Die Frauen vom Nordstrand - Schicksalswende (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
352 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1884-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Frauen vom Nordstrand - Schicksalswende -  Marie Sanders
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Drei Freundinnen auf der Suche nach Selbstbestimmung und Freiheit.

Hamburg, 1955: Die junge Anni hat sich ein neues Leben aufgebaut, aber die Sorge um die Seeperle, das Hotel ihrer Eltern in St. Peter an der Nordsee, lässt sie nicht los. Schon bald ist sie gezwungen, einen folgenschweren Kompromiss einzugehen, der sie wieder zurück in ihre geliebte Heimat führt. Doch dort muss sie mithilfe ihrer Freundinnen Edith und Helena von Neuem um ihre Existenz kämpfen. Auch die Ärztin Helena schwebt mit ihrem Engagement für die Frauen der Stadt, die ungewollt schwanger geworden sind, in Gefahr - und die drei Freundinnen müssen stärker denn je zusammenhalten ...

Turbulent und bewegend: die großen Zeitenwende-Saga über die fünfziger Jahre.



Hinter Marie Sanders verbirgt sich Bestsellerautorin Steffi von Wolff. Die 1966 bei Frankfurt geborene Journalistin arbeitete jahrelang für verschiedene Radiosender und hat zahlreiche Romane veröffentlicht. Schon immer wollte sie über die fünfziger Jahre schreiben, ein Jahrzehnt, das sie seit jeher fasziniert hat. Steffi von Wolff lebt in Hamburg, die Sommer verbringt sie zum Schreiben auf einem Boot in Dänemark.

Kapitel 2


Hamburg, Dezember 1953

Direkt nach ihrer Ankunft in Hamburg hatte Anni die Zimmeranzeigen in einer Zeitung studiert – nur wenig später war sie auf gut Glück in den Stadtteil Eppendorf gefahren und hatte bei einer älteren Dame geklingelt. Glücklicherweise hatte diese ihr sofort ein kleines Zimmer mit Bad- und Küchenbenutzung vermietet. Anni hatte ihr erzählt, ihr Mann sei noch in Gefangenschaft und sie wolle in Hamburg auf eigene Faust ihre Schwester finden, denn die Suche übers Rote Kreuz hätte bislang nichts gebracht. Hedwig Sterzel hatte bereitwillig auf Annis winzige Tochter Lisbeth aufgepasst und ihr auch mal das Fläschchen gegeben, wenn sie hungrig war, während Anni Abend für Abend losgezogen war und nach Rena gesucht hatte. Sie besaß ein Foto von ihr und hatte dieses herumgezeigt, bis sie schließlich zu einem Lokal in einer ruhigen Seitenstraße nahe der Reeperbahn geschickt worden war. Um Zutritt zu bekommen, musste man zunächst läuten und wurde daraufhin durch eine geöffnete Klappe an der schweren Eingangstür kurz gemustert.

»Ja, bitte?«, hatte ein bedrohlich dreinblickender, glatzköpfiger Mann Anni kurz angebunden gefragt.

»Ich … ich habe einen Termin«, hatte Anni geistesgegenwärtig behauptet.

»Aha.« Er hatte daraufhin die Tür geöffnet und Anni eingelassen.

»Treppe hoch, dann links, da steht Kontor an der Tür, da sitzt Mutti«, hatte er, ein Riese mit unglaublich breiten Schultern, ihr nuschelnd mitgeteilt. Mit »Mutti« meinte er wohl die Inhaberin, dachte Anni, die kurz darauf zaghaft an besagte Tür klopfte.

»Ja«, antwortete eine tiefe Stimme. Anni öffnete die Tür und stand in einem kleinen Raum, der von einem riesigen, verschnörkelten Schreibtisch dominiert wurde. Über und über war dieser mit Unterlagen überhäuft, in einem wuchtigen Schrank dahinter sah es nicht besser aus. Lose Zettel lagen überall, und verschiedenste Ordner stapelten sich auf dem Boden neben anderen Papieren. Es sah aus, als hätte jemand verzweifelt und hektisch etwas gesucht und dann nichts wieder in Ordnung gebracht. Anni fand das furchtbar. Aus der Seeperle war sie eine gewisse Ordnung in den Unterlagen gewohnt und hasste es, wenn man nichts wiederfinden konnte.

