Verrat - Das Imperium der Ströme 2 (eBook)

Roman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
384 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490550-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verrat - Das Imperium der Ströme 2 -  John Scalzi
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Der zweite Band der neuen, großen Science-Fiction-Serie »Das Imperium der Ströme«: Die epische Space Opera »Verrat« ist der New-York-Times-Bestseller des preisgekrönten Autors John Scalzi. Im Sternenreich der Menschen rumort es: Der Thron der Imperatox wackelt. Die großen Handelshäuser wollen Grayland lieber früher als später beseitigt sehen, und auch die Kirche steht nicht mehr fraglos hinter ihrem Oberhaupt. Gleichzeitig schreitet der Zerfall des Imperiums weiter voran. Der erste Planet ist bereits von den interstellaren Strömen abgeschnitten, und bald droht auch allen anderen menschlichen Zivilisationen die Isolation - und damit ihr Untergang. Grayland versucht mit allen Mitteln, das Imperium auf die bevorstehende Katastrophe vorzubereiten, doch die Zahl ihrer Verbündeten schrumpft ... Für Leser von Adrian Tchaikovsky, Andreas Brandhorst und Fans von »Dune - Der Wüstenplanet« und »The Expanse«. »Derb, brutal, brillant.« Booklist über »Kollaps. Das Imperium der Ströme I«

John Scalzi (* 1969) gehört zu den weltweit erfolgreichsten SF-Autoren, seine Bücher wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Er wurde, unter anderem, mit dem Hugo Award (USA), dem Seiun-Preis (Japan), dem Geffen Award (Israel) und dem Kurd-Laßwitz-Preis (Deutschland) ausgezeichnet.

John Scalzi (* 1969) gehört zu den weltweit erfolgreichsten SF-Autoren, seine Bücher wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Er wurde, unter anderem, mit dem Hugo Award (USA), dem Seiun-Preis (Japan), dem Geffen Award (Israel) und dem Kurd-Laßwitz-Preis (Deutschland) ausgezeichnet.

sehr fein ins Deutsche gebracht [...], man freut sich auf den nächsten Band

John Scalzi ist zweifellos einer der interessantesten und wichtigsten neuen SF-Autoren des angloamerikanischen Sprachraums.

Erster Teil


1


Am Anfang war die Lüge.

Die Lüge bestand darin, dass die Prophetin Rachela, die Gründerin des Heiligen Imperiums der Interdependenten Staaten und der Merkantilen Gilden, Visionen hatte. In diesen Visionen wurde sowohl die Schöpfung als auch die Notwendigkeit jenes weitreichenden Imperiums menschlicher Ansiedlungen prophezeit, das sich über viele Lichtjahre Weltraum erstreckte, lediglich durch das Netz der Ströme verbunden, die metakosmologische Struktur, die Menschen mit Flüssen verglichen. Sie stellten sich einen Strom hauptsächlich deswegen als Fluss vor, weil menschliche Gehirne ursprünglich dazu entwickelt worden waren, ihren Hintern durch die afrikanische Savanne zu schleppen, und sich seitdem kaum verbessert hatten, und deshalb konnten sie buchstäblich nicht begreifen, was es tatsächlich war, also waren es einfach »Flüsse«.

In den sogenannten Prophezeiungen von Rachela war keinerlei mystisches Element enthalten. Die Familie Wu hatte sie frei erfunden. Die Wus, die eine Unternehmensgruppe besaßen und betrieben, darunter Firmen, die Raumschiffe bauten, und andere, die Söldner vermieteten, schauten sich das damalige politische Klima an und beschlossen, dass der Zeitpunkt günstig war, die Kontrolle über die Strommündungen zu erlangen, die Orte, an denen sich die von Menschen begreifliche Raumzeit mit den Strömen verband und es Raumschiffen ermöglichte, in die metaphorischen Flüsse zwischen den Sternen einzutreten und sie wieder zu verlassen. Die Wus verstanden sehr genau, dass die Monopolisierung des Eintreibens von Gebühren ein wesentlich stabileres Geschäftsmodell war, als Dinge zu bauen oder in die Luft zu jagen, je nachdem, welches Unternehmen der Wus man beauftragte. Sie mussten nur eine sinnvolle Begründung finden, warum ausgerechnet sie die Gebühren eintreiben sollten.

