Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
304 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-26634-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal - Raoul Schrott
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Stürme, Schiffbruch, Kannibalen: die abenteuerliche Geschichte eines Weltumseglers, die niemand so erzählen kann wie Raoul Schrott
Was für ein Abenteuer! Der Hannes aus Aachen kam als erster einmal ganz um die Welt. Vor 500 Jahren brach er mit Magellans Flotte zu den Gewürzinseln auf. Und damit ins völlig Ungewisse. Meutereien. Schiffbrüche. Kämpfe, Menschenfresserei - nur um an Nelken zu kommen. Am Ende kehrte bloß ein einziges Schiff zurück. Nur 18 Seeleute überlebten, unter ihnen 'Juan Aleman'. Dass er noch ein zweites und sogar drittes Mal zur Weltumsegelung aufbrach, ist alles, was man von ihm weiß. Raoul Schrott ist dieser Nebenfigur der Weltgeschichte hinterhergereist: Schwelgerisch und voll geradezu fühlbarer Details schenkt er seinem Simplicissimus auf hoher See ein ganzes Leben.

Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel- und den Joseph-Breitbach-Preis. Bei Hanser erschienen zuletzt u.a. Homers Heimat (2008) und seine Übertragung der Ilias (2008), Gehirn und Gedicht (2011, gemeinsam mit dem Hirnforscher Arthur Jacobs), die Erzählung Das schweigende Kind (2012), die Übersetzung von Hesiods Theogonie (2014), der Gedichtband Die Kunst an nichts zu glauben (2015) sowie Erste Erde (Epos, 2016), Politiken & Ideen (Essays, 2018) und Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal (Roman, 2019). Raoul Schrott arbeitet außerdem mit Unterstützung der Bundeskulturstiftung am Projekt Atlas der Sternenhimmel. 

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Dies wird wohl das letzte Kapitel bleiben, in dem wir uns mit der Weltgeschichte zu befassen haben; ihr Schnürboden ist zuwenig durchschaubar, die Maschinerie zu kompliziert, jeder Handkonterzug zu versteckt, als dass wir für diese Historie das Menschliche so recht ins Licht setzen könnten, obgleich es unzweifelhaft hie und da zum Vorschein kommt. Es mag sich zwar als Hofballett und Maskenspiel in aller Formalität präsentieren, doch werden auch so die wohlgesetzten Schritte und die Bücklinge vor dem Kaiser von verletztem wie verletzendem Stolz geleitet, vom Streben nach Ehre und Besitz: was sonst brächte einen adeligen Portugiesen nunmehr dazu, vor dem gerade mal achtzehnjährigen Habsburger Karl zu knien, welcher noch kein Jahr über Spanien regiert, ohne der Sprache mächtig zu sein, und darum mit seinem flämischen Hofstaat scheel als Fremder angesehen wird, um ihm den Zugang zu einer Hälfte der Erde zu versprechen, in der die Sonne verkehrt herum am Himmel stünde, auf dass dieser dann sagen könne, dass sie in seinem Reich nie unterginge?

Magalhães hatte in jungen Jahren keine unwesentliche Rolle bei der Eroberung indischer Lande gespielt, sieben lange Jahre Wagemut und taktisches Geschick bei allerlei Gefechten bewiesen, sich zu den Malayen vorkämpfend und beinahe zu den Gewürzinseln selbst — bis dorthin schaffte es allein sein Vetter Serrão —, um, einmal zurückgekehrt, sich danach auch bei der portugiesischen Besetzung der marokkanischen Küste heldenhaft zu schlagen (anders vermochte man sich, dem verarmten Landadel von Porto entstammend, ja keinen Namen zu machen) und dabei von einem vermaledeiten maurischen Krummsäbel an der Hüfte rechts so schwer verwundet zu werden, dass er das Glück hatte, seitdem nur zu lahmen, und das Unglück, ob seiner Tapferkeit den Neid seines Generals hervorzurufen. Der entledigte sich des stets etwas aufsässigen Waghalses mit der Unterstellung, jener habe sich zur eigenen Bereicherung mit den Mauren hundsgemein gemacht — worauf Magalhães unehrenhaft aus dem Heer entlassen wurde: eine Verachtung seiner Person wie eine Missachtung aller errungenen Verdienste sondergleichen, welche wettzumachen ihm nichts anderes einfiel, als dem portugiesischen König den Vorschlag zu unterbreiten, nun eine Expedition zu den Molukken anzuführen, wo sein Waffenbruder Serrão (dem er schon in Indien einmal das Leben gerettet) mittlerweile mit einem Häuflein Aufrechter auf beinah verlorenem Posten festsässe. Denen wolle er nun nicht auf der unnötig langen Route rund um Afrika und Asien, sondern auf dem weit kürzeren Weg gen Westen die nötige Verstärkung bringen — worauf man ob der militärischen Anmassungen dieses dubiosen Emporkömmlings ebenso in Hohnlachen ausbrach wie ob der als irrwitzig erscheinenden Vorstellung, man könne die geschlossen von Norden nach Süden sich erstreckende Küstenlinie jenseits des Atlantiks mir nichts, dir nichts einfach durchsegeln.

