Wer Lügen sät (eBook)
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1856-8 (ISBN)
Das Schweigen der Schwester Fidelma.
Fidelma hat einen Eid geschworen, über die Aufgabe zu schweigen, die sie im Auftrag ihres Bruders, des Königs, zu erfüllen hat. Der alte Abt, den sie als Ersten aufsucht, wird ermordet, noch bevor sie mit ihm sprechen kann. Kurz darauf sitzt Fidelma mit seiner mutßmaßlichen Mörderin im Kerker eines rebellischen Stammesfürsten. Im Land gehen Gerüchte um, ihre Familie hätte den Hochkönig in Tara ermordet und seine Frau entführen lassen. Fidelma muss schnellstens handeln ...
»Wer einen Roman von Peter Tremayne gelesen hat, der möchte sie alle lesen.« NDR.
Peter Tremayne ist das Pseudonym eines anerkannten Historikers, der sich auf die versunkene Kultur der Kelten spezialisiert hat. Seine im 7. Jahrhundert spielenden Romane mit Lady Fidelma sind zurzeit die älteste und erfolgreichste historische Krimiserie auf dem deutschen Buchmarkt. Fidelma, eine mutige Frau von königlichem Geblüt, ehemalige Nonne und Anwältin bei Gericht, löst darin auf kluge und selbstbewusste Art die schwierigsten Fälle. Wegen des großen internationalen Erfolgs der Serie wurde Peter Tremayne 2002 zum Ehrenmitglied der Irish Literary Society auf Lebenszeit ernannt.
Bisher sind im Aufbau Taschenbuch erschienen: Die Tote im Klosterbrunnen, Tod im Skriptorium, Der Tote am Steinkreuz, Tod in der Königsburg, Tod auf dem Pilgerschiff, Nur der Tod bringt Vergebung, Ein Totenhemd für den Erzbischof, Vor dem Tod sind alle gleich, Das Kloster der toten Seelen, Verneig dich vor dem Tod, Tod bei Vollmond, Tod im Tal der Heiden, Der Tod soll auf euch kommen, Ein Gebet für die Verdammten, Das Flüstern der verlorenen Seelen, Tod den alten Göttern, Das Konzil der Verdammten, Der falsche Apostel, Eine Taube bringt den Tod, Der Blutkelch, Die Todesfee, Und die Hölle folgte ihm nach, Die Pforten des Todes, Das Sühneopfer, Sendboten des Teufels, Der Lohn der Sünde, Der Tod wird euch verschlingen, Tod in der Königsburg (Illustrierte Ausgabe), Die Wahrheit ist der Lüge Tod, Ihr Los ist Finsternis, Wer Lügen sät, Die Sünden der Gerechten, Tod den finsteren Mächten, Das Pestschiff, Der Tod des Ketzers.
Mehr Informationen unter www.sisterfidelma.com
Kapitel 1
»Warum haben wir angehalten?«
Der herrische Ton der Frau, die sich aus ihrer prachtvoll verzierten Kutsche hinauslehnte, veranlasste den jungen Krieger, der das Zeichen zum Anhalten gegeben hatte, auf seinem Pferd umzukehren und das kurze Stück zu ihr zurückzureiten, um ihre Frage zu beantworten.
Sie hatten soeben den dichten Wald verlassen und folgten einem schmalen Pfad, der in ein ödes Tal hineinführte, durch das der Wind nur so pfiff. Die Kälte und der wolkenverhangene Himmel passten zu diesem Tag mitten im Winter. Die zerklüfteten Hügel zu beiden Seiten des Tales waren kahl, hoch aufragende Granitfelsen beherrschten die Landschaft. Nur hier und da wurde das braune Gestrüpp aus verwelktem Farn und Dornensträuchern von kleinen Baumgruppen unterbrochen. Anders als in dem Wald, den sie gerade durchquert hatten, spross hier kaum etwas von dem winterlichen Grün, das für diese südliche Gegend so charakteristisch war.
Der Krieger, Loingsech, wirkte müde und schien trotz seines schweren, mit Dachspelz verbrämten Wollumhangs zu frieren. Er brachte sein Pferd neben der Kutsche zum Stehen und begrüßte die Frau mit dem gebührenden Respekt.
Das vierrädrige Gefährt, in dem sie saß, nannte man cethairríad; es wurde von vier starken Pferden gezogen. Es handelte sich augenscheinlich nicht um eine gewöhnliche Kutsche; ihr massiver Rahmen aus Eiche war mit rotem Eibenholz verkleidet und von geschickten Kunsthandwerkern mit Schnitzereien und Goldornamenten verziert worden. Überdies war es ein geschlossenes Fahrzeug, abgesehen von dem Wagenkasten, auf dem der ara oder Kutscher saß sowie ein cairpthech, ein Krieger, der zum Streitwagenführer ausgebildet war und hier als Geleitschutz diente. Wer sich auskannte, konnte Rückschlüsse auf den Besitzer der wertvollen Kutsche ziehen, denn auf der roten Eibentäfelung an der Wagentür prangte eine aurscarted, eine Schnitzerei: eine erhobene Hand, das Symbol der Uí Néill, der Hochkönige der Fünf Königreiche von Éireann. Merkwürdig war nur das reiterlose Pferd, das man hinten am Fahrzeug festgebunden hatte.
