Bullrich Salz - Marke Mythos Magensäure -  Matthias Gerschwitz

Bullrich Salz - Marke Mythos Magensäure (eBook)

Auf den Spuren eines der ältesten deutschen Markenartikel
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
188 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7504-5414-9 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
6,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Warte nicht, bis du ergrimmt bist - nimm Bullrich Salz, wenn du verstimmt bist! Eine Unternehmensgeschichte spannend wie ein Krimi: Familienfehden und Erbstreitigkeiten, Betrug, Beleidigung, Markenrechtsverletzungen - und sogar ein Mord. All das kennzeichnet die Historie eines der ältesten deutschen Markenartikel. Erfunden 1827 in Berlin, durchlebt BULLRICH SALZ den preußischen Staat, das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus, die Bundesrepublik und ist auch heute, im vereinten Deutschland, als starke und moderne Marke nicht aus den Gesundheitsregalen des Handels wegzudenken. BULLRICH SALZ hat in fast zweihundert Jahren Höhen und Tiefen erlebt, politischen und wirtschaftlichen Stürmen getrotzt und ganz nebenbei Millionen Verbraucher von Magenbeschwerden und Sodbrennen erlöst. Dieses Buch nimmt den Leser mit auf eine spannende Entdeckungsreise durch deutsche Marken-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, bei der man zudem noch auf so illustre Namen wie Theodor Fontane, Walter Benjamin, Henri Nannen, Vicco von Bülow (»Loriot«), Martin Buchholz, Sönke Wortmann und Ottfried Fischer trifft.

Matthias Gerschwitz wurde 1959 in Wuppertal geboren und wuchs in Solingen auf. Nach Abitur und Bundeswehr folgte das Studium der Werbewirtschaft in Pforzheim (1982 bis 1984), das er in Frankfurt am Main fortsetzte und 1987 als Kommunikationswirt abschloss. Von 1984 bis 1991 arbeitete Gerschwitz im Marketing eines mittelständischen Markenartikelunternehmens (delta pronatura) im Raum Frankfurt, von 1991 bis 1992 war er als Product Manager Functional Products bei Firmenich (ein weltweit operierender Konzern der Riechstoff- und Aromenindustrie) in der Nähe von Köln tätig. 1992 machte er sich mit einer Werbeagentur in Berlin selbständig. Seit 2007 schreibt Gerschwitz auch Bücher, z. B. Chroniken, u.a. über die älteste Kneipe Berlin-Charlottenburgs (»Molle und Medaille«), das Haus seiner Jugend (»Das Haus in der Kaiserstraße«) und die Kirche seiner Heimatstadt (»Mittendrin - Die evangelische Kirche in Solingen-Wald«). 2014 erschien »Pizza Panorama« (Reiseinspirationen vom Gardasee) und 2016 »Frischfleisch war ich auch mal« - Ein Lesebuch mit Geschichten über den Wandel der Zeiten. Mehr dazu unter http://www.matthias-gerschwitz.de.

Bullrich gegen Bullrich


DIE NEUEN EIGENTUMSVERHÄLTNISSE sind nichts für Wilhelm Assmann20. Er muss erkennen, dass die Ränkespiele der letzten Jahre zu unüberbrückbaren Differenzen mit den neuen Inhabern geführt haben und verlässt im Herbst 1862 grollend das Unternehmen.

Unter Leitung des Ehepaares Zoll gedeiht das Unternehmen A.W. Bullrich vormals F. C. Stegmann prächtig. So prächtig, dass die Räumlichkeiten in der Stralauer Straße 33 nicht mehr ausreichen. 1863 wird der Verkauf in das neu angemietete Geschäft in der Leipziger Straße 30 nahe der Friedrichstraße verlegt; Produktion, Lager und Verwaltung verbleiben am angestammten Ort. Mit dem Ausscheiden Assmanns ist die Stelle für einen Reisenden neu zu besetzen. Die Wahl fällt auf Hermann Zoll21, den jüngeren Bruder des Chefs. Er ist körperlich eher kompakt und eine Seele von Mensch, zudem versteht er sich ausgezeichnet mit seiner Schwägerin.

Obwohl Assmann in seiner Tätigkeit als Reisender nicht in alle Belange des Unternehmens eingeweiht war, hatte er den Konflikt zwischen Zoll und Henriette Bullrich auf der einen Seite und den Geschwistern des Firmengründers auf der anderen Seite mitbekommen. Nun wittert er die Chance, seinem früheren Dienstherren gründlich zu schaden. Kurz vor dem Ausscheiden aus seiner alten Firma hatte er viele wichtige Unterlagen in seinen Besitz gebracht, die er nun gegen A. W. Bullrich vorm. F. C. Stegmann verwenden möchte. Er nimmt Kontakt mit Carl Wilhelm Bullrich auf und präsentiert ihm eine perfide Idee. Der Bullrich-Bruder ist begeistert. Als gelernter Buchhalter kann er ziemlich genau abschätzen, welchen Plan Assmann verfolgt und welche Erfolgsaussichten er haben kann. Er willigt ein, sich zu beteiligen.

