Unter der Erde (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491188-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unter der Erde -  Stephan Ludwig
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Was verbirgt ein ganzes Dorf? - der neue Thriller von Stephan Ludwig, dem Autor der Kult-Bestseller-Reihe »Zorn« Volkow, ein Dorf am Rand eines riesigen Tagebaugebiets. Täglich fressen sich die Bagger näher heran, in einigen Monaten wird das Dorf verschwunden sein. Doch die Bewohner bleiben, »man kümmert sich umeinander«. Das erfährt Elias Haack am eigenen Leib, als er an einem heißen Sommertag nach Volkow kommt. Die Neugier auf seinen Großvater Wilhelm hat ihn in das so malerische wie abgelegene Dorf gebracht. Elias hat Wilhelm seit über dreißig Jahren nicht mehr gesehen, doch das Wiedersehen währt nur kurz. Wilhelm stirbt, und Elias strandet bei der Suche nach seiner Herkunft, die weit in die Vergangenheit reicht, in Volkow. Es führt zwar ein Weg ins Dorf, aber wie es scheint, keiner mehr heraus. Je länger er im Haus seines Großvaters bleibt, desto merkwürdiger kommen ihm die Dorfbewohner vor. Warum harren sie aus, obwohl die Bagger von Tag zu Tag näher rücken? Was haben sie zu verbergen? Und was hat das alles mit Elias zu tun?

Stephan Ludwig arbeitete als Theatertechniker, Musiker und Rundfunkproduzent. Er hat drei Töchter, einen Sohn und keine Katze. Zum Schreiben kam er durch eine zufällige Verkettung ungeplanter Umstände. Er lebt und raucht in Halle.

Stephan Ludwig sollte Musiker werden. Als Kind lernte er Violine, als Jugendlicher Kontrabass. Er spielte in Orchestern, später in einer Punkband. 2012 erschien der erste von bisher neun Thrillern um die Kommissare Zorn und Schröder. Nach einem missglückten Kurztripp in die Lausitz, der mit einer Autopanne im Tagebaugebiet endete, beschloss er, einmal etwas anderes zu schreiben. »Unter der Erde« ist das Ergebnis.

Dieser Thriller entschlüsselt das Mysterium, warum Menschen zu Bestien werden - können.

spannende Geschichte.

Nicht so blutig wie in seinen »Zorn«-Romanen, aber ebenso gekonnt, führt Stephan Ludwig seine Leser auch in »Unter der Erde« in die Irre.

eine[r] der besten deutschsprachigen Thriller der letzten Jahre

Erster Teil »Was, zum Teufel, mache ich eigentlich hier?«


Kapitel 1


Diese Hitze. Diese fürchterliche Hitze.

Der Passat rollte über die Landstraße nach Osten. Die Tachonadel stand exakt auf hundert, das Außenthermometer zeigte zweiunddreißig Grad. Elias Haack, der sich als Schriftsteller E. W. Haack nannte (klingt profunder, hatte ihm Hermine, seine Agentin, vor der Veröffentlichung seines ersten Buches gesagt), stieß einen leisen Fluch aus. Ein stickiger Luftstrom wehte ihm aus den verchromten Lüftungsklappen entgegen. Er war jetzt seit drei Stunden unterwegs. Irgendwann, kurz nachdem er die Autobahn verlassen hatte, musste die Klimaanlage ihren Geist aufgegeben haben.

Der Mann, dessen neuestes Buch gerade auf Platz fünf der Spiegel-Bestsellerliste stand (Taschenbuch-Liste, verbesserte er sich in Gedanken, aber das war besser als nichts), musste dringend pinkeln. Er starrte aus zusammengekniffenen Augen auf die im Sonnenlicht flimmernde Fahrbahn, die sich schnurgerade durch einen Kiefernwald zog. Nach ein paar Minuten fand er eine geeignete Stelle, bremste, der Passat kam mit knirschenden Reifen auf der Einmündung eines Forstwegs zum Stehen.

Als er die Tür öffnete, schlug ihm die Luft wie ein heißes Handtuch entgegen. Ächzend stemmte er sich aus dem Sitz, schirmte die Augen mit der Hand ab, sah sich kurz um und stakste dann steifbeinig ein paar Meter in den Wald, bis ihm eine schiefe, rot-weiß gestrichene Schranke den Weg versperrte. BEFAHREN FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN!, verkündete ein rostiges Blechschild, LANDWIRTSCHAFTL. NUTZFAHRZEUGE FREI, war darunter zu lesen.

