Der Mongole - Kälter als der Tod (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
560 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-20280-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Mongole - Kälter als der Tod - Ian Manook
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Nach dem vielfach preisgekrönten Debüt nun der zweite Fall für Yeruldelgger, den härtesten Kommissar der Mongolei!
Die mongolische Steppe im Winter ist ein erbarmungsloser Ort. Eisige Winde und meterhohe Schneeberge beherrschen die karge Natur. Doch die Leiche, die unter einem gefrorenen Yak-Kadaver gefunden wird, scheint nicht der Kälte, sondern einem Mörder zum Opfer gefallen zu sein. Und es ist nur der erste in einer Reihe seltsamer Funde, die Kommissar Yeruldelgger beschäftigen. Die Spur führt ihn aus der Kälte der Mongolei nach Frankreich und zu einem grausigen Fund in einem Schiffscontainer. Er ahnt nicht, dass er mit seinen Untersuchungen in ein Wespennest aus politischen Verwicklungen und persönlichen Rachefeldzügen sticht - und er mitten in dessen Zentrum steht.

Die unabhängig voneinander lesbaren Romane um Kommissar Yeruldelgger:

Der Mongole. Das Grab in der Steppe

Der Mongole. Kälter als der Tod

Der Mongole. Tod eines Nomaden

Ian Manook arbeitete als Journalist und leitete eine Kommunikationsagentur, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Sein Debütroman »Der Mongole. Das Grab in der Steppe« ist mehrfach preisgekrönt, unter anderem wurde er mit dem renommierten Krimipreis Quais du Polar ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ian Manook lebt in Paris.

1

… und legte den Finger auf den Abzug.

Eingezwängt in ihre gefütterte Jacke, versuchte Inspektorin Oyun das aufgetürmte Gebilde zu verstehen. Sie kauerte vornübergebeugt im knirschenden Schnee, um es besser betrachten zu können. Die schneidende Kälte brannte in ihren Augen, und die eiskalte Luft stach ihr bei jedem Atemzug schmerzhaft in den Kopf, fast so, als atmete sie Glassplitter ein. Um sie herum wütete ein weiterer schrecklicher Dsud, der die unbefleckte Steppe unter einer Eisschicht erstarren ließ. Das dritte Jahr in Folge wurde das Land vom Weißen Unglück erschüttert. Zu lang anhaltende Polarwinter, die auf zu kurze Hitzesommer folgten. Mehrtägige Blizzards, sodass man die eigene Jurte nicht mehr vor Augen sah und nur einen Meter davon entfernt erfrieren konnte. Dann wieder strahlend blauer Himmel, wie mit Lack überzogen, den eine gleißende Sonne über dem vereisten Land durchbohrte. Oyun konnte sich nicht daran erinnern, in ihrer Kindheit je einen so heftigen Dsud erlebt zu haben. Der erste, an den sie sich erinnerte, war der von 2001. Ein Winter so hart und lang, dass sieben Millionen Tiere im Land daran zugrunde gegangen waren. Vor Oyuns geistigem Auge zeichnete sich das Bild von Abertausenden wenige Monate zuvor noch so stolzen und stattlichen Nomaden ab, die daraufhin in Ulaanbaatar gestrandet waren, wo sie bettelten und in stummer Erstarrung in der Kanalisation der Stadt ihr Leben ließen. Die Männer hatten all ihre Pferde verloren, die Frauen alle Yaks und Ziegen und die Kinder alle Lämmer und sogar ihre kleinen Welpen. Dieser Winter hatte der Mongolei mehr Seelen abverlangt als die Flugzeuge den Twin Towers in Manhattan. Und in den beiden darauffolgenden Jahren hatten weitere Dsuds die ohnehin schon geschwächten Herden noch mehr schrumpfen lassen. Da gab es die Schwarzen Unglücke, die mehrfach über das Land hereinbrachen, diese glühend heißen Sommer, die die rissigen Böden bis in tiefste Lagen hinein verbrannten, und die Weißen Unglücke, während derer der Schnee die Steppe unter einer eisigen Schicht begrub. Diese beiden Unglücksarten stürzten die Herden den Winter über in Verwirrung. Auf der Suche nach Nahrung verstreuten sich die Tiere, verirrten sich und kamen vor Hunger und Kälte um. Ihre ausgemergelten, vom Schnee gegerbten und gebeutelten Kadaver fand man erst im Frühjahr wieder, zu Tausenden. Oder gar zu Millionen, wenn sich das Schwarze und das Weiße Unglück zu einer noch viel größeren Katastrophe vereint hatten.

