Vatermilch (eBook)

Die nackte Wahrheit übers Vatersein

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
256 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-26413-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vatermilch -  Max &  Jakob
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Eine Windel kommt selten allein - alles, was Väter wissen müssen!
Fernab von beschönigenden Klischees sprechen Max und Jakob, bekannt aus dem Erfolgspodcast »Beste Freundinnen«, über alles, was Väter und werdende Väter bewegt: Wie reagiert man, wenn die Freundin schwanger wird? Wie übersteht man die Geburt? Und wann muss man ein Baby eigentlich wickeln? Unterhaltsam, witzig und gespickt mit hilfreichen Tipps erzählen die beiden Väter, warum man seiner schwangeren Freundin besser nicht sagt, dass sie dick aussieht, was man(n) unbedingt im Kreißsaal dabei haben sollte und was es für ein Gefühl ist, das erste Mal seinen Nachwuchs in den Armen zu halten. Ein absolut ehrliches Must-have für alle Männer!

Max ist der fleischgewordene Spießertraum mit Freundin, Kindern und Reihenhaus. Ein Leben, das sich jeder vielleicht mal vorgestellt hat, bevor es ganz anders kommt.

Jakob war bisher bekennender Dandy. Jetzt wurde er von einer Frau und der Nachricht, bald Vater zu werden, überrannt.

Zusammen haben sie den erfolgreichen Podcast »Beste Freundinnen«. Eine Beziehung, die zusammenpasst wie Romantik und Frittenfett, aber durch Herz und Humor verbunden ist.

Wenn man ungeplant Vater wird


Jakob: Angst. Angst war in meinem Leben das Gefühl, das ich immer vermeiden wollte. Ich war dabei lange sehr erfolgreich, bis zu dem Tag, als ich 14 Anrufe in Abwesenheit von Alina auf dem Handy sah. Ich rief sie sofort zurück. Noch bevor ich ihre Stimme hörte, fühlte ich mich wie bei einem heftigen Autounfall. Die Reifen hatten bereits den Boden verlassen und reckten sich in Richtung Himmel. Alles lief in diesem Moment wie in Zeitlupe ab. Ich wusste, dass ich gleich aufprallen würde. Ich wusste, dass ich nicht angeschnallt war. Ich wusste, was sie zu sagen hatte. »Ich muss dir etwas sagen …«, dieser Satz läutet oft ein Ende ein. »Ich habe jetzt den zweiten Schwangerschaftstest gemacht, und er ist auch positiv.« Das Ende aller Unbeschwertheit. Sex und Zeugung waren bis zu diesem Moment nicht miteinander verbunden gewesen. Oft praktiziert und nie ist etwas passiert. Vielleicht war ich in der Routine nachlässig geworden. Vielleicht hatte mein Unterbewusstsein schon den Weg geebnet. Es war wie die Todesanzeige meines alten Lebens.

Ich war wie gelähmt. Ruhig im Auge des Orkans. Die Ruhe hielt allerdings nur 60 Sekunden an, und von da an versuchte mein Gehirn, tausend Gedanken pro Millisekunde durch den Flaschenhals meines Verstandes zu pressen. Die Panik kochte über. Es war wie wenn man zum ersten Mal realisiert, dass wir irgendwann alle sterben werden. Es gibt kein Entkommen. Egal wie reich, schön, gesund oder berühmt man ist. Alle müssen sterben. Es gab in diesem Moment für mich nur den Ausweg, die Realität zu biegen, und ich schlug einen Schwangerschaftstest einer anderen Marke vor. Aber auch der war nur eine Bestätigung dessen, was wir schon längst wussten.

