Das venezianische Spiel (eBook)

Venedig-Krimi
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40656-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das venezianische Spiel -  Philip Gwynne Jones
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Band 1 der atmosphärischen Venedig-Krimi-Serie um Nathan Sutherland. Britischer Gentleman-Charme trifft auf italienisches Dolce Vita. Als britischer Ehrenkonsul in Venedig hat Nathan Sutherland nicht gerade den aufregendsten Job der Welt: Er schlägt sich mit verlorenen Pässen und Wegbeschreibungen herum. Gesellschaft leisten ihm seine grantige Katze und das Porträt Ihrer Majestät. Daneben genießt er das venezianische Leben: Aperol am Canale, Tramezzini in der Trattoria. Dann geschieht etwas Unvorhergesehenes: Ein Unbekannter spielt Nathan ein Päckchen zu: ein Buch mit augenscheinlich originalen Illustrationen des Künstlers Giovanni Bellini aus dem 15. Jahrhundert. Schon bald muss Nathan feststellen, dass sich noch jemand anderes für das Buch interessiert ...

Philip Gwynne Jones stammt aus Wales, lebt aber seit 2011 mit seiner Frau Caroline in Venedig, wo er anfing als Lehrer und Übersetzer zu arbeiten. Inzwischen schreibt er Romane, in denen seine Liebe zu Venedig deutlich mitschwingt. Er liebt die italienische Küche, Kunst, klassische Musik und die Oper und bisweilen singt er als Bass bei den Cantori Veneziani und dem Ensemble Vocale di Venezia.

Philip Gwynne Jones stammt aus Wales, lebt aber seit 2011 mit seiner Frau Caroline in Venedig, wo er anfing als Lehrer und Übersetzer zu arbeiten. Inzwischen schreibt er Romane, in denen seine Liebe zu Venedig deutlich mitschwingt. Er liebt die italienische Küche, Kunst, klassische Musik und die Oper und bisweilen singt er als Bass bei den Cantori Veneziani und dem Ensemble Vocale di Venezia. Birgit Salzmann studierte Deutsche Sprache und Literatur, Anglistik und Romanistik und übersetzt englischsprachige Literatur ins Deutsche. Nach Venedig zieht es sie seit über 25 Jahren immer wieder. Sie lebt mit ihrer Familie in Marburg.

–1–


Ihre Majestät blickte gelassen von ihrem Platz an der Wand, während Familie Mills weit weniger gefasst zu mir sah.

Die Frage würde kommen. Jeden Moment jetzt. Bis dahin schob ich die Papiere auf meinem Schreibtisch hin und her und lächelte die drei an. Sie war verheult und müde, er wütend und kurz davor, gleich loszufluchen, der Junge sichtlich gelangweilt.

«Macht ja ganz schön was her, das Bild», bemerkte Dad und deutete auf sua Maestà.

«Ja, nicht wahr? Ich habe es vom früheren Konsul geerbt. Sein Büro war allerdings um einiges größer als meins. Er war der Meinung, das Porträt würde für die richtige Atmosphäre sorgen. Ein bisschen weniger fremd, eher beruhigend.» Ich salutierte ihr scherzhaft. «Gott schütze sie, was?»

Es folgte ein kurzes, aber peinliches Schweigen, und ich schwor mir, es nie wieder mit Humor bei der Arbeit zu versuchen.

Dad betrachtete die kleine zerschlissene Fahne, die an dem Miniaturfahnenmast auf meinem Schreibtisch baumelte.

«Die hat wohl auch schon bessere Tage gesehen. Man sollte meinen, man hätte Ihnen eine neue beschafft.»

«Ähm, das ist eine neue. Aber die Katze lässt sich nur schwer davon abhalten, damit zu spielen.» Ich versuchte, die Unterhaltung in sicherere Gefilde zu lenken. «Wir müssten nur noch ein paar Fragen durchgehen. Dann führe ich einige Telefonate, und Sie können wieder Ihren wohlverdienten Urlaub genießen. Einverstanden?» Ich schenkte ihnen mein charmantestes Lächeln. «Ich nehme an, Sie waren schon bei der Polizei?»

Er nickte.

«Haben Sie ein Aktenzeichen?»

Er kramte in seiner Brieftasche und zog eine zerknitterte Fotokopie heraus. Ich notierte mir rasch die Angaben.

«Gut, bitte haben Sie einen Augenblick Geduld. Ich muss nur schnell in Mailand anrufen und einen Termin für Sie ausmachen.»

Ich nahm den Telefonhörer ab und fing an zu wählen, doch er hob die Hand. «Entschuldigung, aber wozu müssen Sie in Mailand anrufen?»

