Knock-out in New York (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2020
Heyne Verlag
978-3-641-24536-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Knock-out in New York - Rob Hart
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Ash McKenna erledigt jeden Auftrag: sucht Vermisste, überbringt Drohbotschaften, macht gefährliche Botengänge. Barzahlung nach getaner Arbeit, aber manchmal tut es auch eine Flasche Whiskey. Nicht sein Traumberuf, aber er hält ihn in seinem geliebten East Village bei Laune. Bis ihm eines Tages Chell - die Frau, die er liebt - eine Voicemail mit einem Hilferuf hinterlässt. Eine Nachricht, die er erst abhört, nachdem ihre Leiche gefunden wurde. Ash macht sich feinfühlig wie eine Abrissbirne auf die Jagd nach dem Mörder und verwickelt sich immer mehr in die Machtkämpfe der New Yorker Hipster-Unterwelt. Als ihm klar wird, wer der Mörder ist, trifft er eine weitreichende Entscheidung ...

Rob Hart hat als politischer Journalist, als Kommunikationsmanager für Politiker und im öffentlichen Dienst der Stadt New York gearbeitet. Er ist Autor einer Krimiserie und hat zahlreiche Kurzgeschichten veröffentlicht. Rob Hart lebt mit Frau und Tochter auf Staten Island.

EINS


Ein jähes Krachen, und auf einmal bin ich wach.

Sonnenlicht scheint mir auf die Hände. Sieht aus wie verschütteter Whiskey. Eine weiße Wand. Eine zerwühlte blaue Bettdecke. Der Stiefel in meinem Gesicht drückt meinen Kopf auf den Holzboden.

Aber nein. Das muss vom Kater kommen. Dauert eine Weile, bis mir das bewusst wird.

Mein Nikotinspiegel ist im Keller. Ich brauche dringend eine Zigarette und einen Schluck Wasser. Dann weiterschlafen und so tun, als wäre nichts passiert. Und bloß nichts überstürzen.

Ich höre Rauschen und Knacken. Dann eine Stimme: »10-36 Code 2, Zehnte Ecke C.« Autounfall, drei Blocks weiter Richtung Osten, keine Verletzten, Ausrücken nicht nötig.

Ich bin also in meinem Apartment. So weit, so gut.

Irgendwo vibriert mein Handy. Eigentlich vibriert der ganze Fußboden. Es fühlt sich an, als würde mir jemand Nägel in den Kopf schießen. Ich will mich aufsetzen, schaffe es aber erst beim zweiten Versuch. Jede Bewegung schmerzt. Das Handy liegt hinter dem Nachttisch. Muss beim Vibrieren runtergefallen sein. Davon bin ich wohl wach geworden. Ich habe drei Sprach­nachrichten.

Erst mal brauche ich frische Luft. Ich vergewissere mich, dass ich meine Hose anhabe, und klettere durch das Fenster auf den Absatz der Feuerleiter. Draußen ist es bitterkalt, und mein Kopf wird ein bisschen klarer. Jedenfalls weiß ich wieder, wo ich bin. Das ist ja schon mal was.

Dem Stand der Sonne und den Menschenmassen auf der First Avenue nach zu urteilen, ist es etwa vier Uhr nachmittags. Und es ist so eiskalt, dass ich am liebsten wieder reinklettern würde, um meinen Hoodie zu holen. Aber mit dem Kater wird mir jede Bewegung zu viel.

In dem rostigen Gitter über der Feuerleiter steckt eine halb volle Wasserflasche. Die ist von mir, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich öffne sie und trinke, während ich zuschaue, wie die Stadt ein- und ausatmet. Und ich zerbreche mir den Kopf darüber, was gestern Abend passiert ist.

Ich war in meinem Büro. Seit ein paar Wochen läuft irgendein Irrer hier rum, der es auf Frauen abgesehen hat. Begrapscht sie und haut dann ab. Aber erst, wenn alle Bars und Clubs geschlossen sind und sie allein nach Hause gehen. Und immer in der Nähe vom Tompkins Square Park.

Ich habe schon ein paar Aufpasser organisiert. Frauen, die zu Fuß nach Hause wollen, können anrufen und Begleitung anfordern. Hab auch einen Lockvogel losgeschickt: Ein hübsches Mädchen hat schon ein paarmal zwischen vier und fünf Uhr nachts ein paar Runden um den Park gedreht, mit Rückendeckung von einem Schlägertypen, der nicht lange fackelt. Feige, wie so ein Grapscher nun mal ist, reicht vermutlich ein einziger platzierter Schlag, und dann hat sich das Ganze erledigt.

