Der zweite Schlaf (eBook)

Fachbuch-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-24009-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der zweite Schlaf -  Robert Harris
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Der Untergang der Welt, wie wir sie kennen - der neue große Roman von Robert Harris
England ist nach einer lange zurückliegenden Katastrophe in einem erbärmlichen Zustand. Der junge Priester Fairfax wird vom Bischof in ein Dorf entsandt, um dort die Beisetzung des mysteriös verstorbenen Pfarrers zu regeln. In der Umgebung finden sich besonders häufig jene verbotenen Artefakte aus vergangener Zeit - Münzen, Scherben, Plastikspielzeug -, die der Pfarrer akribisch gesammelt hat. Hat diese ketzerische Leidenschaft zu seinem Tod geführt?

Robert Harris' erster Roman »Vaterland« war ein Ereignis. Seine Berühmtheit wuchs mit historischen Politthrillern wie »Pompeji« und seiner groß angelegten Cicero-Trilogie (»Imperium«, »Titan«, »Dictator«). Ob nun Antike oder jüngere Neuzeit (»Intrige«, »Konklave«, »München«) - auch wenn in seinen Büchern faktenfeste und erfundene Historie sich mischen, so muss man den vordergründigen Mantel nicht weit lüpfen, und die hintergründige Aktualität scheint auf. Robert Harris schreibt letztlich immer über das Hier und Jetzt.

Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Seine Romane »Vaterland«, »Enigma«, »Aurora«, »Pompeji«, »Imperium«, »Ghost«, »Titan«, »Angst«, »Intrige«, »Dictator«, »Konklave«, »München«, »Der zweite Schlaf«, »Vergeltung« und zuletzt »Königsmörder« wurden allesamt internationale Bestseller. Seine Zusammenarbeit mit Roman Pola?ski bei der Verfilmung von »Ghost« (»Der Ghostwriter«) brachte ihm den französischen »César« und den »Europäischen Filmpreis« für das beste Drehbuch ein. Die Verfilmung von »Intrige« - wiederum unter der Regie Pola?skis - erhielt auf den Filmfestspielen in Venedig 2019 den großen Preis der Jury, den Silbernen Löwen. Robert Harris lebt mit seiner Familie in Berkshire.

KAPITEL 1


Das versteckte Tal

Am Spätnachmittag des neunten Tages im April des Jahres Unseres Auferstandenen Herrn 1468, einem Dienstag, suchte ein einsamer Reiter seinen Weg. Sollten Sorgen die Züge des jungen Mannes verdunkelt haben, so hatte er zugegebenermaßen allen Grund dazu. Seit mehr als einer Stunde war er in der wilden, altertümlichen Moorlandschaft im Südwesten Englands, die seit den Tagen der Sachsen als Wessex bekannt war, keiner Menschenseele mehr begegnet. Es würde bald dämmern, und wer nach Beginn der Sperrstunde im Freien aufgegriffen wurde, lief Gefahr, die Nacht im Kerker zu verbringen.

In der Marktstadt Axford hatte er haltgemacht und nach dem Weg gefragt. Vor einer Schenke, über deren Eingang ein Schild mit dem Bild eines Schwans prangte, hatten einige grobschlächtige Burschen vor ihrem Bier gesessen und grinsend seine vornehme Sprechweise nachgeäfft. Sie hatten ihm versichert, er müsse nur immer auf die untergehende Sonne zuhalten, dann werde er sein Ziel schon erreichen.

Inzwischen hegte der Reiter den Verdacht, dass ihm die Dörfler einen ihrer beliebten Streiche gespielt hatten. Er hatte kaum die Mauern des Stadtgefängnisses passiert, wo drei Übeltäter in ihren Galgenkäfigen verwesten, und war über den Fluss in offenes Land gelangt, als sich im Westen schwere Wolken vor die untergehende Sonne schoben. Die Spitze von Axfords hohem Kirchturm war schon lange hinter dem Horizont versunken. Die abschüssige Straße schlängelte sich durch menschenleere, dunkle und hügelige Wälder sowie wilde, mit gelben Ginsterbüschen besprenkelte Heide, bevor sie sich im Zwielicht verlor.

