Der erste Mensch (eBook)

Kriminalroman. Ein Fall für Michel de Palma
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2020 | 1. Auflage
352 Seiten
Unionsverlag
978-3-293-30994-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der erste Mensch -  Xavier-Marie Bonnot
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Die Calanques vor Marseille, tiefe Küsteneinschnitte, türkis glitzerndes Wasser, schroffe Felsen und versteckte Buchten. Doch etliche Meter unter der Wasseroberfläche liegt noch eine ganz andere Welt: jahrtausendealte Unterwasserhöhlen, an deren Wänden prähistorische Felszeichnungen prangen. Der Archäologe und erfahrene Taucher Rémy Fortin erforscht die Höhlenmalereien, als er panikartig auftaucht und dabei schwerste Verletzungen erleidet. Seine letzten Fotos zeigen gigantische Stalagmiten, eine rätselhafte Hirschkopfstatue und den Schatten einer riesigen Gestalt. Hauptkommissar Michel de Palma, der »Baron« von Marseille, begibt sich auf eine prähistorische Spurensuche und stößt auf ungeklärte Morde, die einem uralten Ritual folgen.

Xavier-Marie Bonnot, geboren 1962 in Marseille, promovierte in Geschichte und studierte Soziologie und französische Literatur. Seine berufliche Karriere begann er als Filmregisseur von Dokumentarsendungen und Reportagen. 2002 feierte er mit der Veröffentlichung seines ersten Kriminalromans La première empreinte sein literarisches Debüt. Seither erschienen weitere Fälle mit dem Marseiller Polizeikommandanten Michel de Palma. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.

Xavier-Marie Bonnot, geboren 1962 in Marseille, promovierte in Geschichte und studierte Soziologie und französische Literatur. Seine berufliche Karriere begann er als Filmregisseur von Dokumentarsendungen und Reportagen. 2002 feierte er mit der Veröffentlichung seines ersten Kriminalromans La première empreinte sein literarisches Debüt. Seither erschienen weitere Fälle mit dem Marseiller Polizeikommandanten Michel de Palma. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.

3


In de Palmas Alfa Romeo Giulietta Baujahr 59 war das Autoradio rechts neben den drei großen runden Chromanzeigen angebracht, direkt unter dem schlicht aufs Armaturenbrett geklebten Rückspiegel. Zum Einstellen der Sender musste man mit viel Fingerspitzengefühl den rechten Knopf drehen, sonst war man gleich viel zu weit. Der Baron traute sich an den alten Kasten schon längst nicht mehr heran, und auch sonst durfte ihn niemand berühren. Seit Jahrzehnten war in dem legendären Coupé der Zeiger auf den Klassiksender France Musique eingestellt, auf UKW, und von da rührte er sich nicht weg.

Beim Herausfahren aus der Tiefgarage des Polizeipräsidiums rauschte es kurz im Radio, dann ertönten, in Mono, die letzten Takte der großen Arie von Radames. Aida, erster Akt.

Ergerti un trono

Vicino al sol …

De Palma erkannte die Stimme Plácido Domingos, das Jahr der Aufnahme, nämlich 1974, und nach dem spektakulären hohen b erwartete er den Auftritt von Amneris und damit die verzaubernde Stimme Fiorenza Cossottos. Stattdessen ergriff jedoch ein Musikwissenschaftler das Wort. Aha, eine Sendung über die großen Helden des Opernrepertoires. De Palma hörte nur mit halbem Ohr zu. Sowieso würde der Tunnel zwischen den früheren Docks und dem Timone-Viertel den guten Mann eine ganze Weile verstummen lassen.

Eine halbe Stunde ging es noch durch die Viertel dahin, die sich an die steilen Abhänge des Mont Saint-Cyr und des Col de la Gineste schmiegten, bis hin zu den allerletzten Häusern.

An den Ausläufern des Calanque-Massivs war Marseille zu Ende. Jenseits einer verrosteten Schranke zog sich ein schmaler Weg zum Sugiton-Pass hoch, flankiert von windgebeugten Flaumeichen und von den Kiefern, die nach verheerenden Waldbränden neu gepflanzt worden waren. Nach einem Engpass ging es schluchtartig zu einer kleinen Bucht hinunter. Vom hellen Meeresboden hoben sich die dunklen Flecken der Neptungräser ab. In achtunddreißig Metern Tiefe konnte man durch einen schlauchartigen Gang ins Innere des Berges hinaufgelangen, in die Le-Guen-Höhle, einen trockenen Höhlenraum mit prähistorischen Malereien und Zeichnungen.

