Töchter der Elbchaussee (eBook)

Die Geschichte einer Schokoladen-Dynastie
eBook Download: EPUB
2020 | 2. Auflage
414 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1863-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Töchter der Elbchaussee -  Lena Johannson
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Das Erbe der Schokoladenvilla.

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, Frieda muss schlimme Verluste verkraften. Sie lässt sich nicht unterkriegen und möchte nach und nach ihre Nichte Sarah zur Nachfolgerin in der Schokoladenmanufaktur ausbilden. Doch Friedas Sohn hat andere Pläne. Und dann holt Frieda auch noch die Vergangenheit ein. Wird es ihr zum Verhängnis, dass sie Sarah nie adoptiert hat? Ein Kampf beginnt, der Frieda mehr als die eigene Familie kosten könnte. Kann sie diesen Kampf gewinnen?

Authentisch und berührend: nach dem Vorbild eines Hamburger Kakao-Kontors.



Lena Johannson, 1967 in Reinbek bei Hamburg geboren, war Buchhändlerin, bevor sie freie Autorin wurde. Vor einiger Zeit erfüllte sie sich einen Traum und zog an die Ostsee. Im Aufbau Taschenbuch sind u.a. ihre Bestseller 'Die Villa an der Elbchaussee', 'Jahre an der Elbchaussee' und 'Die Malerin des Nordlichts' lieferbar. Mehr Information zur Autorin unter www.lena-johannson.de

Kapitel 2


Am ersten Mai kam Ernst zu Besuch.

»Die Engländer sind nicht mehr weit von Harburg weg, habe ich gehört«, erzählte er atemlos. »Denn kann das nu nicht mehr lange dauern, bis die Wehrmacht sich geschlagen gibt.«

»Wenn du nur recht hast!« Frieda traute sich kaum, wieder Hoffnung zu schöpfen. Andererseits redete Ernst nicht als Einziger so und war zudem gut informiert. »Kann ich dir etwas anbieten, einen Kakao vielleicht?«

»Och, da sag ich nicht nein.« Sarah war draußen, Hans lag, wie so oft, mitten am hellen Tag in seinem Bett und grübelte wahrscheinlich. »Kannst du das Radio anmachen?«

»Natürlich. Ist aber nur der Reichssender Hamburg«, entgegnete Frieda mit einem Lächeln.

»Für mich heißt das noch immer Norddeutscher Rundfunk«, erwiderte Ernst leise. »Und hoffentlich heißt das bald wieder so.«

»Sehe ich doch genauso.«

»So denn bereite du man den Kakao zu«, forderte er sie auf. »Kannst ja nix dafür, wenn ich ’n büschen am Empfänger drehe.« Er zwinkerte ihr zu, sie zuckte demonstrativ mit den Schultern und ging. Frieda war noch nicht in der Küche, als er schon nach ihr rief: »Komm schnell, da ist was passiert!« Mit wenigen Schritten war sie bei ihm. Ernst hatte nicht am Gerät gedreht. »Die haben eine Rede vom Dönitz angekündigt.« In gebückter Haltung stand er vor dem Radio, die Finger kurz vor dem Knopf, als würde der Empfang leiden, wenn er sich bewegte. Auch Frieda blieb wie erstarrt stehen und hörte mit angehaltenem Atem, wie ein Sprecher sagte: »Heute Nachmittag ist unser Führer Adolf Hitler in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei gefallen. Bis zum letzten Atemzuge hat er für sein geliebtes Vaterland und gegen den Bolschewismus gekämpft.« Friedas Gedanken überschlugen sich. Ernst und Albert hatten nach dem gescheiterten Attentat im Jahr zuvor gesagt, dass das Scheitern ein schreckliches Unglück sei. Sie hatte ihre Worte noch im Kopf. Hitlers Tod wäre die Chance auf ein schnelles Ende des Krieges gewesen. Dann war es jetzt so weit? Würden die Nazis ohne ihren Anführer endlich aufgeben? Sie hörte kaum zu, was der neue Reichspräsident und Oberbefehlshaber der Wehrmacht Karl Dönitz von Heldentod und unermüdlichem Kampf bis zum letzten Herzschlag redete, sie konnte nur daran denken, dass der Krieg nun enden würde. Henrik würde nach Hause kommen, und Per. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass Ernst sich aufgerichtet hatte. Erst als er seine Brille abnahm und sich über die Augen wischte, löste auch Frieda sich aus ihrer Erstarrung.

