geschmackvoll morden: 25 Krimis und Rezepte aus Baden-Württemberg -  Mareike Fröhlich,  Maribel Anibarro,  Regine Bott,  Birgit Adam,  Beatrix Erhard,  Martina Uhl,  Ruth Edel

geschmackvoll morden: 25 Krimis und Rezepte aus Baden-Württemberg (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
310 Seiten
Wellhöfer Verlag
978-3-95428-795-6 (ISBN)
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Baden-Württemberg und die große weite Welt haben einiges gemeinsam. Kulinarische Leckerbissen beispielsweise. Doch im beschaulichen Baden-Württemberg gibt es nicht nur Gaumenfreuden – das Verbrechen lauert hinter Ecken, in Küchen, Kellern, im Kuhstall oder in einsamen Seitenstraßen.
In 25 Krimis zeigen Ihnen die Mörderischen Schwestern Baden-Württembergs die schaurig-schöne Seite des sonst so friedlichen Fleckchens Erde, wo man nicht nur geschmackvoll zu kochen, sondern auch zu morden weiß. Genießen Sie ausgewählte kulinarische Gerichte und lassen Sie sich in die Welt des Verbrechens entführen.
Die Mörderischen Schwestern sind ein Netzwerk, das die von Frauen verfasste deutschsprachige Kriminalliteratur fördert und unterstützt. 600 Mitglieder zählt der Verein in Deutschland, Österreich und der Schweiz – 55 davon in Baden-Württemberg.

Alhambras Erlöser


Aichwald


Mareike Fröhlich


 

Seit mehreren Tagen sind die Rollläden unten. Am Anfang ist noch ab und zu die Diakonie oder so aufgetaucht, aber die haben sich seit einer Ewigkeit nicht mehr blicken lassen. Ein gutes Zeichen, ja, praktisch eine Einladung. Entweder ist der alte Sack oder die Vettel krepiert oder ins Pflegeheim abgeschoben. Erben sind keine auf der Bildfläche erschienen. Klar, die wichtigen Leutchen haben keine Zeit, sich um den alten Krempel zu kümmern.

Ich habe Zeit. Und Lust sowieso. Wie immer, wenn es die kleinste Chance auf etwas zu holen gibt.

Die letzten Einstiege sind verdammt mies gewesen. Auch bei uns wird alles schwerer. Kaum mehr was zu holen und für das Kaum bekomm ich auf eBay fast keine Kohle. Eben alles nur Ramsch. Smartphones und Tablets lassen die Leute eh nicht liegen. Der Verkauf von den Dingern ist sowieso zu riskant. Dann haben alle nur noch Plastikgeld statt der guten alten Scheinchen. Und bei den Alten gibt es meistens nur billigen Schmuck oder wertloses Zinn. Schrott eben. Wo es Kohle gibt, da gibt es Hightech-Alarmanlagen. Die Buden sind besser gesichert als der Knast.

Ich schaue noch mal die Straße rauf und runter. Nichts. Wie mit der Zahnbürste leergefegt. Was für eine vergessene Seitenstraße! Von den Menschen, von der Stadt – die hat es nicht mal für nötig gehalten, Straßenlaternen aufzustellen. Zu teuer, vermute ich. Mir kommt das gerade recht. Die Seitenstraßen sind vergessene Kinder, so wie ich.

Ich ziehe die Sturmhaube über das Gesicht und die Handschuhe an und verlasse mein Versteck hinter der Hecke. Schwarz in Schwarz im Schwarz. An einem Montagabend.

Im Gegensatz zu den anderen Einsteigern halte ich den Montag für den perfekten Tag. Montags ist die feine Gesellschaft im Urlaub, auf Geschäftsreise oder – wie in diesem Fall – im Altenheim oder über den Jordan gegangen. Dem Rest sitzt der Schock vom ersten geknechteten Tag nach dem Wochenende in den Knochen. Sie sitzen vor der Glotze und keiner achtet darauf, was hinter dem eigenen Tellerrand los ist. Keiner achtet auf mich.

Wie eine Katze bewege ich mich durch den Garten, um den sich lange niemand mehr gekümmert hat. Das Gras geht mir bis zu den Knien. Auch gut.

Mein Ziel: Das Küchenfenster. Das habe ich mir vor ein paar Tagen genauer angeschaut. Typisch alte Leute. Ein einfacher Holzrahmen, ohne jegliche Sicherung. Klar, lohnt sich nicht mehr, der ist doch noch gut, der Rahmen.

