Das Geheimnis des Michelangelo (eBook)

Historischer Roman
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2020 | 1. Auflage
432 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-25140-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geheimnis des Michelangelo -  Matteo Strukul
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Rom 1542. Der 68-jährige Michelangelo wird von der Familie della Rovere aufgefordert, endlich das Grab des Rovere-Papstes Julius II. fertigzustellen, an dem er bereits seit vierzig Jahren arbeitet. Doch der Künstler hat nicht nur jedes Vertrauen in die katholische Kirche verloren, sondern sich auch von Rom entfremdet, einer Stadt, in der das Verbrechen regiert und Landsknechte plündernd umherziehen. In seinem Zorn schließt sich Michelangelo der häretischen Sekte der Spirituali an. Doch damit hat er nicht nur seine Auftraggeber, sondern auch die Inquisition im Nacken. Und er muss sich einer List bedienen, um zu überleben ...

Matteo Strukul wurde 1973 in Padua geboren. Er hat Jura studiert und in Europäischem Recht promoviert. Er gehört zu den neuen Stimmen der italienischen Literatur. Seine historischen Romane erobern regelmäßig die italienischen Bestsellerlisten. Strukul lebt mit seiner Frau Silvia abwechselnd in Padua, Berlin und Transsilvanien.

2


Die Römische Inquisition

In der Via Ripetta, im Palazzo del Sant’Uffizio, dem Sitz der Römischen Inquisition, nicht weit der Kirche San Rocco, traktierte Kardinal Gian Pietro Carafa seinen langen braunen Bart. Nervös wickelte er ihn um seine groben Finger. Der Monsignore seufzte tief. Er war nervös.

Die Edelsteine, die in seine zahlreichen Ringe eingefasst waren, ließen die Lichtstrahlen der herbstlichen Sonne in vielfarbigen Facetten erstrahlen. Das harte bleiche Licht drang durch die schweren Samtvorhänge vor den hohen Fenstern. Unter den stattlichen Rubinen und Smaragden war der vielleicht am wenigsten strahlende ausgerechnet der des Hirtenrings, so als wollte er die Dunkelheit anprangern, von der die Kirche in diesen Tagen befallen war.

Gekleidet in Kardinalspurpur, mit Mozetta, scharlachrotem Scheitelkäppchen und gleichfarbigem, golddurchwirktem Zingulum, saß Gian Pietro Carafa auf einem Stuhl und wartete darauf, dass sein bester Mann hereingeführt würde. Die Bediensteten hatten ihn bereits angekündigt.

Er erhob sich also von seinem kunstvoll geschnitzten Sitz und sah sich um. Der Raum war so weitläufig, dass sich jeder Besucher darin verloren vorkommen musste. Zumindest bis er sich an die spartanische Einrichtung gewöhnt hatte. Und genau das war die Wirkung, die Kardinal Carafa bei jedem seiner Gesprächspartner erzeugen wollte: ein Gefühl der Verlorenheit.

Abgesehen von fünf weiteren Stühlen und einem großen Kamin bestand die einzige weitere Einrichtung in den vor Handschriften und gebundenen Büchern überquellenden Bücherregalen entlang der Wände.

Der Kardinal, Oberhaupt der Römischen Inquisition, stand nun vor einem der Regale. Er nahm einen kleinen Band heraus und wendete es in den Händen. Er befühlte den Buchrücken und seine Seiten, die er geistesabwesend durchblätterte. Er hatte noch nicht einmal einen Blick auf das Frontispiz geworfen. Er hatte bloß das Bedürfnis, mit etwas zu hantieren. Drohte er, wie er befürchtete, die Geduld zu verlieren, konnte er sich immer noch am Buch festhalten.

Eingedenk seines Temperamentes, des Jähzorns, den er wirklich nur mit Mühe zu zügeln vermochte, war eine solche Vorsichtsmaßnahme alles andere als abwegig.

Der Sekretär kündigte den Gast an.

Daraufhin trat Vittorio Corsini, Hauptmann der Gendarmen des Sant’Uffizio, der Glaubenskongregation, mit einer tiefen Verbeugung ein. Der Kardinal streckte ihm die Hand entgegen, und Corsini küsste ergeben den Hirtenring. Dann richtete er sich wieder zu seiner beachtlichen Größe auf.

