Entführung (eBook)

Kriminalroman. Meyer und Palushi ermitteln (4)

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
384 Seiten
Unionsverlag
978-3-293-31060-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Entführung -  Petra Ivanov
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Millionärstochter Lara Blum wurde entführt. Der Täter sitzt in Haft, verweigert aber jede Aussage. Sein Motiv ist unklar. Psychopath oder Terrorist? Die Medien überschlagen sich mit Spekulationen. Bei der Polizei herrscht Ausnahmezustand. Rechtsanwalt Pal Palushi wird zum Pflichtverteidiger ernannt. Da liefert ihm der Entführer einen versteckten Hinweis. Doch Palushi ist an das Anwaltsgeheimnis gebunden. Wird er seine Werte über Bord werfen und seine Karriere aufs Spiel setzen, um die junge Studentin zu retten? Er gerät zwischen die Fronten. Nur seine Freundin, Ex-Polizistin Jasmin Meyer, hält zu ihm und ermittelt auf eigene Faust. Sie findet eine tödliche Spur.

Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Journalistin. Heute ist sie als Autorin tätig und gibt Schreibkurse an Schulen und anderen Institutionen. Ihr Debütroman Fremde Hände erschien 2005. Ihr Werk umfasst Kriminalromane, Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Kurzgeschichten und Kolumnen. Petra Ivanov hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. zweimal den Zürcher Krimipreis (2010 und 2022).

Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Journalistin. Heute ist sie als Autorin tätig und gibt Schreibkurse an Schulen und anderen Institutionen. Ihr Debütroman Fremde Hände erschien 2005. Ihr Werk umfasst Kriminalromane, Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Kurzgeschichten und Kolumnen. Petra Ivanov hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. zweimal den Zürcher Krimipreis (2010 und 2022).

1


Steinerne Mienen, steife Rücken, angespannte Stille. Im Büro der Staatsanwältin knisterte die Luft, sie war aufgeladen mit kaum verhohlener Wut. Pal Palushi sah seinem Klienten nach. Trotz Handschellen und Fußfesseln wirkte Mustafa Saifullah unbekümmert, als wolle er sich nur kurz die Beine vertreten, um es sich anschließend in seinem Wohnzimmer auf dem Sofa gemütlich zu machen. Ganz anders die Polizeigrenadiere, die ihn mit zackigem Schritt, die Hände an der Waffe, ins Gefängnis zurückbrachten. Pal wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Worauf warten Sie?«, fragte die Staatsanwältin kühl.

Sie stand nicht auf, um ihn zu verabschieden, nickte bloß dem Protokollführer zu, der neben ihr saß. Pal klemmte seine Aktenmappe unter den Arm und folgte dem jungen Polizisten aus dem Raum. Der Druck auf seiner Brust wollte nicht weichen, es fühlte sich an, als stecke er in einem Schraubstock. Es roch nach Papierstaub und Verwaltung, aus einem Büro drang eine monotone Stimme.

Vor dem Aufzug blieb der Protokollführer stehen. Er schien etwas sagen zu wollen, Pal aber wandte sich ab und starrte auf das Gussglas, hinter dem sich die Kabine quälend langsam nach oben bewegte. Endlich wurde die Tür entriegelt.

Im Aufzug lehnte Pal die Stirn gegen die Wand. Er verstand sie. Alle. Auch er war frustriert, die Zeit lief ihnen davon. Doch er war machtlos, er hatte getan, was er konnte. Der Aufzug hielt im Erdgeschoss, Pal atmete tief ein. Er durfte sich nicht von den Vorwürfen erdrücken lassen, Lara Blum wäre damit nicht gedient. Zielstrebig ging er auf den Ausgang zu.

Eine Kamera blitzte auf. Pal zuckte zusammen und hob schützend den Arm vor das Gesicht. Woher wussten die Journalisten von der Einvernahme?

»Lebt sie noch?«, rief jemand.

Pal senkte den Kopf und drängte sich an den Medienleuten vorbei, die sich vor dem Gebäude versammelt hatten.

»Wo hat er sie versteckt?« Eine Reporterin streckte Pal ein Mikrofon entgegen. »Wie fühlt es sich an, ein Monster zu verteidigen?«

Kurz war er versucht zu erklären, dass jeder das Recht auf eine Verteidigung hatte, doch er wusste, das wollte niemand hören.