Elias öffnete den Reißverschluss seiner Jeans, ein kurzer Blick über die Schulter (was unnötig war, in den letzten Minuten war ihm kaum ein halbes Dutzend Autos entgegengekommen), dann strömte der Urin des Mannes, dessen Konterfei vor zwei Monaten die Titelseite des Stern-Crime-Magazins geschmückt hatte, in den sandigen Waldboden. Deutschlands neuer Fantasystar!, hatte die Überschrift des Artikels gelautet, was, wie sich herausgestellt hatte, ein wenig übertrieben gewesen war. Sicherlich, seine Bücher verkauften sich gut, das letzte, Planet der Verdammten, war bereits in der dritten Auflage. Doch ein Star war aus E. W. Haack noch lange nicht geworden (das W war die Abkürzung von Wilhelm, seinem zweiten Vornamen), obwohl er sich keine Sorgen um seinen Lebensunterhalt machen musste.

Er lauschte dem Plätschern, dem Sirren der Mücken, dem Rascheln der Baumkronen über seinem Kopf. Das weiße Hemd klebte ihm verschwitzt am Rücken, er bewegte den steifen Nacken, verzog das Gesicht. Seine Muskeln waren verspannt, das Pinkeln, so schien es ihm, dauerte länger als früher.

Trotzdem, für einen Mann, der im nächsten Monat seinen vierzigsten Geburtstag feierte, fühlte er sich noch relativ gut in Schuss. Relativ wohlgemerkt, denn besonders sportlich war er nie gewesen, und die letzten Jahre, die er hauptsächlich im Sitzen hinter dem Schreibtisch verbracht hatte, hatten natürlich kaum etwas daran geändert. Seine Bewegungen waren steif, ein wenig unbeholfen, der Bauch wölbte sich über dem Gürtel. Das aschblonde Haar war vorzeitig ergraut, die Geheimratsecken unübersehbar und der Zopf, den er seit seiner Jugend trug, war zu einem dünnen, farblosen Schwänzchen mutiert.

Elias schloss den Hosenstall, wandte sich um. Der Passat stand schräg am Straßenrand, aufgewirbelter Staub trieb in trägen Schwaden davon. Ein Traktor tauchte auf, kam mit dröhnendem Motor näher. Der Fahrer trug einen fleckigen Overall, sein Gesicht lag im Schatten einer Schirmmütze. Elias versteifte sich, als er die Zigarette im Mundwinkel des Bauern bemerkte. Vor zwei Monaten (neunundfünfzig Tagen, um genau zu sein) hatte er mit dem Rauchen aufgehört. Zweieinhalb Schachteln täglich waren es gewesen, bisher (klopf auf Holz, Schätzchen!) hatte er durchgehalten. Es war schwer, verdammt schwer, selbst jetzt noch musste er sich zwingen, keine weggeworfene Kippe von der Straße aufzuheben oder an einem vollen Aschenbecher zu riechen.

Breitbeinig hockte der Bauer hinter dem Steuer, würdigte Elias keines Blickes und zuckelte, die Augen stur geradeaus gerichtet, vorbei, eine Hand am Lenkrad, die andere auf dem Knie. Hinter ihm türmten sich riesige Strohballen, Spreu wehte über die Fahrbahn. RETTET UNSERE LAUSITZ war auf einem Aufkleber an der Stoßstange des Hängers zu lesen. SCHLUSS MIT DEM TAGEBAU!

Elias stieg in den Wagen, startete den Motor. Prüfend hielt er die Hand vor die Lüftungsschlitze, brummte frustriert, als er den unverändert klebrig heißen Luftstrom bemerkte, und legte den Gang ein. Als der Passat mit knirschenden Reifen anfuhr, klingelte sein Handy. Eine Frauenstimme drang aus der Freisprechanlage.

»Bist du schon da?«

Martha, seine Frau. Wie immer nahm sie sich nicht die Zeit für eine Begrüßung. Nach knapp zehn Ehejahren war das auch nicht mehr nötig.

»Bald, hoffe ich.«

»Fahr vorsichtig, ja?«

Ihr Tonfall erinnerte ihn manchmal an die Art, wie sie mit ihren Studenten sprach. Martha unterrichtete Politikwissenschaften an der Hochschule, eine untersetzte, in den letzten Jahren etwas füllig gewordene Frau mit dunklen Augen.

»Sicher doch.« Er sah auf das Navigationsgerät. »Noch zwanzig Kilometer, ich hab’s also bald geschafft. Keine Ahnung, wo genau ich hier bin. Irgendwo in der Nähe der polnischen Grenze, mitten in der Pampa.«

Der Wald hatte sich gelichtet. Vereinzelte Bäume säumten den linken Straßenrand, rechts tauchte ein Tagebau auf. Ein riesiges kraterförmiges Loch klaffte in der Erde, monströse Bagger fraßen sich wie urzeitliche Ungetüme durch den Lehm, Staub wirbelte durch die flirrende Luft.

