Violet (eBook)

Roman

*****

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
352 Seiten
Atlantik Verlag
978-3-455-00748-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Violet -  Tracy Chevalier
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
England, dreißiger Jahre. Die Abende, an denen Violet mit einer Gruppe ungewöhnlicher Frauen wunderschöne Stickereien für die Kathedrale in Winchester anfertigt, sind der Aufbruch in eine neue Welt. Sie zeigen Violet, dass sie mit ihrem Auszug aus dem mütterlichen Zuhause die richtige Entscheidung getroffen hat. Schnell lernt und schätzt sie die Kunst des Stickens und lässt sich vom Küster Arthur in die des Läutens der Kirchturmglocken einweihen. Violet gewinnt durch das starke Band der Freundschaft zwischen den Frauen und die wachsende Nähe zu Arthur an Lebensmut und überwindet die Lebenskrise infolge des Ersten Weltkriegs. Und die Kirchturmglocken könnten wahrhaftig ihr neues Leben in Winchester einläuten ... Chevaliers neuer Roman ist episch, warmherzig und lebendig - eine Hommage an die weibliche Kunstfertigkeit und ein Buch darüber, wie Schönheit auch ein bescheidenes Leben erfüllen kann.

Tracy Chevalier, geboren 1962, ist Autorin von elf Romanen. Ihr internationaler Bestseller Das Mädchen mit dem Perlenohrring wurde über fünf Millionen mal verkauft, in fünfundvierzig Sprachen übersetzt und als Film, Theaterstück und Oper adaptiert. Aufgewachsen in Washington DC, zog sie 1986 ins Vereinigte Königreich und lebt dort heute mit ihrem Ehemann in London.

Tracy Chevalier, 1962 geboren, wuchs in Washington D.C. auf. Sie studierte Englische Literatur und arbeitete als Lektorin. Mit ihrem Roman Das Mädchen mit dem Perlenohrring wurde sie 1999 international bekannt. Heute lebt die Autorin mit ihrer Familie in London.

Cover
Titelseite
Für Morag
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
Nachbemerkung, Quellen und Dank
Biographie
Impressum

2. Kapitel


Violet wohnte fünfzehn Gehminuten vom Büro entfernt auf der östlichen Seite des Flusses Itchen im Stadtteil Soke. Das Gehalt einer Schreibkraft reichte nicht für eine der besseren Gegenden im Westen der Stadt, wo die Häuser größer und von Gärten umgeben waren und gepflegte Automobile in sauber gefegten Straßen parkten. Die Häuser im Soke waren kleiner, dennoch lebten mehr Menschen darin. Automobile sah man kaum, und die Auslagen in den Schaufenstern der billigen Läden waren angestaubt.

Violet teilte sich das Haus mit zwei anderen Frauen und der Vermieterin, die im Erdgeschoss lebte. Männer wohnten natürlich keine im Haus, und auch Männerbesuch war, wenn es sich nicht um einen Familienangehörigen handelte, im Erdgeschoss unerwünscht und im Obergeschoss verboten. Falls, was selten genug vorkam, doch einmal ein Mann zu Gast im Wohnzimmer war, ging Mrs Harvey dort ständig ein und aus, suchte entweder nach der Tageszeitung oder ihrer Lesebrille oder musste dringend die Wellensittiche in ihrem Käfig füttern. Manchmal machte sie auch Feuer im Ofen, obwohl sich niemand über Kälte beschwert hatte, oder sie erinnerte die Besucher daran, dass es Zeit zum Gehen sei, falls sie ihren Zug noch erwischen wollten. Bis auf ihren Bruder Tom hatte Violet zwar nie männlichen Besuch, doch auch Tom kam regelmäßig in den Genuss von Mrs Harveys besonderer Aufmerksamkeit. Selbst nachdem Violet die verwandtschaftliche Beziehung mit einem Familienfoto bewiesen hatte, ließ Mrs Harvey sie nie für längere Zeit mit ihrem Bruder allein, sondern steckte immer wieder den Kopf durch die Tür, um Tom zum Beispiel daran zu erinnern, dass die Tankstellen samstags früh schlossen. Tom fand Mrs Harveys Verhalten eher lustig. »Ich komme mir vor wie in einem Theaterstück«, meinte er augenzwinkernd. »Gleich erfahren wir noch, dass in der Spülküche die Leiche eines Mannes liegt, dem jemand das Nudelholz über den Kopf gezogen hat.« Er hatte gut lachen, schließlich musste er nicht mit Mrs Harvey zusammenleben. Manchmal kam es Violet so vor, als hätte sie sich mit dem Umzug nach Winchester nur eine Ersatzmutter eingehandelt, die ähnlich anstrengend wie ihre leibliche Mutter daheim war. Aber immerhin konnte sie im Haus von Mrs Harvey einfach nach oben gehen und die Tür hinter sich zumachen, was bei ihrer eigenen Mutter nicht möglich gewesen wäre. Solange sich kein Mann dahinter aufhielt, respektierte Mrs Harvey verschlossene Türen, doch in Southampton war Violets Mutter manchmal ins Schlafzimmer geplatzt, als hätte es gar keine Tür.

