Die Mörderinsel (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
480 Seiten
Limes Verlag
978-3-641-16921-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Mörderinsel - Eric Berg
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Ein ermordetes Mädchen, ein freigesprochener Täter, ein Dorf in Aufruhr ... Der neue Küstenkrimi mit Doro Kagel
Frühsommer: Der Hotelbesitzer Holger Simonsmeyer, angeklagt des Mordes an einer jungen Frau aus seinem Heimatdorf Trenthin, wird freigesprochen. Er und seine Familie hoffen, damit sei nun endlich alles überstanden. Doch im Dorf herrscht Misstrauen, nur wenige glauben an die Unschuld des Hoteliers. Dann wird erneut ein junges Mädchen ermordet aufgefunden ...
Spätsommer: Schockiert steht die Journalistin Doro Kagel vor den Ruinen eines ausgebrannten Hauses in Trenthin. Vor Monaten hatte Bettina Simonsmeyer sie inständig gebeten, ebenso ausführlich über den Freispruch ihres Mannes zu berichten wie zuvor über den Mordprozess. Doro hatte abgelehnt. Nun hat die Familie einen schrecklichen Blutzoll bezahlt. Von Schuldgefühlen geplagt beginnt Doro, den Fall neu aufzurollen ...

Doro Kagel ermittelt in:
Das Nebelhaus
Die Mörderinsel

Beide Bände sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Eric Berg zählt seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Autoren. 2013 verwirklichte er einen lang gehegten schriftstellerischen Traum und veröffentlichte seinen ersten Kriminalroman »Das Nebelhaus«, der 2017 mit Felicitas Woll in der Hauptrolle der Journalistin Doro Kagel verfilmt wurde. Seither begeistert Eric Berg mit jedem seiner Romane Leser und Kritiker aufs Neue und erobert regelmäßig die Bestsellerlisten.

1


Noch 34 Tage bis zum zweiten Mord


»Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte wird freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen. Bitte setzen Sie sich.«

Wie ein Fallbeil sausten die Worte durch die Luft, grell und scharf, und beendeten, nein, töteten mit einem einzigen Schnitt. Sie töteten das Ungeheuer – so hatte Bettina den Prozess gegen Holger getauft. Das Ungeheuer hatte ihr fast ein Jahr lang den Mann genommen, den Schlaf geraubt, es hatte ihre wirtschaftliche Existenz, ihren guten Namen, die Zukunft ihrer Familie bedroht. Daher mischte sich in den Sekunden nach dem Urteilsspruch in die Erleichterung, die Dankbarkeit und die Freude, die wohl jeder an Bettinas Stelle empfunden hätte, auch eine finstere Genugtuung über das elende Ende des Ungeheuers.

Vorbei, dachte sie, es ist vorbei! Sofort sprudelte der Gedanke in die Welt, wurde hör- und sichtbar, als sie die Arme in die Höhe reckte, zur Bank des Angeklagten lief und gleich danach ihren Mann an sich drückte.

»Holger, es ist vorbei! Wir haben es geschafft.«

»Ja, wir haben es geschafft«, wiederholte er lächelnd.

Gefühlsausbrüche waren nicht seine Art, daran war sie nach fünfzehn Jahren Ehe gewöhnt, und es machte ihr nichts aus. Aber dieses eine Mal fand sie es schade, dass Holger immer gefasst, immer ausgeglichen war.

»Ich bin so froh, so unfassbar glücklich. Holger, Holger, Holger«, wiederholte sie seinen Namen wie eine Beschwörungsformel. Dann fiel ihr Finn ein, ihr Sohn, den sie zu sich rief und an dem sie sich festhielt, während er seinem Vater die Hand gab.

»Glückwunsch, Papa. Aber eigentlich Formsache, oder? Die Freaks mussten dich freisprechen. Alles andere wäre ein Skandal gewesen.«

Bettina wischte sich die Tränen aus den Augen, und dabei fiel ihr Blick auf die erfahrene Staatsanwältin, eine Frau Ende fünfzig, Anfang sechzig im schicken dunkelblauen Kostüm. Während des Prozesses hatte Bettina ihr kaum Beachtung geschenkt, war ihren Ausführungen ferngeblieben. Sie hatte all die Lügen über Holger, die mühsam konstruierten Fantastereien des Polizei- und Justizapparats nicht hören wollen.