»Ist Ihnen Lara egal?«, tönte es hinter ihm.

Pal ging schneller, bahnte sich einen Weg zwischen den voll besetzten Bistrotischen eines Cafés hindurch und bog um die Ecke. Die Stimmen hinter ihm wurden leiser, jetzt hörte er seinen eigenen schweren Atem.

Seine Ducati stand zwei Querstraßen entfernt. Pal verstaute seine Aktenmappe und das Armani-Jackett im Seitenkoffer und zog seine Lederjacke an. Als er das Visier des Helms herunterklappte, schloss er eine Tür zwischen sich und der Welt. Bald nahm er nur noch das tiefe Wummern des Superbikes wahr. Sein Herzschlag beruhigte sich, seine Gedanken kehrten zu seinem Klienten zurück. Auch heute hatte Mustafa Saifullah geschwiegen. Die Hoffnung, Lara Blum lebend zu finden, wurde mit jeder Stunde kleiner.

Eigentlich hatte Pal in die Kanzlei zurückkehren wollen, stattdessen fuhr er zur Universität. Er parkte vor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und betrachtete den Altbau. Wie stolz er gewesen war, als er das Studium aufgenommen hatte! Begeistert hatte er Paragrafen auswendig gelernt, dicke Wälzer über Rechtsphilosophie und Ethik studiert, Grundsatzdebatten geführt. Damals ahnte er nicht, dass ein Strafverteidiger nicht nur Jurist, sondern auch Sozialarbeiter war. Seine Klienten legten ihr Schicksal in seine Hände, er war Vertrauensperson und Berater zugleich.

Er stieg vom Motorrad und ging um das Gebäude herum. Die Bibliothek versteckte sich im ehemaligen Innenhof. Pal betrat die Halle und sog den Geruch der hundertsiebzigtausend Bücher ein. Sie empfingen ihn wie eine schützende Hülle. Vor zwei Monaten hatte er beschlossen, sich einen Traum zu erfüllen und eine Dissertation zu verfassen. Beruflich würde ihn der Doktortitel nicht weiterbringen, er hatte sich bereits einen Namen als Anwalt gemacht. Er suchte die intellektuelle Herausforderung. Als Jahrgangsbester hatte er problemlos einen Doktorvater gefunden, der sein Projekt betreute, obschon neun Jahre vergangen waren, seit er das Studium abgeschlossen hatte. Schwerer hatte er sich mit der Wahl des Themas getan. Schließlich entschied er sich für eine Arbeit über die Funktion der Verteidigung bei der Wahrheitssuche. Für Pal war die Verteidigung keine moralische Instanz, sondern ein Garant für die Rechtsstaatlichkeit eines Verfahrens – das höchste politische Gut überhaupt. Er war im Kosovo aufgewachsen, er wusste, was es bedeutete, wenn Gesetze nicht eingehalten, die Rechte der Bürger nicht geschützt wurden. Das Recht eines Beschuldigten zu schweigen wurzelte in der Unschuldsvermutung und im Prinzip, dass man sich selbst nicht belasten musste. In den letzten Jahrzehnten hatte es immer häufiger Versuche gegeben, dieses Recht zu beschneiden.

Er nahm ein Buch mit dem vielversprechenden Titel »The Rise and Fall of the Right of Silence« vom Regal und vertiefte sich in eine Analyse.

Ist Ihnen Lara egal?

Pal versuchte, sich auf das Buch vor sich zu konzentrieren. Stattdessen dachte er an den Pädophilen Marc Dutroux, der in Belgien mehrere Mädchen gefangen gehalten hatte. Zwei waren verhungert, während Dutroux eine Gefängnisstrafe wegen Autodiebstahls verbüßte.

Lebt sie noch?

Er betrachtete die Glaskuppel über dem Lichthof. Die Sonne stand so weit im Westen, dass keine Strahlen mehr in die Bibliothek drangen. Sah Lara Blum den Himmel auch? Oder saß sie in einem fensterlosen Raum, verängstigt und allein? Pal rieb sich die Augen, versuchte, die Bilder zu vertreiben. Seine Aufgabe war es, Saifullah zu verteidigen. Er korrigierte sich: Seine Pflicht war es, Saifullah zu verteidigen. Alles andere war Sache der Polizei.

