In der Mitte des Tages: Starnberg Krimi -  Günter Reiß

In der Mitte des Tages: Starnberg Krimi (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
188 Seiten
Schardt Verlag
978-3-96152-140-1 (ISBN)
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Bei einem Selbstmordattentat auf dem Münchner Viktualienmarkt entkommt Kommissar Maximilian Wagner knapp dem Tod, da folgt bereits der nächste Anschlag: Das Gipfelkreuz auf der Zugspitze ist gesprengt worden. Anders als Wagner und die Terroristenexperten der Sicherheitsbehörden vermutet Staatssekretär Steinhart bei einem geheimen Treffen einen weiteren islamistischen Terroranschlag. Ein Agent des russischen Auslandsgeheimdienstes bespitzelt diese Zusammenkunft in der Villa des Staatssekretärs am Starnberger See. Daraufhin schmiedet Oberst Maximow in Moskau einen teuflischen Plan, der geeignet ist, die Politik in Deutschland zu verändern.

1


 

Weiß-blau leuchtete der Himmel über München, und an jenem ersten Samstag im August war der Viktualienmarkt voller Menschen. Darunter Schwärme von Touristen, die nichts kauften, nur schauten, aber mit ihren Handys alles filmten und knipsten, was sie für typisch münchnerisch hielten: die feschen Marktfrauen, die bunte Dirndl trugen, die zwei kräftigen Burschen in Tracht, die beide ihre Bäuche wie Bierfässer vor sich hertrugen, die tellergroßen Brezen, den Biergarten und natürlich auch den bereits millionenfach aufgenommenen Karl-Valentin-Brunnen.

Maximilian Wagner, in Jeans und in einem grünen T-Shirt, hatte plötzlich den Verdacht, dass auch er ins Visier dieser filmwütigen Touris geraten war. Seinen Augen glaubte er nicht zu trauen, als er sich kurz umdrehte, und musste schmunzeln. Beim Marktstand, wo er immer die Pilze einzukaufen pflegte, wo er gerade für das Abendessen Steinpilze aussuchte, waren zwei Smartphones auf ihn gerichtet. Es waren Chinesinnen in knappen Shorts, zwei zierliche, bildhübsche Mädchen, die amüsiert kicherten, während sie filmten, wie er einem Sternekoch gleich beim Einkauf jeden einzelnen Pilz anfasste, als berührte er zärtlich eine Frau, wie er den unverwechselbaren Duft in die Nase zog, als bereitete ihm dies höchste Glücksgefühle, wie er die Pilze dann abwiegen ließ und behutsam in seinen Einkaufskorb legte.

Es war noch nicht Mittag, als Maximilian Wagner seine Einkaufstour beendet hatte, weit früher als sonst. In seinem Korb lagen fast zwei Pfund Steinpilze, ein Bund Petersilie, ein Becher Sahne, Zwiebeln, eine Schale Himbeeren und für seine Frau Gabriele (von ihm nur Gabi genannt) ein Topf mit einer weißen Orchidee, dreistämmig und mit himmelblauem Seidenpapier verhüllt.

Nun, fast schon eine Gewohnheit von ihm, bevor er nach Hause ging, wollte er noch in aller Ruhe Brotzeit machen, wie immer bei derselben Wirtschaft einkehren und wie immer dasselbe bestellen: drei Weißwürste mit einer doppelten Portion süßem Senf, dazu zwei kleine Brezen und ein Weißbier. Eigentlich wie üblich, diesmal nur vor dem Mittagsläuten. Wenn es an diesem Tag bereits kurz vor zwölf war, dann nicht deshalb, weil er an den Spruch glaubte, Weißwürste sollten nicht das Mittagsläuten der Kirchenglocken hören. Es war einfach nur Zufall, sonst nichts.

