücklich betont haben – dein Vater und ich waren immer der Ansicht, dass du mit Jura und Wirtschaft besser gefahren wärst. Du wirst sehen, in ein paar Wochen sieht dann alles schon wieder ganz anders aus.«

Dazu hatte sie dieses beschwichtigende Mamalächeln aufgesetzt – nichts passte weniger zu dem, was Sarah erzählt hatte. Doch die Einschätzung ihrer Mutter umkleidete es in nahezu perfekter Weise. Und ihr Vater? Er hatte mit ernster und anteilnehmender Miene genickt. Viel hätte nicht gefehlt, und er hätte ihr auf die Schulter geklopft. Das wird schon wieder.

Habt ihr mir überhaupt zugehört?, hatte Sarah gedacht, einen Moment wie erstarrt. Es geht nicht um irgendeinen Stress im Job oder um Liebeskummer oder Ähnliches.

Am nächsten Morgen war sie in aller Frühe abgereist – über Rostock, wo sie das Notwendigste gepackt und für eine längere Abwesenheit vorbereitet hatte, hoch nach Rügen bis Sassnitz und dann auf die Fähre. Sie war sicher, dass ihre Eltern mit allem gerechnet hatten, nur nicht damit, dass sie sich tatsächlich allein auf den Weg machen würde.

Sarah fröstelte, stand auf und klopfte sich den feinen Sand aus der Hose. Langsam ging sie zum Haus zurück. Sie machte Feuer, räumte ihre Taschen aus und füllte den Kühlschrank mit Lebensmitteln, die sie unterwegs besorgt hatte.

Das Haus war klein und bescheiden – ein typisches buntes dänisches Sommerhaus, umgeben von einem großen, aber nicht eingezäunten Grundstück, das notfalls auch im Winter genutzt werden konnte – und bestand im Wesentlichen aus einem Wohnraum mit Küche und einem großen Kaminofen, zwei Schlafzimmern, einem Bad, Terrasse und...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2020
Reihe/Serie Sarah Pirohl ermittelt
Sara Pirohl ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bornholm • Dänemark • Hammerhus • Kommissarin • Ostsee • Romy Becarre • Rostock • Staatsanwältin • Suizid
ISBN-10 3-8412-1949-7 / 3841219497
ISBN-13 978-3-8412-1949-7 / 9783841219497
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