Als Violet an diesem Abend von der Arbeit heimkam, lehnte sie den von ihrer Vermieterin angebotenen Tee ab, schmuggelte aber etwas Milch in ihr Zimmer und setzte dort selbst den Kessel auf. Es war bereits der siebte Tee des Tages, und das, obwohl sie einen Teil des Nachmittags in der Kathedrale verbracht hatte. Das Teetrinken strukturierte ihre Tage und setzte Zäsuren zwischen vorher und nachher, zwischen Schlafen und Aufwachen, zwischen der Ankunft im Büro und dem Moment, in dem sie sich an die Schreibmaschine setzte, zwischen dem Mittagessen und dem Fortsetzen der Schreibarbeit, zwischen der Fertigstellung eines komplizierten Vertrags und dem Beginn des nächsten, zwischen Arbeitsende und Abendbeginn. Manchmal setzte Violet die Zäsuren auch mit Zigaretten, doch von denen wurde ihr immer ein wenig schwindelig, während der Tee entspannend wirkte. Außerdem waren Zigaretten teurer.

Als sie mit ihrer Teetasse im einzigen Sessel des Zimmers vor dem kalten Ofen saß – das Wetter war nicht schlecht genug, um den Verbrauch von Kohle zu rechtfertigen –, blickte sich Violet in ihrer engen Behausung um. Bis auf das Ticken der hölzernen Wanduhr, die sie vor ein paar Wochen in einem Trödelladen erstanden hatte, war es still. Das schwache Sonnenlicht fiel, durchs Gittermuster der Gardinen gefiltert, auf die roten, gelben und braunen Farbwirbel des Teppichs. »Ein Gewitterteppich«, hätte ihr Vater ihn genannt. An einem Kleiderständer trockneten dunkelbraune Seidenstrümpfe, und in einer Zimmerecke stand ein hässlicher, ramponierter Schrank, dessen Tür sich nicht mehr richtig schließen ließ, sodass die bescheidene Auswahl an Kleidern, Blusen und Röcken, die sie aus Southampton mitgebracht hatte, offenkundig war.

Violet seufzte. Nein, so hatte sie es sich nicht vorgestellt, das neue Leben in Winchester.

 

Der Umzug im letzten November war recht plötzlich gekommen. Nach dem Tod ihres Vaters hatte Violet zunächst anderthalb Jahre unentschlossen bei ihrer Mutter ausgeharrt. Von ledigen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch ledig bleibenden Frauen erwartete man schließlich, dass sie sich um ihre Eltern kümmerten. Violet glaubte wirklich ihr Bestes gegeben zu haben, doch ihre Mutter war einfach unmöglich. Mrs Speedwell war schon immer schwierig gewesen, noch bevor ihr ältester Sohn George im Krieg fiel. Sie stammte aus einer Zeit, in der Töchter auf ihre Mütter hörten und sich ihnen unterordneten, zumindest bis sie selbst heirateten und sich ihren Ehemännern unterordneten. Was allerdings nicht bedeutete, dass Mrs Speedwell sich jemals ihrem Ehemann untergeordnet hätte. Als Kinder waren Violet und ihre Brüder ihrer Mutter möglichst aus dem Weg gegangen. Unter der lässigen Autorität von George hatten sie fest zusammengehalten und viel miteinander gespielt. Mrs Speedwell hatte Violet oft vorgehalten, dass sie überhaupt kein richtiges Mädchen sei. »Mit deinen aufgeschlagenen Knien und dem ungekämmten Haar wirst du niemals einen Ehemann abbekommen«, hatte sie erklärt. »Und dann steckst du die Nase ständig in irgendwelche Bücher.« Damals ahnte noch niemand, dass es am Ende schlimmere Dinge als Bücher und aufgeschlagene Knie sein würden, die es Violet schwer machten, einen Ehemann zu finden.