Ich ging meine Möglichkeiten durch, und endlich übernahm mein Verstand wieder und breitete die Löschdecke über meine Angst. Abtreiben oder bekommen? Abtreiben oder bekommen? Mit diesem Gedanken machte ich mich auf den Weg zu meiner Freundin. Alina öffnete, mit Eyeliner-verschmiertem Gesicht, die Tür nur einen schmalen Spalt, als ob sie mit der Sache lieber alleine sein wollte. Wir waren zu diesem Zeitpunkt drei Monate zusammen. Die meisten Affären in den letzten fünf Jahren kannte ich besser als sie. Wer war sie, die Frau, die dort im Türrahmen stand? War es die Mutter meines zukünftigen Kindes? Ihr Gesicht war tieftraurig und sprach eine andere Sprache. Schon komisch, wie das Leben immer wieder eine Frage der Perspektive ist. Wahrscheinlich gibt es keine Sache auf der Welt, die den Canyon der Gefühlswelten weiter aufreißt als die Nachricht einer Schwangerschaft. Auf der einen Seite gibt es Paare, die es Monate oder gar Jahre probieren, in Fertilitätskliniken viel Geld ausgeben, sich beim Sex verrenken und Hormontherapien unterziehen, um dann, wenn es geklappt hat, bei einem positiven Schwangerschaftstest vor Glück zu explodieren; oder bei denen, wenn es nicht klappt, die Beziehung daran zerbricht. Auf der anderen Seite gibt es One-Night-Stands, für die ein positiver Schwangerschaftstest ein Schock ist. Klar lautet dann die erste Frage, wie man nur so dumm sein konnte, ungeschützten One-Night-Stand-Sex zu haben. Aber das gehört in das Notgeil-Kapitel. Wir waren auf jeden Fall eher auf der One-Night-Stand-Seite.

Ich trat ein und fragte Alina, wie es ihr ging. Den Umständen entsprechend scheiße, lautete ihre Antwort. Klar, das hätte ich mir auch selber denken können. War auch mehr so eine leere Routinefrage und als amerikanisches »How are you« gemeint. Wenn man die Antwort nicht aushält, ist es eh so eine Sache, nach den Gefühlen einer anderen Person zu fragen.

»Was denkst du?«, fragte ich weiter.

»Ich weiß es nicht.«

Ich fragte sie, wie lange man es machen kann.

»Was machen?«

Na, sich dafür oder dagegen entscheiden? Bei dafür ist klar: Es bedeutet ein Leben lang. Ich wollte mehr über das Dagegen wissen und ihre Meinung dazu hören, aber ich wollte das Wort nicht aussprechen. Von diesem Moment an hörte für mich auf eine Weise immer eine dritte Person zu, und wenn sie bleiben sollte, wollte ich nicht, dass sie davon erfährt, dass ihre Eltern die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, sie loszuwerden. Muss irgendwie ein komisches Gefühl sein, als kleiner Erdnussflip im Bauch, wenn man seine Bald-Eltern über das eigene Ende philosophieren hört. Das bittere Ende ist dann mal wirklich bitter.

Unter keinen Umständen wollte ich also vor dem werdenden Kind darüber reden. Es sollte keine pränatale Traumatisierung erfahren, falls es so was gibt, die es dann später in der Pubertät auf die schiefe Bahn bringen würde. Spätestens mit 45 bei irgendeinem spirituellen Trauma-Coach hätte es unter glühenden Räucherstäbchen nämlich davon erfahren und wäre endlich auf den Ursprung seines verkorksten Lebens gestoßen. Nicht mit mir.

Alina und ich redeten nicht viel. Irgendwie gab es nicht viel zu besprechen. Der Elefant stand im Raum, in Form einer befruchteten Eizelle, das wussten wir beide.

Wir legten uns still aufs Bett. Ein Ort, der zuvor immer Erotik ausgestrahlt hatte. Es konnte dort jeden Moment passieren. Jetzt war eine ganz andere Sache passiert. Sex hatte bewiesen, wofür er im Kern da ist. Der ganze Spaß ist vor allem gemacht, damit wir uns vermehren.

Da lagen wir also auf dem enterotisierten Bett. In Extremsituationen sind sich zwei Einzelgänger, wie wir es sind, einfach nur fremd. Extremsituationen sind Situationen, in denen Einzelgänger gelernt haben, allein klarzukommen. Das hier war, wie nackt auf dem Mount Everest zu schlafen.

Dann verlor ich das Bewusstsein. Als ich wieder aufwachte, war es dunkel. In der Hoffnung, dass alles nur ein Albtraum gewesen war, schaute ich Alina an. Ihr tränenverschmiertes Gesicht machte alle Hoffnung zunichte.

Am nächsten Morgen riefen wir beim Gynäkologen an, um eine finale Gewissheit zu erhalten. Als der Frauenarzt uns in seiner hellen, großzügigen Altbaupraxis empfing, strahlte er schon nach dem Motto: Herzlichen Glückwunsch! Die Gegend war nicht asozial genug, um ungeplant schwanger zu werden. »Herzlichen Glückwunsch«, genau das sprach er dann auch freudig aus, als Alina auf der Liege lag und er mit einem kleinen Ultraschallgerät auf ihrem Bauch herumwischte. Zu was er uns da beglückwünschte, konnte ich nicht wirklich erkennen. Ein einziger Pixelhaufen, doch ganz langsam formierte der sich zu einer kleinen Bohne, die sogar schon einen Herzschlag hatte.