»Es ist vorbei, Ernst«, sagte sie leise. »Nicht wahr? Es ist vorbei.«

Ernst liefen die Tränen über die Wangen, tropften ihm von Nase und Kinn. Er konnte nichts sagen, er nickte nur. Frieda trat zu ihm und nahm ihn in die Arme. Sie hielten sich aneinander fest und weinten.

Am Tag drauf saß sie mit ihren Eltern vor dem Volksempfänger. Draußen war schönstes Wetter, es war schon ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, allerdings auch ungewöhnlich windig. Bereits in den vergangenen Tagen waren armdicke Äste gebrochen.

»Ich muss sehen, dass ich die irgendwie da runter kriege«, hatte Albert gesagt und in die Baumkronen geblickt. »Ehe womöglich jemand so einen Knüppel abkriegt.«

»Ich hole uns noch ein wenig Limonade.« Rosemarie hievte sich aus dem Sessel, hielt sich an der Lehne fest und verschnaufte. Sie hatte vor dem Krieg ordentlich zugelegt und erstaunlicherweise nur wenig davon verloren, darum fiel ihr jede Bewegung schwer. Trotzdem war sie oft diejenige, die etwas holen ging.

»Bleibt ihr nur sitzen, ihr habt auch mal eine kleine Pause verdient«, pflegte sie zu sagen. Zwar stimmte es, dass Frieda und Sarah diejenigen waren, die mit den Lebensmittelmarken loszogen, um etwas zu essen zu besorgen, die kochten und das Haus sauber hielten, und Albert kümmerte sich ein wenig um den Garten. Der wahre Grund, vermutete Frieda, war jedoch ein anderer. Rosemarie war die Einzige in der Familie, die Hitler von der ersten Stunde an verehrt hatte, und das noch immer tat. Und es hatte sich nichts an ihrer Haltung geändert, trotz all der schrecklichen Dinge, die geschehen waren und über die jeder Bescheid wusste. Sie war in allem anderer Meinung als ihr Mann und ihre Kinder. Darum war es schwierig, wenn die gesamte Familie die Nachrichten verfolgte. Besonders jetzt nach Hitlers Tod. Auch Rosemarie hatte geweint, allerdings nicht vor Freude wie Frieda, sondern vor Kummer. Während alle anderen auf weitere gute Neuigkeiten hofften, selbst Hans saß in angespannter Haltung im Wohnzimmer, wusste Rosemarie nicht, wie es weitergehen sollte.

Nur wenige Augenblicke, nachdem sie zur Küche gegangen war, knisterte es in dem Gerät, dann ertönte die ernste Stimme von Gauleiter Karl Kaufmann, der sich an die Hamburger wandte: »Nach heldenhaftem Kampf, nach unermüdlicher Arbeit für den deutschen Sieg und unter grenzenlosen Opfern ist unser Volk dem an Zahl und Material überlegenen Feind ehrenvoll unterlegen.« Während Kaufmann offenbar um Worte rang, war es in der Hannemannschen Stube mucksmäuschenstill. Nur der Wind pfiff um die Türmchen der Villa. Frieda hielt die Luft an. Sie sah zu ihrem Vater hinüber, dessen Augen immer größer wurden. Hans hatte ein feines Lächeln auf den Lippen, zum ersten Mal, seit Frieda ihn leblos auf dem Dachboden gefunden hatte. »Der Feind schickt sich an, das Reich zu besetzen, und steht vor den Toren unserer Stadt.«

Rosemarie kehrte mit einem Krug Limonade zurück, die vermutlich überwiegend aus Wasser bestand. Ihre Miene zeigte blankes Entsetzen, als Kaufmann ausführte, dass der Feind vorhabe, Hamburg mit übermächtiger Waffengewalt anzugreifen, wodurch noch einmal Tod über Hunderttausende käme.

»Grundgütiger«, murmelte sie.

Auch Sarah sah vollkommen verängstigt aus. Sie setzte sich zu Frieda auf das Sofa und presste sich an sie. Frieda legte ihr den Arm um die Schulter und streichelte sie beruhigend. Sie wagte allerdings nicht, auch nur ein Wort zu sagen, denn sie hatte Angst, das Wichtigste zu verpassen.

