Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers (eBook)
672 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-11184-7 (ISBN)
In seinem neuen Buch erzählt Weltbestsellerautor Bill Bryson die grandiose Geschichte des menschlichen Körpers, von der Haarwurzel bis zu den Zehen. Das ganze Leben verbringen wir in unserem Körper, doch die wenigsten haben eine Ahnung davon, wie er funktioniert, welche erstaunlichen Kräfte darin wirken und was tief im Inneren ab- und manchmal auch schiefläuft. »Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers« lädt ein zu einer unvergleichlichen Forschungsreise durch unseren Organismus. Mit ansteckender Entdeckerfreude erzählt Bryson vom Wunder unserer körperlichen und neurologischen Grundausstattung. Alles, was man wissen muss, faszinierend, mitreißend, witzig und leicht verständlich erzählt: ein echter Bryson!
Bill Bryson wurde 1951 in Des Moines, Iowa, geboren. 1977 zog er nach Großbritannien und schrieb dort mehrere Jahre u. a. für die Times und den Independent. Mit seinem Englandbuch »Reif für die Insel« gelang Bryson der Durchbruch. Heute ist er in England der erfolgreichste Sachbuchautor der Gegenwart. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt und stürmen stets die internationalen Bestsellerlisten. 1996 kehrte Bill Bryson mit seiner Familie in die USA zurück, wo es ihn jedoch nicht lange hielt. Er war erneut »Reif für die Insel«, wo er heute wieder lebt.
Kapitel 1
BAUANLEITUNG
FÜR EINEN MENSCHEN
Wie ähnlich einem Gott!
WILLIAM SHAKESPEARE[1]
Vor langer Zeit war ich Schüler an einer amerikanischen Junior High School. Ich weiß noch, wie unser Biologielehrer uns erzählte, dass man alle Chemikalien, die den menschlichen Körper bilden, für fünf Dollar oder so ähnlich in einem Baumarkt kaufen kann. Wie hoch der Betrag genau war, weiß ich nicht mehr. Es hätten auch 2,97 oder 13,50 Dollar sein können, aber es war selbst nach der Kaufkraft der 1960er-Jahre wenig Geld, und ich staunte darüber, dass ein so schwerfälliges, pickliges Etwas wie ich fast nichts kostete.
Es war eine derart krasse, demütigende Erkenntnis, dass sie mich seither all die Jahre begleitet hat. Die Frage lautete: Stimmt das? Sind wir wirklich so wenig wert?
Viele Experten (was möglicherweise »Studienanfänger in den Naturwissenschaften, die am Freitag kein Date haben« bedeutet) haben zu verschiedenen Zeiten und meist nur aus Jux ausgerechnet, wie hoch die Materialkosten für das Zusammenbauen eines Menschen wären. Den vielleicht seriösesten und umfassendsten Versuch der letzten Jahre unternahm die britische Royal Society of Chemistry (RSC) im Rahmen des Cambridge Science Festival 2013: Sie rechnete aus, was es kosten würde, alle Elemente zum Zusammenbauen des Schauspielers Benedict Cumberbatch zu kaufen. (Cumberbatch war in diesem Jahr der Gastdirektor des Festivals und praktischerweise ein durchschnittlich großer Mensch.)
Nach den Berechnungen der RSC braucht man insgesamt 59 chemische Elemente, um einen Menschen zusammenzubauen.1 Sechs davon – Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Calcium und Phosphor – machen zusammen 99,1 Prozent unserer Substanz aus, aber der Rest ist in vielen Fällen ein wenig überraschend. Wer hätte gedacht, dass wir unvollständig sind, wenn sich in uns nicht ein wenig Molybdän befindet oder Vanadium, Mangan, Zinn und Kupfer? An diesen Elementen, das muss man sagen, haben wir nur einen höchst bescheidenen Bedarf, der sich in Millionsteln (parts per million) oder sogar nur Milliardsteln (parts per billion) bemisst. So brauchen wir beispielsweise nur 20 Kobalt- und 30 Chrom-Atome auf jeweils 999.999.999 ½ Atome von allem anderen.2
Den größten Bestandteil jedes Menschen bildet mit 61 Prozent des vorhandenen Volumens der Sauerstoff. Dass wir zu fast zwei Dritteln aus einem geruchlosen Gas bestehen sollen, mag ein wenig der Intuition widersprechen. Schließlich sind wir im Gegensatz zu einem Ballon nicht leicht und elastisch. Das liegt daran, dass der Sauerstoff zum größten Teil an Wasserstoff gebunden ist (der weitere zehn Prozent von uns ausmacht). Das Ergebnis ist Wasser – und jeder, der schon einmal ein Kinderplanschbecken verschieben wollte oder auch nur in nasser Kleidung herumgelaufen ist, weiß: Wasser ist erstaunlich schwer. Es ist ein wenig paradox: Sauerstoff und Wasserstoff, zwei der leichtesten Stoffe in der Natur, bilden im Verbund einen der schwersten. Aber so ist die Natur nun einmal. Sauerstoff und Wasserstoff in uns gehören auch zu den billigeren Elementen. Der ganze Sauerstoff kostet uns nur rund 10,30 Euro und der Wasserstoff ein wenig mehr als 18,50 (vorausgesetzt, der Mensch ist ungefähr so groß wie Benedict Cumberbatch). Der Stickstoff (2,6 Prozent von uns) ist noch preiswerter: nur 31 Cent pro Person. Aber von jetzt an wird es ziemlich teuer.