Wenn man jemals vorhat abzutreiben, würde ich stark davon abraten, sich das, was da wächst, auf dem Ultraschall anzusehen.

Wir gingen in den Besprechungsraum, und der Arzt erzählte uns freudig, wie es nun weiterginge mit der Schwangerschaft. Wie viele Untersuchungen anstünden, dass er uns von nun an eng begleiten und die Feindiagnostik ein geschätzter Kollege von ihm übernehmen würde. Das Schwierigste in dem Moment war es, ihm zu erzählen, dass wir uns einen Abbruch als Option weiterhin offenhalten wollten. Es war fast wie Schluss machen. Kurzes Schweigen, als ob man ein Millionenerbe ausschlägt. Der Arzt antwortete mit einem langgezogenen Ooookkkaaaayyy und zog dabei die Augenbrauen hoch. Dann klärte er uns auf, dass eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft erfolgen müsse und wir uns das gut überlegen sollten. Wir sollten nichts überstürzen und zur Familienberatung gehen, um dort ein Aufklärungsgespräch zu führen. »Über Verhütung?«, fragte ich leise in mich hinein.

Diese ironische Frage in meinem Kopf wich schnell ernsthaften Gedanken. Angst und Spaß gehen selten Hand in Hand. Wie fühlt sich der Arzt, wenn er eine Abtreibung durchführt? Den kleinen Sauger ansetzt? Fühlt er sich als Vollstrecker, als Henker? Ist es tatsächlich wie eine Mini-Hinrichtung? Und was ist, wenn der kleine Erdnussflip da unten doch Gefühle hat und in Panik ausbricht, wenn der Sauger auf ihn zukommt?

Die Tage danach spulte ich das immer gleiche Gedanken-Tape in meinem Kopf ab. Die A-Seite sang »Kind behalten«, was ein Risiko barg, da ich die Partnerin an meiner Seite noch nicht wirklich kannte. Die B-Seite schnarrte »abtreiben«, und in ihr schwang die Angst mit, dass ich mein Leben lang Schuldgefühle haben und das bisschen, was wir als Pärchen waren, zerstören würde. Ich war in einer Pattsituation. Es gab kein Richtig oder Falsch. Nur Falsch zum Quadrat. Und es ging vor allem nur um meine eigenen Gefühle. Die ließen wenig Platz für die Gefühle meiner neuen Freundin oder Gedanken zum Leben des ungeborenen Kindes.

Wir behielten die Nachricht erst mal für uns. Erzählten niemandem davon, nur der Frau vom Familienzentrum. Wir betraten ein Hochhaus mit dem Charme einer Autobahnraststätte. Es begrüßte uns eine Mittfünfzigerin mit feuerroten Locken in einem pinken Jumpsuit.

Dem Händedruck nach zu urteilen hatte sie nicht die Entschlusskraft, die wir uns von diesem Treffen erhofft hatten, aber das konnte ja alles noch kommen. Sie befragte uns zu unserer Familiensituation, wo wir beruflich stünden und welche Argumente aus unserer Sicht dafür und dagegen sprächen. Argumente dafür waren für Alina, dass sie Kinder sehr mochte und wir finanziell zumindest für die Grundversorgung gut genug aufgestellt waren und für mich, dass ich schon seit über einem Jahrzehnt im zeugungsfähigen Alter war. Außerdem wünschte ich mir ja eigentlich Kinder. (Irgendwann. Geplant. Mit einer Partnerin, die ich kannte.) Aber reichte das, um ein Kind großzuziehen? Reichte das, um das Kind nicht nur beim körperlichen, denn das passiert ja meist von alleine, sondern auch beim geistigen und seelischen Wachstum zu unterstützen? Bei der eigenen Familienplanung...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Sonstiges Geschenkbücher
Schlagworte beste Freundinnen • Beste Vaterfreuden • eBooks • Eltern • Geburt • Geschenk für werdende Väter • Gesundheit • Humor • Kann ich nicht sagen, muss ich nackt sehen • Kinderkriegen • Kreißsaal • lustig • lustige • Podcast • Tipps • Vater werden • wickeln • Windeln
ISBN-10 3-641-26413-8 / 3641264138
ISBN-13 978-3-641-26413-0 / 9783641264130
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