Die Frau ohne Namen (eBook)

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2020 | 1. Auflage
464 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00408-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Frau ohne Namen -  Greer Hendricks,  Sarah Pekkanen
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Die Nr. 1 der New York Times-Bestsellerliste Frauen zwischen 18 und 32 für Ethik- und Moralstudie gesucht. Großzügige Vergütung. Anonymität garantiert. Als Jess sich für die Studie anmeldet, glaubt sie, nur ein paar Fragen beantworten zu müssen, um das Geld einstecken und wieder verschwinden zu können. Doch 'Testperson 52', wie Jess nun genannt wird, erweist sich als verheißungsvolles Forschungsprojekt, die Fragen werden immer persönlicher. Jess kann kaum noch unterscheiden, was in ihrem Leben real ist oder nur eines der manipulativen Experimente von Dr. Shields. Gefangen in einem Netz aus Täuschung und Eifersucht muss Jess erkennen, dass manche Obsessionen tödlich sein können. Hendricks & Pekkanen «... scheinen die Erfolgsformel geknackt zu haben.» New York Times «... auf dem Höhepunkt ihres Könnens. Niemals erraten Sie das Ende.» People Magazin «Gekonnt wendungsreich mit atemberaubenden Twists ... Spannung der Extra-Klasse.» Publishers Weekly «Meisterhaft steigende Spannung, die den Leser bis zuletzt im Dunkeln lässt.» Booklist

Greer Hendricks arbeitete über zwei Jahrzehnte als Lektorin bei Simon & Schuster. Davor erwarb sie an der Columbia University einen Master in Journalismus. Ihre Beiträge erschienen u.a. in der New York Times und bei Publishers Weekly. Greer lebt mit ihrem Ehemann und zwei Kindern in Manhattan. The Wife Between Us ist ihr erster Roman.

Greer Hendricks arbeitete über zwei Jahrzehnte als Lektorin bei Simon & Schuster. Davor erwarb sie an der Columbia University einen Master in Journalismus. Ihre Beiträge erschienen u.a. in der New York Times und bei Publishers Weekly. Greer lebt mit ihrem Ehemann und zwei Kindern in Manhattan. The Wife Between Us ist ihr erster Roman. Sarah Pekkanen ist eine internationale Bestsellerautorin und hat bereits sieben Romane veröffentlicht. Als investigative Journalistin und Autorin schrieb sie u.a. für die Washington Post und USA Today. Sie ist Mutter von drei Söhnen und lebt außerhalb von Washington, D.C. Das Buch verkaufte sich in 30 Länder, stieg sofort an der Spitze der New-York-Times-Bestsellerliste ein und wird von DreamWorks verfilmt. Alice Jakubeit übersetzt Romane, Sachbücher und Reportagen aus dem Englischen und Spanischen, u.a. Alexander McCall Smith, Greer Hendricks & Sarah Pekkanen, Brian McGilloway und Eva García Sáenz. Sie lebt in Düsseldorf.

KAPITEL EINS


Freitag, 16. November


Viele Frauen wollen der Welt ein bestimmtes Bild von sich präsentieren. Meine Aufgabe ist es, diese Verwandlungen hervorzubringen, in jeder 45-Minuten-Sitzung eine.

Wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin, wirken die Frauen verändert. Sie strahlen, sind selbstbewusster. Glücklicher sogar.

Aber ich habe nur vorübergehende Lösungen zu bieten. Meine Kundinnen fallen ausnahmslos in ihr altes Ich zurück.

Wahre Veränderung erfordert mehr als die Werkzeuge, die mir zur Verfügung stehen.

 

Es ist Freitagabend um zwanzig vor sechs. Rushhour. Außerdem ist es der Abend, an dem man häufig besonders schön sein möchte, weshalb ich diese Zeit in meinem privaten Terminkalender konsequent ausspare.

Als sich die Türen der U-Bahn am Astor Place öffnen, steige ich als Erste aus. Wie immer am Ende eines langen Tages tut mir vom Tragen meines schweren schwarzen Schminkkoffers der rechte Arm weh.

Ich schwinge den Koffer hinter mich, damit ich durch das schmale Drehkreuz passe – allein heute zum fünften Mal und mittlerweile reine Routine –, dann laufe ich eilig die Treppe hinauf.

Auf der Straße ziehe ich mein Telefon aus meiner Lederjacke und öffne meinen Terminkalender, der von BeautyBuzz laufend aktualisiert wird. Ich gebe die Zeiten ein, zu denen ich arbeiten kann, und meine Termine gehen mir per SMS zu.

Meine letzte Buchung heute ist in der Nähe der Eighth Street, Ecke University Place. Es sind zwei Kundinnen, also eine Doppelsitzung – neunzig Minuten. Ich habe die Adresse, die Namen und eine Telefonnummer. Aber ich habe keine Ahnung, wer mich erwartet, wenn ich an die Tür klopfe.