›Hier müsste dringend mal Grund reingebracht werden‹, war deshalb ihr erster Gedanke. Am liebsten hätte sie sofort angefangen, die Post zu sortieren …

»Haben wir einen Termin, Süße?«, fragte die korpulente, rothaarige Frau, die hinter dem Schreibtisch saß und an einer gelblichen Zigarettenspitze sog, mit rauer Stimme. Ein voller Aschenbecher neben ihr ließ ahnen, dass sie sehr viel Zeit so verbrachte.

»Nein«, gab Anni zu. »Nicht wirklich. Ich suche jemanden, eine Freundin. In einer anderen Bar hat man mir gesagt, dass ich sie hier finden würde. Bitte, können Sie mir weiterhelfen?«

Sie hatte Glück gehabt, zwei Herren hatten Rena auf dem Foto erkannt und Anni geholfen, wenn auch zögerlich. Niemand wollte mit dem Chérie in Verbindung gebracht werden, und schon gar nicht als möglicher Gast. Zuerst hatten die beiden Männer behauptet, die Frau auf dem Foto noch nie gesehen zu haben, aber Anni hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte, daraufhin nachgehakt und weitergebohrt. Schließlich hatten sie sie ans Chérie verwiesen.

Die Frau hustete, nickte Anni zu und deutete auf einen roten Samthocker vor ihrem Schreibtisch. »Dann setzen Sie sich erst mal hin, Kindchen, Sie sind ja ganz durchgefroren.«

Das stimmte. Es war eiskalt an diesem Abend, und Anni war froh, sich ein wenig ausruhen zu können. Außerdem war es hier herrlich warm, auch wenn die Luft durch den Zigarettenrauch komplett vernebelt war.

»Also: Wer sind Sie und wen suchen Sie denn?« Die Rothaarige stand hustend auf und holte aus einem Barschrank eine Kristallkaraffe und zwei Gläser.

»Was zu trinken?«

Anni schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Mein Name ist Anneke. Anneke Janssen.« Sie hatte beschlossen, nicht den Namen zu nennen, den sie seit der Heirat mit Hinnerk trug.

Die Frau goss sich ein. »Darauf einen Dujardin, heißt es doch so schön.« Sie lachte. »Also, Anneke. Ich bin Johanna, aber alle hier nennen mich Mutti. Wen suchen Sie denn?«

»Rena«, sagte Anni. »Oder vielmehr Carmen, so nennt sie sich jetzt anscheinend.«

»Mhm.« Die Frau musterte Anni. »Sind Sie auch aus dem Gewerbe?«

»Nein.« Anni schüttelte den Kopf und fragte sich, wie Johanna nur darauf kam. Nichts an ihrem Äußeren wies darauf hin, dass sie in einer Bar oder einem Bordell arbeiten könnte: Sie trug einen dunkelgrauen Rock, eine beige Bluse, Pullover und dicke Strumpfhosen, darüber eine Jacke, die ein wenig wärmer hätte sein können. Farbloser und unprätentiöser ging es kaum.

»Schade. Bist jung und siehst unerfahren aus – das mögen viele Männer. Aber gut, Carmen. Woher kennst du sie?«

»Sie ist meine längste und beste Freundin«, gab Anni zögerlich an.

»Weiß sie das auch?«, fragte die Frau, die offenbar gelernt hatte, dass Vorsicht in weiten Teilen besser war, als später das Nachsehen zu haben.

»O ja, das tut sie. Und ich bin sicher, sie freut sich, wenn sie hört, dass ich hier bin.« Annis Stimme war endlich wieder fest und sicher, aber langsam bekam sie Kopfschmerzen. Dieser Raum musste unbedingt gründlich gelüftet werden.

»So, so«, lautete die Antwort. Dann drückte sie auf einen Knopf, der sich auf einer Schaltanlage befand, und kurz darauf kam der Mann, der Anni die Tür geöffnet hatte, in den Raum.

»Bubi, hol mal bitte Carmen her, wenn sie frei ist«, sagte Johanna, der glatzköpfige, riesengroße Bubi nickte knapp und verschwand wortlos wieder. Johanna steckte sich eine neue Zigarette an und stellte das Radio lauter. »Das könnte ich andauernd hören«, sagte sie, während die Kilima Hawaiians »Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand« sangen.

Und dann hörte Anni schnelle Schritte, die Tür flog auf, und Rena stand im Raum. »Ja, Mutti, was ist denn? Ich …«, fing sie an, dann sah sie Anni und schlug die Hände vor den Mund.