Am 1. April 1863, knapp vier Jahre nach dem Tod August Wilhelm Bullrichs, gründen C. W. Bullrich und der Kaufmann Wilhelm Assmann in Berlin das Unternehmen C. W. Bullrich zur Fabrikation und zum Verkaufe von Seifen, Parfümerien und dergleichen. Bullrich bringt seinen Namen ein, Assmann die aus der früheren Firma mitgenommenen Rezepturen, Lieferanten- und Kundenlisten. Die nach wie vor schwelenden Familienstreitigkeiten, kombiniert mit dem Betrug an der alten Firma, sind die beste Voraussetzung für einen perfekten Racheplan – und die Adresse der neuen Firma ist das Sahnehäubchen: C. W. Bullrich nimmt ihren Sitz nur zwei Häuser entfernt von der 36 Jahre früher gegründeten Bruderfirma. Diese hatte zwar gerade ihr Ladengeschäft verlegt, aber Produktion und Verwaltung befinden sich nach wie vor an alter Stätte. Durch die leichte Verwechselbarkeit der Adressen – Stralauer Straße 33 hier, Stralauer Straße 35 dort – sind die Schwierigkeiten vorprogrammiert.

Carl Wilhelm Bullrich hat gar nicht vor, Fabrikant zu werden. Auch nach Berlin will er nicht umsiedeln – dazu fühlt er sich in Hamburg zu wohl. Aber er erkennt in Assmanns Plan eine sprudelnde Geldquelle. Als das Königliche Stadtgericht Berlin am 15. April 1863 die Eintragung der Firma C. W. Bullrich in das Handelsregister bescheinigt, haben sich die Eigentumsverhältnisse schon wieder geändert. Bereits zwei Tage nach der Gründung, am 3. April 1863, hatten Bullrich und Assmann einen weiteren, notariell beglaubigten Vertrag geschlossen, nach dem das unter der Firma C. W. Bullrich geführte Geschäft in den alleinigen Besitz des Kaufmanns Wilhelm Assmann übergeht. Bullrich überlässt dem früheren Kompagnon den Namen und übernimmt pro forma den Vertrieb der Produkte in Hamburg, Holstein und Lauenburg, wofür er eine regelmäßige Zahlung beansprucht. Ob er allerdings jemals seiner Verpflichtung nachgekommen ist, ist nicht überliefert. Tatsächlich sieht der Vertrag auch keinerlei Bestimmungen oder Strafen bei Nichterfüllung vor. Bullrich hat sich abgesichert.

Als nächstes wirbt Assmann eine Angestellte seiner früheren Firma ab. Die Witwe Emilie George22 ist eine ehrgeizige und resolute Frau. Ihr längliches Gesicht mit der sehr markanten Nase verleiht ihr einen leicht arroganten Gesichtsausdruck, der ihr den Ruf der Unnahbarkeit einbringt. Assmann ist von der hübschen und selbstbewussten Frau fasziniert, die sich die Avancen gefallen lässt; sie spekuliert auf Vorteile. Und genau so kommt es auch: Bald ist sie nicht mehr nur Angestellte, sondern wird durch Heirat Mitinhaberin des Unternehmens.

Ein heftiger Konkurrenzkampf bestimmt in den folgenden Jahren das Tagesgeschehen. Die Firma C. W. Bullrich bringt ein »Universal-Reinigungs-Salz« mit identischer Rezeptur, gleichen Packungsgrößen und ähnlicher Aufmachung wie das A. W. Bullrich’sche »Universal-Reinigungs-Salz« auf den Markt. Da es noch keine Schutzrechte gibt und die bestehenden Gesetzesgrundlagen nicht ausreichen, den Vertrieb der Nachahmung zu unterbinden, muss das ältere Unternehmen den neuen Konkurrenten dulden. Allerdings schadet der Wettbewerb der älteren Firma nicht in dem Maße, wie es sich Assmann erhofft hat.

A. W. Bullrich vorm. F. C. Stegmann beschäftigt sich nach wie vor mit der Seifen- und Parfümeriefabrikation, die ohnehin einen größeren Raum in Anspruch nimmt und damit auch mehr zum Geschäftsergebnis beiträgt als die Herstellung von »Bullrich Salz«, wohingegen sich C. W. Bullrich ausschließlich auf das Salz spezialisiert hat. Zudem beschränkt sich Assmann auf den deutschen Markt, während Wilhelm Zoll internationale Beziehungen knüpft und 1878 sogar die Weltausstellung in Paris beschickt.