Während der Besprechungen der Wus wurden die Prophezeiungen vorgeschlagen, akzeptiert, geschrieben, strukturiert, A/B-getestet und verbessert, bevor man sie Rachela Wu zuschrieb, einem jungen Sprössling der Familie, bereits als wohltätiges Gesicht der Familie Wu öffentlich bekannt und mit einem präzisen Verständnis für Marketing und Publicity ausgestattet. Die Prophezeiungen waren ein Familienprojekt (zumindest das Projekt einiger bedeutender Familienmitglieder – schließlich konnte man nicht jeden einweihen, und zu viele Cousins und Cousinen waren indiskret und taugten lediglich als Trinker und regionale Geschäftsführer), doch es war Rachela, die sie verkaufte.

Die sie wem verkaufte? Der breiten Öffentlichkeit, die von der Idee überzeugt werden musste, dass die entlegenen und unterschiedlichen menschlichen Ansiedlungen unter einem einheitlichen staatlichen Dach zusammengeführt wurden, das im Übrigen von den Wus geleitet werden sollte, die zufällig die Gebühren für interstellare Reisen verwalteten.

Doch selbstverständlich nicht nur Rachela. In jedem Sternensystem stellten die Wus einheimische Politiker und anerkannte Gelehrte ein oder bestachen sie, um die Idee mit politischen und sozialen Argumenten zu bewerben und jene Menschen zu überzeugen, die einen stichhaltigen und logischen Grund brauchten, um auf lokale Eigenständigkeit und Selbstbestimmung zu verzichten und die Herrschaft an eine entstehende politische Vereinigung abzugeben, die bereits als Imperium aufgebaut wurde. Doch für all jene, die entweder nicht so intellektuell eingeschränkt waren oder es schlicht vorzogen, die Idee einer interdependenten Union von einer attraktiven jungen Frau präsentiert zu bekommen, deren harmlose Botschaft von Einigkeit und Frieden sich einfach gut anfühlte – für all jene war die frisch ernannte Prophetin Rachela da.

(Die Wus machten sich nicht die Mühe, die mystische Idee der Interdependenz auch den anderen Familien und großen Konzernen zu verkaufen, zwischen denen sie sich mit ihrer Unternehmensgruppe bewegten. Für jene hatten sie einen anderen Anreiz: Unterstützen Sie den Profitplan der Wus, der sich als altruistische Bemühung um eine Staatsgründung tarnt, und erhalten Sie im Gegenzug ein Monopol auf eine bestimmte langlebige Ware oder Dienstleistung. Faktisch sollten sie ihr gegenwärtiges Geschäftsmodell mit den ärgerlich instabilen Auf-und-ab-Zyklen gegen einen stabilen, vorhersehbaren Ertragsstrom eintauschen, und das für alle Zeiten. Plus einen Rabatt auf die Gebühren, die die Wus auf Reisen durch die Ströme erheben würden. Tatsächlich war es überhaupt kein Rabatt, weil die Wus beabsichtigen, Geld für etwas zu verlangen, das bislang für jeden kostenfrei gewesen war. Doch die Wus gingen zu Recht davon aus, dass diese Familien und Firmen so sehr vom Angebot eines unanfechtbaren Monopols geblendet waren, dass sie nicht protestieren würden. Was sich größtenteils als zutreffend erwies.)

Schließlich benötigten die Wus weniger Zeit als erwartet, um ihren Plan einer Interdependenz durchzuziehen. Innerhalb von zehn Jahren waren die anderen Familien und Unternehmen mit ihren Monopolen und versprochenen Adelstiteln auf Linie, die bezahlten Politiker und Intellektuellen hatten die Argumente geliefert, und die Prophetin Rachela und ihre zügig expandierende Interdependente Kirche versorgten den Rest der Öffentlichkeit. Es gab Verweigerer und Abtrünnige und Rebellionen, die über Jahrzehnte anhielten, aber im Großen und Ganzen hatten die Wus den richtigen Zeitpunkt und das richtige Ziel gewählt. Und was die Querulanten betraf, hatten sie bereits entschieden, dass der Planet Ende, der Außenposten in der neuentworfenen Interdependenz, der am weitesten von allem anderen entfernt war und nur eine einzige Strommündung hatte, die hinein- und hinausging, der offizielle Abladeplatz für alle sein sollte, die sich ihnen in den Weg stellten.

Rachela, die längst das öffentliche und spirituelle Gesicht der Interdependenz war, wurde unter (sorgsam inszeniertem) Beifall zur ersten »Imperatox« gewählt. Dieser geschlechtsneutrale Titel wurde ausgesucht, weil sich in Tests erwiesen hatte, dass er bei fast allen Marktsegmenten als frische, neue und freundliche Variante des »Imperators« Anklang fand.