Eben hatte er sich an einen freien Tisch an der Hauswand des Wirtshauses „Zum Steirer am Markt“ gesetzt, als ihn das Dröhnen eines Motors aufhorchen ließ. „Hams denn den ins Hirn gschissn“, entfuhr es ihm leise. Er blickte kopfschüttelnd nach links, sah aber nichts. Dann verstummte der Höllenlärm. Einzig das gedämpfte Stimmengewirr der Marktbesucher drang jetzt zu ihm.

Seine Laune hatte sich gerade gebessert, das Bier stand inzwischen auf dem Tisch, da hörte er wieder, wie ein Motor aufheulte. Diesmal klang es so, als wollte sich jemand einen Spaß daraus machen, mit dem Lärm die sonst stille Westenrieder Straße zu füllen. „Der hat doch echt eine Meise“, schimpfte Wagner verärgert. „Einfach nur rücksichtslos, dieses vollgeschissene …“

Er konnte seinen derben Fluch nicht beenden, denn genau in diesem Moment sah er, wie links von ihm, völlig unerwartet, keine hundert Meter von ihm entfernt, aus der Westenrieder Straße kommend, ein grüner Kastenwagen auftauchte und langsam in Richtung des Marktes fuhr. „Mein Gott, der wird doch nicht …“, murmelte er, während er den Wagen beobachtete. „Oder doch?“ Irgendetwas Drohendes hatte dieser tonnenschwere Kleintransporter, irgendetwas, das Wagner beunruhigte. Auf einmal spürte er, wie ihn das seltsame Gefühl beschlich, dass etwas Schreckliches passieren könnte. Aber nur ein paar Sekunden lang. Warum eigentlich, fragte er sich. Mitten am Tag auf dem Viktualienmarkt? Ohne irgendeine Terrorwarnung? Was sollte da schon passieren? Niemals, dachte er. Wahrscheinlich bin ich gerade nur von dieser diffusen, ja manchmal hysterischen Angst ergriffen worden, die sich wie Gift in die Köpfe der Menschen eingeschlichen hat.

„Was für Ängste“, sagte Wagner, trank den ersten Schluck und gab sich seinen Gedanken hin. Immer rechnete man mit dem Schlimmsten, nie, dass alles auch ganz anders sein könnte. Fuhr jemand in einem Kastenwagen mit getönten Scheiben langsam durch eine Vorstadtstraße, hielt man ihn schon für einen Terroristen oder für einen Kinderschänder, zumindest für einen, der den nächsten Einbruch ausspähte. Und deshalb sicherten sie dort ihre Häuser und Wohnungen wie Gefängnisse. Und wenn ein junger Mann eine dunkle Gesichtsfarbe hatte und ein zotteliger Vollbart sein Gesicht verdeckte, und er dazu noch einen Kaftan trug, war sowieso alles klar. Flugs verdächtigte man, dass er ein fanatischer Muslim, ja sogar ein potentieller Attentäter sein müsse. Ständig fragte man sich, ob die fast täglichen Terroranschläge in der Welt jemals enden würden.

Warum eigentlich? Warum, fragte sich Wagner, da doch die tägliche Fahrt zum Büro weit gefährlicher ist als hier in einer Wirtschaft zu sitzen.

Dazu kamen die Flüchtlingsströme, die täglich wachsende Befürchtung, alles könnte sich dadurch verändern – und auch die besorgten Fragen, warum um Himmels willen gerade bei uns, auf unsere Kosten? Aber, was eigentlich weit schlimmer war: Millionen waren nur deshalb auf der Flucht, weil sie aus Todesangst ihre Heimat verlassen mussten, um ihr Leben zu retten. Was für eine Welt, dachte Wagner. Trotzdem. In ein paar Jahren, wenn auch das Klima die Menschen zu Flüchtenden machte, würde jeder das Leben herbeisehnen, so wie es gerade war. Auch würde dann jeder von der guten alten Zeit reden. In Afrika schnürten bereits jetzt Millionen ihre Bündel ...