18 Sekunden brauche ich für das Teil. Das ist eine gute Zeit. Eine verdammt gute sogar. Vielleicht wird das hier ja endlich mal was Großes. Ich brauche nur ein vernünftiges Ding, um mit dem Scheiß aufhören zu können. Nur ein Ding für das, was andere ein Leben nennen.

In der Küche ist alles dunkel. Ich lausche. Kein Geräusch ist zu hören, nicht einmal das alte Gebälk knackt.

Ich hole die kleine Taschenlampe aus meiner Jacke und kann in deren Licht sehen, dass die Küche nicht wirklich eine Küche ist. Ein paar Flaschen Wasser, ein paar alte schrumpelige Äpfel in einer Schale. Auch in den Schränken ist Ebbe. Keine Dosen, in denen Bares versteckt ist. Dabei denken die Alten doch, dass ihr Geld dort optimal sicher ist. Ich schaue in den Kühlschrank. Und das Gefrierfach. Das ist auch beliebt. Scheine zwischen Erbsen und Fisch. Allerdings gibt es hier keine Erbsen. Und auch keinen Fisch.

Plötzlich Licht und ein Rauschen. Reflexartig ducke ich mich, knipse die Taschenlampe aus. Doch draußen fährt nur ein Auto vorbei. Paradox, wie sehr die Leute damit prahlen, dass sie in einer ruhigen Straße wohnen. Die sind für Typen wie mich gemacht. Für solche, die die Ruhe anzieht wie Klebestreifen die Fliegen.

Nachdem mein Herz wieder einigermaßen normal schlägt, gehe ich ins Wohnzimmer, das genauso dunkel ist wie der Rest vom Haus. Aber da ist trotzdem was. Gestank! Am liebsten hätte ich die Fenster aufgerissen. Es riecht nach alt und gestorben.

Scheint, als wäre hier wirklich jemand drin verreckt. Wahrscheinlich hat der hier ne Weile gelegen, weil ihn niemand vermisst hat. Das kenne ich. Mich vermisst auch keine Sau.

Ich knipse die Lampe wieder an, lasse das Licht über den Schrank gleiten. Warum haben alte Leute immer so gammlige Möbel? Kein Geld ausgeben, damit die Erben mehr haben? Wenn ich Kohle hätte, dann würde ich es so richtig krachen lassen, bevor ich den Löffel abgebe.

Ich stecke die Taschenlampe zwischen die Zähne, ziehe Bücher vor, fasse in Vasen. Irgendwo muss doch was sein, nur ein paar Euro. Alte Leute trauen den Banken nicht. Horten alles zu Hause. Zumindest war das mal so. Ich öffne Blechdosen, in denen sich vor 100 Jahren vermutlich mal Printen oder sowas befunden haben müssen. Dabei versuche ich so leise wie möglich zu sein. In verlassenen Häusern ist die Stille erdrückend. Bei jedem kleinen Gepolter fühle ich mich automatisch ertappt. Obwohl das völliger Quatsch ist. Solange die Nachbarn nichts spitzkriegen.

Auch wenn ich total leise bin, höre ich was. Vielleicht habe ich nicht mehr alle Steine in der Schleuder, aber es kommt mir so vor, als würde der Schrank stöhnen, während ich ihn durchwühle.

»Na, Kumpel, willst du mir was erzählen?«, flüstere ich. »Lass stecken, bin nicht interessiert.«

Ich habe meine eigene Geschichte und keinen Platz für weitere Sorgen, füge ich in Gedanken dazu.

Ich öffne ein Fotoalbum mit Erinnerungen, die keinen mehr interessieren, die im Schrank weggeschlossen sind. So wie meine. Tief drinnen.

Das Stöhnen wird lauter. Ein Wort lässt sich daraus erahnen. Etwas wie »Jung«.

Ich halte inne. Lausche. Versuche zu erkennen.

»Junge!« Leise. Nur ein Hauch.

Beinah fällt mir das Fotoalbum aus der Hand. Ich kann es gerade noch halten, stelle es hektisch in den Schrank zurück.

Langsam drehe ich mich um. Erst jetzt sehe ich es: das Bett an der Wand. Ein Bett für Kranke. Für die, die den Weg aus dem Schlafzimmer nicht mehr schaffen, die im Wohnzimmer liegen, damit es danach aussieht, als würden sie am Leben teilhaben. Doch das tun sie nicht. Sie sterben auf dem Servierteller.

