Stadt des Goldes (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
256 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31679-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stadt des Goldes -  Norman Ohler
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Ein Leben zwischen Gewalt und Hoffnung. Unmittelbar nach Ende der Apartheid zieht die junge Lucy Tshabalala von Soweto nach Johannesburg. Sie landet in Ponte City, dem inoffiziellen Wahrzeichen der Stadt: einem 54 Stockwerke hohen Wohnturm der Träume und Schrecken - dem angeblich gefährlichsten Hochhaus der Welt. Dort trifft Lucy auf Umshlanga, einen charismatischen Gangster, der sie als Drogenkurierin in die USA schickt - mit fatalen Folgen ... Jahre später kehrt Lucy nach Ponte City zurück. Ihr folgt Roman Kraner, ein Hustler-Reporter aus Berlin, der nur mal schnell ans Ende der Welt reisen wollte, um ein bisschen Spaß zu haben. Doch Lucy hat noch eine Rechnung offen, und plötzlich geht es um Leben und Tod. Ein urbaner Abenteuerroman, zugleich ein spannendes Porträt von Johannesburg: einer Stadt im Umbruch - und am Rande des Abgrunds. »Effektvoll inszeniert: spannend, unheimlich, beängstigend. Eine souveräne Technik, mit der Ohler den Zerfall seines Helden in einer zunehmend albtraumhaften Umgebung in Szene setzt.« Süddeutsche Zeitung

Norman Ohler, 1970 geboren, ist der Autor von vier von der Presse gefeierten Romanen und zwei Sachbüchern. Sein erster Roman »Die Quotenmaschine« erschien 1995 zunächst als Hypertext im Netz und gilt als weltweit erster Internet-Roman. »Mitte« (2001) und »Stadt des Goldes« (2002) komplettieren seine Metropolentriologie. 2015 erschien »Der totale Rausch« über die kaum aufgearbeitete Rolle von Drogen im Dritten Reich. Es wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und stand auf der Bestsellerliste der New York Times. Paramount hat eine Option auf die Filmrechte erworben. 2017 erschien Ohlers historischer Kriminalroman »Die Gleichung des Lebens«, der mit lebendigem Zeitkolorit das 18. Jahrhundert wiederauferstehen lässt.

Norman Ohler, 1970 geboren, ist der Autor von vier von der Presse gefeierten Romanen und zwei Sachbüchern. Sein erster Roman »Die Quotenmaschine« erschien 1995 zunächst als Hypertext im Netz und gilt als weltweit erster Internet-Roman. »Mitte« (2001) und »Stadt des Goldes« (2002) komplettieren seine Metropolentriologie. 2015 erschien »Der totale Rausch« über die kaum aufgearbeitete Rolle von Drogen im Dritten Reich. Es wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und stand auf der Bestsellerliste der New York Times. Paramount hat eine Option auf die Filmrechte erworben. 2017 erschien Ohlers historischer Kriminalroman »Die Gleichung des Lebens«, der mit lebendigem Zeitkolorit das 18. Jahrhundert wiederauferstehen lässt.

50


Kraner durchwühlte sein Handgepäck. Drei Stunden noch bis zur Landung. Beim besten Willen konnte er nicht schlafen, auch wenn die Rotweinbetäubung ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hatte. Er zog eine graue Kladde heraus. Auf der Vorderseite stand in großen Buchstaben Born to Suffer geschrieben. Die Kladde hatte Lucy ihm vor ein paar Wochen geschickt. Er schlug sie auf und las.

 

 

Ich lief durch die Straßen von Hillbrow und suchte nach einem Job, als mich ein sehr dunkler Mann mit einem fremden Akzent ansprach.

»Entschuldigen Sie, Lady, kann ich für einen Moment mit Ihnen sprechen?«

Ich sagte, dass ich es eilig habe, doch er folgte mir. Ich war so hungrig, ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen.

»Sie sehen aus wie eine Lady aus Nigeria. Woher kommen Sie?«

»Ich bin von hier«, antwortete ich. Dann fragte er, was ich hier mache, und ich sagte, ich suche nach Arbeit, kann aber keine finden. Er sagte, er wird mir helfen. Ich betrachtete ihn genau. Er sah nicht so aus, als könnte er irgendjemand einen Job besorgen, aber da ich sehr hungrig war, fragte ich ihn, ob er mir was zu essen beschafft. Also brachte er mich in ein Restaurant – das gleiche, aus dem ich gerade gekommen war, um nach einem Job zu fragen, ein Wimpy’s. Er sagte, ich kann bestellen, was ich will. Ich aß eine ganze Menge, er dagegen überhaupt nichts. Dann redeten wir wieder über Arbeitssuche. Er sagte, wenn ich einen Pass bekomme, gibt es einen Job für mich. Ich fragte ihn, was für ein Job das ist, wofür man einen Pass braucht. Er sagte, ich würde an Orte wie Brasilien und Thailand fliegen, um Gold zu verkaufen. Dann gingen wir spazieren. Plötzlich standen wir vor seiner Wohnung. Ich hatte Angst, mit ihm zu gehen, doch er bat mich darum. Er versicherte mir, es besteht keinerlei Gefahr für mich, er wollte mich nur seinen Freunden vorstellen. Als ich eintrat, sah ich einige Männer auf dem Boden schlafen. Wir setzten uns auf eine Couch und plauderten. Als ich gehen wollte, sagte er, ich soll zurückkommen, wann immer ich will, dann würden wir über den Job reden und über den Pass.

