Der Große Kurfürst (eBook)

Friedrich Wilhelm von Brandenburg - Sein Leben neu betrachtet

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
336 Seiten
Siedler Verlag
978-3-641-21231-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Große Kurfürst - Jürgen Luh
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Ein neuer Blick auf den Begründer Preußens - ein faszinierendes Charakterbild

Friedrich Wilhelm, genannt der Große Kurfürst, hat den Grundstein für Preußens Aufstieg zur Großmacht gelegt und das Haus Hohenzollern zu einer der führenden Dynastien Europas gemacht. So lautet das gängige Urteil über den Herrscher aus Brandenburg. Es entsprach vor allem seinem eigenen Selbstbild. Denn die historische Wirklichkeit sah anders aus, wie Jürgen Luh, einer der besten deutschen Preußen-Kenner, in seiner Biographie zeigt.

Er zeichnet das ebenso schillernde wie überraschende Bild eines Fürsten, der in Wahrheit keine klare politische Strategie entwickelte, beständig die Seiten wechselte und damit Freund wie Feind düpierte. Und dem es am Ende nur mit Glück gelang, sein ererbtes Land zu behaupten. Ein faszinierender Blick auf die Vorgeschichte Preußens und ein farbiges Panorama Mitteleuropas zu Beginn der Neuzeit.

Jürgen Luh, geboren 1963, ist promovierter Historiker und in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zuständig für Wissenschaft und Forschung. Er hat zur Geschichte des Heiligen Römischen Reiches, Preußens und zur Militärgeschichte publiziert. Luh organisierte für 2012 das Großprojekt »Friedrich 300« in Potsdam mit zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen und Konferenzen. Zuletzt erschien bei Siedler seine vielgelobte Biographie »Der Große. Friedrich II. von Preußen« (2012).

Kindheit und Jugend


Bedrückende Verhältnisse, denen er entrinnen will


Durch sein Wesen wie durch die widrigen Umstände, denen er sich immerfort ausgesetzt glaubte, war Friedrich Wilhelm ein Getriebener. Unter seinem Bett habe der Zehnjährige einst einen gedungenen Meuchelmörder mit bloßem Degen gefunden, so lautete die Erklärung, die solchen Gefühlen Berechtigung verleihen und seine wiederholt auftretende Melancholie und Mutlosigkeit der Mit- und Nachwelt verständlich machen sollte. Auch auf den geliebten Jagdausflügen, auf die er viel Zeit verwendete, die er besser für Wichtigeres genutzt hätte, sei ihm aufgelauert worden. Alle diese »Mordanschläge« hat Friedrich Wilhelm körperlich unversehrt überstanden, sodass zweifelhaft ist, ob derartige Nachstellungen überhaupt stattgefunden haben. Doch allein schon die von seinem Umfeld gern und häufig gestreuten Gerüchte und Vermutungen über angeblich bevorstehende oder versuchte Attentate hinterließen wohl seelische Wunden in ihm, die niemals heilten. Ein »leidender Zustand« und tiefe Niedergeschlagenheit traten noch in seinen letzten Lebensjahren auf.

Dass die Devise, die er sich zur Richtschnur seines Lebens erkor, »Herr, tu mir kund den Weg, den ich gehen soll«, dem 143. Psalm Davids entstammte, war durchaus kein Zufall, sondern Ausdruck seiner Selbstsicht, ja seines Seins überhaupt. Der in seiner Disposition zwischen Verzagtheit und Kampfesmut schwankende Psalm kehrt Friedrich Wilhelms Innerstes nach außen, offenbart, was er als Kurprinz und Kurfürst, als Herrscher über ein in europäische Turbulenzen verwickeltes Territorium fühlte, aber nicht sagen durfte, ohne Schaden zu nehmen: »Denn der Feind verfolgt meine Seele und schlägt mein Leben zu Boden«, heißt es dort im dritten Vers, eine innere Anspannung enthüllend, »er legt mich ins Finstere wie die, die lange schon tot sind.« Und im vierten Vers, alle Unsicherheiten und Befürchtungen gleichsam bündelnd: »Mein Geist ist in Ängsten, mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe.« Aber der Psalm gab ihm zugleich Halt, wies ihm einen Weg, seine tief sitzenden Ängste zu überwinden, ihnen zumindest zu trotzen, und schenkte ihm darüber hinaus in einsamen, verzweifelten Stunden das tröstliche Vertrauen und die Zuversicht, derer er so sehr bedurfte. »Lass mich am Morgen hören Deine Gnade; denn ich hoffe auf Dich«, lautete wohl nicht zufällig jener Satz des achten Verses, der seinem Wahlspruch unmittelbar vorausging, und der folgende neunte Vers verlieh seinem Vorsatz, sich in der Welt behaupten zu wollen, geradezu beschwörend Ausdruck: »Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden; zu dir nehme ich meine Zuflucht.«