Kurz darauf kündigte, wie es in diesen Teilen des Landes oft geschah, eine plötzlich eintretende Stille einen Wetterumschwung an. Die Vögel verstummten. Sogar der Schwarm riesiger Rotmilane, der ihn auf den letzten Meilen begleitet hatte, stellte sein unangenehm schrilles Kreischen ein. Graue, nasskalte Nebelschwaden stiegen aus dem Moor auf und legten sich um den Reiter. Zum ersten Mal seit er frühmorgens aufgebrochen war, spürte er das Verlangen, seinen Namenspatron, der das Jesuskind auf dem Rücken über den Fluss getragen hatte, laut um Beistand anzurufen.

Schließlich wand sich die Straße einen bewaldeten Hang hinauf. Je weiter es bergauf ging, desto schmaler wurde sie, bis sie nur noch ein besserer Feldweg war – zerfurchte braune Erde, die locker mit Steinen, gelben Kieseln und mattblauen Schieferscherben bedeckt war, über die das Regenwasser rann. Von den steilen Böschungen zu beiden Seiten stieg der Duft von wilden Kräutern auf, von Lungenkraut, Zitronenmelisse, Knoblauchsrauke. Die Zweige hingen so tief in den Weg, dass er sich ducken und sie mit dem Arm abwehren musste, worauf frisches kaltes Wasser auf seinen Kopf herabregnete und in den Ärmel lief. Etwas kreischte im Halbdunkel und blitzte smaragdgrün auf. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, obwohl er sogleich erkannte, dass es sich um nichts Unheilvolleres als einen gewöhnlichen Sittich handelte. Erleichtert schloss er die Augen.

Als er sie wieder öffnete, sah er ein bräunliches Objekt vor sich. Zuerst hielt er es für einen umgestürzten Baum. Er wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und beugte sich im Sattel vor. Eine Gestalt, die in einer mönchsgleichen Sackleinenkutte mit Kapuze steckte, schob einen Handwagen vor sich her. Der Reiter drückte die Knie in die Flanken seines Pferds und schloss zu dem Gespann auf. »Gott sei mit dir!«, rief er der seltsamen Erscheinung zu. »Ich bin fremd in der Gegend.«

Die Gestalt schob den Wagen noch energischer vorwärts, was den Reiter nötigte, den mit Wollballen beladenen Karren abermals zu überholen. Diesmal jedoch stellte er sein Pferd quer und versperrte den schmalen Weg. Er löste die Halsschnur seines Umhangs. »Ich will Euch nichts Böses. Mein Name ist Christopher Fairfax.« Dann zog er den nassen Umhang etwas herunter und hob das bärtige Kinn, um dem Mann den weißen Kragen zu zeigen. »Ich bin ein Mann Gottes.«

Durch den Regen schauten aus einem nassen, schmalen Gesicht zusammengekniffene Augen zu ihm hoch. Langsam und widerwillig zog der Mann die Kapuze nach hinten und entblößte einen vollkommen kahlen Schädel. Das Wasser rann über die glänzende Glatze, in deren Mitte ein sichelförmiges, blutrotes Muttermal zu sehen war.

