Halbseidenes historisches Wien: 23 historische Bezirkskrimis -  Günther Zäuner

Halbseidenes historisches Wien: 23 historische Bezirkskrimis (eBook)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
300 Seiten
Federfrei Verlag
978-3-903092-57-0 (ISBN)
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Nach dem ersten Band »Halbseidenes Wien« präsentiert Günther Zäuner mit dem Folgeband »Halbseidenes historisches Wien« erneut 23 Wiener Kriminalgeschichten für jeden Bezirk. Wien bildete auch vor 100 Jahren einen tollen Schauplatz für kriminelle Handlungen. Historische Ereignisse werden in spannenden Geschichten verpackt. Bekannte Persönlichkeiten, die tatsächlich in Wien gelebt haben, tauchen auf. Halbseidenes historisches Wien taucht ein in die facettenreiche Geschichte der Bundeshauptstadt.



Günther Zäuner, geboren 1957 in Wien; Studium der Klassischen Philologie, Geschichte und Zeitgeschichte, musikalische Ausbildung. Freier Schriftsteller, Sach-, Drehbuch- und Theaterautor, Dokumentarfilmer, Journalist, Gestalter von TV-Beiträgen und Dokumentationen; spezialisiert auf Organisierte Kriminalität, Drogen, Sektenunwesen, Rechtsextremismus, Terrorismus, Geheimdienste und Politik. Mitglied im österreichischen PEN-Club und im Österreichischen Schriftstellerverband. www.guenther-zaeuner.at www.kokoschansky.at

1. Bezirk: INNERE STADT


 

Agapetus multas decepit saepe puellas

(Agapetus hat schon viele Mädchen betrogen)

197 n. Chr

 

»Aequat omnes cinis. Impares nascimur, pares morimur!«

(Asche macht alle gleich. Ungleich werden wir geboren, gleich sterben wir!)

Seneca d. Ä. (ca. 54 v. Chr. – ca. 35 n. Chr.)

 

Ein wunderbarer Frühlingstag im Iunius, dem sechsten Monat im Jahr, gültig nach dem neuen Kalender aus dem Jahre 153 und der Göttin Juno, der Gemahlin des Göttervaters Jupiter, geweiht. Sie schützt die Ehe und die ewige Stadt Rom.

Mit Imperator Septimius Severus1 auf dem Thron haben zumindest vorläufig turbulente Zeiten ein Ende gefunden. Seit 193 regiert er von Rom aus das Imperium, kam im zweiten sogenannten Vierkaiserjahr an die Macht.

Am 31. December 192 wurde Kaiser Commodus ermordet, und Perinax trat seine Nachfolge an. Da unter seinem Vorgänger die Staatsfinanzen ziemlich zerrüttet waren, versuchte er, die Kassen mit Sparmaßnahmen wieder aufzufüllen, was ihn besonders bei den Prätorianern unbeliebt machte.

Die Garde-Truppe, die unter Commodus über großen politischen Einfluss verfügte, fürchtete um ihren Status. Perinax blieb seiner harten Linie treu, ließ einige von ihnen wegen Verschwörung hinrichten.

Das kostete ihn letztendlich nach nur drei Monaten nicht nur die Macht, sondern auch sein Leben. Am 28. Martius 193 erstachen ihn die Prätorianer.

Danach war das Kaisertum schwer angeschlagen und das Ansehen ins Bodenlose gestürzt, da die Prätorianer den Thron kurzerhand an den Meistbietenden versteigerten. Senator Didius Julianus erhielt den Zuschlag. Doch seine sämtlichen Versprechen gegenüber dem Volk erwiesen sich als hohle Phrasen, in den römischen Provinzen fand er keine Anerkennung. Daher wurde auch mit ihm kurzer Prozess gemacht, indem man ihn am 1. Iunius 193 aus dem Weg räumte.

Jetzt war die Stunde für Septimius Severus gekommen. Bereits nach Perinax’ gewaltsamem Tod riefen die Legionäre ihn in der municipium aelium Carnuntum, in der Lager-, Zivil- und Hauptstadt der Provinz Oberpannonien, zur ihrem Kaiser aus. Der neue Herrscher machte sich unverzüglich auf den Weg nach Rom. Mit seinen Legionen gelang es ihm mühelos, die Stadt am Tiberius2 einzunehmen.