Der Psalm Davids leitete Friedrich Wilhelm von Anbeginn bis ans Ende seiner Tage in allen privaten Handlungen, aber mehr noch in allen politischen. Er war ihm in guten wie in schlechten Zeiten eine Stütze, er wies ihm die Richtung, offenbarte ihm, davon war er fest überzeugt, den Weg, der ihn schließlich an sein von Gott bestimmtes Ziel führen werde. 1 Auf diesem Weg wollte er ganz so, wie es die Verse des Psalms beschreiben, voranschreiten: mit dem Herrn an seiner Seite, vertrauend auf dessen Hilfe und Unterstützung. Wenn er überzeugt war, Gott mit all seiner segnenden, unbesiegbaren Kraft stehe hinter ihm, war er ganz bei sich und setzte eine kaum für möglich gehaltene Energie frei, die sich vor allem in seinem energischen Willen zeigte, über alle Widerstände und Anfeindungen hinweg sein Ziel zu erreichen. Als trage er Scheuklappen, konnte er dann stur vorwärtsmarschieren und rücksichtslos sämtliche Hindernisse zur Seite räumen, indem er auf alles und jeden losging. Niemals werde er nachgeben, ließ er in solchen Momenten jähzornig aufbrausend seine Umgebung wissen, lieber solle der Teufel alles holen. 2

War er erfolgreich, kannten seine Zufriedenheit und seine Zuversicht keine Grenze. Blieb ihm der Triumph über Widersetzlichkeiten und Gegner, den er sich hoffnungsfroh ausgemalt hatte, jedoch verwehrt, fiel er in Phasen trübseliger Düsternis, dumpfer Verzweiflung und lähmender Untätigkeit, die auch mal länger andauern konnten. Von seiner Umwelt kapselte er sich in solch trüben Stunden, in denen seine depressive Stimmung hervortrat und Macht über ihn gewann, hermetisch ab. In seinen letzten Lebensjahren konnte das über Tage, ja Wochen der Fall sein. Die Einzige, die ihn dann noch erreichen, in die Welt zurückholen und ihm dort den »nötigen psychischen Rückhalt« 3 geben konnte, war seine zweite Frau Dorothea. Die tiefen, immer häufiger und stärker auftretenden Depressionen zu überwinden gelang Friedrich Wilhelm aber trotz aller Bemühungen und der Hilfe, die er erfuhr, nicht.

Die Welt, in die er geboren wird


Friedrich Wilhelms Schwermut und sein Trübsinn, auch seine Unsicherheit rührten, sofern sie nicht vererbt oder angeboren waren – das lässt sich aufgrund fehlender Quellen nicht sicher feststellen –, aus den gefährdeten, in äußerst bedrohlichen Zeitläuften liegenden Kinder- und Jugendjahren, den Einengungen seiner Freiheit, den Zumutungen, die er als Kurprinz ertragen, und den Rückschlägen, die er in seinem Ehrgeiz immer wieder hinnehmen musste. Als er am 6. Februar 1620 des in Brandenburg damals gebräuchlichen julianischen Kalenders, also am 16. Februar nach heute üblicher Zeitrechnung, zwischen drei und vier Uhr morgens im Schloss zu Berlin als erster Sohn und damit als Thronfolger des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg und seiner Gemahlin Elisabeth Charlotte von der Pfalz geboren wurde, lagen die protestantischen und katholischen Territorien des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation miteinander im Krieg. In den ersten achtundzwanzig Jahren verlief das Leben Friedrich Wilhelms im langem Schatten dieses Ringens, das Macht über ihn ausübte und seinem Ehrgeiz Ziele, aber auch Grenzen setzte. In diesen widrigen, ihm – wie er glaubte – von Anfang an feindlichen Verhältnissen musste der brandenburgische Kurprinz sich, so gut er konnte, zurechtfinden und bei Freund und Feind Geltung zu verschaffen suchen, wenn er dereinst in der Welt etwas darstellen wollte.