In dem Bett liegt eine Gestalt, die kaum noch an einen Menschen erinnert, sondern viel mehr an den Sensenmann.

»Komm her zu mir.« Auch wenn die Worte leise sind, treffen sie mich mit aller Wucht.

Ich will nicht. Aber meine Gliedmaßen ignorieren mein Nein. Denen ist völlig egal, was ich sage. So wie vielen anderen.

Ich bin nur noch einen Schritt entfernt. Es ist eine Frau, die dort liegt. Aber das erkenne ich nur an den Haaren, die lang und weiß über das Kopfkissen verteilt sind. Der Rest des Körpers: ein eingefallener Hügel unter der Bettdecke. Die Arme, die auf der Decke liegen, nicht mehr als mit Haut bespannte Knochen.

Die Frau klopft mit der Hand auf die Matratze.

Ich zögere, will weg. Weg aus diesem Haus, weg von dieser Frau.

»Setz dich.« Sie klopft erneut auf die Matratze.

Alles in mir schreit, meine Haut kribbelt. Das ist zu nah, viel zu nah. Das ist ihr Ort und ich, ich bin ein Fremder.

Wie ferngesteuert nehme ich den Stuhl, der neben dem kleinen Tischchen vor dem Fenster steht, stelle ihn neben das Bett, ziehe den Rucksack ab und setze mich. Wie beim Arzt, im Wartezimmer.

Die Frau lächelt, gerade so als wüsste sie, warum ich ihr nicht zu nahe kommen will.

»Knipst du bitte das kleine Licht auf dem Tisch an? Ich möchte dich gerne sehen.«

Nein. Das ist nicht gut. Trotzdem stehe ich auf, weil ich Angst habe, dass diese Frau, die näher am Tod als am Leben ist, zu Asche verfällt, wenn ich widerspreche. Ich mache das Licht an und meine Taschenlampe aus, bevor ich mich wieder setze.

»Nun zieh doch endlich diese Maske ab. Die juckt sicher ganz furchtbar.«

Wieder zögere ich.

»Ich werde dich nicht verraten. An wen auch?«

Ich ziehe die Handschuhe aus und die Maske vom Kopf. Erst jetzt wird mir bewusst, wie heiß es unter dem Ding ist.

»Wie heißt du, mein Junge?«

Ich reagiere nicht und sie lacht.

»Ach …« Sie streckt ihre Hand aus, berührt meine. Die Haut und die Knochen sind warm. Sie umfasst meine Hand, drückt sie, so, wie es meine Oma immer getan hatte. Um mir Wärme und Halt zu geben.

»Migg«, sage ich.

Sie nickt, mustert mich und scheint nachzudenken.

»Migg?«

Ich nicke.

»Abkürzung von was? Von Miguel? Du bist Spanier?«

»Nein. Aber meine Eltern behaupten, dass irgendein Vorfahre irgendwann im Mittelalter mal aus Spanien nach Deutschland gekommen ist. Und seitdem meinen sie, dass ein Hundertstel in uns spanisch ist. Darum bekommen alle von uns spanische Namen.«

Sie lacht. Hustet. Lacht. Nicht verächtlich, sondern amüsiert.

»Warst du denn jemals in Spanien?«

Ich schüttle den Kopf.

»Nein?« Ihre eingefallenen trüben Augen weiten sich. Dann legt sich ein Hauch von Seligkeit auf ihr Gesicht. Sie sieht aus wie ein Kind, das ein Geschenk bekommt.

»Du hast niemals die Alhambra gesehen?«

»Alhambra?«

Wieder drückt sie meine Hand. »Oh ja. Die rote Burg auf dem Sabikah-Hügel. Die Mauren, weißt du.«

Ich weiß gar nichts, woher auch. Aber ich höre ihr zu, sehe das eingefallene Gesicht an, den zerbrechlichen Körper. Und frage mich, warum ich und niemand sonst an ihrer Seite sitzt. Vielleicht haben alle anderen die Geschichte der Burg schon gehört. Kalli…dingsbums Verzierungen an Mauern. Von irgendwelchen Dichtern. Und wie sie in Granada Flamenco getanzt und die Liebe ihres Lebens getroffen hat.

»Ich habe sie so sehr geliebt. Diese Stadt, diesen Mann, diese Burg....

Erscheint lt. Verlag 1.10.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-95428-795-1 / 3954287951
ISBN-13 978-3-95428-795-6 / 9783954287956
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