Mademoiselle Rosalie und der tote Chocolatier (eBook)

Ein Provence-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
448 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-22856-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mademoiselle Rosalie und der tote Chocolatier - Julie Lescault
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Frühling in der Provence. In dem kleinen Städtchen Vassols betritt ein unbekannter Mann den Laden des Chocolatiers Arthur Bonnet und überreicht ihm einen Umschlag. Dann bricht der Fremde bewusstlos zusammen. Kurz darauf wird Bonnet tot in seiner Villa aufgefunden. Was erst nach Herzinfarkt aussieht, entpuppt sich bald als Mord. Commissaire Viale sieht den Kreis der Verdächtigen innerhalb der Familie Bonnet. Doch Friseurin und Hobbydetektivin Rosalie und ihr Freund, der Apotheker Vincent, fragen sich, was der Unbekannte mit dem Mord zu tun hat. Noch bevor sie ihn im Krankenhaus befragen können, wird jedoch auch er für immer zum Schweigen gebracht ...

Julie Lescault ist das Pseudonym von Patricia Mennen, einer vielfach und erfolgreich veröffentlichten Autorin atmosphärischer Frauenromane. Sie hat schon als Kind die Welt bereist und so früh ihre Lust am Beobachten, Geschichtenerzählen und Theaterspielen entdeckt. Nach ihrem Studium arbeitete sie einige Jahre als Redakteurin in einem Jugendbuchverlag. Heute lebt sie mit ihrer Familie abwechselnd in Oberschwaben und in der Provence.

Prolog

Wie blank geputzt strahlte der Himmel über den Bergen und Weinfeldern der Vaucluse. Der Blick in die Ferne war so klar und scharf, dass man von der höchsten Erhebung, dem fast zweitausend Meter hohen Mont Ventoux, einen Rundumblick hatte, der vom Mont Blanc in den Alpen über das Mittelmeer bis hin zu den Pyrenäen reichte. Und doch war diese Schönheit trügerisch. Ein Aufenthalt im Freien war an diesem Morgen kein Genuss. Mit beißender Schärfe fegte der Mistral über die knorzig-krummen Weinstöcke, aus denen sich schon bald zaghaft frisches Grün herauswagen würde. Im grellen Licht des kalten Nordwindes warfen sie bizarre Schattenmuster auf die rotbraune Erde. Das wolkige Weiß der Kirschblüten setzte malerische Akzente, ebenso wie die immergrünen Olivenbäume, deren Blätter im böigen Wind ein flirrend silbriges Lichtspiel boten. Mit ungebremster Wucht donnerte der Wind an diesem Tag gegen die mittelalterlichen Mauern von Brillon-de-Vassols. Unberechenbar trieb er sein Spiel in den schmalen Gassen des provenzalischen Dorfes, konzentrierte sich auf Plätzen zu aufsteigenden Wirbeln aus Staub und wintertrockenen Blättern, um nach einem kurzen, wilden Tanz wieder unversehens in sich zusammenzufallen. Die unberechenbaren Launen des Windes setzten auch den Bewohnern des Dorfes zu.

Josette Balbu, die Inhaberin des Magasin du Journal, versuchte an diesem Morgen bereits zum wiederholten Mal, den Postkartenständer für die Touristen vor ihrer Eingangstür so zu platzieren, dass der Wind ihm nichts anhaben konnte. Soeben mühte sich die hagere Frau mit einem schweren Stein ab, den sie auf den Fuß des Postkartenständers zu rollen beabsichtigte. Doch bevor ihr dies gelang, wurde sie von Arlette Farnauld unterbrochen, die sich in ihrer ganzen Breite vor ihr aufbaute.

»Verdammter Mistral«, bemerkte sie missmutig, als trüge Josette Mitschuld an dem unangenehmen Wind.

»Hmpf«, grunzte diese mindestens ebenso schlecht gelaunt. Eine weitere Bö brachte den Postkartenständer gefährlich ins Wanken. Josette ließ den Stein Stein sein und griff in letzter Sekunde nach dem fallenden Ständer. Da sie sich noch in gebückter Haltung befand, benötigte sie dazu beide Hände. Arlette ignorierte die missliche Lage ihrer Freundin und blieb weiterhin unbeeindruckt neben ihr stehen. Man konnte dabei das Gefühl haben, dass Josettes bizarre Verrenkungen sie sogar amüsierten. Die beiden Frauen verband seit Jahren eine innige Hassliebe, die sowohl von Schadenfreude und Missgunst als auch von ihrer gemeinsamen Schwäche für Dorfklatsch geprägt war. »Du hättest den Ständer lieber im Laden lassen sollen« war alles, was sie sagte.

