Der Mond verteilt die Noten

Gruß voran Kleinverlage bestimmen seit Mitte der 60er Jahre das Bild der Verlagsstadt Berlin: wenn wir an West-Berlin denken und dabei auch noch die großen wissenschaftlichen Verlage in unserer Stadt einmal außeracht lassen. Kleinverlage bestimmen auch weiterhin im belletristischen Bereich das Bild der nun geeinten Verlagsstadt Berlin, weil große Verlage wie Volk und Welt, Rütten & Loening und der Aufbau-Verlag derzeit auf mittelständiges Maß reduziert worden und ehemalige Verlage Berlins, die in den 50er und 60er Jahren West-Berlin verlassen haben, zumindest noch nicht nach Berlin zurückgekehrt sind: S. Fischer, Suhrkamp, Luchterhand beispielsweise. Lobenswerte Ausnahme, die keine Regel macht: Rowohlt Berlin. Insofern zählt der kleine APHAIA VERLAG in Berlin-Zehlendorf zu den 'bestimmenden' Verlagen der Verlagsstadt Berlin. Gegründet wurde er in einer Zeit, in der in West-Berlin die ersten Kleinverlage, die in der Folge der Studentenbewegung von 1968 gegründet wurden, bereits wieder verschwunden gewesen sind, und eine gewisse Nüchternheit zu beobachten war. Gegründet wurde er von einer Frau, die freilich ganz und gar nicht nüchtern gerechnet hat, ob sich ihr Verlag wirtschaftlich rentieren werde, sondern die – von Literatur begeistert – Bücher 'machen' wollte und will, die von Autoren aus ihrem Freundeskreis geschrieben worden sind und die ihr so gut gefallen, daß sie diese Bücher auch von anderen Menschen gelesen wissen möchte. SVEA HASKE, diese literaturbegeisterte Frau, wurde nicht zuletzt von ihrem späteren Verlagsautor DIETER STRAUB angeregt, einen eigenen Verlag zu gründen. Kennengelernt haben sich der Lyriker und die Mitarbeiterin in der Zentralen Verwaltung der Freien Universität Berlin bereits 1969; die Idee, einen Verlag zu gründen, kam ihnen 1985 in einem letztlich geplatzten Projekt der Neuen Gesellschaft für Literatur in Verbindung mit dem Berliner Kammerchor. Alles, was SVEA HASKE sich von ihrem Gehalt erspart, steckt sie seit 1986 in den APHAIA VERLAG, den sie zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin (und Tochter) SONJA SCHUMANN führt. Und trotz der materiellen und immateriellen Selbstausbeutung der Verlegerinnen betreiben sie einen Verlag, der tendentiell gewinnorientiert arbeitet, – aber leider bislang keinen nennenswerten Gewinn erwirtschaftet hat. Es ist also kein 'Feierabendverlag' oder einer jener Verlage, in denen jeder Text als Buch erscheinen kann, dessen Autor die Druckkosten selbst bezahlt, der von SVEA HASKE und SONJA SCHUMANN betrieben wird. Es ist vielmehr ein äußerst anspruchsvolles Programm, mit dem sie in jene Lücke vorgestoßen sind, den die großen Buchverlage mit ihren auf hohe Auflagenzahlen orientierten Programmen gebildet haben. Es sind Bücher, die Literatur, Bildende Kunst und Musik zusammenbringen, die Autoren, Graphiker und Musiker zur Zusammenarbeit einladen, die die hohe Spezialisierung in der Rezeption künstlerischer Äußerungen aufheben wollen, die im APHAIA VERLAG erschienen sind. Keines der Bücher werde ich nun nennen, weil ich keinen Autor hinter einem anderen zurückstellen und nicht alle Autoren aufzählen möchte, weil ein Grußwort nicht einen Verlagskatalog zu ersetzen hat. Nennen möchte ich aber die lustvollen Anstrengungen der Verlegerinnen, ihre Bücher einem offenen Publikum so vorzustellen, daß die Zusammenarbeit von Autoren und Komponisten, von Graphikerinnen und Graphikern und Autoren in ihrer sich ergänzenden Qualität sinnlich erfahrbar wird. Das sind Autorenlesungen, die in kleine Konzerte münden, das sind Graphikausstellungen, die mit Lesungen und Konzerten abgerundet werden. Auch mit dieser Form der 'literarischen Öffentlichkeitsarbeit' hat sich der APHAIA VERLAG Verdienste um das kulturelle Leben Berlins erworben. Mit seinen Büchern möge der APHAIA VERLAG freilich weiterhin und vermehrt weit über Berlin hinaus wirken, um auf diese Weise in einem kreativen Wettbewerb mit anderen - kleinsten, kleinen und großen Verlagen - die Künste zu fördern. SVEA HASKE und SONJA SCHUMANN wünsche ich, daß sie weiterhin die Lust und die Kraft haben, Bücher zu machen in ihrem APHAIA VERLAG, der ein schönes Fleckerl bildet in Berlins verlegerischem Patchwork. DIETGER PFORTE