Cold Water (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1., Deutsche Erstausgabe
376 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76169-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Cold Water - Adrian McKinty
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Umzugswagen, Umzugshelfer, Eltern, die im Weg rumstehen, glückliche Freundin, glückliche Tochter, entsetzte Katze kurz vor dem Kollaps - der katholische Bulle Sean Duffy verlässt seine evangelischen Nachbarn in Carrickfergus, lässt das Pulverfass Nordirland hinter sich. Die 80er sind vorbei, nun heißt es, auf die 90er hoffen, sich mit den Nachbarn in Schottland arrangieren - und schnell noch einen Mord aufklären.

Bevor Detective Sean Duffy sich aus dem aktiven Dienst verabschiedet und die letzten Jahre bis zur Frührente als Reservist und Verbindungsmann eines Spitzels runterreißen kann, muss er noch seinen allerletzten Fall lösen: Ein junges Mädchen ist verschwunden, leider keine Seltenheit im Nordirland am Rande der Neunziger. Ihr Auto wird in einem Fluss gefunden, doch von dem Mädchen gibt es keine Spur - wahrscheinlich wurde ihre Leiche von der Strömung weggetrieben. Eine Liste mit drei Männernamen taucht auf, alle drei standen in zweifelhaftem Kontakt zu der Vermissten. Und sie sind bei Weitem nicht die einzigen Verdächtigen ...



<p>Adrian McKinty, geboren 1968 in Belfast, z&auml;hlt zu den wichtigsten nordirischen Krimiautoren. Nach einem Philosophiestudium an der Oxford University verschlug es ihn nach New York und Denver, wo er verschiedenste Jobs annahm, vom Barkeeper bis zum Rugbycoach. Nach einigen Jahren in Melbourne, Australien, lebt der preisgekr&ouml;nte Autor und Journalist mit seiner Familie heute wieder in New York.</p>

Vorspiel in Es-Dur:
Sean Duffy im Jahr null


Die Nacht schlängelt sich über den Horizont im Osten.

Eine verborgene Sonne versinkt in einem fremden Meer.

Der Nebel riecht nach Rost und Fäulnis wie ein altes Fahrrad.

Das Boot, dessen 25-cm3-Motor kaum die Schraube dreht, gleitet über das unsichtbare Wasser. Belfast bedeutet auf Irisch Schwarzer Mund, und wir befinden uns in der Kehle der Stadt, wo der River Lagan vom Lough erstickt wird.

Putt, putt, putt macht der kleine Außenborder. Der Constable im Bug fährt mit einer Xenonlampe hin und her, während ich das Boot durch das graue Zwielicht steuere. Der Abend bricht herein, dabei ist es noch nicht mal drei Uhr nachmittags.

Wir sind auf der Suche nach einer Leiche. Das Mädchen wurde zuletzt gesehen, wie es an der Queen’s Bridge herumlungerte, und ist nirgendwo zu finden.

Wir gleiten durch das dunkle Wasser, dessen Oberfläche unter einem dünnen Ölfilm und einer Algenschicht verborgen liegt. Der gelbe Schein der Lampe, der durch die Dunkelheit oszilliert, enthüllt nichts.

Constable Cathcart ist ein ernster, nervöser junger Mann, der nicht in der Stimmung ist für ein Gespräch, aber das passt mir gut.

Von hier aus wirkt Belfast verlassen – Land und Wasser vermischen sich an der Mündung – wie nach der Sintflut. Eine Stadt in Doggerland oder Herakleion oder Atlantis.

Eine Schar zeternder Silbermöwen fliegt vor uns davon und landet auf dem schmierigen Deck der HMS Caroline, eines kleinen Kreuzers aus dem Ersten Weltkrieg, der schon so lang am Dock festgemacht ist, dass er nun das zweitälteste Schiff in der gesamten Royal Navy ist. (Das älteste ist natürlich die HMS Victory in Portsmouth.)

Die Stille breitet sich aus. Der Geruch von moderndem Holz weht von der verfallenden Titanic-Werft herüber.