Über viele Kilometer ringsum war dieser kleine Hügel von Kadavern vor ihr die einzige Erhebung in der Steppe. Oyun fragte sich, weshalb er ausgerechnet hier war, vermied es jedoch, den Blick zu heben, um den Horizont nach einer Antwort abzusuchen. Die Linien der Bergkämme stachen in der schneidenden Luft so deutlich hervor, dass ihr die Augen davon brannten. Sie konzentrierte sich stattdessen auf die aufgetürmten Kadaver. Der Soldat, der das vorsintflutliche sowjetische Halbkettenfahrzeug hergefahren hatte, stieg aus der Kabine seines alten AT-Ls aus. Sie hörte die Tür zuschlagen, ein trockenes Geräusch wie das Brechen eines morschen Asts, dann das Knirschen von Schnee, der unter seinen Stiefeln zusammengequetscht wurde, als würde man von einem Baiserstückchen abbeißen. Wortlos kauerte er sich neben sie, reichte ihr eine Blechtasse und holte eine Thermoskanne aus seinem gefütterten Deel hervor.

»Das ganz oben ist ein Hausyak, so viel ist sicher!«, stellte der Mann fest.

»Entweder das oder ein Dzo«, korrigierte Oyun. »Die Nomaden hier haben eigentlich nur gekreuzte Tiere. Ganz selten Wildyaks.«

»Oder ein Dzo«, räumte der Mann ein, während er den Deckel der Thermoskanne mit seinen riesigen, mit Schaffell gefütterten Fäustlingen abschraubte.

Er schenkte sich selbst siedend heißen salzigen Buttertee ein, bevor er Oyun welchen anbot. Hausyak oder Dzo, das änderte nicht viel. Das Tier lag mit aufgeschlitztem Bauch auf den anderen Kadavern. Der Frost hatte sein Fell und seine Gedärme mit Raureif überzogen und kleine perlenartige Zöpfe darin gebildet. Es hatte alle viere von sich gestreckt, lag obszön gespreizt auf dem, was es unter seinen eisigen Gedärmen begrub. Wenigstens stank es nicht. Im Sommer, bei über vierzig Grad, hätte dieser Berg Aas einen unerträglichen Gestank verströmt. Die eisige Luft desinfizierte alles, selbst das Grauen. Der Mann beugte sich vor, um zwischen den gebrochenen Rippen des Tieres hindurchzusehen, dann steckte er eine Hand zwischen die harten, steifen Gedärme …

»Eine Dzum!«, sagte er. »Eine Yakkuh.«

»Na wunderbar!«, erwiderte Oyun seufzend, umklammerte ihre Tasse Tee mit beiden Händen. »Und das darunter?«

»Das darunter ist ein Pferd«, antwortete der Mann ohne Zögern.

Das konnte man an den Hufen der vier ausgerenkten Beine erahnen, die zwischen denen des Yaks lagen. Oyun glaubte zu erkennen, dass der Rücken des Tieres gebrochen war. Der Kadaver einer aufgeschlitzten Yakkuh auf dem zerschmetterten Kadaver eines Pferdes, bei minus fünfundzwanzig Grad, fünfhundert Kilometer von Ulaanbaatar entfernt, das war nun wirklich keine Angelegenheit für die Kripo. Liebend gern hätte sie die Sache einfach der örtlichen Polizei überlassen. Wäre da nicht das Bein gewesen. Das Bein mit dem Stiefel, das noch im Steigbügel steckte und zwischen dem gefrorenen Rücken des toten Pferdes und dem gläsernen Bauch des Yaks herausragte.

»Das ist der Reiter«, erklärte der Soldat.

»Das dachte ich mir schon«, entgegnete Oyun, die mit einem Mal spürte, wie sich ihr unterer Rücken vor Kälte und Müdigkeit zusammenzog. »Jetzt gilt es herauszufinden, was er hier zu suchen hatte.«

»Der saß auf dem Pferd«, meinte der Soldat.

»Ja, und jetzt ist er unter dem Yak«, sagte sie genervt. »Irgendeine Ahnung, wer das sein könnte?«

»Nein«, erwiderte der Mann. »Wir haben ja nur sein Bein.«

»Und du hast nicht versucht, es freizulegen und ein paar Hinweise zu finden?«

»Ich bin Soldat«, verkündete der Soldat lakonisch.

Oyun wandte den Kopf und musterte ihn ungeniert. Yeruldelgger hatte ihr schon von diesen zu Beamten mutierten Nomaden erzählt. Alles, was die Vorzüge des Nomaden ausmachte, erwies sich beim Beamten als Nachteil. Vor allem, wenn er beim Militär war.