»Mir gebietet Herz und Gewissen in klarer Erkenntnis der Verhältnisse und im Bewusstsein meiner Verantwortung, unser Hamburg, seine Frauen und Kinder vor sinn- und verantwortungsloser Vernichtung zu bewahren«, schepperte es aus dem Volksempfänger. Frieda spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Sie musste schlucken.

»O lieber Gott«, flüsterte sie und hielt Sarah noch ein bisschen fester. Wie aus weiter Ferne hörte sie, wie der Gauleiter die Besetzung Hamburgs durch den Feind für den nächsten Tag ankündigte, wie er für diesen Moment Haltung, Würde und Disziplin von den Hamburgern forderte.

Er schloss mit den Worten: »Gott schütze unser Volk und unser Reich!« Danach war es einige Sekunden still in dem Wohnzimmer.

Albert fand seine Sprache zuerst wieder. »Donnerwetter!« Mehr brachte er nicht heraus.

»Ist das nun eine gute Nachricht?«, wollte Sarah wissen. Sie bebte am ganzen Körper.

»Ja, Schätzchen, ich glaube, das ist eine sehr gute Nachricht.« Frieda musste lachen und wischte sich eilig Tränen mit dem Handrücken weg.

»Was soll daran wohl gut sein?«, fragte Rosemarie in einem Ton, der völlige Resignation verriet. »Sie werden uns spüren lassen, dass sie die Sieger sind. Alles wegnehmen werden sie uns.« Plötzlich änderte sich ihr Tonfall, und sie klang sehr entschlossen: »Nein, das werde ich nicht zulassen.« Sie machte kehrt und verließ das Wohnzimmer.

»Was hast du vor, Röschen?« Albert sah ihr verblüfft nach. Frieda wollte ihr nachgehen, doch da stand Hans auf, kam zu ihr und drückte sie wortlos an sich. Sie erwiderte seine Umarmung.

»Was meinst du, haben wir es geschafft, Bruderherz?« Sie hoffte, er würde etwas sagen, doch er presste sie nur fester an sich. Als er sie losließ, nahm sie das Knarzen der Treppe wahr, gleich darauf das Klappen der Haustür. Hans sah Sarah lange an. Frieda dachte schon, er würde ihr in diesem besonderen Moment sagen, dass er ihr Vater war, doch er nahm sie nur in den Arm. Schließlich ging er auch noch zu Albert, der ihm ein wenig hilflos auf den Rücken klopfte.

»Hast schon recht, mein Sohn, zwar ist der Krieg offiziell noch nicht vorbei, aber wir dürfen uns ruhig schon mal freuen, dass wir alle noch da sind.«

In dem Moment krachte es draußen, es gab einen Schlag und einen Schrei, der merkwürdig abgeschnitten klang.

»Das kam aus dem Garten«, sagte Sarah leise.

»Rosemarie?«, fragte Albert alarmiert. Frieda und Hans rannten gleichzeitig los. Sobald sie einen freien Blick auf das parkähnliche Gelände hatten, blieben sie stehen, als wären sie gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Eine Sekunde nur, dann liefen sie zu ihrer Mutter, die vor dem Rhododendronstrauch lag, ein mächtiger Ast, der von der großen Kastanie abgebrochen sein musste, der Länge nach über ihr, als hätte sie sich damit zudecken wollen.

Als Frieda später in der Küche ein kleines Abendbrot zurechtmachte, fragte sie sich, ob der Krieg aus ihr schon ein Monster gemacht hatte. Sie erinnerte sich nur an ein einziges Gefühl, das sie gehabt hatte, während sie neben ihrer Mutter kniete: Hoffnung, dass ihr Bruder zumindest in dieser Situation endlich sprechen würde. Er musste doch etwas sagen, so wie Rosemarie da lag, die Augen geschlossen, einen klaffenden Riss von der Stirn bis weit über den Scheitel, Blut lief ihr unaufhörlich aus der Wunde über die Schläfen, in die Ohren.

Doch Hans sprach kein Wort. Stumm hievte er den...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2020
Reihe/Serie Die große Hamburg-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Albrecht & Dill • Carmen Korn • Champagner • Chocolatier • Elbchaussee • Familienepos • Familiensaga • Familien-Saga • Hamburg • Handelskontor • Hansestadt • Junge Frau • Kakao • Kakao-Dynastie • Kakao-Kontor • Lena Johannson • Pralinen • Schokolade • Schokoladenmanufaktur • Unabhängigkeit • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-8412-1863-6 / 3841218636
ISBN-13 978-3-8412-1863-6 / 9783841218636
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