Diese kompakte und stark gekürzte Geschichte der Gründung der Interdependenz mag den Eindruck erwecken, dass niemand die Lüge in Frage gestellt hätte – dass Milliarden von Menschen unkritisch die Fiktion der Prophezeiungen Rachelas schluckten. Das war keineswegs der Fall. Die Menschen stellten die Lüge durchaus in Frage, genauso wie sie es mit jeder Pop-Spiritualität tun würden, die sich in eine tatsächliche Religion zu verwandeln drohte, und reagierten beunruhigt, als sie immer mehr Zuspruch, Anhänger und Anerkennung fand. Auch waren die zeitgenössischen Beobachter keinesfalls blind für die Machenschaften der Familie Wu, während diese nach imperialer Macht strebte. All das stand im Zentrum händeringender Leitartikel, Nachrichtensendungen und gelegentlich eingebrachter Gesetzentwürfe.

Was die Familie Wu ihnen voraushatte, war Organisation, Geld und Verbündete in Gestalt der anderen nunmehr adligen Familien. Die Errichtung des Heiligen Imperiums der Interdependenten Staaten und der Merkantilen Gilden war ein heranstürmender Moschusochse, und die skeptischen Beobachter waren ein Mückenschwarm. Keiner fügte dem anderen nennenswerten Schaden zu, und am Ende gab es ein Imperium.

Ein anderer Grund, warum die Lüge funktionierte, war der Umstand, dass die Prophetin-Imperatox Rachela unmittelbar nach der Gründung der Interdependenz erklärte, ihre Visionen und Prophezeiungen wären im Wesentlichen und fürs Erste vorbei. Sie übertrug alle amtliche Macht über die Verwaltung der Interdependenten Kirche dem Erzbischof von Xi’an und einem Komitee aus Bischöfen, die einen guten Deal erkannten, wenn sie einen sahen. Sie bauten schnell eine Organisation auf, die den explizit spirituellen Aspekt der Kirche beiseiteschob, der nunmehr das Gewürz der neuen Religion und nicht ihr Hauptgericht war.

Mit anderen Worten, weder Rachela noch die Kirche reizten das spirituelle Blatt während der kritischen frühen Jahre der Interdependenz, als sich das Imperium zwangsläufig im fragilsten Zustand befand, allzu sehr aus. Rachelas imperiale Nachfolger, von denen keiner den »prophetischen« Teil ihres Titels übernahm, folgten größtenteils ihrem Vorbild und hielten sich aus Kirchenangelegenheiten heraus, abgesehen von ausschließlich zeremoniellen Auftritten – zur großen Erleichterung der Kirche, bis diese, während die Jahrhunderte vergingen, gar nichts anderes mehr erwartete.

Selbstverständlich gestand die Kirche niemals die Lüge von Rachelas Visionen und Prophezeiungen ein. Warum hätte sie das auch tun sollen? Zum einen hatten weder Rachela noch die Familie Wu außerhalb von Familienkonferenzen jemals ausdrücklich darüber gesprochen, dass die spirituelle Seite der Interdependenten Kirche komplett erfunden war. Niemand würde von Rachelas Nachfolgern erwarten, ob als Imperatox oder Kirchenoberhaupt, dass sie es zugaben oder auch nur öffentlich ihren Argwohn äußerten und damit ihre eigene Autorität untergruben. Danach ging es nur noch darum, abzuwarten, bis die Visionen und Prophezeiungen zur Doktrin wurden.

Zum anderen gingen Rachelas Vorhersagen größtenteils in Erfüllung. Das war ein Beleg für die Tatsache, dass die »Prophezeiung« der Interdependenz zwar umfangreich, aber auch praktisch umsetzbar war, wenn man den Ehrgeiz, das Geld und ein gewisses Maß an Rücksichtslosigkeit mitbrachte, worüber die Familie Wu hinreichend verfügte. Rachelas Prophezeiungen verlangten von niemandem, seine Lebensweise in den kleinen Dingen des Alltags zu ändern. Sie forderte einen...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2019
Reihe/Serie Das Imperium der Ströme
Das Imperium der Ströme
Übersetzer Bernhard Kempen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Adrian Tchaikovsky • Becky Chambers • Becky Chambers, The Expanse • collapsing empire • consuming fire • Dune • Frank Herbert • Imperium der Ströme • james s.a. corey • Krieg der Klone • Locus Award • Politische Science Fiction • Raumschiffe • Scalzi Kollaps • science fiction bücher • Science Fiction Roman • science fiction serie • sf bücher • Space Opera • Sternenreich • The Expanse • the Interdependency • Wüstenplanet
ISBN-10 3-10-490550-9 / 3104905509
ISBN-13 978-3-10-490550-1 / 9783104905501
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