Wir brauchen knapp 14 Kilo Kohlenstoff, und die kosten nach Angaben der Royal Society of Chemistry ungefähr 51400 Euro. (Bei der RSC verwenden sie alle Substanzen immer nur in hochreiner Form. Aus billigem Zeug würde die Gesellschaft nie einen Menschen herstellen.) Calcium, Phosphor und Kalium werden zwar nur in sehr viel kleineren Mengen gebraucht, aber insgesamt können wir für sie weitere 54500 Euro ansetzen. Der Rest ist je Volumeneinheit noch teurer, aber glücklicherweise sind davon nur mikroskopisch kleine Mengen erforderlich. Thorium kostet fast 2300 Euro pro Gramm, macht aber nur 0,0000001 Prozent von uns aus, also können wir die benötigte Menge für nur 24 Cent kaufen. Das gesamte Zinn in unserem Körper gehört uns für fünf Cent, Zirkonium und Niob kosten jeweils knapp über zwei Cent. Für die 0,000000007 Prozent Samarium eine Rechnung zu schreiben, lohnt sich offensichtlich überhaupt nicht. Es ist in den Unterlagen der RSC mit Kosten von 0,00 Pfund verzeichnet.
Von den 59 Elementen, die in uns vorkommen, werden 24 traditionell als »essentielle« oder »lebenswichtige« Elemente bezeichnet, weil wir ohne sie wirklich nicht auskommen. Die anderen sind ein ziemlicher Mischmasch. Manche sind eindeutig nützlich, manche mögen nützlich sein, aber wir wissen noch nicht genau warum, wieder andere sind weder schädlich noch nützlich, sondern nur zufällig dabei, und wenige sind wirklich schlecht. Cadmium zum Beispiel steht in der Häufigkeit der Elemente in unserem Körper an 23. Stelle: Es macht 0,1 Prozent unserer Masse aus, ist aber hochgiftig. Wir haben es nicht deshalb in uns, weil unser Körper danach verlangt, sondern weil es aus dem Boden in die Pflanzen übergeht, die wir anschließend essen. Wer in Nordamerika wohnt, nimmt in der Regel ungefähr 80 Mikrogramm Cadmium am Tag zu sich, und nichts davon tut irgendwie gut.
Erstaunlich viel von dem, was auf der Ebene der Elemente vorgeht, ist noch Gegenstand der Forschung. Wir können fast jede beliebige Zelle aus unserem Körper entnehmen, und immer wird sie mindestens eine Million Selen-Atome enthalten, aber bis vor kurzer Zeit hatte niemand eine Ahnung, wozu sie gut sind. Heute wissen wir, dass Selen zwei lebenswichtige Enzyme bildet, deren Fehlen mit Bluthochdruck, Arthritis, Anämie, manchen Krebsformen und möglicherweise sogar einer verminderten Spermienzahl in Verbindung gebracht wird.3 Es ist also eindeutig eine gute Idee, ein wenig Selen in sich zu haben (das Element kommt besonders in Nüssen, Vollkornbrot und Fischen vor), aber andererseits kann man die Leber auch unheilbar vergiften, wenn man zu viel davon zu sich nimmt.4 Wie bei so vielen Dingen im Leben ist es auch hier eine heikle Angelegenheit, das richtige Gleichgewicht zu finden.