Doch Magalhães gab nicht auf; es ging ihm um die Ehre, die alles war, was er hatte, und wiewohl er wusste, dass er damit zum Landesverräter würde, beruhigte er sich und seine Gewissensbisse dadurch, sich in den Dienst einer noch höheren Autorität stellen zu können, indem er für Gott und den Papst allerorts die Heiden bekehrte. So wurde er im Jahr darauf bei dem spanischen Kaiser vorstellig, besser vorbereitet als zuvor und auf jeden nur erdenklichen Einwand eine Antwort in der Hinterhand: Zum Ersten den Brief seines Vetters Francisco Serrão von den Inseln der Gewürze, in dem ihm dieser schilderte, dass er sich auf seinem Aussenposten umzingelt sehe von Muslimen, ohne Hilfe von Portugal zu erhalten — weshalb eine jede recht käme, selbst die spanische, umsomehr, als der Längengrad, auf dem seine Molukken lägen, itzo durch spanisches Gebiet verliefe, dessen sei er sich ganz gewiss. Zum Zweiten — und da trat ein alter Freund aus der Heimat vor, ein Astrologe, welcher berichtete —, dass entgegen den viel zu groben seemännischen Einschätzungen von Längengraden diese weit besser durch Messungen der Schiffsgeschwindigkeit zu berechnen seien, hielte man sich dazu an die Abweichung der Kompassnadel vom wahren Norden: und ja — seine Formeln bestätigten durchaus die Richtigkeit von Serrãos Angaben. Zum Dritten referierte sein spanischer Amtsbruder, der Kosmograph San Martin, welcher vordem bereits an einer Expedition in das Land Brasil teilgenommen hatte, dass seine im Verlauf dieser Seereise gen Westen stetig gemachten Beobachtungen der sich verändernden Konstellationen der Planeten und des Mondes ein Solches gleichfalls nahelegten — was aber leider weit über die Verständigkeit Kaiser Karls und seiner anwesenden Würdenträger hinwegging. Weshalb Magalhães viertens ein Hilfsmittel hervorholte, das dann allen einsichtig war: nämlich einen Globus des deutschen Kartographen Johannes Schöner, welcher darauf — unter Berufung auf die alten griechischen Gelehrten und den ihre Welt umfliessenden Okeanos — zwischen dem äussersten Süden Südamerikas und dem Eis rings um den Südpol eine gedachte und darum schiffbare Passage offen gelassen hatte; sowie eine Karte von Schöners portugiesischem Lehrmeister Jorge Reinel. Die entschlug sich zwar aus sachlicher Lauterkeit solcher philosophischer Spekulationen — zeigte jedoch auf der Grundlage von dessen Berechnungen des Erdradius’ völlig unzweideutig, dass jener päpstliche Meridian, der den Atlantik im Westen teilte, die Gewürz= Inseln des Ostens in das spanische Hoheitsgebiet rücken würde.