»Eminenz, ich höre.« Der Hauptmann machte wenig Worte, war aber von großer Anziehungskraft. Stattliche Statur, breitschultrig, mit eindringlichen grauen Augen und gewichstem Schnurrbart, dessen Enden nach oben wiesen. Es hieß, er habe einen großen Frauenverschleiß, doch der Kardinal legte keinerlei Wert darauf, dieses Detail zu vertiefen. Corsini trug eine rote Jacke, die mit einem goldenen und einem silbernen Schlüssel bestickt war, purpurfarbene Strümpfe und dunkle Stiefel, die bis ans Knie reichten. Ein breitkrempiger Filzhut und ein schwerer pelzgesäumter Mantel vervollständigten seine Kleidung.

Am Gürtel hingen eine Radschlosspistole und ein Schwert mit Korbgriff, dessen durchbrochener Handschutz gold- und silberbeschlagen war.

Der Kardinal räusperte sich. Er umklammerte das Buch und setzte Vittorio Corsini in Kenntnis über das, was ihn in diesen Tagen quälte. »Hauptmann, ob Ihr es glaubt oder nicht, dies sind unheilvolle Zeiten. Unser guter Pontifex Paul III. hat gut daran getan, das Sant’Uffizio zu gründen, um die Häresie zurückzudrängen, denn sie verbreitet sich nicht allein im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, ihre giftige Saat treibt auch hier im Herzen des Kirchenstaates aus!«

»Wirklich, Eminenz?«, fragte Vittorio Corsini ein wenig ungläubig.

»Sicher! Wagt Ihr etwa, meine Worte anzuzweifeln?«

»Oh, gewiss nicht!«

»Sehr gut. Im Übrigen erinnert Ihr Euch sicher sehr gut an die Ereignisse vor ein paar Monaten. Oder täusche ich mich?« Bei diesen Worten bearbeitete er das Bändchen in seinen Händen noch heftiger. Man hätte meinen können, er wolle es zerreißen.

Als aufmerksamem Gesprächspartner entging Vittorio Corsini dies nicht. Er konterte daher: »Euer Eminenz, spielt Ihr auf den Fall Bernardino Ochino an? Den Prediger?«

»Genau den«, fauchte der Kardinal.

»Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, hatte Euer Gnaden ihm befohlen, sich am Sitz des Sant’Uffizio einzufinden, und Ochino hat sich gehütet, diesem Befehl Folge zu leisten. Kaum war er in Florenz angekommen, reiste er von dort aus in die Schweiz.«

»Exakt. Nachdem er in Venedig von der Kanzel der Kirche Santi Apostoli gegen den katholischen Glauben gewettert hatte, hat er sich in die Arme des Häretikers Calvin gestürzt! Aber das ist noch nicht alles!«

»Tatsächlich, Monsignore? Was bedrückt Euch? Sagt es mir, und ich sorge für Abhilfe.«

Der Kardinal ließ ein grausames Lächeln sehen.

»Mein guter Hauptmann, Eure Ergebenheit und Euer Glaube sind lobenswert. Der Eifer, den Ihr bei den Euch übertragenen Aufgaben an den Tag gelegt habt, ist mir teurer als die Liebe eines Sohnes und, wie ich hinzufügen möchte, nötiger denn je. Ihr müsst nämlich wissen – aber das ahntet Ihr vermutlich schon –, dass es beim Heiligen Stuhl verschiedene politische Positionen gibt. Jede steht für ein eigenes, klar umrissenes Anliegen oder Interesse, sei es das von Kaiser Karl V., diesem Franzosenfreund, der allen Ansprüchen Franz I. nachkommt, oder zu guter Letzt – und gewiss nicht, was Größe und Bedeutung angeht – die verdammten Medici aus Florenz. Ganz zu schweigen davon, dass Venedig, diese Hure der Meere, sich natürlich nicht damit begnügen wollte, nur zuzusehen. Und doch sind all diese unterschiedlichen Haltungen und Bestrebungen gar nichts gegen die eines bestimmten Kardinals, eines einzigen, der es darauf anlegt, offen gegen meine unumstößliche Position Stellung zu beziehen.«

»Euer Gnaden, Ihr habt Kardinal Reginald Pole im Sinn?«

Bei der Erwähnung des Namens schloss Gian Pietro Carafa die Augen, als wollte er dem obersten Gebot besondere Geltung verschaffen: dem der Wahrheit. Als er sie wieder öffnete, schien sich in seinem Blick das feurige Rot der Glut im Kamin am anderen Ende des Raumes widerzuspiegeln.