Als die Bibliothek um einundzwanzig Uhr schloss, hatte er nur einen Bruchteil der Texte gelesen, die er sich vorgenommen hatte. Er holte seine Sachen aus dem Schließfach, schaltete sein Handy ein und sah, dass Jasmin versucht hatte, ihn zu erreichen. Seine anfängliche Freude darüber wich Besorgnis. Normalerweise telefonierten sie am Wochenende miteinander. In Thailand war es jetzt zwei Uhr morgens. Er drückte auf die Skype-Funktion auf seinem Telefon. Wenn Jasmin noch wach war, würde sie sehen, dass er sich eingeloggt hatte. Keine Minute später klingelte es.

»Immer noch auf?«, fragte er. »Ist ein Bewohner abgehauen?« Vor einem Monat hatte ein an Demenz erkrankter Mann mitten in der Nacht die Altersresidenz verlassen, in der Jasmin arbeitete, weil er den Sonnenaufgang am Grand Canyon sehen wollte.

»Nein, alle liegen im Bett, hoffe ich wenigstens.«

Er meinte ein Lächeln in ihrer Stimme zu hören und wünschte, er könnte sie sehen. Die Internetverbindung war zu schwach, um die Videofunktion einzuschalten.

»Wo bist du?«, fragte sie. »Ist das Straßenlärm?«

»Vor der Bibliothek. Wie geht es dir?«

»Gut, erzähl mir lieber, wie es dir geht. Deshalb rufe ich nämlich an.«

»Mitten in der Nacht?«, fragte Pal verwundert.

»Ich habe die Schlagzeilen im Internet gelesen. Es tut mir leid, Pal, das hast du nicht verdient, auch wenn ich die Wut der Menschen verstehen kann.«

Er hatte ihr nichts von seinem Mandat erzählt. Vor drei Jahren war Jasmin selbst entführt worden, er hatte die Wunden, die erst langsam zu heilen begannen, nicht wieder aufreißen wollen.

»Ich habe die neusten Berichte noch nicht gelesen«, sagte er zögerlich. »Was haben sie über mich geschrieben?«

»Ist sie …« Jasmin räusperte sich. »Ist es möglich, dass sie noch lebt?«

Pal setzte sich auf die Treppe, die zum Haupteingang der Fakultät führte. Eine alte Yamaha mit dem typischen Geräusch des Zweitaktmotors fuhr an ihm vorbei, er hörte lautes Lachen. »Du weißt, dass ich nicht darüber reden darf«, wich er aus. »Was haben sie geschrieben?«

»Sie fragen sich, wie du dieses Monster verteidigen kannst. Ob du keine Skrupel hast.«

»Der Anwalt wird gern mit dem Beschuldigten gleichgesetzt. Daran habe ich mich längst gewöhnt.«

»Wer hat ihnen deinen Namen gesteckt? Sie haben sogar ein Foto von dir veröffentlicht. Woher wussten die Journalisten von der Einvernahme?«

»Das habe ich mich auch gefragt, als ich die Meute vor dem Eingang sah.«

»Du bedeckst dein Gesicht mit dem Arm, aber man sieht deutlich, dass du dich ärgerst.«

»Ich komme klar, erzähl mir lieber von dir. Was macht dein Thai? Verstehen dich die Angestellten?«

Jasmin erzählte, was sie in den letzten Tagen erlebt hatte, beschrieb einen Ausflug mit den Bewohnern, einen Einkauf auf dem Markt. Pal sah die Weite des Isan vor sich, Garküchen an den Straßenrändern, goldene Buddhastatuen, geschmückte Geisterhäuschen. Er stellte sich die Altersresidenz vor, die er im vergangenen Winter mit Jasmin besucht hatte, die Bungalows der Bewohner, die fremden Blumen, die schwüle Luft.

Es klickte, als Jasmin am anderen Ende eine Tür öffnete.

»Ich stehe jetzt auf der Terrasse«, sagte sie, »und schaue in den Sternenhimmel. Ich sehe den Mars. Du auch?«

»Hier geht die Sonne erst unter. Der Himmel ist tiefblau.«

»Ich freue mich...

Erscheint lt. Verlag 26.8.2019
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anwaltsgeheimnis • Kriminalroman • Schweiz • Spannung • Strafverteidigung
ISBN-10 3-293-31060-5 / 3293310605
ISBN-13 978-3-293-31060-5 / 9783293310605
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