Belfast lauert in der Nacht, hat sich in schwarze Dunkelheit gehüllt, wirkt so schweigsam und mürrisch und schroff wie seine Bewohner. Selbst der Gazelle-Helikopter, der unentwegt über der Falls Road schwebt, wirkt gedämpft, müde und weit, weit weg.

Ruhig ist das Wasser. Ruhig ist der Himmel. Ruhig ist die Stadt.

Doch unter der Oberfläche der sichtbaren Welt liegt eine andere aus Familienkämpfen und Blutfehden und Tod. Eine ältere Ordnung uralter Gesetze und Verpflichtungen, Sitten, die zurückreichen bis zu den Schritten der ersten Menschen durch die Steppen des Great Rift Valley in Afrika.

Ich steuere das Boot die Piers und Anlegestege entlang, überall dort vorbei, wo ich vermute, dass eine Leiche angespült werden könnte. Pommestüten, Zeitungen, Coladosen, Bierdosen, aber nichts Sachdienliches.

»Mir ist kalt«, sagt Constable Cathcart schließlich. »Können wir zurückfahren?«

Obwohl wir denselben Rang bekleiden, fragt er mich, weil ich der ältere von uns beiden bin. Außerdem ist das alles hier – das Boot, die Taschenlampe, die Suche – eine rein formelle Angelegenheit. Seit drei Stunden zieht sich das Meer zurück, eine Leiche wäre jetzt schon meilenweit draußen auf See.

Dennoch würde eine so frühe Rückkehr pietätlos und unprofessionell wirken.

»Wenn Ihnen kalt ist, setzen Sie die Kapuze auf«, sage ich zu ihm.

Das tut er, was sein Sichtfeld auf etwa dreißig Prozent beschränkt.

Ich lenke das namenlose Boot der Royal Ulster Constabulary in die tiefe Fahrrinne.

Ein Strandläufer erhebt sich mit einer im Schnabel zappelnden Krabbe aus dem Trüben. Er fliegt direkt durch den Lichtstrahl der Lampe, und Cathcart erschreckt sich.

Die tiefe Fahrrinne ist viel zu unruhig für das kleine Boot, und Wasser dringt über die Dollborde. Wir sitzen hier draußen in Uniform, ohne Rettungsweste, dafür in Panzerung, und sollten wir über Bord gehen, werden wir versinken wie Steine.

Ich wende und fahre zurück in den Hafen zur Werft von Harland & Wolff, wo die Gezeiten und die Strömung eine Leiche vielleicht in eine der Hellingen gespült haben könnten. Lichter gehen an, und eine Meile südlich über dem Kanal sind die kreideweißen Umrisse von Hochhäusern und Kirchtürmen zu sehen.

Wir kommen unter den Kränen, Derricks und Gerüsten vorbei. Bei dem Schiff, das sich im Trockendock abzeichnet, handelt es sich um die SS Ravenscraig, einen knapp dreihundert Meter langen Stückgutfrachter, der für British Steel gebaut wird. Es wird eines der letzten Schiffe sein, die H&W noch auflegen wird. Ohne den Kreuzfahrtboom der Neunziger vorauszuahnen, wird die Tory-Regierung die Werften in Belfast und in Glasgow dem Vergessen anheimfallen lassen. Früher mal wurden hier ein Drittel aller Schiffe auf der Welt gebaut, doch innerhalb eines Jahrzehnts wird diese altehrwürdige Tradition nahezu vollständig ausgelöscht sein.

Doch davon weiß der Duffy jener Nacht noch nichts. Der Duffy jener Zeit weiß so gut wie gar nichts.

Der Duffy jener Nacht fängt an zu pfeifen. Erst seine Freundin Beth wird ihn aufklären, dass es Unglück bringt, auf einem Boot zu pfeifen. Die Melodie ist »Lament of the Lagan Valley«, und die letzten beiden Zeilen lauten: »Vergib uns, oh Herr, die Sünden alten / und lass in Deiner Gnade Milde über Belfast walten«, was, um ehrlich zu sein, ein wenig zu offensichtlich, ein wenig zu platt ist, um diese Szene zu untermalen.