Innerhalb Deutschlands jedoch tobt ein erbitterter Krieg. Hatte sich Bullrichs Witwe Henriette 1860 noch gegen fremde Nachahmer schützen müssen, so sieht sich die Firma A. W. Bullrich nun der Verwechslungsgefahr mit einem fast gleichnamigen Wettbewerber ausgesetzt.

1864 erscheint im »Frankfurter Tageblatt« eine Anzeige, in der ein Carl Wilhelm Bullrich behauptet, das von seinem Bruder erfundene Salz rechtmäßig zu vertreiben und krönt diese Aussage durch eine Unterschrift, obgleich er mit dem Unternehmen, das seinen Namen trägt, rechtlich gar nicht mehr verbunden ist. Assmann lässt nichts unversucht, den Wettbewerber zu diskreditieren.

Das »Frankfurter Tageblatt« ist natürlich nicht die einzige Zeitung, in der die Schlammschlacht stattfindet. Neben den von den Unternehmen geschalteten Anzeigen unterstützen die Kontrahenten auch jede Verkaufsstelle des jeweiligen Produkts mit Anzeigen. Dies führt dazu, dass Händler das Salz mal vom einen und mal vom anderen Unternehmen beziehen und so immer wieder in den Genuss kostenloser Werbung kommen.

Aber Anzeigen sind nicht die einzigen Mittel: Angestellte, die unzufrieden sind, werden von der jeweils anderen Firma mit höheren Gehaltsangeboten abgeworben. Bei Kunden und Lieferanten bringen sich die Wettbewerber gegenseitig in Misskredit. Es herrscht de facto Kriegszustand, der auch vor den Schranken der Gerichte nicht endet. Aus Nichtigkeiten werden Streitigkeiten. Es geht um falsch zugestellte Bestellungen und verkehrt ausgelieferte Briefe. Auslöser für einen solchen Prozess ist eine Geldsendung, die für A.W. Bullrich vorm. F. C. Stegmann bestimmt ist, aber versehentlich in die Hände von Wilhelm Assmann (C. W. Bullrich) gerät. Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse: »Erstens unterschied die neue Bullrich’sche Firma sich von der alten seinigen nur durch den für das große Publikum kaum merkbaren Umstand, dass sie statt des Anfangsbuchstabens ›A‹ ein ›C‹ enthielt, also eine Verwechselung, wenn auch nicht direct provocierte, so doch begünstigte. Zweitens war das neue Geschäft, wie gesagt, in der Stralauer Straße fünf und dreißig etablirt, während das alte sich seit 20 Jahren in derselben Straße Nummer drei und dreißig, also dicht daneben befand, ein Umstand, der bei dem großen Publikum wiederum Verwechselungen hervorzurufen geeignet war. Drittens aber hatte der Käufer des neuen Geschäftes, der Angeklagte Aßmann, bei Zoll auch noch als Reisender fungirt, in dieser Stellung die Kundschaft des alten Geschäfts kennen gelernt und war dadurch in der Lage, dieselbe für das neue Geschäft ausbeuten zu können. Ob und inwieweit er dies gethan, wissen wir nicht, es ist in dem Prozesse bisher auch nichts darüber zur Sprache gekommen. Thatsache aber ist, dass bei der Aehnlichkeit der Firmen, der Art und Lage des Geschäfts – wie diese auf der Hand liegt – Verwechselungen bei den Bestellungen, der Correspondenz usw. vorkamen, durch welche Zoll sich benachtheiligt fühlte und es factisch auch wohl war. Im Wege einer solchen Verwechselung ist nun auch der oben erwähnte Geldbrief in Aßmanns Hände gekommen.«

Berlin, den 12. Januar 1866: »Am 12. May 1866 zahlen Sie für diesen Prima-Wechsel an die Ordre von mir selbst die Summe von Sieben und siebzig Thaler vierzehn Silbergroschen … « C. W. Bullrich

Über den...

Erscheint lt. Verlag 5.11.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
ISBN-10 3-7504-5414-0 / 3750454140
ISBN-13 978-3-7504-5414-9 / 9783750454149
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 9,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten

von Florian Illies

eBook Download (2023)
S. Fischer Verlag GmbH
22,99
Eine Familiengeschichte der Menschheit

von Simon Sebag Montefiore

eBook Download (2023)
Klett-Cotta (Verlag)
38,99
Die Biografie

von Walter Isaacson

eBook Download (2023)
C. Bertelsmann (Verlag)
24,99