Insgesamt liegen die Kosten für das Zusammenbauen eines neuen Menschen vom Schlage des hilfsbereiten, als Vorbild dienenden Benedict Cumberbatch nach Angaben der RSC bei genau 96546,79 britischen Pfund – das sind ungefähr 112000 Euro. Arbeitslohn und Mehrwertsteuer würden die Kosten natürlich weiter steigen lassen. Vermutlich hätten wir Glück, wenn wir einen Benedict Cumberbatch zum Mitnehmen für unter 250000 Euro bekämen – unter Berücksichtigung aller Umstände kein riesiges Vermögen, aber eindeutig auch nicht die paar mageren Dollars, von denen mein Lehrer an der Junior High School gesprochen hatte. Gleichwohl stellte die langjährige Wissenschaftsreihe Nova des amerikanischen Fernsehsenders PBS im Jahr 2012 für eine Episode namens »Jagd auf die Elemente« genau die gleiche Analyse an und gelangte dabei auf einen Betrag von 168 Dollar für die Grundbestandteile des menschlichen Körpers.5 Hier stoßen wir auf eine Erkenntnis, die im weiteren Verlauf des vorliegenden Buches unausweichlich werden wird: Wenn es um den Organismus des Menschen geht, sind die Details oft erstaunlich unsicher.
In Wirklichkeit spielt das natürlich kaum eine Rolle. Ganz gleich, was wir bezahlen oder wie sorgfältig wir das Material zusammenstellen, wir werden keinen Menschen erschaffen können. Wir könnten die klügsten Köpfe zusammentrommeln, die heute leben oder jemals gelebt haben, und ihnen das gesamte Wissen der Menschheit zur Verfügung stellen – es hilft nichts: Sie alle gemeinsam könnten keine einzige lebende Zelle herstellen, ganz zu schweigen von einem kopierten Benedict Cumberbatch.
Das ist zweifellos der erstaunlichste Aspekt an uns: Wir sind nur eine Sammlung unbelebter Bestandteile; die gleichen Substanzen würden wir auch in einem Abfallhaufen finden. Ich habe es bereits in einem anderen Buch gesagt, aber nach meiner Überzeugung lohnt es sich, noch einmal darauf zurückzukommen: An den Elementen, aus denen wir bestehen, ist nichts Besonderes, außer dass wir daraus bestehen. Das ist das Wunder des Lebendigen.
In diesem warmen Fleischklumpen existieren wir also und halten das fast immer für etwas Selbstverständliches. Wie viele unter uns wissen auch nur ungefähr, wo die Milz liegt oder was sie tut? Wer kennt den Unterschied zwischen Sehnen und Bändern? Wer weiß, wozu die Lymphknoten da sind? Was glauben Sie, wie viele Male am Tag Sie mit den Augen zwinkern? Fünfhundertmal? Tausendmal? Natürlich, Sie haben keine Ahnung. Nun, Sie blinzeln ungefähr 14000-mal am Tag – so oft, dass Sie die Augen jeden Tag 23 Minuten geschlossen haben, obwohl Sie wach sind.6 Und doch müssen Sie nie darüber nachdenken, denn in jeder Sekunde jedes Tages erfüllt Ihr Körper buchstäblich unzählige Aufgaben – eine Billiarde, eine Nonillion, eine Quindecillion, eine Vigintillion (das sind die tatsächlichen Zahlen); in jedem Fall ist es eine Zahl, die unser Vorstellungsvermögen bei Weitem übersteigt – und alles geschieht, ohne dass wir auch nur einen Augenblick lang unsere Aufmerksamkeit darauf richten müssten.
In der einen Sekunde, seit Sie begonnen haben, diesen Satz zu lesen, hat Ihr Körper eine Million rote Blutzellen produziert. Sie strömen bereits in Ihnen herum, kreuzen durch Ihre Blutgefäße, halten Sie am Leben. Jede dieser roten Blutzellen wird...
Erscheint lt. Verlag | 30.3.2020 |
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Übersetzer | Sebastian Vogel |
Zusatzinfo | farb. Bildteil 16 S. |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | THE BODY: A Guide for Occupants |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Alles, was man wissen muss • Allgemeinwissen • Anatomie des Menschen • eBooks • Eine kurze Geschichte von fast allem • es war einmal das leben • Fit bleiben • Fit bleiben zuhause • Fitness • Geschenk Vatertag • Grundlagenwissen menschlicher Körper • Herz-Kreislauf • Immunsystem • Isolation • Körperwissen kompakt • Medizin • Nervensystem • neueste medizinische Forschung • Nr.1 Sunday Times Bestseller • Physikum • Quarantäne • Reise durch den Körper • spiegel bestseller • Sport • Vater Opa Papa • Viren |
ISBN-10 | 3-641-11184-6 / 3641111846 |
ISBN-13 | 978-3-641-11184-7 / 9783641111847 |
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