Die Stille wurde von einem Schrei zerrissen. Über Sugiton hob sich ein Habichtsadler in die Luft, auf der Suche nach Aufwinden entlang der Felsen.

De Palma ging rasch den Pfad hinunter und erreichte bald den Felsvorsprung, der den Tauchern als Schaltstelle an Land diente. Kurz darauf tauchte Pauline Barton aus dem Wasser auf und winkte ihm zu.

Fachleute vom Amt für Unterwasserarchäologie machten sich um eine wasserdichte Kiste herum zu schaffen, die an einer Trosse emporgezogen wurde. Pauline hievte sich an Bord der Archéonaute und verschwand für ein paar Minuten. In abgewetzten Jeans, einer orangefarbenen Fleecejacke und mit einem Handtuch auf dem Kopf kehrte sie zurück.

»Hallo, Monsieur de Palma. Schön, dass Sie gekommen sind.«

Sie hatte einen festen Händedruck, trug keinen Ehering und war ungeschminkt. Das viele Tauchen und die beißende Sonne hatten Furchen in ihrem länglichen Gesicht mit den funkelnden grauen Augen hinterlassen.

»Gibt es was Neues von Rémy Fortin?«, fragte de Palma.

»Die Ärzte sind nicht gerade zuversichtlich. Kommen Sie doch an Bord, dann können wir uns besser unterhalten. Oder werden Sie leicht seekrank?«

De Palma lächelte. »Ich stamme aus einer Seemannsfamilie.«

Die Archéonaute war an die dreißig Meter lang, und ihr spitz zulaufender Vordersteven teilte die Wellen wie eine Messerklinge. Unter der Bullaugenlinie war der blau-weiß-rot gestreifte Rumpf voller Roststellen.

Pauline Barton lud de Palma in die Kajüte ein. An einem Pressholztisch standen zwei mit rissigem Kunstleder überzogene Sitzbänke.

»Wie genau ist die Sache passiert?«, fragte der Baron ohne Umschweife.

»Dekompressionsunfall. Eine Stickstoffblase ist ihm direkt ins Gehirn gedrungen. Er ist immer noch im Koma und schwebt in Lebensgefahr.«

»Und warum glauben Sie nicht, dass es ein Unfall war?«

Pauline warf einen Blick zur Brücke der Archéonaute. Sie wollte sichergehen, dass niemand lauschte. »Rémy ist mit Abstand der beste Taucher von uns. So leicht gerät der nicht in Panik. Als ich dahin gekommen bin, wo er seine Tarierweste aufgeblasen hat, schwebten noch Aufschlämmungen im Wasser.«

Die Mikropartikel aus Ton, mit denen Unterwassergänge in der Regel bedeckt waren, konnten bei der leisesten falschen Bewegung aufgewirbelt werden und das Wasser vollkommen undurchsichtig machen; ein von Tauchern gefürchtetes Risiko.

»Rémy hat eine Taucherflosse verloren«, sagte Pauline leise. »Und das Tauchseil ist durchgeschnitten worden.«

De Palma holte einen Notizblock aus der Jackentasche. »Kennen Sie eigentlich die Geschichte der Le-Guen-Höhle?«, fragte er.

Die Frau starrte ihn an. »Na hören Sie mal, und ob ich die kenne. Ich arbeite seit ein paar Jahren hier.«

»Nein, Entschuldigung, ich meine die jüngste Geschichte.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«

De Palma drehte sich zur Brücke um. Der Bootsmann verließ gerade seinen Posten. Sie waren allein in dem Teil des Schiffes.