»Anni!«, rief sie aus und rannte auf Anni zu, die aufgestanden war. Sie umarmte die Freundin so heftig, dass beide beinahe umgefallen wären.

»Wie kommst du hierher, wie hast du mich gefunden, warum bist du in Hamburg? Oh, wie ich mich freue, ich kann es gar nicht glauben! So eine lange Zeit, Mutti, das ist Anni, meine Freundin, ach Anni, lass dich mal anschauen …«

Anni lachte. »Wenn du wie ein Wasserfall redest, kann ich ja nicht antworten«, sagte sie dann und drückte Rena fest an sich. »Tut das gut, dich zu sehen! Ach Renalein! Ich hab dich so vermisst!«

Johanna stand auf und lächelte. »Dann lass ich euch mal alleine, ihr zwei«, sagte sie. »Wenn ihr was trinken wollt, Weinbrand und Whisky sind im Barschrank. Bedient euch!«

»Danke, Mutti«, brachte Rena hervor, die Anni gar nicht loslassen wollte.

Und dann waren sie endlich allein.

»Also, ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich brauche jetzt unbedingt einen guten Schluck«, meinte Rena schließlich.

Anni nickte. »Heute muss das sein.«

»Weißt du was?« Rena bückte sich vor dem kleinen Bosch-Kühlschrank. »Ha! Ich wusste es. Eine Flasche Champagner ist noch da. Den hat Mutti zum Fünfzigsten geschenkt bekommen, obwohl sie gar keinen Champagner mag, deswegen können wir den ohne schlechtes Gewissen nehmen.«

Sie nahm die Flasche und öffnete sie. Dann holte sie zwei Gläser aus einem Schrank und goss ihnen beiden großzügig ein.

»Hui«, sagte Rena, reichte Anni ein Glas und setzte sich mit ihrem eigenen hin. »Wer fängt an?«, fragte sie dann aufgeregt.

Anni lächelte und betrachtete die Freundin, die sie anstrahlte. »Gern du!«, meinte sie. »Aber erst stoßen wir an.«

Rena wirkte sehr gelöst auf sie, so als würde sie sich wohlfühlen. Gut, für Annis Geschmack war sie ein bisschen zu sehr geschminkt – die Augen dunkelgrau betont, viel Rouge, ein sehr roter Lippenstift. Auf eine bestimmte Sorte Männer übte Rena mit ihrer engen schwarzen Corsage mit Strapsen, Nylons und hochhackigen Lackpumps bestimmt eine starke Anziehung aus. Diese Aufmachung war zwar ungewohnt, aber Anni war so froh, ihre Freundin wiederzuhaben, dass für den Moment alles andere egal war.

Rena hob ihr Glas: »Also, auf uns, Annikind! Ich könnte schreien vor Freude darüber, dass du hier bist.«

Sie stießen an, und Anni genoss den Champagner, der ihr durch die Kehle rann. Tat das gut!

»Gerhard zu heiraten war der größte Fehler meines Lebens«, sagte Rena dann und lehnte sich in dem grünen Clubsessel zurück. »Ich hätte es gleich wissen müssen – ach, eigentlich habe ich es ja gewusst. Du weißt ja bestimmt noch, was vorher passiert ist.« Sie presste die Lippen zusammen. Anni nickte. »Natürlich weiß ich das. Und es war nicht das letzte Mal, dass er dir Gewalt angetan hat, stimmt’s?«

»Nein«, sagte Rena, und nun war ihre Stimme hart. »Auf der ansonsten so wunderschönen Hochzeitsreise nach Italien hat er mich täglich vergewaltigt. Jeden Abend nach dem Essen gingen wir noch in eine Bar, egal, wo wir waren, und Gerhard hat angefangen, sich zu betrinken. Ich konnte irgendwann kaum mehr etwas essen, mir war nur noch übel. Und getrunken habe ich auch so gut wie nichts. Gerhard dafür umso mehr. Nun, kaum waren wir im Hotel angekommen, fing er einen...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2020
Reihe/Serie Die Seebad-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50er Jahre • 60er Jahre • Annette Hess • Brigitte Riebe • Carmen Korn • Emanzipation • Küste • Marie Sanders • mutige Frauen • Nordsee • Sankt Peter-Ording • Wirtschaftswunder
ISBN-10 3-8412-1884-9 / 3841218849
ISBN-13 978-3-8412-1884-1 / 9783841218841
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