Diese Zeitläufte ein wenig näher zu betrachten ist unumgänglich, will man Friedrich Wilhelms überzogenes Geltungsbedürfnis und sein immer wieder von dem Verlangen nach Gleichberechtigung, Anerkennung und Aufstieg geprägtes Handeln verstehen. Man muss sich mit den politischen Verhältnissen in Mitteleuropa, mit der Familie und ihrem Ort in den allgemeinen Gegebenheiten, mit ihrer Stellung innerhalb des Heiligen Römischen Reiches sowie mit den Ambitionen des Hauses Brandenburg, für die er eintreten wollte, so vertraut machen, wie Friedrich Wilhelm selbst es tat, um herauszufinden, wer er eigentlich war, woher er kam und wohin er gehen sollte. Sein Leben lang konnte er sich nicht freimachen von dem Gefühl, seine Familie – und damit er selbst – würden innerhalb der deutschen und europäischen Fürstengesellschaft nicht in der ihnen zukommenden Weise geachtet, man versuche die Seinen und ihn vorsätzlich klein zu halten und verweigere ihnen mutwillig und zu Unrecht die Erfüllung ihrer berechtigten Ansprüche auf die Ausdehnung ihrer Herrschaft und die Erweiterung ihres Ansehens.

»Von Gottes Gnaden, Marggraff zu Brandenburg, des Heyl. Röm. Reichs ErtzCämmerer und Churfürst, in Preußen, zu Gülich, Cleve, Berge, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, auch in Schlesien zu Crossen und Jägerndorff Hertzog, Burggraff zu Nürnberg, Fürst zu Rügen, Graff von der Marck undt Ravensberg, Herr zu Ravenstein und der Lande Lauenburg und Bütow«, 4 gehörten sein Vater Georg Wilhelm und er selbst, als er dem Vater nachgefolgt war, zu jener kleinen, lediglich die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, den König von Böhmen, den Pfalzgraf bei Rhein sowie den Herzog von Sachsen umfassenden Gruppe deutscher Fürsten, die berechtigt war, das kaiserliche Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches zu küren. Aus dieser Dignität und Hervorgehobenheit leitete er in erster Linie seine Ansprüche ab, hieraus speiste sich sein Ehrgeiz.

Die Geschichtsschreibung stellte Friedrich Wilhelms Vater Georg Wilhelm kein gutes Zeugnis aus. Weitblick, Energie und Geschick hätten ihm gefehlt, nicht einmal »körperliche Elastizität« – nach einem Unfall konnte er kaum noch laufen und musste sich in einer Sänfte tragen lassen – habe der Kurfürst besessen. »Von Tatkraft, festem Willen, fürstlichem Selbstgefühl« keine Spur, nichts davon sei in ihm gewesen. 5 Die »borussischen« Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts, die zuerst und fast ausschließlich preußisch-patriotisch dachten und schrieben, deren Abgott der brandenburgisch-preußische Staat war, der das Deutsche Reich, ja Deutschland angeblich erst erschaffen hatte, schmähten Georg Wilhelm, weil das Kurfürstentum Brandenburg während dessen Regierungszeit keine führende Rolle in der großen Politik spielte, wie es das ihrer Ansicht nach hätte tun sollen. In jenen politisch wie militärisch diffizilen Zeiten während des 1618 ausgebrochenen Dreißigjährigen Krieges habe sich dieser ganz und gar »unheldische, harmlose« Herrscher vorsichtig und so manches Mal gar ängstlich zurückgehalten. 6 Dass dies – bei aller berechtigten Kritik an dem Kurfürsten – klug war und der Dynastie wie Brandenburg oftmals nützlich, weil diese Zurückhaltung und Vorsicht das Land vor dem Untergang bewahrten, wollte man in einer Zeit, die das Genie und den Heros verehrte, nicht wahrhaben. Das Stigma des furchtsamen Verlierers ist von Georg Wilhelms »großen« Ur-Ur-Enkel Friedrich II. in...

Erscheint lt. Verlag 20.1.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Berlin • Brandenburg • Deutsche Geschichte • Dreißigjähriger Krieg • eBooks • europäische Großmacht • Friedrich der Große • Geschichte • Kurfürstentum • Potsdam • Preußen
ISBN-10 3-641-21231-6 / 3641212316
ISBN-13 978-3-641-21231-5 / 9783641212315
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