Ich legte den Hörer wieder auf. Lächelte wieder. «Ich muss dort einen Termin im Konsulat für Sie vereinbaren; wenn alles gutgeht, für morgen. Da müssen Sie dann hinfahren und Ihre Ersatzpapiere abholen. Stellen Sie sich das als vorläu fige Reisepässe vor, mit denen Sie wieder nach Hause kommen.»

«Können wir die nicht einfach hier kriegen?»

Bingo. Die Frage. Die garantiert jedes Mal gestellt wurde und auf die ich nun seit ganzen zwölf Monaten keine überzeugende Antwort liefern konnte.

«Leider nein. Ich bekleide hier nur einen ehrenamtlichen Posten, ich bin kein offizieller Konsul oder Botschafter. Wenn es um Pässe und Reisedokumente geht, müssen Sie das amtliche Generalkonsulat in Mailand aufsuchen. Das sind aber nur zwei Stunden mit dem Zug. Und es ist eine sehr schöne Stadt, jede Menge Sehenswürdigkeiten. Im Konsulat selbst brauchen Sie sicher nur eine halbe Stunde; vielleicht weniger, wenn wir heute den ganzen Papierkram erledigen. Ich würde Ihnen raten, es einfach als zusätzlichen Urlaubsausflug zu betrachten. Lassen Sie sich durch diese Geschichte nicht den Aufenthalt verderben.»

Seine Frau wurde plötzlich etwas munterer. «Mailand klingt gut. Da wollte ich schon immer mal hin.»

Er wollte jedoch nichts davon hören. «Kostenlos ist das wahrscheinlich nicht?»

Ich verkniff mir einen Seufzer. Auch das war eine übliche Frage. «Die vorläufigen Reisepässe belaufen sich jeweils auf 120 Euro. Und dazu kommen natürlich die Kosten für die Bahnfahrt; aber wenn wir uns jetzt gleich darum kümmern, kommen wir da vielleicht mit, na ja, hundert Euro insgesamt hin.»

«Wie viel?»

«Also, es werden so knapp fünfhundert Euro Ausgaben auf Sie zukommen, damit Sie wieder nach Hause können. Und denken Sie daran, dass Sie die Pässe austauschen lassen müssen, sobald Sie angekommen sind.»

«Ich dachte, Leute wie Sie wären dazu da, uns zu helfen?»

Dieses Mal ließ sich der Seufzer nicht unterdrücken. «Das versuche ich, Mr. …» Ich hielt ganz kurz inne und warf einen Blick auf das Blatt Papier, das vor mir lag. «Mr. Mills. Ich tue wirklich alles, was in meiner Macht steht.»

«Warum können Sie uns dann nicht einfach diese … Passersatz-Dinger geben?»

«Wie schon gesagt, ich bin nur Honorarkonsul. Dazu bin ich nicht befugt.»

Er schüttelte den Kopf und presste ein Lachen hervor. «Dafür wird also das Geld der Steuerzahler verschwendet?»

Full House. Sobald sie diesen Punkt erreichten, fühlte ich mich normalerweise nicht mehr verpflichtet, höflich zu bleiben. «Ich werde nicht bezahlt, Mr. Mills.»

«Ach ja, dann machen Sie das alles wohl aus reiner Menschenliebe?» Er grinste seine Frau an. Siehst du, mir macht keiner was vor.

«Ganz genau. Also, ich kann jetzt meine Kollegin in Mailand anrufen und einen Termin für Sie vereinbaren. Anschließend können wir gemeinsam auf die Trenitalia-Website schauen – die, ich sollte Sie vorwarnen, jedem Neuling, sowohl auf Italienisch als auch auf Englisch, ein Rätsel ist – und Ihre Zugtickets buchen. Ich kann Ihnen sogar einen hübschen Tagesausflugsplan zusammenstellen und Ihnen ein nettes Restaurant empfehlen. Oder, falls Sie das vorziehen, dürfen Sie gerne den Rest Ihres Urlaubs damit zubringen, das alles selbst zu regeln. Ganz wie Sie wünschen.»

Als ich begann, in aller Seelenruhe die Unterlagen abzuheften, warf er resigniert die Hände in die Luft. «Schon gut, schon gut. Es tut mir leid, es ist bloß … die letzten Tage sind ein bisschen anstrengend gewesen. Wissen Sie.»

Ich nickte und hob den Telefonhörer erneut ab. Dabei lächelte ich dem Jungen zu. «Mailand wird dir gefallen, Simon, richtig? Eine Gelegenheit, San Siro zu sehen. Wer ist dein Favorit, AC oder Inter?»

Simon antwortete mit einem verständnislosen Blick. «Er mag lieber Rugby», sagte seine Mutter.

Wir sahen uns einen Moment lang schweigend an, bis Gramsci hereingetrottet kam. Der Junge langte nach unten, um ihn zu streicheln, zog die Hand jedoch blitzschnell wieder zurück, als hätte er sich verbrannt. Seine Mutter griff rasch nach einem Papiertaschentuch, um die Blutung zu stillen.