Die Staatsanwältin war monatelang das Gesicht des Monsters gewesen, und Bettina hätte allen Grund gehabt, den Triumph ihr gegenüber am deutlichsten zu zeigen. Doch seltsamerweise geschah genau dies nicht. Alles, was Bettina im Gesicht dieser Frau las, war Entsetzen, ehrliches, ungläubiges Entsetzen, mit dem sie zur Richterbank blickte. In diesem Moment wurde Bettina klar, dass es mindestens einen Menschen auf dieser Welt gab, der allen Ernstes fest daran glaubte, dass ihr geliebter Holger ein grausamer Mörder war. Bisher war sie davon ausgegangen, dass die Polizei, und später die Staatsanwaltschaft, mehr aus Verlegenheit gegen Holger vorgingen, weil sie keinen Besseren gefunden hatten und deshalb ein paar lose Indizienfäden zu einem irrsinnigen Gespinst zusammenwoben. Ihrer Meinung nach glaubten die Vertreter des Staates gar nicht an den eigenen Unfug und hätten den Freispruch daher mit einem bedauernden Achselzucken abtun müssen. Doch die Staatsanwältin war kein junges, hungriges Ding mehr, das sich einen Namen machen wollte. Sie stand kurz vor der Pensionierung, hatte schon Hunderte Fälle gewonnen, Dutzende verloren, und doch wirkte sie aus allen Wolken gefallen. Ihr Blick schien den vorsitzenden Richter zu fragen: Was soll das? Wie können Sie nur? Und er schien ihr auf demselben Weg zu antworten: Sehen Sie nicht mich an. Ich wollte ja, aber …

»Bitte nehmen Sie Platz für die Urteilsbegründung«, sagte er, zunächst an den ganzen Saal und dann noch einmal an Bettina und ihren Sohn gewandt. Die drei Richter und zwei Schöffen ließen sich nieder.

Leicht irritiert, schon fast ernüchtert, ging sie zurück zu ihrem Platz. Im Saal war es nun mucksmäuschenstill, die Zuschauer murrten weder noch applaudierten sie. Ein paar junge Leute, Studenten vermutlich, legten sich Zettel und Stift auf die übereinandergeschlagenen Beine, um sich Notizen zu machen. Noch bevor der vorsitzende Richter mit seinen Ausführungen begann, durchstieß ein einzelnes verzweifeltes Schluchzen die Stille.

Die Eltern der ermordeten jungen Frau, um die es bei diesem Prozess ging – gegangen war! –, saßen nur wenige Stühle entfernt. Genau wie Bettina hatten sie keinen Verhandlungstag versäumt, nur dass sie den Ausführungen der Staatsanwaltschaft naturgemäß aufmerksamer gefolgt waren als denen von Holgers Verteidiger. Bettina hatte die räumliche Nähe zu den Illings stets als unangenehm empfunden, und umgekehrt war es dem Ehepaar sicherlich nicht anders ergangen. Man hatte sich immer mit einem kurzen Nicken begrüßt und war sich ansonsten aus dem Weg gegangen. Mit Äußerungen während des Prozesses hatten sich beide Parteien zurückgehalten. Sowohl Bettina als auch Frau Illing waren als Zeuginnen aufgerufen worden, und Bettina musste zugeben, dass Frau Illing bewundernswert sachlich geblieben war, sobald es bei der Befragung um Holger ging, und nur dann emotional wurde, wenn die Sprache auf ihr totes Mädchen kam – was allzu verständlich war.

Die Urteilsverkündung brachte dieses aus Höflichkeit gebaute Konstrukt zum Einsturz. Hier der deutlich gezeigte Triumph, dort die furchtbare, immer noch ungesühnte Tragödie und dazwischen ein Raum voll Akademiker und Journalisten, für die dieser Fall entweder ein Studienobjekt oder eine Meldung war – diese Spannung war einfach nicht mehr auszuhalten. Der Richter hatte erst ein paar Sätze gesprochen, als Mareike Illing sich laut wimmernd an die Brust ihres Mannes warf, was dieser nur wenige Momente aushielt, ehe er aufsprang und mit dem Finger auf Holger zeigte. Sein Mund öffnete sich, als würde gleich ein gewaltiger Schrei, ein böser Fluch daraus entweichen. Doch kein Laut kam ihm über die Lippen. Stattdessen rann ihm eine einzelne Träne über die Wange. Sie tropfte zu Boden mit dem Gewicht seines stummen Vorwurfs.

