Opferstunde (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
336 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-23161-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Opferstunde - Nicole Neubauer
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Wozu sind Menschen fähig, denen man alles nimmt?
München in Aufruhr! Nach zwei Morden an jungen Joggerinnen an der Isar, nimmt Kommissar Waechter mit seinem Team die Ermittlungen auf. Er glaubt nicht an einen Zufallstäter, und forscht weiter nach. Er findet heraus, dass der Exmann des einen Opfers Mitglied eines Vätervereins war, der sich die Rechte geschiedener Männer auf die Fahnen geschrieben hat, ein Abgrund aus Frauenhass und Aggression. Liegt hier die Lösung des Falls?
Kommissar Hannes Brandl hat ein ganz anderes Problem: Ein Fremder holt seinen Sohn vom Kindergarten ab. Jemand bricht in den Garten ein und verwüstet den Hühnerstall. Er beschließt, die Aufmerksamkeit des Stalkers auf sich zu lenken, um ihn aus dem Dunkel zu locken ...

Mord in München - Kommissar Waechter ermittelt:
Band 1: Kellerkind
Band 2: Moorfeuer
Band 3: Scherbennacht
Band 4: Opferstunde
Alle Bände sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Nicole Neubauer ist 1972 in Ingolstadt geboren und studierte englische Literaturwissenschaft und Jura in München und London. Nach zehn Jahren in einer Wirtschaftskanzlei arbeitet sie freiberuflich als Autorin, Rechtsanwältin und Lektorin. Sie ist Mitglied der »Mörderischen Schwestern e.V.« und der »Autorinnenvereinigung e.V.«.

Nicole Neubauer lebt mit ihrer Familie in München im Herzen Schwabings.

Tag 1 – Klaubauf


Auf dem Wege, der uns schützend hingegossen, links und rechts die Bäumelein – muß ich nun so Schreckliches entdecken.

(Drachenzählerlied)

 

Die Stadt schlief, Kommissar Waechter aber nicht. Er stützte sich auf das Geländer der Hackerbrücke und schaute den Bahngleisen nach, wie sie sich teilten und im Dunst verschwanden. Um fünf Uhr morgens fuhr kein Zug. Seine Mordkommission hatte Bereitschaft, und als das Telefon geklingelt hatte, war er auf eine Todesnachricht gefasst gewesen. Doch es war mal wieder ein Hilferuf der anderen Art.

»Danke fürs Abholen«, sagte Lily. Ihr Atem formte weiße Wölkchen. Sie klopfte ihre Zigarette auf dem Geländer aus. Funken sprühten und verloren sich im Nebel.

»Passt schon«, sagte Waechter. »Ich war sowieso wach. Meine Blase und ich sind auch nicht mehr so jung.«

»Too much information, Waechter.«

»Ich bin aber kein Taxler, dass du das weißt.«

Geräuschvoll zog Lily die Nase hoch.

»Was ist mit deiner Mutter, hat die dich nicht aufklauben können?«

»Die würde sich wieder drei Tage lang aufregen. Mit Händen und Füßen und auf Deutsch und Italienisch. Sie denkt, ich liege im Bett.«

»Einen Vater hast du doch auch noch.«

»Ach der! Der muss jede Nacht das Baby von der neuen Freundin durch die Wohnung schleppen.« Verachtung triefte aus ihrer Stimme, für Vater, Baby, Freundin.

»Du hättest von hier aus heimlaufen können. Ist keine halbe Stunde.«

Sie schniefte wieder, und erst jetzt sah er, wie sie mit den Tränen kämpfte. Mit Schild und Flammenschwert. Sie hatte den Stolz von ihrem Vater geerbt, Hannes, seinem engsten Kollegen und Freund. Der ihm wegen Lily schon einmal einen rechten Haken verpasst hatte. Nun, Waechter konnte nichts dafür, dass Lily ihn als Wahlonkel auserkoren hatte und ihm und seinem Autoschlüssel ihre Freundschaft aufdrängte wie eine Motte, die an der Scheibe summt.