»Die Champagnerflasche auf dem Küchentisch«, sagte Martha, »ich nehme an, die hattest du als Geschenk gedacht?«

»So ein Mist!« Elias hieb auf das Lenkrad. »Die hab ich vergessen.«

»Schenk ihm eins von deinen Büchern.« Martha klang amüsiert. »Du hast doch welche im Kofferraum. Ich kenne ihn zwar nicht, aber nach allem, was du erzählt hast, dürfte ihm das gefallen. Blutiges Vermächtnis zum Beispiel.«

»Sehr witzig.«

»Dann halt irgendwo an und besorg was.«

»Und was? Ich bin hier auf dem Mond, Martha. Hier gibt’s nichts, nicht mal Tubennahrung.«

Elias stieß frustriert die Luft aus, bremste an einer Kurve und kniff die Augen zusammen, als ihm die Sonne direkt ins Gesicht schien. Was, dachte er und klappte die Sonnenblende herunter, soll man jemandem schenken, den man nicht kennt? Klar, er ist mein Großvater, er hat mich zu seinem neunzigsten Geburtstag eingeladen, doch er ist ein Fremder, den ich zuletzt gesehen habe, als ich gerade das Sprechen gelernt hatte.

Die Ansichtskarte war vor zwei Wochen mit der Post gekommen. Einladung zum 90. Geburtstag, hatte sein Großvater in zittriger Altmännerschrift geschrieben. Es wäre nett, wenn Du erscheinst. Gruß, Wilhelm. Darunter Datum, Uhrzeit und Adresse, mehr nicht. Die Karte war alt und vergilbt, auf der Vorderseite war die malerische Ansicht eines kleinen Dorfes abgebildet gewesen, in der Mitte ein Aufdruck: GRUSS AUS VOLKOW – PERLE DER LAUSITZ. Elias hatte das Dorf gegoogelt und zu seiner Überraschung eine Menge Treffer gehabt. Allerdings nicht wegen der Sehenswürdigkeiten. In ein paar Monaten würde der Ort, in dem sein Großvater lebte, nicht mehr existieren und der Braunkohle weichen.

»Aber eine Tankstelle wird’s doch irgendwo geben«, sagte Martha.

»Und was soll ich ihm dort kaufen? Scheibenreiniger?«

»Blumen, Elias.«

Er hörte förmlich, wie sie die Augen verdrehte. Am Abend würde sie zu einer Tagung nach Hamburg fahren, er hatte trotzdem gefragt, ob sie ihn begleiten wolle. Marthas Antwort war typisch gewesen:

Er hat dich eingeladen, Elias. Nicht mich.

Kein Wunder, hatte Elias erwidert, er weiß ja nicht mal, dass du existierst.

Das, hatte Martha entgegnet, würde sich ja nun ändern und falls der alte Herr die brave Ehefrau seines Enkels kennenlernen wolle, könne er sie jederzeit zu sich einladen. Allerdings, hatte sie hinzugefügt, sollte er sich beeilen. Dein Großvater ist alt, seine Zeit läuft ab. Ich denke, das ist der Grund, warum er dich sehen will. Was immer er dir nach über dreißig Jahren zu sagen hat, er sollte es dir allein sagen. Danach sehen wir weiter.

»Hermine hat angerufen«, sagte sie jetzt.

»Ich rufe zurück.«

Das würde Elias tun, natürlich, allerdings nicht heute. Seine Agentin wollte wissen, wie er mit dem neuen Buch vorankommt. Ein unangenehmes Thema. Seit zwei Monaten hatte er kein Wort zu Papier gebracht. Allmählich wurde es Zeit.

»Vielleicht«, er lockerte den Sicherheitsgurt über der verschwitzten Hemdbrust, »mache ich was mit Zombies. Eine verlassene Insel oder ein verstrahltes Kraftwerk.«

»Wenn du meinst.«

Ihr Tonfall klang sachlich, doch nach einem knappen Jahrzehnt zufriedener Ehe wusste Elias sofort, dass Martha die Idee nicht mochte. Sie war eine kluge Frau, eine Akademikerin, die seit zwei Jahren an ihrer Doktorarbeit über die Geschichte der baltischen Staaten im Zweiten Weltkrieg schrieb, Horrorgeschichten waren meilenweit unter ihrem Niveau. Und doch las sie jedes Wort, das...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2020
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2. Weltkrieg • Bücher für Männer • Dorf • Familie • Geheimnis • Krimi • Lausitz • Mafia • Menschenhandel • Schröder • Stephan Ludwig Neuerscheinung 2020 • Stephan Ludwig neues Buch 2020 • Tagebau • Thriller • Vergangenheit • Zorn • Zorn neues Buch 2020 • Zorn Stephan Ludwig
ISBN-10 3-10-491188-6 / 3104911886
ISBN-13 978-3-10-491188-5 / 9783104911885
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