Allerdings habe ich keine Angst vor Fremden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass einem von vertrauten Gesichtern größere Gefahr drohen kann.

Ich merke mir die Adresse, dann gehe ich zügig los und weiche dem Müll aus, der aus einer umgefallenen Tonne quillt. Ein Geschäftsinhaber zieht laut ratternd ein Gitter vor seiner Ladenfront herab. Drei Collegestudenten, die ihre Rucksäcke über einer Schulter tragen, rempeln sich spielerisch an, als ich an ihnen vorbeigehe.

Zwei Blocks von meinem Ziel entfernt klingelt mein Telefon. Im Display sehe ich, dass es Mom ist.

Ich lasse es klingeln, während ich das kleine runde Icon mit einem Foto meiner lächelnden Mutter betrachte.

Wenn ich in fünf Tagen zu Thanksgiving nach Hause fahre, sehe ich sie sowieso, sage ich mir.

Aber ich muss drangehen.

Meine Schuldgefühle sind immer das Schwerste, was ich mit mir herumtrage.

«Hey, Mom. Alles in Ordnung?», frage ich.

«Alles bestens, Schatz. Wollte nur mal hören, wie es dir geht.»

Ich sehe sie vor mir: Sie steht in der Küche des Hauses, in dem ich aufwuchs, in einem Vorort von Philadelphia, und rührt in der Bratensoße auf dem Herd – sie essen immer früh, und freitags gibt es Schmorbraten mit Kartoffelpüree. Dann öffnet sie den Schraubverschluss einer Flasche Zinfandel, um sich das eine Glas Wein einzuschenken, das sie sich am Wochenende abends genehmigt.

Am kleinen Fenster über der Spüle hängen gelbe Vorhänge und am Backofengriff ein Geschirrhandtuch mit der Aufschrift Bring es ins Rollen über dem Bild eines Nudelholzes. Die geblümte Tapete löst sich an den Rändern, und der Kühlschrank hat unten, dort, wo mein Vater nach der Playoff-Niederlage der Eagles dagegentrat, eine Delle.

Wenn mein Vater von seiner Arbeit als Versicherungsvertreter nach Hause kommt, wird das Essen fertig sein. Meine Mutter wird ihn mit einem Küsschen begrüßen. Sie werden meine Schwester Becky zu Tisch rufen und ihr helfen, das Fleisch zu schneiden.

«Becky hat heute Morgen den Reißverschluss an ihrer Jacke hochgezogen», sagt meine Mutter. «Ohne Hilfe.»

Becky ist zweiundzwanzig, sechs Jahre jünger als ich.

«Das ist toll», sage ich.

Manchmal wünschte ich, ich würde näher bei meinen Eltern wohnen, damit ich ihnen helfen könnte. Zu anderen Zeiten bin ich so froh, weit weg zu sein, dass ich mich schäme.

«Hey, kann ich dich zurückrufen? Ich bin gleich bei der Arbeit.»

«Ach, hat man dich wieder für ein Stück engagiert?»

Ich zögere. Mom klingt jetzt lebhafter.

Aber ich kann ihr nicht die Wahrheit sagen, und so entfährt mir: «Ja, es ist nur eine kleine Produktion. Wahrscheinlich bekommt sie nicht mal viel Presse. Aber das Make-up ist superraffiniert, wirklich unkonventionell.»

«Ich bin so stolz auf dich», sagt Mom. «Ich kann es gar nicht erwarten, nächste Woche alles darüber zu erfahren.»

Sie möchte noch etwas hinzufügen, habe ich den Eindruck, aber ich beende das Telefonat, obwohl ich mein Ziel – ein Studentenwohnheim der NYU, der New York University – noch nicht erreicht habe.

«Gib Becky einen Kuss von mir. Hab dich lieb.»

 

Ich habe Verhaltensregeln, die für jeden Auftrag gelten.

Sobald ich meine Kundinnen sehe, nehme ich eine erste Einschätzung vor – registriere Augenbrauen, die dunkler besser aussehen würden, oder eine Nase, die dunkel schattiert werden muss, um schmaler zu wirken –, aber mir ist klar, dass meine Kundinnen mich ihrerseits taxieren.

Die erste Regel: meine inoffizielle Uniform. Ich trage nur Schwarz und muss mir dadurch nicht jeden Morgen ein neues Outfit zusammenstellen. Außerdem signalisiere ich damit unterschwellig Autorität. Ich trage bequeme, maschinenwaschbare Kleidung, die um sieben Uhr abends genauso frisch aussieht wie um sieben Uhr morgens.

Da man in die persönliche Distanzzone eindringt, wenn man jemanden schminkt, sind meine Fingernägel kurz und bloß poliert, mein Atem riecht nach Minze, und meine Locken sind in einem tief angesetzten Knoten gebändigt. Von dieser Norm weiche ich nie ab.