Selbst der Duffy jener Zeit erkennt das, und in seinem Hinterkopf setzt eine andere Wassermelodie ein: das Vorspiel in Es-Dur zu Das Rheingold, dem Höhepunkt von Wagners Werk romantischer Dudelmusik.

Ich steuere an den Anlegeplätzen entlang, während ich im Kopf die bedächtige Version Karajans abspiele, die die Spannung innerhalb des Kontrapunkts so intensiv einfängt, während Wagner seine Hassliebe zu Heine zu leugnen versucht. Liebe, denn wie kann man Heines Gedicht nicht lieben, und Hass, weil Heine nun mal Jude ist.

Das Polizeiboot fährt langsam durch das ruhige Wasser zurück, während die Musik sich zu ihrem Höhepunkt aufschwingt. Das Weiß graut sich zu den Umrissen von Gebäuden ein. Ruinen. Gebäude, die Verzweiflung heraufbeschwören. Diese Stadt ist nach zehn Jahren voller Bombenexplosionen und Morden und religiösem Bürgerkrieg zerbrochen. Eine Stadt aus der aphotischen Zone. Eine Stadt der Apoka…

»Wir sind doch schon bald eine Stunde hier draußen, wie lange denn noch? Ich will noch auf eine Party«, murmelt Cathcart.

Party? Was für eine Party? Wovon redet er?

»Eine Stunde reicht nicht. Der Sergeant wird uns vorhalten, dass wir unsere Sorgfaltspflicht nicht erfüllt hätten.«

»Dem Sergeant ist doch irgendein Mädchen, das sich vielleicht in die Fluten gestürzt hat, oder auch nicht, völlig schnurz. Wir haben größere Sorgen, jetzt, wo wir uns um die Butchers kümmern müssen.«

Cathcart nimmt die Kapuze ab, und ich sehe die Gänsehaut auf seinem weißen, jungen Nacken. Er hat natürlich Recht. Die ganze Angelegenheit stinkt nach blanker Formalität. So tun als ob.

Unsere ganze Abteilung ist dem Team zugeordnet worden, dem Detective Chief Inspector Jimmy Nesbitt vorsteht, Chef der Mordkommission beim Criminal Investigation Department auf dem RUC-Revier Tennent Street. Nesbitt ermittelt im Fall der Shankill Butchers – eines loyalistischen Totenkults, der in den vergangenen drei Jahren bei willkürlichen Überfällen mindestens zwanzig Menschen niedergemetzelt hat. Fast alle Opfer waren Katholiken, die von der Straße geholt und mit Fleischermessern und -beilen zu Tode zerhackt worden sind.

Die Shankill Butchers sind zu einer Berühmtheit geworden, Volkshelden für einige der durchgeknallteren Bewohner des protestantischen West-Belfast und Feindbilder für alle anderen in der Stadt. DCI Nesbitt hat unbeschränkte Vollmacht, die Mistkerle zu kassieren. Und tatsächlich sind...

Erscheint lt. Verlag 17.6.2019
Reihe/Serie Sean-Duffy-Serie
Sean-Duffy-Serie
Übersetzer Peter Torberg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 90er Jahre • Anna Burns • Belfast • detective • Krimi • Krimileser • KrimiZEIT-Bestenliste • Milchmann • Mordfall • Nordirland • Phil Collins • Politthriller • Schottland • Sean Duffy Nr. 7 • Sean Duffys letzter Fall im Dienst • Sean Duffy Teil 7 • Spannung • ST 5106 • ST5106 • suhrkamp taschenbuch 5106 • Urlaubslektüre • Verbrechen • Vermisst • verschwunden
ISBN-10 3-518-76169-2 / 3518761692
ISBN-13 978-3-518-76169-4 / 9783518761694
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