»Hmpf.« Josette, die figürlich das genaue Gegenteil von ihrer kompakten Busenfeindin war, kämpfte immer noch mit der Tücke des Objekts. Mit viel Mühe gelang es ihr schließlich, sich an dem Ständer aufzurichten, ohne ihn loszulassen. An ihrem verkniffenen Gesicht war deutlich abzulesen, wie sehr sie sich über die Bäckersfrau ärgerte. »Hast du heute Morgen nichts Besseres zu tun, als andere Leute mit deiner Besserwisserei zu belästigen?«, fuhr sie sie giftig an.

»Ich brauche was aus deinem Laden«, entgegnete Arlette stoisch. »In La Provence steht heute ein Artikel über meinen Jean-Luc«, fügte sie mit unverhohlenem Stolz hinzu. »Erst gestern hat er einem wichtigen Journalisten ein Interview gegeben. Von ihm als Spitzenkandidaten möchten die Leute doch wissen, was er als künftiger Bürgermeister in Vassols alles verändern wird.«

Josette zog die Augenbrauen hoch und bedachte sie mit einem abfälligen Blick. »Dazu müsste er ja wohl erst einmal gewählt werden.«

»Das wird er!«, behauptete Arlette im Brustton der Überzeugung. Sie ging nahtlos in ihren Wahlkampfmodus über. »Unter Jean-Luc wird Vassols zu neuem Glanz und Wohlstand gelangen. Außerdem hat er als Einziger im Dorf das Format dazu. Das sehen wohl die meisten hier ganz genauso.«

»Träum weiter, ma Chérie!«, spottete Josette. »Noch ist die Bewerbungsfrist nicht verstrichen. Glaub mir, es gibt einige hier im Dorf, die sich einen Kandidaten oder eine Kandidatin wünschen, die nicht nur redet, sondern unser Dorf wirklich voranbringt. Und jetzt halt mal!« Sie drückte ihrer Freundin den Ständer in die Hand, damit sie endlich den Stein auf dessen Fuß rollen konnte. Noch bevor diese etwas erwidern konnte, war Josette auch schon im Laden verschwunden. Wenig später kam sie mit der geforderten Zeitung zurück.

»Den Artikel über Jean-Luc findest du auf der vorletzten Seite ganz unten«, bemerkte sie, ohne sich Mühe zu geben, ihre Genugtuung zu verbergen. »Nach einem Interview sieht mir das Ganze allerdings ganz und gar nicht aus, so knapp, wie das alles abgefasst ist.«

Arlette entriss ihr verärgert die Zeitung. Hastig blätterte sie auf die genannte Seite. Es gab tatsächlich kein Interview oder eine sonstige ausführliche Berichterstattung. Dort stand in wenigen Zeilen, dass demnächst Bürgermeisterwahlen in Brillon-de-Vassols anstünden und die Anmeldefrist für etwaige Kandidaten noch eine Woche liefe. Der bislang einzige Bewerber um das Amt sei der Bäckermeister Jean-Luc Farnauld. Sonst nichts. Kein Artikel, kein Interview, keine strahlende Vorstellung ihres Göttergatten! Arlette konnte es nicht fassen. Noch einmal blätterte sie die Zeitung von Anfang an durch und suchte nach dem erhofften Artikel.

»Das verstehe ich nicht!«, schimpfte sie enttäuscht, »Monsieur Cabrecourt hat Jean-Luc versichert, dass der Artikel heute erscheint.« Als sie jedoch das schadenfrohe Grinsen auf Josettes Gesicht registrierte, straffte sie ihre blockförmige Figur und reckte selbstbewusst ihr Kinn vor. »Dann erscheint das Interview eben morgen!«

»Oder eben gar nicht.« Josette wollte noch etwas Bissiges hinzufügen, als ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt wurde. »Sieh mal! Da steigt einer aus!« Sie deutete auf den Regionalbus, der gerade aus Avignon eingetroffen war. Es kam nicht oft vor, dass der Bus um diese Uhrzeit vor der Apotheke hielt. Neugierig verfolgten die beiden Frauen, wer wohl so früh am Morgen ihr Dorf besuchte. Im dunklen Schatten der Häuser war zunächst nicht auszumachen, ob es ein Dorfbewohner oder ein Fremder war. Sie erkannten nur einen hochgewachsenen Mann mit einem auffallend schwerfälligen Gang.