Noch während Wagner so sinnierte, sah er die Aufschrift auf dem grünen Kastenwagen. „Blumen- und Gartencenter FISCHER“, las er und beobachtete, wie das Fahrzeug weiter im Schritttempo durch die hin und her drängende Menschenmenge fuhr, sogar anhielt, wenn jemand nach einem Hupton nicht ausweichen wollte. Er musste über sich lächeln. Was hatte er eigentlich erwartet? Einen Selbstmordattentäter? Mitten am Tag auf dem Viktualienmarkt? Nur weil jemand einen Motor zweimal aufjaulen ließ. Ihm war, als ob ihn noch vor wenigen Sekunden die Angst genarrt hatte. Eigentlich ein Witz. In Wirklichkeit nähert sich doch nur ein Lieferwagen, der zu dem Gartengeschäft auf dem Viktualienmarkt oder zu einem der vielen Blumenständen fährt. Was denn sonst, dachte er und nahm den zweiten Schluck. Oder hatte ihm die Angst doch keinen Streich gespielt? Blödsinn, dachte Wagner und gleichzeitig: Obwohl, nichts ist heute gewiss, selbst ein Anschlag auf dem Viktualienmarkt nicht.

Er stellte das Bierglas ab. Um ganz sicherzugehen, sollte ich das Fahrzeug anhalten, mich als Polizisten vorstellen und dem Fahrer meinen Dienstausweis zeigen. Andererseits: Was soll’s? Das Bier würde warm werden, nur weil er geglaubt hatte, als übereifriger Polizist einschreiten zu müssen. Und ihm wäre es anschließend rätselhaft, warum er sich zu einem solchen Blödsinn hatte hinreißen lassen. Vergiss es also, dachte Wagner und winkte die Kellnerin herbei, um die Brotzeit zu bestellen.

Aber dann röhrte der Motor zum dritten Mal auf. Jetzt beobachtete er, dass der Kastenwagen, dreißig Meter von ihm entfernt, auf einmal beschleunigte, und dann sah er, wie das Fahrzeug scharf nach rechts abbog, direkt in seine Richtung raste, und er wusste: Es war ein Selbstmordattentäter.

Wagner sprang auf, stieß dabei den Tisch um, zeigte auf den Kastenwagen und schrie: „Hier spricht die Polizei! Ein Terroranschlag! Dort der grüne Kastenwagen! Lauft, lauft! Schneller, schneller!“

Die Kellnerin, die ihm entgegenkam, schrie auf und ließ das Tablett voller Gläser fallen. Eine mit dem Rücken zum Kastenwagen stehende Person schaute ihn an, als ob ein Happening folgen würde. „Was Polizei? Das ist der beste Witz, den ich je gehört habe“, lachte er. Sein Tischnachbar tippte sich nur an die Stirn. Einige blieben wie erstarrt sitzen, aber die meisten sprangen auf und flüchteten panisch in alle Richtungen.

Wagner hatte in diesem Augenblick nichts sehnlicher gewünscht, als die Dienstwaffe bei sich zu tragen. Hinter der Windschutzscheibe des Lieferwagens sah er den Fahrer. Er war jung und trug einen dichten Vollbart. Sein Mund war weit aufgerissen, und es schien, als ob der Mann ihm etwas zubrüllte. In seinen Augen sah Wagner den glasigen Todesblick und wusste jetzt sicher, dass nicht nur er um sein Leben fürchten musste.

Er hastete durch die Tischreihen, sprang auf das Trittbrett und versuchte, die Beifahrertür aufzureißen, was ihm aber nur ein Stück weit gelang. Währenddessen raste der Fahrer weiter, fuhr über die vorderen Stühle, um ihn an den Tischen abzustreifen. Die ersten Todesschreie waren zu hören. Um Wagner endgültig abzuschütteln, lenkte der Mann das Fahrzeug plötzlich scharf nach links, Reifen quietschten, der Lieferwagen drohte umzukippen. Die Beifahrertür öffnete sich bis zum Anschlag. Wagner hing eine Weile quer in der Luft, klammerte sich...

Erscheint lt. Verlag 9.2.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-96152-140-9 / 3961521409
ISBN-13 978-3-96152-140-1 / 9783961521401
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