Bevor ich bei Apartment 6D klingele, reibe ich mir die Hände mit Handdesinfizierer ein und stecke mir ein Pfefferminz in den Mund. Ich bin fünf Minuten zu früh. Eine weitere Regel.

Mit dem Aufzug fahre ich in die fünfte Etage und folge dann der lauten Musik – «Roar» von Katy Perry – über den Flur zu meinen Kundinnen. Eine trägt einen Bademantel, die andere ein T-Shirt und Boxershorts. Ich rieche die Spuren ihrer letzten Schönheitsbehandlungen – die Chemikalien, mit denen die junge Frau namens Mandy sich blonde Strähnchen ins Haar gemacht hat, und den frischen Nagellack an Taylors Händen, mit denen sie wedelt.

«Wohin geht es heute Abend?», frage ich. Bei einer Party ist das Licht wahrscheinlich heller als in einem Club; eine Verabredung zum Abendessen würde etwas Subtiles erfordern.

«Lit», sagt Taylor.

Auf meinen verständnislosen Blick hin fügt sie hinzu: «Das ist im Meatpacking District. Drake war gerade gestern Abend da.»

«Cool», sage ich.

Ich suche mir einen Weg durch die Unordnung am Boden – ein Regenschirm, ein zusammengeknüllter grauer Pulli, ein Rucksack – und schiebe das Popcorn und die halbleeren Red-Bull-Dosen auf dem Couchtisch beiseite, damit ich meinen Koffer abstellen kann. Dann öffne ich die Verschlüsse, und die Seiten falten sich auf wie ein Akkordeon, sodass die diversen Fächer mit Make-up und Pinseln sichtbar werden.

«Auf was für einen Look zielen wir ab?»

Manche Kosmetikerinnen fangen sofort an, um möglichst viele Kundinnen in ihren Arbeitstag zu packen. Ich plane ein wenig zusätzliche Zeit ein, die ich nutze, um ein paar Fragen zu stellen. Die eine mag ein rauchiges Augen-Make-up und einen Nude-Lippenstift, während die andere sich vielleicht kühne rote Lippen und nur ein bisschen Mascara vorstellt. Die Investition dieser ersten Minuten spart mir am Ende der Sitzung Zeit.

Aber ich vertraue auch meinen Instinkten und Beobachtungen. Wenn diese Mädels sagen, sie wollen einen Sexy-Beach-Look, dann weiß ich, dass sie in Wirklichkeit wie Gigi Hadid auf dem Cover des Magazins, das auf dem Zweiersofa liegt, aussehen wollen.

«Und was studieren Sie?», frage ich.

«Kommunikationswissenschaften. Wir wollen beide in die PR.» Mandy klingt gelangweilt, als wäre ich die nervige Erwachsene, die sie fragt, was sie mal werden will, wenn sie groß ist.

«Das ist bestimmt spannend», sage ich, während ich einen Stuhl direkt unter die Deckenlampe ziehe, die das hellste Licht gibt.

Mit Taylor fange ich an. Ich habe fünfundvierzig Minuten, um den Look zu kreieren, den sie im Spiegel sehen will.

«Sie haben eine tolle Haut», sage ich. Eine weitere Regel. Finde etwas, worüber du der Kundin ein Kompliment machen kannst. In Taylors Fall ist das nicht schwer.

«Danke», sagt sie, ohne den Blick vom Telefon abzuwenden. Sie kommentiert ihren Instagram-Feed: «Braucht wirklich jemand noch ein Cupcake-Foto?» – «Jules und Brian sind so verliebt, das ist ja ekelhaft.» – «Inspirierender Sonnenuntergang, schon klar … freut mich, dass du einen Megafreitagabend auf deinem Balkon hast.»

Während ich arbeite, wird das Geplapper der jungen Frauen zu bloßem Hintergrundrauschen, wie das Brummen eines Föhns oder Verkehrslärm. Ich konzentriere mich ganz auf die verschiedenen Grundierungen, die ich auf Taylors Kinnpartie verblende, um ihren Hautton genau zu treffen, und den Wirbel aus Kupfer- und Sandtönen, die ich auf meiner Hand vermische, um die goldenen Flecken in ihren Augen zu betonen.

Als ich Bronzer auf ihre Wangen pinsele, klingelt ihr Handy.

Taylor, die gerade Gefällt-mir-Herzen verteilt, hält das Telefon in die Höhe: «Unbekannt. Soll ich...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2020
Übersetzer Alice Jakubeit
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerikanischer Thriller • Eifersucht • Ethik • Forschung • Fremdgehen • Katz und Maus • Moral • New York • Psychologin • psychologische Spannung • Studie • Subjekt • Täuschung • Thriller • Thriller Neuerscheinungen 2021
ISBN-10 3-644-00408-0 / 3644004080
ISBN-13 978-3-644-00408-5 / 9783644004085
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