»Ist das die Straße nach Addicott St George?«

Der Mann kratzte sich am Mal und blinzelte mit den Augen, als versuchte er krampfhaft, sich zu erinnern. Schließlich sagte er: »Meint Ihr Adcut?«

Der triefend nasse Fairfax verlor allmählich die Geduld. »Ja, gut, also dann … Adcut.«

»Nein. Ihr müsst wieder zurück. Eine halbe Meile. Da teilt sich der Weg. Ihr müsst den anderen nehmen.« Der Mann musterte Fairfax von Kopf bis Fuß. Ein wissender Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus – eine behäbige, bäuerliche Verschlagenheit, als taxierte er auf dem Markt ein Stück Vieh. »Ihr seid jung für einen Priester.«

»Und doch alt genug, glaube ich!« Fairfax rang sich ein Lächeln ab und verbeugte sich. »Friede sei mit dir.«

Er zog am Zügel, wendete die alte graue Stute und ritt den glitschigen Weg vorsichtig wieder nach unten, bis er die Stelle fand, wo die Straße sich gabelte. Wenn man nicht zuvor darauf aufmerksam gemacht wurde, konnte man die Gabelung unmöglich sehen. Diese Schurken in Axford hatten ihn also absichtlich in die Irre geschickt. Wenn sie gewusst hätten, dass er Priester war, hätten sie das niemals gewagt. Er sollte den Sheriffs vor Ort Bescheid geben. Richtig, genau das würde auf dem Rückweg tun. Diese dumpfen Bauernschädel würde er die ganze Härte des Gesetzes spüren lassen – Gefängnis, Geldstrafe, ein Tag am Pranger, beworfen mit Steinen und Kot …

Der andere Weg war noch steiler. Von beiden Seiten, keine sechs Fuß über ihm, neigten sich uralte, schon dicht belaubte Bäume einander zu, als hätten sie etwas zu besprechen. Die verflochtenen Zweige sperrten das Licht aus. In diesem nasskalten Tunnel schien schon Nacht zu herrschen. Die Stute fand mit den Hufen keinen Halt auf dem rutschigen Untergrund, und schließlich verweigerte sie jeden weiteren Schritt. Er schlang ihr die Arme um den Hals und flüsterte ihr ins Ohr. »Komm schon, May!« Das griesgrämige, altersstarre Biest, mehr Maultier als Pferd, wollte jedoch nicht, und so musste er schließlich absteigen und es am Zügel führen.

Zu Fuß fühlte er sich noch schutzloser. Für seine Auslagen trug er zwanzig Pfund bei sich, die der Dekan ihm am Vorabend Münze für Münze in die Hand gezählt hatte. Nicht wenige Reisende waren schon für die Hälfte ermordet worden. Durch den Matsch schlitternd, führte er die Stute bergauf. Was für ein köstlicher Witz, dachte er bitter. Der Bischof mochte nur selten lächeln, was aber nicht hieß, dass es ihm völlig an einem gewissen Sinn für Humor mangelte. Einen Mann ins dreißig Meilen entfernte, hinterste Eck der Diözese zu schicken, mit solch einem Auftrag, auf solch einem klapprigen Gaul …

Er sah seine Kollegen vor sich, die sich wie immer zu ihrem frühen Abendbrot versammelt hatten: wie sie im Kapitelhaus vor dem riesigen Kaminfeuer auf den langen Bänken saßen, wie der Bischof den schmalen, grauhaarigen Kopf zum Tischgebet senkte, wie sein Gesicht im Schein des Feuers wie eine Auster glänzte und wie seine kleinen, dunklen Augen vor boshafter Freude funkelten. »Und zu guter Letzt lasst uns beten für unseren Bruder Christopher Fairfax, der Gott heute Abend fern von uns dient in einem weit entfernten Land!«

Das armselige Gurgeln des nahen Baches empfand er als Gelächter.

Doch plötzlich – er war der Verzweiflung schon nahe – schien am Ende des überwucherten Weges etwas blass Glänzendes auf. Und nur Minuten beschwerlichen Zerrens später trat er hinaus in das letzte Licht des...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2019
Übersetzer Wolfgang Müller
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Second Sleep
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte dystopie fantasy • eBooks • Häresie • Klerikalstaat • Krisen und Katastrophen • Liebe • mittelalterliches England • Untergang
ISBN-10 3-641-24009-3 / 3641240093
ISBN-13 978-3-641-24009-7 / 9783641240097
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