Aber das ist schon eine Woche her, und seitdem ist nichts mehr passiert. Keine Spur von dem Irren. Ich war ziemlich frustriert, dass ich ihn noch nicht geschnappt habe. Also habe ich getan, was ich in solchen Fällen immer tue: mir eine Flasche Jameson gönnen.

Richtig erinnern kann ich mich nur noch bis zur Hälfte der Flasche. Danach ist alles verschwommen. Die Oberfläche des Tresens verzerrt durch den Boden leerer Gläser. Um mich herum Menschenmassen. Weiß gekachelte Wände von U-Bahn-Stationen. Dann der Holzboden in meinem Schlafzimmer.

Ich habe es immerhin bis in meine Wohnung geschafft.

Als ich mir den Schlaf aus den Augen reiben will, sehe ich, dass auf meiner Handfläche etwas geschrieben steht: Du hast es versprochen. Meine Handschrift, aber sonst fällt mir nichts dazu ein.

Wieder vibriert das Handy. Es ist die Mailbox. Ich tippe meine PIN ein, stelle auf Lautsprecher und lehne mich mit dem Kopf gegen die kalte Backsteinwand.

»Hi, ich bin es. Chell.«

Chell. Sie spricht ihren Namen so grob aus, als wäre er ein Schimpfwort.

Vielleicht soll er das ja auch sein.

Dann redet sie weiter. Langsam, kontrolliert. Als ob das, was sie sagt, eigentlich nicht das ist, was sie in Wahrheit sagen will. »Ich bin ziemlich sauer auf dich. Aber jetzt brauche ich deine Hilfe. Ich hab das Gefühl, dass mich jemand verfolgt. Da ist so ein Typ, der war auch schon … Also, der ist mir unheimlich. Bin an der Vierten, Ecke B. Kannst du kommen und mich einsammeln? Nach allem, was passiert ist, sollten wir sowieso miteinander reden. Ich gehe jetzt zu deinem Apartment. Für den Fall, dass du zu Hause bist oder sonst irgendwo in der Nähe: Ich nehme die First Avenue. Kannst du mir ein Stück entgegenkommen? Bitte!«

Ich höre die zweite Nachricht ab. Erst nichts und dann ein Klicken.

Die dritte Nachricht ist von Bombay. »Wo steckst du, Alter? Mach den Fernseher an! Oder ruf mich zurück. Es ist wegen Chell. Sie ist tot.«

*

Auf NY1 läuft die Story in Endlosschleife. Von einem Helikopter aus zoomt die Kamera auf einen Schrottplatz im Jamaika-Viertel von Queens. Zwischen alten Autoreifen und Altmetall stehen Schaulustige auf der Brachfläche. Aber der Hubschrauber fliegt zu hoch, als dass man mehr erkennen könnte als die Farbe der Klamotten, die die Leute anhaben. Auf der Straße steht eine Armada von Polizeiwagen und dazwischen ein einzelner Krankenwagen, ohne Blaulicht.

Die Szenerie schrumpft zu einem kleinen Viereck neben einem Moderator, der auf betroffen macht und in getragenem Bariton berichtet, dass Chell auf diesem Schrottplatz gefunden worden sei, zusammengeschnürt mit Packband. Man gehe von einem sexuellen Gewaltdelikt aus, einen Verdächtigen gebe es jedoch noch nicht.

Er nennt sie bei ihrem vollständigen Namen.

Die Kaffeemaschine piept, um anzuzeigen, dass der Kaffee fertig ist. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, welchen aufgesetzt zu haben. Ich schenke mir einen Becher ein, stelle ihn in den Kühlschrank, um den Kaffee abkühlen zu lassen, und stemme die Hände gegen die glatte, weiße Oberfläche der Kühlschranktür.

Ich kann nicht mehr denken. Ich brauche eine Zigarette. Ohne eine zu rauchen, kann ich nicht klar denken.

Keine Packung mehr neben der Spüle. Wenn ich noch Zigaretten hätte, würden sie dort liegen. Im Aschenbecher auf der Fensterbank sind ein paar Kippen, abgeraucht bis zum Filter. Ich könnte zu der Bodega in der Nähe runtergehen, da gibt es alles, was man so braucht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, die Tür zu öffnen und in eine Welt zu treten, in der Chell wirklich tot ist.