Septimius Severus erklärte sich danach selbst zum Adoptivsohn von Kaiser Marc Aurel. Der konnte sich dazu nicht mehr äußern, da er bereits 180 gestorben war. Doch für die alleinige Macht muss-ten noch einige Steine aus dem Weg geräumt werden.

Septimius Severus‘ Konkurrent Clodius Albinus konnte noch auf diplomatischer Ebene in die Schranken gewiesen werden. Gegenkaiser Gaius Pescennius Niger erwies sich als härterer Gegner. Nach der Ermordung von Perinax wurde der ehemalige Statthalter von Syria3 zum Imperator ausgerufen und regierte von 193 bis 194 von dieser Provinz aus. Doch Septimius Severus führte einen Feldzug gegen ihn und tötete ihn auf der Flucht.

Jetzt gibt es keine Rivalen mehr, und der Imperator hat seinen Thron fest im Griff, kann sich auf seine Regierungsgeschäfte konzentrieren. Ein neues Zeitalter ist angebrochen. Die wirtschaftliche Hochblüte ist im gesamten Reich spürbar. Mit dem Beginn der Severiner-Dynastie erfolgt die größte Ausdehnung der verschiedenen Siedlungsgebiete.

Vindobona ist zu einem wichtigen Warenumschlagsplatz geworden. Mit den Severern hat auch der Mithras-Kult Einzug genommen. Ein besonderer Mysterien-Kult um Mithras, die Personifizierung der Sonne.

Septimius Severus‘ Sohn Caracalla wird später, nach der Amtsübernahme vom Vater, mit der Constitutio Antoniniana allen freien Bürgern das römische Bürgerrecht gewähren.

Davon hat Agrippina nicht die geringste Ahnung. Es würde sie auch nicht interessieren. Allerdings merkt sie, dass es auch in Vindobona wieder aufwärts geht. Unter Septimius Severus wird Vindobona auch zu einer municipium aelium, einer autonomen Stadt, erhoben werden. Auch das wird ihr vollkommen egal sein.

Sie hat ihre Lebensfreude verloren, ihre Zukunft sieht sie sehr düster. In ihrem hübschen Kopf spuken finstere Gedanken. Das junge Mädchen ist schwer in Agapetus verliebt. Leider ist sie Analphabetin, kann daher die an einigen Wänden und in Steinplatten eingeritzten Worte nicht lesen, die für ihren heimlich Angebeteten kein Ruhmesblatt sind.

Agapetus multas decepit saepe puellasAgapetus hat schon viele Mädchen betrogen. Ausgerechnet in diesen Windbeutel musste sie sich verlieben! Natürlich wissen ihre Eltern nichts davon. Mit der Mutter könnte sie vielleicht darüber reden, aber der Vater würde sicherlich sehr zornig sein, und sein Wort gilt. Schließlich ist er der dominus, der Herr im Haus. Seine Pläne für ihr weiteres Leben passen der Tochter überhaupt nicht in den Kram. Ausgerechnet diesen unsympathischen Lucius Ursus bildet sich ihr Vater als ihren künftigen Ehemann und Schwiegersohn ein! Warum konnte sie nicht als Sohn zur Welt kommen? Nein, das Schicksal einer rechtlosen Frau haben die Götter für sie bestimmt.

Ursus, der Bär – genauso sieht er aus. Niemals kann er sich mit Agapetus messen! Natürlich muss Mutter mitspielen, es bleibt ihr nichts anderes übrig. Der dominus ist das Gesetz. Insgeheim spürt Agrippina, dass es ihrer Mutter ebenso wenig behagt, bald Lucius Ursus in der Familie zu haben.