Die Frau, die sich hinausbeugte, war eine stattliche Erscheinung und ungefähr Ende zwanzig; in ihrem blonden Haar schimmerte gelegentlich feuriges Rot auf. Sie war attraktiv, doch um ihre Augen und Mundwinkel zeichneten sich Sorgenfalten ab. Sie wirkte bedrückt, auch wenn ihr Auftreten verriet, dass sie es gewohnt war, Befehle zu erteilen, denen man Folge zu leisten hatte. Sie musterte den jungen Krieger mit kalten blauen Augen.
»Loingsech, warum haben wir angehalten?«, fragte sie erneut.
Der junge Mann neigte respektvoll den Kopf. »Lady, wir haben das Tal von Cluain erreicht, doch mir gefällt die düstere Atmosphäre hier nicht. Es wirkt allzu verlassen und strahlt etwas Bedrohliches aus. »
Die Frau sah ihn einen Augenblick überrascht an. Dann verzog sich ihr angespannter Mund zu einem zynischen Lächeln.
»Seit wann bist du so ängstlich, Loingsech?«, entgegnete sie spöttisch. »Bist du nicht ein Krieger der Fianna Éireann?«
Der junge Mann errötete. »Ich habe nur bemerkt, wie kahl und verlassen dieses Tal aussieht im Gegensatz zu den dichten, üppigen Wäldern in der Umgebung dieses einsamen Ortes. Es wirkt, als wäre es von Gott verflucht, so dass hier nichts gedeiht.«
»Ich sehe doch, dass du Angst hast, Loingsech«, verhöhnte ihn die Frau.
»Ich fürchte mich nicht vor lebenden Menschen«, protestierte der Krieger.
»Nicht vor lebenden … und auch nicht vor toten?«, spöttelte sie weiter. »Keine Sorge, Krieger, die Abtei Cluain müsste ganz in der Nähe sein, wenn man dem Pfad durchs Tal folgt.«
Sie wandte sich zu ihrer Gesellschafterin um, die im dunklen Innenraum der Kutsche saß. »Welch ein Zufall, dass wir ausgerechnet hier angehalten haben, denn hier trennen sich unsere Wege.«
Die Angesprochene bewegte sich. Es war ein junges Mädchen, kaum älter als Anfang zwanzig.
»Ich bin bereit, Lady.«
Die Frau nickte bedächtig. »Du weißt, was du zu tun hast?«
»Ich müsste morgen früh in Finnbars Abtei ankommen. Danach soll ich dich in Cluain wieder treffen, spätestens bis Ende der Woche.«
»Ausgezeichnet. Geh mit Gott.«
Das Mädchen senkte den Kopf und kletterte aus der Kutsche. Es lief flink nach hinten, band das Pferd los, saß mit den fließenden Bewegungen einer geübten Reiterin auf und ritt ohne weitere Abschiedsgeste in schnellem Trab davon, auf den Wald im Nordwesten zu. Die Frau beobachtete ihren Aufbruch, sank schließlich zufrieden zurück in die Kissen, mit denen der Innenraum der Kutsche ausgestattet war, und befahl dem Kutscher, weiterzufahren.
Die Gebäude, die sie kurz darauf erreichten, wirkten genauso öde und verlassen wie das Tal selbst. Dunkle, verwitterte Kalksteinblöcke bildeten eine ungleichmäßige, zerbröckelnde Mauer um eine halb zerfallene Kapelle und um mehrere runde bothán, Wohnhütten, die sich dahinter versteckten. Allerdings war kein Lebenszeichen zu sehen, selbst dann nicht, als der junge Krieger vor das große Eichentor ritt, seine Trompete hervorholte und mit dem traditionellen Signal die Ankunft eines hohen Gastes ankündigte.
Das Echo verhallte und blieb ohne Antwort. Kein Geräusch war zu hören außer der wütenden Kakophonie von aufgeschreckten Vögeln, deren Rufe sich zu einem ohrenbetäubenden Chor vereinten.
Der junge Krieger näherte sich mit gerunzelter Stirn den Torflügeln und drückte dagegen. Sie schwangen mühelos auf.
Er ritt hindurch, blieb abrupt stehen und erstarrte schlagartig im Sattel; ein kurzer hölzerner Bolzen ragte aus seiner linken Schulter. Das Pferd war vor Überraschung und Schreck mit dem Kopf zur Seite gezuckt und hatte dem Krieger dabei die Zügel aus der Hand gerissen. Mit schrillem, angsterfülltem Wiehern bäumte es sich auf, drehte sich blindlings um und preschte davon, während der schwer verwundete junge Mann, aus dessen Schulter Blut strömte, sich am Sattel festklammerte.