»Ganz recht, genau der. Ebendieser Kardinal Reginald Pole ist der Stachel im Fleisch, die treulose Viper, die kraft seiner Abstammung und seiner naturgegebenen Kühnheit, die ihm aus dem Schutz durch den König von England erwächst, in seinem Schlangennest eine Brut kriechender Ungeheuer heranzieht.« An dieser Stelle wurde der Kardinalinquisitor heiser, und seine Stimme zitterte vor Wut; ohne noch etwas hinzuzufügen, hatte Gian Pietro Carafa das Buch auf den Boden geschleudert.

Vittorio Corsini hatte nicht die geringste Gefühlsregung gezeigt. Er war an die Zornesausbrüche der Eminenz gewöhnt und wollte ihn keinesfalls noch mehr reizen. Der Kardinal schien seine unterschwellige Wut geradezu liebevoll zu hegen, so als sei der Groll für ihn eine Form der Kunst, eine göttliche Gabe, die nicht abhandenkommen sollte, im Gegenteil, die Tag für Tag versorgt, genährt und schließlich zu einer tödlichen und unfehlbaren Waffe geschärft sein wollte.

»Was also kann ich tun, um Eure Qual zu lindern, Eminenz?« Corsini wusste genau, dass er heuchlerisch sein musste, ganz dem Willen des Kardinalinquisitors ergeben, wenn er sich nicht dessen Zorn und somit seiner Rache aussetzen sollte, die unfehlbar auf dem Fuße folgen würde.

»Haltet Ihr mich für verrückt, Corsini? Dass ich mich zum Vergnügen so aufführe? Dass ich nur darauf warte, in Zorn zu geraten?«

»Nicht im Geringsten, Euer Gnaden! Ich denke, Ihr seid das letzte Bollwerk angesichts eines überwältigenden Anwachsens der Ketzerei.«

Carafa nickte. »Da habt Ihr erneut recht, Hauptmann, mehr noch, Ihr hättet mir keine bessere Antwort geben können. Genau so ist es! Denn es ist eine Tatsache, dass Luthers Thesen auf deutschem Boden außerordentlichen Erfolg hatten. Ebenso in Holland und Flandern, und ich fürchte, sie könnten auch Frankreich untergraben, auch wenn Franz I. von Valois anscheinend mit Erfolg die Bestrebungen zu bremsen versucht, mit denen die Kritiker die katholische Kirche auseinandertreiben wollen. Doch wie lange noch? Was England angeht, nun schön, die waren schon immer ein zusammengewürfelter Haufen halb Ungläubiger. Seht Ihr, wie schlimm es um uns steht? Und was soll ich nun tun? Das Haupt senken? Mich geschlagen geben, ohne zu kämpfen? Niemals! Deshalb, mein guter Corsini, habe ich Euch rufen lassen. Denn, seht Ihr, besagte Häresie scheint nicht allein aus dem Munde von Kardinal Pole zu kommen, sondern auch über die korallenroten Lippen einer Frau.«

»Einer Frau?« Dieses Mal war der Hauptmann wirklich überrascht. War das also der Grund, aus dem ihn der Kardinal zu sich bestellt hatte? Eine Frau? Die Bedrohung bekam rätselhafte Züge und war schwer zu greifen.

»Ganz recht. Vittoria Colonna, mein lieber Corsini. Sie ist die Frau, von der ich spreche.«

»Die Marchesa di Pescara?«

»Genau die.«

»Darf ich fragen, welchen Vergehens sie sich schuldig gemacht hat?«

»Das weiß ich noch nicht genau. Doch Kundschafter und Spione haben mir signalisiert, dass sie geheime Verbindungen zu Reginald Pole unterhält. Ich weiß bloß nicht, zu welchem Zweck, auch wenn ich es mir natürlich denken kann. Aber...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2020
Übersetzer Ingrid Exo, Christine Heinzius
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Inquisizione Michelangelo
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 16. Jahrhundert • Bildhauer • Della Rovere • eBooks • Grabmal • Historische Romane • Inquisition • Katholische Kirche • Ketzer • Michelangelo • Papst Julius II. • Rom • Spirituali
ISBN-10 3-641-25140-0 / 3641251400
ISBN-13 978-3-641-25140-6 / 9783641251406
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