Man drehte am Globus, auf dem all die Wunder der Welt eingezeichnet schienen, und entrollte die Karte, die jenseits der Grenze alles den Vorstellungen offenliess: der anwesende Kardinal war dafür (denn egal ob diese missionarische Expedition gelang oder scheiterte, beidesmal würden dem HErrn neue Seelen anempfohlen), der Faktor des Handelshauses für Indien auch (da unter dem meridionalen Strich für ihn nur schwarze Zahlen zu erwarten wären, denn gleich, wie weit die Schiffe in das Unbekannte vordrängen, er erhielte seine Mittel dazu aus dem Schatzhaus). Was den unerfahrenen Kaiser allerdings mehr als zögern liess, das war der Fugger, der sich hinter seiner Schulter räusperte — es war eben alles eine Frage des Kredits, des materiellen wie des geistigen, und ob beide Zins abwürfen, das war ungewiss.

Und so steht er nun da, Fernão de Magalhães, und schaut diese blutjunge Majestät erwartungsvoll an, die Ungestaltheit seines schmalen, wie ein Keil bis zu dem spitz herabhängenden Unterkiefer zulaufenden Gesichtes (dessen Hässlichkeit Karl I. eine Aura des Unnahbaren und Einsamen verleiht) über der eigenen Begeisterung nicht mehr gewahrend, ihm bloss in seine hellen Augen starrend, mit einem Blick, der ihn auffordert, sein wahres Ich zu zeigen, von Mann zu Mann, was den Kaiser unangenehm berührt, doch zugleich seltsam erfüllt, ganz so, als würde er miteins wahrhaftig wahrgenommen, und ihn doch schwanken lässt, ob er an seiner längst vorgefassten Ablehnung eines solch irrwitzigen Vorhabens weiter festhalten solle, da er mit der Zustimmung (als der ersten eigenen Handlung seiner Regentschaft) im Falle eines Misslingens dieser Expedition auch noch das letzte Ansehen verlöre. Es ist ein entscheidender Augenblick, das erkennt Magalhães und tut das Einzige, was ihm einfällt — nämlich ein dünnes und an den Seiten abgegriffenes Heftchen aus seinem Wams zu ziehen und daraus vorzulesen. Er weiss, es ist das Richtige, ohne zu begreifen, woher die Eingebung kommt, diesem deutschen Kaiser jetzt das Deutsch der ersten Sätze dieser Copia der Newen Zeytung auss Presill=Land einfach vorzutragen, ohne mit seinem weichen Portugiesisch zu der Aussprache solcher zischenden und kropfigen Wörter auch nur im Geringsten fähig zu sein, sodass ihn alle ob seines gräulichen Akzentes etwas baff angaffen, um daraufhin in erheitertes Lachen auszubrechen — bis auf Kaiser Karl, der es als das erkennt, was es ist, eine eigentümliche Respektsbekundung, die erste wirklich ernsthafte, die er am Hof bislang erfahren hat —, und der Fugger dem Magalhães dieses Heft dann aus der Hand nimmt und es erstaunt betrachtet (da in seiner Heimatstadt Augsburg gedruckt, ohne dass es ihm zur Kenntnis gelangt wäre), zunächst still darin blätternd, um darauf für Karl laut weiterzulesen, der jetzt erstmals auch alles zu verstehen vermag, und den Bericht einer geheimgehaltenen Expedition der Portugiesen Anno 1512 über den ihnen zustehenden Teil von Brasil hinaus danach den Umstehenden zu übersetzen, weil da die Rede ist von einer Passage in Richtung Westen. Was jedoch letztlich den Ausschlag gibt, ist der Umstand, dass damit die ganze Welt Kunde davon hatte, dass Portugiesen widerrechtlich in Spaniens Hälfte der Erde vorgedrungen waren, was es nun gelte zu vergelten — darüber erregt...

Erscheint lt. Verlag 19.8.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Aachen • Abenteuer • Abenteuerroman • Barock • Christentum • Chronik • Erde • erste • Expedition • Gewürze • Handel • Heiden • Kannibale • Kanone • Magellan • Meer • Meuterei • Neuzeit • Osterinsel • Ozean • Poesie • Portugal • Ransmayer • Schifffahrt • Segeln • Simpliccisimus • Spanien • Welt • Weltumsegelung
ISBN-10 3-446-26634-8 / 3446266348
ISBN-13 978-3-446-26634-6 / 9783446266346
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