Keine weiteren Anrufe oder Nachrichten auf meinem Handy, aber was ich abgehört habe, klingt mir noch in den Ohren wie einer dieser grottigen Songs, die man nicht mehr aus dem Kopf kriegt.

Da verqualme ich zwei Packungen am Tag, und es ist nicht eine einzige Kippe da, die ich mir noch mal anzünden könnte.

Keine Zigaretten im Kühlschrank oder unter der Spüle oder im Badezimmerschränkchen. Auch keine Packung, die sich unter den Haufen Klamotten neben dem Bett oder hinter das Sofa verirrt hat. Ich ziehe die Schublade auf, in der meine Socken liegen. Was weiß denn ich, was mir im Vollrausch so einfällt.

Aber nein, außer Socken ist da nur ein dünnes Haargummi. Mit ­einem einzelnen roten Haar in der Länge, dass es Chell bis zur Schulter reichte.

Ich grabe die Fingernägel in die Handballen, bis ich kaum noch Luft bekomme. Ich lege die Arme um den Oberkörper, als könnte ich damit in mir verschließen, was mich fast zerreißt.

Chell ist tot.

*

Es war irgendwann im August, und es war so heiß, dass man den Teer auf den Straßen riechen konnte.

Wir wollten eine Sonnenbrille für dich kaufen. Was Brillen angeht, hattest du einen Tick. Sie mussten farblich zu deinen Haaren passen, die irgendwo zwischen Feuerwehrauto- und Flammenrot lagen.

Es gab nur zwei Optionen: Canal Street oder St. Mark’s Place. Letzteres lag näher, also klapperten wir sämtliche Straßenhändler auf dem kurzen Streifen zwischen der Zweiten und Dritten ab, vorbei an den asiatischen Touristen vor den Karaoke-Bars und den ewig Gestrigen, die noch nicht gehört haben, dass Sid Vi­cious längst tot ist.

Ich wollte nur noch in den Schatten, aber du in deinem schwarzen Tanktop, den dunklen Shorts und mit so weißer Haut, als hättest du deinen Lebtag nie einen Sonnenstrahl abbekommen, bist an jedem Brillenstand stehen geblieben. Mit deinen langen, schlanken Fingern hast du eine Sonnenbrille nach der anderen aufgesetzt. Und ich habe jedes Mal die Achseln gezuckt. Als ob meine Meinung etwas gezählt hätte.

Gekauft hast du dann eine Brille mit schmalen Gläsern und ­einem dicken Plastikgestell, mit Strass an den Seiten.

Gefallen hat sie mir nicht, schon deshalb nicht, weil sie deine Augen verdeckt hat. Aber das hätte ich niemals gesagt. Und ich wäre ohnehin nicht dazu gekommen, denn du bist sofort zum nächsten Stand weitergelaufen, hast mir einen der Hüte auf den Kopf gesetzt und gesagt: »Den schenke ich dir zum Geburtstag.«

»Ein Hut ist doch gar nicht mein Stil.«

»Nichts ist dein Stil. Deshalb brauchst du ja auch ein paar Accessoires.«

Du hast mir einen Spiegel vors Gesicht gehalten, und eigentlich stand mir der Hut gar nicht schlecht. Ein Fedora, wie in den alten Gangsterfilmen. Zwanzig Dollar wollte der Straßenhändler dafür haben, aber du hast ihn auf fünfzehn runtergehandelt.

Und dann hast du gesagt: »Herzlichen Glückwunsch!«

Dabei feiere ich meinen Geburtstag überhaupt nicht. Ein weiteres Mal so lange gelebt zu haben, bis die Erde einmal um die Sonne gekreist ist, halte ich nun wirklich nicht für eine nennenswerte Leistung. Wenn jemand, der weiß, wann ich Geburtstag habe, mir einen Drink...

Erscheint lt. Verlag 10.8.2020
Reihe/Serie Die McKenna-Reihe
Die McKenna-Reihe
Übersetzer Heike Holtsch
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel New Yorked
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Brooklyn • Drag Queen • eBooks • Gentrifizierung • Hipster • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Manhattan • New York • Staten Island • Thriller
ISBN-10 3-641-24536-2 / 3641245362
ISBN-13 978-3-641-24536-8 / 9783641245368
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