»Was ist mit deinen Freunden?«

Die Funken sprühten, als sie ihre Zigarette ausdrückte. »Manchmal glaub ich, ich hab gar keine Freunde.«

Etwas musste schiefgelaufen sein an diesem Abend. Aber sie erzählte es nicht, und Waechter fragte auch nicht nach. Er war nicht der richtige Empfänger für Teenagerprobleme. Was machten die Kinder nur in diesen Clubs und Discos? Sie kämpften sich durch Nacht um Nacht, als wäre es harte Arbeit, die sie hinter sich bringen mussten. »Ein Mädel wie du gehört um die Zeit nicht auf die freie Wildbahn«, sagte er. »Mit fünfzehn.«

»Sechzehn.«

»Da hab ich wohl was verpasst. Herzlichen Glückwunsch nachträglich. Wann war’s denn so weit?«

»Heute«, sagte Lily. »Heute ist mein Geburtstag.«

Ohne Vorwarnung umarmte sie ihn. Waechter hielt die Hände hoch, weil es auf einer nicht verwandten Sechzehnjährigen keine Stelle gab, auf der er sie legal ablegen konnte. Er mochte Umarmungen, solange er nicht dabei war.

»Ist ja gut.« Er schob sie in gesetzestreuen Abstand. »Ich fahr dich jetzt heim.«

»Können wir nicht noch irgendwo einen Kaffee trinken? Immerhin ist es mein Geburtstag.«

»Deine Eltern sehen es nicht gern, wenn du nachts mit mittelalten Kriminalern durch die Gegend ziehst«, wandte er ein.

»Und? Was geht die das an? Ich zieh, mit wem ich mag.«

»Deine Mutter hat unmissverständlich klargemacht, dass ein alter Sack wie ich keine jungen Mädels durch die Gegend fahren soll. Und weißt du was? Da hat sie recht. Deine Mutter ist eine tolle Frau. Und ich will nicht, dass sie schlecht über mich denkt.«

»Meine Mama gefällt dir also?«

»Wem gefällt die nicht?«

Lily warf ihm einen lauernden Blick zu. »Was verdient man so als Hauptkommissar?«

Waechters Telefon klingelte. »Diensthandy«, sagte Lily. »Das erkenn ich schon am Ton.«

Wie gut sie ihn kannte. Er holte das Handy aus der Tasche, es war die Leitstelle. Mit einem Blick auf Lily wandte er sich etwas ab.

»Waechter, ja … Wittelsbacherbrücke, sagt ihr … Hm. In Ordnung. Fahndung läuft aber schon, oder? Nein, ich hab nicht geschlafen … Haha, sehr witzig. Komm du erst mal in mein … ja, mach ich. Ich bin unterwegs. Ruhige Nacht noch.« Er legte auf.

»Jemand ist gestorben, oder?«, fragte Lily.

Waechter nickte.

»Supergeburtstag, ey.«

Sie warf den Kopf zurück und marschierte in Richtung des Parkplatzes. Ihm blieb mal wieder nichts anderes übrig, als ihr hinterherzulaufen.

 

»Waechter braucht aber lange.« Hannes schlug seine Kapuze hoch. Der Wind pfiff unter der Wittelsbacherbrücke hindurch und schlug ihnen den Nebel als Sprühregen ins Gesicht.

»Nur weil du ausnahmsweise mal pünktlich warst, Hase«, sagte Elli und hielt ihm ein Paar Gummihandschuhe hin. »Sonst warten wir immer auf dich.«

»Ich war noch gar nicht umgezogen.«

»Kriegt das Baby wieder Zähne?«

»Ach, frag nicht!« Er hatte zwei Stunden geschlafen. Aus Versehen, auf dem Sofa.

Sie strich ihm eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus dem Dutt gelöst hatte. »Siehst auch müde aus. Gehst du jetzt bald in Elternzeit, oder nicht?«

»Waechter hat schon angedeutet, dass er nichts davon hält.«

»Waechter ist ein Dinosaurier. Der hat noch nie etwas von Vereinbarkeit gehört. Wenn dein Baby groß ist, wirst du bestimmt nicht sagen: Hätte ich doch mehr Zeit mit toten fremden Leuten in der Mordkommission verbracht.« Sie deutete auf sein Clipboard. »Du siehst damit so schlau aus. Klär mich mal auf, warum wir hier sind!«

Hannes briefte sie, soweit er konnte. Ein Obdachloser hatte eine tote Frau im Gebüsch entdeckt. Der Täter war flüchtig. Ein Hubschrauber kreiste über den Isarauen, eine Hundertschaft durchkämmte das Gelände. Doch die Frau konnte schon seit dem Vorabend dort liegen, und die Chancen waren gering, den Täter noch im näheren Umkreis anzutreffen.