Solange ihr Vater noch lebte, hatte Violet es auch als erwachsene Frau bei ihren Eltern ausgehalten. Mr Speedwell hatte die Atmosphäre im Haus aufgelockert und als Puffer für die Attacken seiner Frau gedient. Meistens quittierte er ihre Gehässigkeiten mit hochgezogenen Augenbrauen, während er seiner Tochter hinter dem Rücken seiner Gattin zulächelte und einen seiner harmlosen Witze machte. Doch nach seinem Tod blieb Mrs Speedwell nur noch die Tochter als Ziel für ihre Breitseiten, denn Violets jüngerer Bruder Tom hatte schon einige Jahre zuvor geheiratet und war entkommen. Fortan stand Violet allein im Fadenkreuz ihrer Mutter.

Als sie eines Abends zusammen vor dem Kamin saßen, hatte Violet begonnen, über die Klagen ihrer Mutter Buch zu führen: »Das Licht ist so schlecht. Das Radio ist zu leise. Was haben die zu lachen, das ist doch gar nicht lustig. Die Mayonnaise beim Abendbrot hatte schon einen Stich. Deine Haare sehen grauenhaft aus, hast du versucht, dir Locken zu drehen? Hast du zugenommen? Wie können Tom und Evelyn Marjory nur auf diese Schule schicken? Was würde Geoffrey dazu sagen? Oh, nein, es regnet schon wieder, da wird es draußen im Flur noch feuchter!«

Acht hintereinander. Mehr noch als das Nörgeln ihrer Mutter bedrückte Violet aber die Tatsache, dass sie über deren Klagen Buch führte. Sie seufzte.

»Vom Seufzen kriegst du ein Pferdegesicht«, tadelte Mrs Speedwell. »Das ist äußerst unvorteilhaft.«

Am nächsten Tag entdeckte Violet an dem Schwarzen Brett in der Arbeit die Stellenausschreibung für eine Schreibkraft, die in der Versicherungsniederlassung in Winchester gesucht wurde. Die Geschäfte schienen dort trotz der darniederliegenden Wirtschaft gut zu gehen. Sie hatte ihre Teetasse umklammert und die Augen geschlossen. Nicht seufzen, schoss es ihr durch den Kopf, dann öffnete sie die Augen wieder und ging zum Geschäftsführer.

Zunächst schien alles einfacher zu sein als gedacht. Der Geschäftsführer der Southern Counties Versicherung war mit ihrem Wechsel einverstanden, Tom unterstützte sie (»Es wird auch höchste Zeit!«), und sie fand mühelos ein Zimmer bei Mrs Harvey. Mrs Speedwell hatte Violets vorsichtige Ankündigung, dass sie nach Winchester ziehen würde, zunächst überraschend gelassen aufgenommen. »Du solltest besser nach Kanada gehen, dort gibt es wenigstens noch genügend Ehemänner.« Doch als an einem verregneten Novembersamstag Tom und Evelyn mit den Kindern vorgefahren kamen und Violets wenige Habseligkeiten in den Austin verluden, weigerte sich Mrs Speedwell, ihren Sessel im Wohnzimmer zu verlassen. Sie saß vor ihrer unangerührten Tasse mit kalt werdendem Tee und strich mit zitternden Fingern den Schonbezug auf den Sessellehnen glatt. Als Violet sich verabschieden wollte, wich sie dem Blick ihrer Tochter aus. »Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass ich nach dem Tod von George noch einmal das Martyrium durchmachen muss, ein Kind zu verlieren«, sprach sie ins Zimmer, wo Marjory und Edward vorm Kohlenfeuer hockten und ein Puzzle zusammensetzten. Violets ernsthafte Nichte blickte zur Großmutter hoch, ihre großen braunen Augen folgten den nervösen Handbewegungen, die den Schonbezug wieder und wieder glatt- strichen.

»Mutter, du verlierst mich doch nicht. Ich ziehe zwölf Meilen weit weg!« Doch noch bevor sie den Satz ausgesprochen hatte, wusste Violet, dass ihre Mutter durchaus recht hatte.

»Nur dass dieses Kind mir den Verlust ohne Not zufügt«, fuhr Mrs Speedwell fort, als hätte Violet gar nichts gesagt und wäre noch nicht einmal im Zimmer. »Unverzeihlich. Der arme George hatte wenigstens keine andere Wahl, er war im Krieg, er hat es für sein Vaterland getan. Aber dies hier! Niederträchtig.«

»Um Himmels willen, Mum, Violet ist doch nicht...

Erscheint lt. Verlag 4.1.2020
Übersetzer Anne Rademacher
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Bildende Kunst • Handwerk • Liebe • Starke Frauen • Weltkrieg
ISBN-10 3-455-00748-1 / 3455007481
ISBN-13 978-3-455-00748-0 / 9783455007480
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 840 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99