Während der nächsten paar Tage versuchte ich, irgendwie über die Runden zu kommen und etwas für mich zu finden, aber es gelang mir nicht. Ab und zu dachte ich an den Nigerianer. Ich lief immer wieder durch dieselben Straßen von Hillbrow. Plötzlich spazierte er neben mir und fragte, warum ich ihn nicht mehr besuche. Er wirkte sehr nett und lächelte. Ich fragte ihn, ob er eine Wohnung für mich weiß, da ich nicht mehr in dem Zimmer mit den Huren schlafen wollte. Er lud mich ein, in seiner Wohnung zu wohnen. Auch dort war es aber sehr voll. Ich schlief auf dem Boden, mitten unter Fremden. Am nächsten Tag beantragte ich einen Pass.

Es dauerte Wochen, bis der Pass endlich ausgestellt wurde. Irgendwann begriff ich, dass mein Gastgeber auf der Straße Tomaten verkaufte, um sich über Wasser zu halten. Wie sollte er mir da jemals weiterhelfen? Was war das für eine geschwindelte Geschichte mit dem Gold? Ich traf dann einen seiner Freunde, Umshlanga Kingsley. Er war groß und sah gut aus und trug eine glänzende schwarze Sporthose, die neuesten Sneakers von Adidas, dazu eine schwarze Jacke, die sich bauschte, wenn er lief. Sein Haar klebte wie Plastik auf seinem Kopf. Er trug eine golden eingefasste Sonnenbrille, hinter der man seine Augen nicht sah. Er lächelte nicht, als er mich einlud, seine Freundin zu werden und bei ihm zu wohnen. Irgendetwas gefiel mir an seiner Coolness. Er wirkte unverwundbar, als könnte ihm nichts in dieser Welt etwas anhaben.

So kam ich zum ersten Mal nach Ponte, in den großen Apartment-Turm. Umshlanga hatte eine herrliche Wohnung im 50. Stock. Nummer 50.11. Der Blick war genauso gut wie vom Carlton. Und ich hatte ihn Tag und Nacht. Es war schön mit Umshlanga. Er half mir, die Gebühren für die Unisa zu bezahlen, die Fern-Uni, und ein Semester lang belegte ich Kurse. Jetzt brauchte ich mich ja nicht mehr um Arbeit zu bemühen.

Einige Zeit später, in der Nacht, klopfte es an der Tür. Umshlanga öffnete. Vor ihm standen vier Männer. Sie warfen ihn auf den Boden und fingen an, ihn zusammenzuschlagen und zusammenzutreten. Dann kamen sie auf mich zu und sperrten mich in die Küche. Ich hörte, wie sie weiter auf ihn einschlugen und sagten, sie sind von der Drogenpolizei. Sie fragten ihn, wo er her ist, und er sagte: Aus Ghana. Dann kam einer von ihnen zu mir in die Küche und fragte mich nach Coke, aber ich war wie gelähmt und konnte nicht an den Kühlschrank. Ich schwöre es: Ich wusste nicht, was er meint, weil ich keine Ahnung hatte, dass Umshlanga ein Dealer war. Ich hatte ihn ein paar Mal gefragt, mit was er sein Geld verdient, aber er hatte immer ausweichende Antworten gegeben, so als wäre das seine Sache, nicht meine. Ich glaube, er wollte nicht, dass ich damit was zu tun habe. Der Mann schlug mir ins Gesicht und sperrte mich wieder in die Küche. Alle vier trugen Pistolen, aber keine Uniformen. Ich hatte solche Angst. Ich dachte, sie erschießen mich vielleicht durch die Tür durch. Sie machten sich wieder daran, Umshlanga zusammenzuschlagen. Ich blieb in der Küche und hielt mir die Ohren zu, damit ich nicht ihre Schläge hören musste und seine Schreie. Er rief nach seinem Gott, in seiner nigerianischen Sprache. Sie schlugen ihn eine ganze Weile. Irgendwann war er still. Sie waren gegangen. Ich warf mich gegen die Küchentür, und sie ging auf.