»Nadine«, las Hannes vor. »So hieß sie. Nadine Ritter. Wahrscheinlich war sie joggen. Sie trägt Sneakers und Trainingskleidung. Neunundzwanzig. Geschieden, Mutter einer Tochter.«

»Können wir die Frau schon sehen?«

»Noch nicht, die sind noch dran.«

Der Bereich um den Pfeiler der Wittelsbacherbrücke war weiträumig abgesperrt. Es roch nach den Holzfeuern der Obdachlosen. Polizisten durchsuchten die Behausungen unter der Brücke, nahmen die Personalien der Bewohner auf. Die Brücke schwang sich breit und kühn über die Isarauen, zwei der Pfeiler standen noch auf dem Land und bildeten ein Dach mit zwei Wänden. Darunter hatte sich ein kleines Dorf gebildet, mit Matratzen, Möbeln und Trennwänden. In einem der verlassenen Zelte lief noch ein Radio, ein deutscher Schlager, Spiel noch einmal für mich, Habanero. Über dem Knattern der Rotoren war die Musik deutlich zu hören.

Hannes blätterte die Notizen im Clipboard durch. »Wir haben noch keinen Überblick, wie viele Personen hier kampieren. Wahrscheinlich sind uns schon ein paar durch die Lappen gegangen. Wir müssen uns mit den Befragungen beeilen. Schauen wir mal, wie weit sie damit sind.«

Die Obdachlosen waren die einzigen Zeugen. Keiner von ihnen wollte viel mit der Polizei zu tun haben, die Antworten waren einsilbig, die Blicke feindselig. Jemand musste doch etwas mitbekommen haben, wenn ein Mensch starb, mitten in der Stadt. An einem öffentlichen Spazierweg, direkt gegenüber den herrschaftlichen Häusern, deren Lichter durch die Bäume schimmerten. Der Fußweg lag auf einer Anhöhe, wo die Isarauen in einen kleinen Park übergingen.

»Was ist das da?« Elli deutete auf eine Bank, die vom Wasser abgewandt am Rand einer kleinen Hundewiese stand. Ein Haufen lag darauf. Ein Deckenberg. Nicht weit entfernt vom Fundort der Leiche.

»Da sitzt ein Mensch.« Hannes näherte sich vorsichtig, um den Deckenberg nicht zu erschrecken »Warum hat den noch keiner bemerkt?«

Die zusammengesunkene Gestalt saß abseits vom Geschehen im Dunkel, hatte sich unsichtbar gemacht, jederzeit bereit, durch die unübersichtliche Parkanlage zu entschwinden. Eine Mütze schaute oben heraus, mit einem Bommel wie eine Sahnehaube.

Hannes hielt einen uniformierten Kollegen an.

»War schon jemand bei dieser Person?«

Doch der kniff nur die Augen zusammen und fragte: »Welche Person?«

Sie gingen um die Bank herum. Je näher Hannes kam, desto stärker wurde der beißende Geruch nach Urin. Trotzdem beugte er sich zu dem Menschen im Deckenkokon hinunter.

»Guten Morgen, Hauptkommissar Brandl von der Kripo München.«

Keine Reaktion.

»Hallo? Bitte wachen Sie auf!«

Unter einer Wollmütze erkannte Hannes einen grauen Haarschopf, der sich im Rhythmus des Atems bewegte. Die Hände in den Fäustlingen waren winzig, die Füße steckten in schief getretenen Frauenschuhen.

»Wir würden Sie gern etwas fragen. Hallo?«

Der Haarschopf bewegte sich. Eine Frau. Sie hustete rasselnd, spuckte Schleim auf den Kies und hob den Kopf. Der Blick aus den roten Augen erinnerte Hannes an eine Stadttaube.

»Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«

»Fragen kannst lang.«

»Gestern Abend ist hier eine Frau überfallen worden. Haben Sie davon etwas mitbekommen?«

Statt einer Antwort stand die Frau auf. Ihr Körper war so verkrümmt, dass sie dadurch nur unmerklich größer wurde, sie ging Hannes immer noch bis zum Brustbein. Blitzschnell hob sie die Hand und zog ihm die Mütze vom Kopf.

»So lange Haar. Schämen solltest dich. Wia a Madl.«

Hannes griff nach seiner Mütze, doch sie hielt sie mit unerwarteter Behändigkeit außer Reichweite und ließ sie irgendwo in ihren Decken verschwinden.

»Haben Sie meine Frage verstanden?«

»Natürlich versteh ich dich. Ich...

Erscheint lt. Verlag 18.5.2020
Reihe/Serie Kommissar Waechter
Kommissar Waechter
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bayernkrimi • eBooks • Heimatkrimi • Inge Löhnig • Kellerkind • Kommissar Dühnfort • Kommissar Waechter • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Moorfeuer • Mord • München • Nele Neuhaus • Scherbennacht
ISBN-10 3-641-23161-2 / 3641231612
ISBN-13 978-3-641-23161-3 / 9783641231613
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