Bevor der Begleitschutz auf dem Wagenkasten aufstehen und seine Waffe zücken konnte, trafen auch ihn zwei Bolzen aus einer unsichtbaren Armbrust. Mit verwunderter Miene stürzte er vom Kutschbock, und man brauchte kein Arzt zu sein, um zu erkennen, dass er tot war, noch bevor er auf dem Boden aufschlug. Die Kutschpferde bäumten sich erschrocken auf, als sein Körper auf ihre Rücken prallte. Der entsetzte Schrei des Kutschers erstickte, als auch er auf seinem Sitz zusammensank. Die Pferde stampften und schnaubten aufgeregt.
Die Frau beugte sich erneut aus dem Fenster und starrte fassungslos auf die Leichen ihrer Gefolgsleute; von hier war keine Hilfe mehr zu erwarten. Zögernd wandte sie den Blick von ihnen ab und den Männern zu, die auf die Kutsche zukamen und sie umstellten.
Eine tiefe Stimme rief höhnisch: »Komm und leiste uns Gesellschaft, Lady.«
Die Frau biss entschlossen die Zähne zusammen und stieg aus. Mit raschem Blick musterte sie die drei Gestalten, die ihr gegenüberstanden. Zwei von ihnen hatten merkwürdig aussehende Waffen auf sie gerichtet. Sie erinnerte sich, solche Bögen schon einmal gesehen zu haben: in Tara, bei den Kriegern der Pikten von Alba, die man hier in den Fünf Königreichen Cruithne nannte und die ihre Gesandten zum Hof ihres Gatten begleiteten. Es handelte sich um Armbrüste, grausame Waffen, deren Bolzen, aus kurzer Distanz abgeschossen, tödlich waren. Die Gesichtszüge des dritten Mannes wurden von einer Maske verdeckt. Seine Kleidung schien von guter Qualität zu sein, und in einer kunstvoll verzierten Scheide an seiner Hüfte steckte ein ebenso kunstvoll verziertes Schwert. So etwas konnte weder einem einfachen Krieger noch einem Dieb gehören.
»Wo ist Antrí?«, fragte sie, doch ihr Befehlston wirkte gezwungen. »So hatten wir das nicht abgesprochen!«
»Komm mit mir, Lady«, erwiderte der Maskierte und deutete auf die offenen Tore der Abtei. Seine Stimme klang höflich, doch der drohende Unterton war nicht zu überhören.
»Du solltest wissen, dass ich Grella bin, die Gattin des Hochkönigs Cenn Fáelad mac Blaithmaic, eines Nachkommen der Síl nÁedo Sláine, des Thronfolgers von Niall …«
Der Mann brach in zynisches Lachen aus und brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Ich weiß genau, wer du bist, Lady«, sagte er. »Welchen Grund sollte ich sonst haben, dir meine Gastfreundschaft anzubieten?«
»Wer bist du?«, fragte sie verblüfft. »Mir scheint, ich kenne dich, aber du bist nicht Antrí.«
Sie sah sich seine zwei bewaffneten Begleiter genauer an. Ihre Kleidung wirkte ärmlich, sollte aber vielleicht nur über ihre Stellung hinwegtäuschen; ihre Frisuren und Bärte waren gepflegt und ihre Waffen von ausgezeichneter Qualität.
»Dem Himmel sei Dank, dass ich nicht Antrí bin«, antwortete der Mann.
»Deine Stimme klingt vertraut. Wo ist Antrí? Wurdet ihr nicht hierher geschickt, um mich zu treffen?«
»Leider ist es mir im Moment nicht möglich, mich vorzustellen«, erwiderte ihr Geiselnehmer amüsiert. »Es muss genügen, dass ich weiß, wer du bist; wer ich bin, wirst du noch früh genug erfahren. Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich lediglich meinen Unmut darüber äußern, dass der sogenannte Abt Antrí gesonderte Abmachungen trifft, die unserer ursprünglichen Vereinbarung entgegenstehen.«
Er führte sie durch die Tore der Abtei auf eines der baufälligen Gebäude zu. Dort blieb...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2019 |
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Reihe/Serie | Schwester Fidelma ermittelt | Schwester Fidelma ermittelt |
Übersetzer | Bela Wohl |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Bloodmoon |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Historische Kriminalromane | |
Schlagworte | Bruder Eadulf • Burg von Cashel • Cashel • Christentum • Christliche Kirche • Clans • Eadulf • Fehden • Fidelma • Irland • Irland im 7. Jahrhundert • Irland im siebenten Jahrhundert • Kelten • Kelten in Irland • Keltenkrimi • König von Cashel • Schwester Fidelma • Schwester Fidelma ermittelt • Welt der Kelten |
ISBN-10 | 3-8412-1856-3 / 3841218563 |
ISBN-13 | 978-3-8412-1856-8 / 9783841218568 |
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