Betroffen senkte Bettina den Blick und bemerkte, dass sie sich den linken Zeigefinger blutig gekratzt hatte. Jene Bilder kamen wieder in ihr hoch, die sie beharrlich zehn Monate lang erfolgreich verdrängt hatte. Es waren dieselben Bilder, die sicherlich auch die Eltern des toten Mädchens unentwegt verfolgten, beim Einschlafen und Aufwachen, beim Warten an einer roten Ampel, im Supermarkt, beim Essen. Die Fotos aus den Medien wurden angereichert durch die eigene Fantasie, die sich wiederum aus Kriminalfilmszenen speiste, immer wieder unterbrochen von den Erinnerungen an eine fröhliche, hübsche, vor Tatendrang strotzende junge Frau, die es nun nicht mehr gab. Ein Schnitt von links nach rechts, an ihrer Kehle entlang, ausgeführt von hinten, überraschend, entschlossen und tief, hatte ihr Leben binnen einer Sekunde ausgelöscht. Röchelnd ging sie zu Boden, mit zuckenden Gliedern, die Augen weit aufgerissen, benetzte Laub und Farn mit ihrem Blut.

Einige Tropfen liefen über Bettinas Fingerkuppe, doch sie war außerstande, ein Taschentuch hervorzuholen. Voller Entsetzen und Mitleid wanderte ihr Blick zu den Illings, schnellte zurück zu ihrem pulsierend schmerzenden Finger, wurde erneut angezogen von dem Elend, das nur wenige Meter weiter aus zwei Menschen herausbrach.

Der vorsitzende Richter schritt ein, und nachdem sich die Gemüter dank der Gerichtsdiener beruhigt hatten, empfahl er dem Ehepaar, den Saal zu verlassen, was die beiden auch taten.

Bettina sah ihnen hinterher. Wie würde es ihr ergehen, wenn sie an Stelle der Illings wäre? Konnte man inmitten von Leid und Wut überhaupt noch klar denken? Ernüchtert stellte sie fest, dass es unmöglich war, sich in die Lage der Illings zu versetzen, auch wenn man es noch so sehr versuchte.

Bettina bemühte sich gar nicht erst, der seitenlangen Urteilsbegründung des vorsitzenden Richters zu folgen. Dazu war sie viel zu erregt, und das Juristendeutsch machte die Sache nicht besser. Seltsamerweise hörte sie die Ausführungen wie durch einen Schleier, wohingegen ihre übrigen Sinne wie von einem Schleifstein frisch geschärft waren. Tausend Dinge nahm sie auf einmal wahr, die ihr während der vielen Prozesstage entgangen waren: die Täfelung des Gerichtssaals, das Holzkreuz an der Wand, das Wappen von Mecklenburg-Vorpommern, die Bundesflagge, die weiten Roben der Richter.

Wie vor einer Prüfungskommission hatte sie die Tage und Stunden bei Gericht erlebt, ganz fokussiert auf die Hoffnung, alles werde gut ausgehen. Nun fragte sie sich, wer von den drei Richtern und zwei Schöffen der großen Strafkammer des Landgerichts wohl gegen ihren Mann gestimmt hatte? Seinem Gesichtsausdruck nach zumindest der Vorsitzende. Wie knapp war die Abstimmung ausgefallen? Hatten die beiden Schöffen, ein Mann und eine Frau wie du und ich, für Holger votiert? Der eine sah aus wie ein Sozialarbeiter, die andere wie eine Supermarktkassiererin – das waren natürlich nur Klischees, aber Bettina war total aufgedreht von ihren Gedanken und Gefühlen, die sie nicht alle mochte und von denen einige ihr sogar Angst machten.

Die Tragödie der Illings war furchtbar, und als Mutter verstand sie nur zu gut ihre Verzweiflung. Aber scherte sich in diesem Saal irgendjemand auch nur einen Deut um ihre eigene Verzweiflung? Wie sie sich herausgewunden hatte, wenn Stammgäste des Hotels fragten, wo denn Holger sei und wie es ihm gehe. Und dann die Blicke derer, die von Holgers Inhaftierung wussten: der anderen Kunden beim Bäcker, der Kassiererin im Supermarkt, des Paketboten, von Spaziergängern … Überall Blicke, mitleidige, skeptische, irritierte, verstohlene, anklagende,...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2020
Reihe/Serie Doro Kagel
Doro Kagel
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anna Johannsen • Berlin • Bestseller • Bestseller 2020 • Das Nebelhaus • Doro Kagel • eBooks • Eva Almstädt • Heimatkrimi • Krimi • Krimi für den Urlaub • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinung 2020 • Krimis • Küstenkrimi • Mord • Ostergeschenk • Ostsee • Regionalkrimi • SPIEGEL-Bestseller • Urlaubslektüre • weibliche Ermittlerin
ISBN-10 3-641-16921-6 / 3641169216
ISBN-13 978-3-641-16921-3 / 9783641169213
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