»Mein Gott, der Kerl ist ja schwarz wie die Nacht«, entfuhr es Arlette, als er vom Schatten ins Licht trat. »Das ist bestimmt einer von diesen Flüchtlingen!«

»Sei still, du verdammte Rassistin!«, zischte Josette erbost. »Ich glaube, der Mann will was von uns!« Tatsächlich humpelte der Ankömmling auf die beiden Frauen zu.

»Bonjour, Mesdames«, begrüßte er sie höflich. Der Mann sprach mit einem starken Akzent. Seine Erscheinung war alles andere als gepflegt. Der Anzug und das weiße Hemd waren voller Ölflecken und zum Teil eingerissen. Sein linkes Auge war beinahe völlig zugeschwollen. Außerdem fehlten ihm zwei Schneidezähne. Es war offensichtlich, dass er starke Schmerzen hatte. Arlette trat sofort angewidert einen Schritt zurück, während Josette ihn neugierig musterte.

»Können Sie mir freundlicherweise sagen, wo ich die Chocolaterie von Monsieur Bonnet finde?«, erkundigte sich der Mann. Sein Dialekt ließ vermuten, dass er irgendwo aus Westafrika stammte. »Das ist die Companie, wo Schokolade gemacht wird«, fügte der Mann erklärend hinzu, als keine der beiden Frauen gleich antwortete.

»Und was wollen Sie da?«, platzte Arlette heraus. Sie hatte sich als Erste gefangen. »Die Schokolade im Supermarkt ist viel günstiger!« Josette stieß ihre taktlose Freundin grob in die Seite. Verlegen und betont freundlich erklärte sie dem Mann den Weg.

»Gehen Sie immer die Straße lang, durch das ganze Dorf hindurch. Direkt hinter dem Ortsschild halten Sie sich links. Von dort sind es etwa noch zweihundert Meter. Sie können es gar nicht verfehlen!«, antwortete sie mit ausgesuchter Höflichkeit.

»Merci, Mesdames.« Der Afrikaner nickte ihnen fahrig zu und setzte seinen Weg humpelnd fort. Die beiden Frauen sahen ihm ratlos hinterher. Kaum war er außer Hörweite, legte Arlette auch schon wieder los.

»Hast du gesehen, wie verwahrlost der Kerl war? Der hat doch nie im Leben Geld für so teure Schokolade! Bestimmt ist er nur die Vorhut von einer ganzen Meute von Flüchtlingen, die sich in Vassols niederlassen wollen!«

»Red doch keinen Schwachsinn«, widersprach Josette. Sie fuhr sich nachdenklich mit ihren hageren Fingern über den faltigen Hals. »Vielleicht sucht er ja Arbeit in der Produktion. Bonnet sucht ja ständig nach Aushilfskräften, seitdem er expandiert hat.«

»Schokoladenflecken fallen bei dem auf jeden Fall nicht auf!«, lästerte Arlette gehässig.

»Genauso wenig wie auf deiner Haut Mehlflecken zu sehen sind!«, konterte Josette.

Der Fremde bekam die Unterhaltung der beiden Frauen zum Glück nicht mit. Er hatte ganz andere Sorgen. Und er musste sich beeilen. Mühsam schleppte er sich seinem Ziel entgegen. Die Schussverletzung an seiner Seite pochte stark. Als seine Hand die Stelle berührte, stellte er fest, dass die Wunde wieder zu bluten begonnen hatte. Sehr viel länger würde er nicht mehr durchhalten. Doch so nah am Ziel war Aufgeben keine Option. Die Menschen in seinem Dorf vertrauten ihm. Er durfte sie nicht enttäuschen.

Seine dringendste Sorge galt immer noch den Verfolgern. Als er plötzlich das Geräusch eines heranfahrenden Wagens hinter sich hörte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Rasch suchte er im Eingang eines Hauses Deckung. Ob sie seine Spur wieder aufgenommen hatten? Er hatte am eigenen Leib erfahren...

Erscheint lt. Verlag 18.5.2020
Reihe/Serie Rosalie
Rosalie
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Chocolaterie • Cosy Crime • eBooks • Frankreich • Friseursalon • Gemüseladen • Hobbydetektivin • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2020 • Krimis • Lavendelfelder • Mistral • Neuerscheinungen Bücher 2020 • Provence • Starke Frau
ISBN-10 3-641-22856-5 / 3641228565
ISBN-13 978-3-641-22856-9 / 9783641228569
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Droemer eBook (Verlag)
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Droemer eBook (Verlag)
9,99