»Sagen Ihnen die Namen Christine und Thomas Autran etwas?«

»Wer was mit Urgeschichte zu tun hat, kennt auch Christine Autran! Der große Liebling, ach, was sage ich, die Geliebte von Palestro. Ich habe sie als Professorin gehabt und alles von ihr gelesen. Brillant, muss ich sagen. Und natürlich habe ich von der furchtbaren Sache in der Höhle gehört. Ich habe damals bei Ausgrabungen im Ariège gearbeitet. Vom Bruder weiß ich allerdings nichts.«

Pauline Barton hatte den Unfall der Küstenwache gemeldet. Der Diensthabende, ein eingebildeter alter Beamter, hatte sie nicht ernst genommen, als sie von einem möglichen Hinterhalt sprach. Er verfasste ein Protokoll im Telegrammstil, gespickt mit juristischen Phrasen aus vormoderner Zeit. Doch Pauline ließ sich davon nicht abschrecken und ging bei sich zu Hause ins Internet. In mehreren Artikeln über die Affäre der Autran-Zwillinge stieß sie auf den Namen de Palma. Schließlich überwand sie ihre Aversion gegen die Polizei und rief bei der Kripo an.

De Palma zögerte kurz, bevor er nachhakte. »Glauben Sie, dass Rémy Fortin vor seinem Unfall über irgendetwas erschrocken ist?«

»Ja.«

»Und woraus schließen Sie das?«

»Na, ihm fehlte doch eine Flosse. Und sein Messer hat er auch verloren.«

»Was für ein Messer?«

»Er hatte immer ein Tauchermesser dabei, an den Unterschenkel gebunden. Warum hat er das gezückt?«

»Um das Tauchseil abzuschneiden!«

»Aber warum hat er es dann verloren?«

Sie musste immer das letzte Wort haben. Aber de Palma ließ nicht locker. »Sie meinen also, er hat das Messer vor seinem Unfall benutzt, vermutlich zur Verteidigung. Es kann doch aber auch sein, dass er sich mit einem Fuß im Taucherseil verheddert und sich loszumachen versucht. Dabei verliert er die Flosse, und dann schneidet er das Seil durch. Auch ein Problem mit dem Druckventil könnte er gehabt haben und dadurch in Panik geraten sein.«

»Das glauben Sie doch selber nicht! Auf dieser Höhle liegt ein Fluch!«

»Da gebe ich Ihnen allerdings recht!«

Ein junger Mann kam herein und stellte weiße Dosen auf den Tisch. Er mochte Student sein oder einer der vielen Freiwilligen, die bei Ausgrabungen oft mitmachten. De Palma fotografierte ihn geistig ab, typisches Gehabe eines alten Polizisten, der gelernt hat, jedem erst mal zu misstrauen.

»Das sind wertvolle Kohleproben«, sagte Pauline. »Bestimmt über dreißigtausend Jahre alt. Die durchlaufen jetzt eine ganze Batterie von Tests. Das ist die zweite Serie, interessanter als die erste.«

Gerührt blickte sie auf die schwarzen Kohlestücke, die dem Laien so gar nichts verrieten. In der Fachpresse würde es zu den Datierungen und den topografischen Aufnahmen ausführliche Artikel geben. In der Zeitschrift Geschichte war Pauline gewissermaßen ein Star, und das genoss sie auch.

»In drei Wochen gehe ich in Pension«, sagte de Palma. »Ich weiß also wirklich nicht, ob ich Ihnen weiterhelfen kann. Ich bin ein Kommandant, der die Waffen niederlegt, weiter nichts!«

»Sie können viel für mich tun«, entgegnete Pauline. »Und zwar, weil Sie wissen, dass Rémy nicht einfach einen Unfall hatte. Dabei habe ich Ihnen noch gar nicht alles verraten.«

Auf einmal dröhnte es aus dem Maschinenraum herauf, und mit Getöse setzte sich das Schiff in Bewegung. Der Bootsmann manövrierte das Gefährt aus der Sugiton-Calanque heraus, wobei die Schiffsschraube im ruhigen Meer einen brodelnden Halbkreis zeichnete.

»Es gibt nämlich Fotos«, sagte Pauline. »Die hat Rémy vor dem Unfall gemacht. Der Apparat ist völlig intakt geblieben. Rémy hatte ihn in die wasserdichte Kiste gelegt.«

»Kann ich die Fotos sehen?«

»Dazu...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2020
Übersetzer Gerhard Meier
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Archäologie • Calanques • Frankreich • Geschichte • Höhlenmalerei • Kriminalroman • Marseille • Meer • Michel de Palma • Rituale • Spannung • Südfrankreich • Tauchen • Urmensch
ISBN-10 3-293-30994-1 / 3293309941
ISBN-13 978-3-293-30994-4 / 9783293309944
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