«Tut mir schrecklich leid. Er ist bedauerlicherweise nicht besonders zutraulich.»

Gramsci stürzte sich auf die Fahne, aber ich konnte ihn gerade noch rechtzeitig wegschubsen. Daraufhin ließ er sich auf dem Fensterbrett nieder, um besser auf die Welt da draußen mit ihren bösen Absichten herabblicken zu können. Wieder machte sich peinliche Stille breit. Dann, zum Glück, ein Knistern in der Leitung. «Britisches Konsulat, Mailand.»

«Helen. Nathan hier. Das Übliche bitte. Wir benötigen drei Ersatzpässe. Erwachsener, männlich, Erwachsener, weiblich, ein Kind. Ich faxe dir die Unterlagen gleich rüber. Kannst du sie morgen noch irgendwann dazwischenschieben?»

«Hallo, Nathan. Wie steht’s in Venedig? Ich sehe gerade mal nach. Ja, ihr habt Glück, um 13:00 Uhr hab ich eine Lücke.»

Ich blickte über meinen Schreibtisch zu la famiglia Mills hinüber. Sie blickten mit einer Mischung aus Verstörtheit und Antipathie zurück. Wahrscheinlich konnten sie nichts dafür. Irgendein kleiner Schurke hatte Mrs. Mills im Wasserbus die Handtasche geklaut. Und ehe sie es sich versahen, drehte sich ihr ganzer Aufenthalt nur noch um Polizeiwachen und Konsulate, und jeder Gedanke an einen schönen Urlaub wurde durch die ganzen Scherereien verdrängt, die es kostete, einfach wieder nach Hause zu kommen. Selbst in einer touristenfreundlichen Stadt wie Venedig musste das ärgerlich und beängstigend zugleich sein. Vielleicht war ich zu barsch gewesen. Gerade wollte ich den Termin bestätigen, als er wieder etwas vom «Geld der Steuerzahler» murmelte.

«Tut mir leid, Helen. Ich glaube nicht, dass sie das einrichten können.»

Kurze Pause. «Wenn das so ist, müssen sie um neun Uhr hier sein. Pünktlich», kam darauf die Antwort. «Sie sollten spätestens um halb sieben in Venedig losfahren.»

«Das passt gut, Helen. Danke noch mal. Bis bald!» Ich legte auf. Kindisch, vielleicht. Aber man musste diese kleinen Triumphe beim Schopf packen, wenn sich die Gelegenheit bot.

Ich lächelte über den Schreibtisch hinweg. «Es tut mir sehr leid, aber es scheint, als müssten Sie morgen ziemlich früh aufstehen …»

 

Familie Mills zog missmutig von dannen. Ich legte den Kopf auf den Schreibtisch und schloss die Augen. Nur noch zwanzig Minuten, dann konnte ich für heute Schluss machen, und die Chancen standen nicht schlecht, dass jetzt niemand mehr kam.

Plötzlich ein leises Husten. Ich zuckte zusammen und richtete mich auf.

«Entschuldigung. Die Tür war offen.»

Die Stimme kam von einem Mann, Anfang sechzig vielleicht. Elegant gekleidet, wahrscheinlich zu elegant für diese Jahreszeit, in einem dunklen dreiteiligen Anzug, der ihm ein kleines bisschen zu eng war.

Trotz ausgeprägter Geheimratsecken war er mit seinen strahlend blauen Augen sicher einmal ein gutaussehender Mann gewesen. Gramsci saß, kaum zu glauben, auf seinem Arm und schnurrte.

«Das war mein Fehler. Bitte kommen Sie herein.»

Er setzte den Kater mit einer erstaunlich grazilen Bewegung auf den Boden und nahm Platz.

«Mr. Sutherland, nehme ich an?»

«Ganz richtig. Sie dürfen sich übrigens geehrt fühlen. Er mag normalerweise keine Fremden. Oder Menschen im Allgemeinen.»

Der Mann nahm ein Taschentuch aus seiner Brusttasche und wischte sich – vielleicht ein bisschen zu theatralisch – die Hände ab, wie um sicherzugehen,...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2020
Reihe/Serie Nathan Sutherland ermittelt
Nathan Sutherland ermittelt
Übersetzer Birgit Salzmann
Zusatzinfo Mit 1 s/w Karte
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Donna Leon • Fälschungen • Giovanni Bellini • Italien • Italienische Krimis • Italien Kriminalromane • Krimi aus Venedig • Krimis aus Italien • Kunst • Kunstraub • Venedig • Venedigkrimi
ISBN-10 3-644-40656-1 / 3644406561
ISBN-13 978-3-644-40656-8 / 9783644406568
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