»Trotzdem kann man doch versuchen herauszufinden, wer das ist, oder?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, kniete Oyun sich in den Schnee und griff nach dem Stiefel, der durch das Eis fest mit dem Steigbügel verbunden war. Erfolglos versuchte sie, den Fuß der Leiche freizubekommen. Das Bein, das so steif war wie ein versteinerter Baumstamm, bewegte sich keinen Millimeter. Um die Hebelwirkung zu erhöhen, beugte sie sich nach unten, stützte sich mit der Schulter an dem toten Yak ab und fing dabei kurz den Blick des Soldaten auf. Er schien nicht gutzuheißen, was sie da vorhatte.

»Was?«, blaffte sie, kurzatmig durch die Anstrengung.

Sie schwitzte unter ihrem Parka und hatte zugleich das Gefühl, dass ihre Lunge von innen mit einer Eisschicht überzogen wurde. Sie war nicht in der Stimmung, die resignierte Gelassenheit eines Soldaten zu ertragen.

»Das sollte man nicht tun«, murmelte der Mann vorwurfsvoll.

»Ach nein? Und warum nicht?«, fragte sie und zog an dem Bein wie ein Galeerensklave am Ruder.

»Wegen dem Frost.«

»Weil du glaubst, dass es …«

Unvermittelt brach etwas, und sie fiel mit einem dumpfen Knirschen rücklings in den festgetretenen Schnee. Als sie sich aufrichtete, ihr Gesicht von der Kälte malträtiert, schreckte sie vor Entsetzen zusammen und warf das Bein des Mannes von sich.

»Ich habe gesehen, wie Birkenstämme im Dsud durch und durch gefroren sind, bis sie so zerbrechlich waren wie Glas«, erklärte der Soldat. »Und ein Bein …«

»Das glaube ich einfach nicht«, murmelte Oyun, die das eisesstarre Bein wieder aufhob.

Knochen und Fleisch waren sauber in der Mitte des Oberschenkels abgebrochen, genau wie der Stoff der Hose. Das hatte nichts mehr von einem menschlichen Körperteil.

»Jetzt habe ich wenigstens, was ich brauche, um eine DNA-Analyse durchführen zu lassen …«

Sie warf einen letzten Blick auf den Haufen toter Leiber, dachte einen Augenblick lang nach und winkte den Soldaten dann heran.

»Meinst du, wir könnten eine Kette um den ganzen Haufen legen und ihn mit deinem Wagen ziehen, damit er sich vom Boden löst?«

»Da würdest du bloß das Pferd zerbrechen und den Reiter vielleicht gleich mit.«

»Wir können das doch nicht den ganzen Winter über hierlassen! Die Aasgeier werden noch darüber herfallen.«

»Kannst du zwei Tage hierbleiben?«

»Hier?«, rief Oyun.

»Bei mir, auf dem Posten.«

»Und inwiefern soll mich das weiterbringen?«

»Wenn du deine drei Kadaver mitnehmen willst, müssen wir sie auftauen, und ich weiß, wie man das macht.«

»Ja, daran habe ich auch gedacht«, sagte Oyun. »Wir könnten ein paar Feuer machen …«

»Die würden nicht die ganze Nacht durch brennen. Auf der Station gibt es eine alte Jurte, die Nomaden nach einem Dsud zurückgelassen haben. Die stellen wir um den Haufen herum auf zich zwei kleine Heißluftgeneratoren. Innerhalb von achtundvierzig Stunden sollte alles geschmolzen sein. Dann kannst du mit deinem verkrüppelten Haufen zurück in die Stadt fahren.«

»Hey, ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf! Wir haben hier ein Opfer.«

»Ich habe dem Typen das Bein nicht abgebrochen«, sagte der Soldat...

Erscheint lt. Verlag 13.1.2020
Reihe/Serie Kommissar Yeruldelgger ermittelt
Kommissar Yeruldelgger ermittelt
Übersetzer Alexandra Baisch
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Les Temps Sauvages
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Asien • außergewöhnlicher Ermittler • Der Mongole. Das Grab in der Steppe • Der Mongole. Tod eines Nomaden • eBooks • Frankreich • Fred Vargas • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Kurt Wallander • Mongolei • Preisgekrönte Bücher • Prix Quais du Polar • Rache • Schneesturm • Thriller • Ulan Bator
ISBN-10 3-641-20280-9 / 3641202809
ISBN-13 978-3-641-20280-4 / 9783641202804
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