Agrippina will keinen Legionär zum Ehemann, der von einem Feldzug in die nächste Schlacht ziehen muss und sie zu Hause mit den Kindern jedes Mal bangen muss, ob er wieder heil zurückkehrt. Sie möchte keinen mit Narben übersäten Körper oder einen Krüppel neben sich liegen haben. Die unglückliche Agrippina hat Lucius Ursus bereits öfters gesehen. Sie fürchtet sich vor ihm. Wenn sie nur daran denkt, dass dieser grauenvolle, einäugige Mann mit der Dolchnarbe quer durch das Gesicht, die es zur Fratze entstellt, sie mit seinen Pranken auch nur berühren könnte, läuft ihr der kalte Schauder über den Rücken und ihr wird speiübel.

Neulich sah Agrippina ihrem Agapetus verstohlen auf dem Gymnastikplatz in der Therme bei seinen Übungen zu. Ein Körper wie aus Marmor gemeißelt, kein scrupulum4 Fett, nichts als Muskeln, wie ein junger Gott. Wenn sie nur daran denkt, wie er sich, nur mit dem nigra aluta – einem Lendenschurz aus schwarzem Leder – bekleidet, bewegte, fühlt sie ein Kribbeln im Bauch.

Natürlich blieben Agapetus die lüsternen Blicke Agrippinas nicht verborgen. Nur scheinbar ignorierte er sie, insgeheim hat er sie längst auf die Liste seiner Eroberungen gesetzt.

Warum ihr Vater sich ausgerechnet diesen Ausbund an Hässlichkeit von Lucius Ursus einbildet, bleibt ihr ein Rätsel. Als er Agrippina damit konfrontierte, dass der Bär ihr Ehemann wird, und sie es wagte, sich dagegen aufzulehnen, hatte er seine Tochter furchtbar verprügelt und drei Tage lang in einen steinernen Kotter gesperrt. Nur einmal am Tag brachte ein Sklave in einem Krug ein bisschen Wasser und etwas hartes Brot. Doch der Nubier hatte Mitleid und riskierte selbst Prügel, wenn nicht sogar sein Leben und steckte ihr heimlich etwas mehr Essen zu.

Die Mutter sah tatenlos zu, ließ es ohne Widerrede zu, was der Vater seinem eigenen Fleisch und Blut antat. Wäre Agrippinas älterer Bruder hier gewesen, hätte der Vater nicht so leichtes Spiel gehabt. Quintus liebt seine Schwester sehr, und sie ist sich sicher, er hätte dem dominus Paroli geboten. Doch der Bruder ist weit weg. Agrippina weiß nicht einmal, wo er ist. Die Mutter erwähnte nur einmal beiläufig, dass er mit seiner turma, seiner Schwadron, irgendwo in Africa stationiert wurde.

Auch Agrippinas Mutter Gaia Caecilia kann nicht lesen und schreiben, versteht somit ebenfalls nicht die Warnung vor Agapetus’ unstetem Liebesleben. So wie er lebt auch Agrippinas Familie in der canabae legionis, in der Lagervorstadt von Vindobona, an der Kreuzung der Limesstraße und der Via Scarbantia.5

Hier wohnen die Familien der Soldaten, auch Händler und Handwerker haben sich angesiedelt. Werkstätten, Läden und Gasthäuser beleben das Stadtbild. Lucius Ursus zum Glück nicht, er hat seine Unterkunft in der Kaserne von Vindobona. Er ist miles gregarius, ein einfacher Soldat im Hausregiment des Lagers, der Legio X Gemina pia fidelis.

Die Legio X kann auf eine lange Geschichte zurückgreifen. Einst rüstete Cäsar diese Truppe mit Pferden auf und setzte sie als Kavallerie ein, weil er den verbündeten gallischen Reitern nicht traute, und gab der Einheit den Namen Legio X Equestris6. Unter Kaiser Augustus erfolgter ein neuerlicher Namenswechsel in Legio X Gemina7. Das Zeichen dieser Legion ist der taurus, der Stier.

Als sich Septimius Severus, der ehemalige Statthalter von Pannonia superior, zum Kaiser ausrufen ließ, erhielt er kaum...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-903092-57-6 / 3903092576
ISBN-13 978-3-903092-57-0 / 9783903092570
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