Die ganze Wohnung war in Unordnung. Stühle lagen auf dem Boden, ein Tisch war zerschmettert und das Master-Bett total zerstört. All meine Kleider, die ich im Bad aufgehängt hatte, waren nass und beschädigt. Man konnte sehen, dass sie nach etwas gesucht hatten. Ich lief in den Salon, und Umshlanga lag auf dem Boden und wimmerte vor Schmerzen. Als er wieder sprechen konnte, fragte er mich als Allererstes, ob ich böse auf ihn bin, weil er mir nicht gesagt hatte, dass er ein Dealer war. Er sagte, er hätte Angst gehabt, mir die volle Wahrheit zu sagen, weil er dachte, ich verlasse ihn dann oder gehe zur Polizei. Ich fragte ihn, warum er Drogen verkauft und nicht einer normalen, sauberen Arbeit nachgeht. Da erklärte er mir, eine saubere Arbeit gibt es nicht, und erzählte mir, wie viel Geld man mit Kokainhandel machen kann, wenn man es richtig anstellt. Er schwor, so was wie in dieser Nacht würde nie wieder passieren. Er ging dann zu einem der Sessel mit den bunten Stoffüberzügen und holte Kokain unter dem Sitzkissen hervor. Das war das erste Mal, dass ich Drogen sah. Sie waren in Plastik eingepackt. Ich war böse auf ihn. Ich wollte meine Sachen nehmen und gehen, aber ich wusste nicht, wohin. Dann entschied ich mich, bei ihm zu bleiben.

Umshlangas Geschäfte liefen weiterhin gut. Die Männer kamen nicht zurück. Umshlanga versteckte jetzt nichts mehr vor mir. Irgendwann schwappte derart viel Geld in die Wohnung, dass er anfing, es bündelweise unter unsere neue Kingsize-Matratze zu packen. Wir liebten uns auf Dollarnoten, und wenn ich was brauchte, griff ich unter mich und ging einkaufen. Doch ich war nicht glücklich. Umshlanga behandelte mich nicht gut. Er bestand darauf, dass ich ganz trocken war, wenn wir miteinander schliefen. So ist das in Nigeria, hat er gesagt. Staubtrocken sollte ich sein. Dann kann der Leopard besser jagen. Also durfte ich nie an Sex denken, wenn ich ihn sah. Das verbot er mir, damit ich nicht nass wurde. Er spielte alle möglichen Tricks, aber ich durfte nicht nass sein. Er prüfte es nach. Er stopfte mir Dollarnoten in die Muschi, damit sie trocken blieb. Es gefiel ihm, mit mir durch Hillbrow zu spazieren, und in mir drin scheuerten Hunderte von Dollars.

Ich dachte oft an meine Mutter, die in einer kleinen Hütte ohne Klo lebte, während ich auf Geld schlief und kilometerweit in die Ferne blickte. Ich fragte mich, ob ich noch mit diesem fremden Mann zusammenbleiben sollte, der ja jederzeit verschwinden konnte. Ich besprach meine Probleme mit ihm, und er sagte, ich soll mein eigenes Geld verdienen, und es würde da auch eine Möglichkeit geben. Er sagte, ich soll meine besten Kleider anziehen, weil wir seinen Boss besuchen würden.

Ich zog meine schicksten Sachen an. Als wir in der Wohnung ankamen, im selben Haus, nur zwei Stockwerke tiefer, empfing mich sein Boss sehr freundlich. Er war sehr gespannt darauf gewesen, mich zu treffen, sagte er und bat mich dann, im Schlafzimmer zu warten, während Umshlanga und er in der Küche etwas besprachen. Sie redeten eine ganze Weile und kamen dann zu mir. Der Boss stellte sich als Frank Milla vor und fragte mich, ob ich am kommenden Sonntag nach Amerika fliegen will. Ich fragte ihn ganz aufgeregt: Wofür? Er sagte mir, ich würde Drogen nach Amerika bringen. Ich würde eine Antilope sein – so heißen junge Frauen, die als Kuriere arbeiten, sagte er. Ich konnte es nicht glauben, dass sie mich fragten, ob ich nach Amerika wollte! Das war immer mein Traum gewesen. Die Tatsache, dorthin Drogen zu transportieren, schien nebensächlich. Ich konnte nur noch daran denken, in Amerika zu sein. Frank sagte, er würde mir 10000 Dollar zahlen. Ich traute meinen Ohren nicht. Ich war so glücklich. Sie erzählten mir nichts von der Gefahr. Ich war ganz aus dem Häuschen. Sie hatten sogar schon mein Ticket gekauft und alles arrangiert. Frank gab mir 500 Rand, damit ich Sachen kaufen konnte, die ich für die Reise brauchte. Er sagte, eine Reisetasche und Kosmetikzeug. Ich ging mit Umshlanga einkaufen.

Die Tage bis Sonntag vergingen sehr langsam. Samstagabend konnte ich kaum schlafen. Ich warf mich im Bett rum und dachte an die Reise. Ich war so nervös und bekam plötzlich Angst. Umshlanga hatte mir eingebläut, mit niemandem darüber zu reden. Ich vertraute ihm, weil ich trotz...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2019
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Apartheid • Bestseller-Autor • Der totale Rausch • Die Gleichung des Lebens • Drogen • Harro und Libertas • Johannesburg • Krimi • Metropolen-Trilogie • Ponte City • Südarika
ISBN-10 3-462-31679-6 / 3462316796
ISBN-13 978-3-462-31679-7 / 9783462316797
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