Die Kompassmacherin (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
384 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1829-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kompassmacherin -  Andrea Bottlinger
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Die Vermessung der Welt.

Nürnberg, 1531: Als ihr Vater stirbt, setzt Katharina alles daran, sein Erbe antreten zu können. Doch nicht nur die Innung der Kompassmacher, sondern auch ihr eigener Onkel bemühen sich, dies zu verhindern. Sie fürchten die Konkurrenz - ausgerechnet von einer Frau. Dann plötzlich kommt Katharina ein Gerücht zu Ohren, das den Tod ihres geliebten Vaters in ein ganz neues Licht rückt. Mit einem Mal muss sie sich fragen, wer ihre wahren Feinde sind und ob sie überhaupt noch jemandem trauen kann ...

Authentisch und gut recherchiert: eine junge Frau, die für ihre Berufung kämpft und die Liebe findet.



Andrea Bottlinger wurde 1985 in Karlsruhe geboren. Sie hat in Mainz Buchwissenschaften, Komparatistik und Ägyptologie studiert und lebt und arbeitet inzwischen als freie Lektorin und Autorin in Frankfurt.

Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Romane 'Das Geheimnis der Papiermacherin' und 'Die Kompassmacherin' lieferbar.

3


Katharinas steife Röcke waren eindeutig nicht dazu gemacht, Leitern hinaufzuklettern. Sie beneidete Magda, die in ihrer leichteren Dienertracht zügig die Sprossen erklomm. Oben angekommen, verschwand sie im staubig-trüben Licht des Dachbodens, während sich Katharina noch abmühte, ihr zu folgen.

Schließlich zwängte sich auch Katharina durch die Luke in die abgestandene Luft unter dem Dach ihres Elternhauses. Sie hockte sich neben die Luke auf die Holzbohlen und brauchte erst mal einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. Dabei spähte sie nach unten und lauschte.

Kein Geräusch deutete darauf hin, dass ihr Onkel irgendetwas bemerkt hatte. Dennoch, wenn er hinaufkam und die Leiter und die offene Luke bemerkte, würde es Ärger geben.

»Ich ziehe die Leiter hoch«, flüsterte Katharina.

»Gute Idee«, drang Magdas Stimme zwischen Bündeln und Kisten hervor. Hier oben lagerten sie auch die schweren Winterdecken, wenn man sie im Sommer nicht brauchte, und einige Meisterstücke ihrer Vorfahren.

Für eine Weile mühte Katharina sich mit der Leiter ab, bis diese schließlich neben der Luke auf dem Boden lag. Vorsichtig schloss sich dann auch die Klappe. Als sie sich umdrehte, kam Magda gerade zwischen zwei Stoffbündeln wieder zum Vorschein. Staub lag auf ihrem Haar und Spinnweben hingen in ihrem Kleid, aber sie hielt triumphierend einen hölzernen Kasten in den Händen.

Für einen Moment fragte Katharina sich, ob ihr Vater sein Tagebuch vielleicht doch nicht mitgenommen, ob Magda es vielleicht all die Monate lang hier oben versteckt hatte. Aber warum sollte sie das tun, ohne etwas darüber zu sagen?

»Ich kann nicht lesen«, sagte Magda, »aber ich kann einen Brief von einer Rechnung unterscheiden. Ich weiß, wie Zahlen aussehen.«

Das erklärte noch nicht, was sie dort in der Hand hatte. Neugierig betrachtete Katharina den Kasten. »Ja?«

Plötzlich etwas verlegen hob Magda die Schultern. »Na ja, ich dachte mir, irgendwann werdet ihr es vielleicht bereuen, keine Erinnerungsstücke an deinen Vater mehr zu haben. Ich meine, ich wusste ja, dass ihr wütend wart, aber ich weiß auch, dass ich die Eheringe meiner Eltern nicht verlieren wollen würde.« Nervös spielten ihre Finger an dem Kasten herum.

Katharina verstand. Magdas Vater war im Krieg gefallen, Magdas Mutter früh verstorben.

»Also«, fuhr Magda fort, »habe ich Dinge in diese Kiste gepackt, die in irgendeiner Art persönlich aussahen. Es sind auch ein paar Bündel Briefe dabei.«

Mit einem Mal musste Katharina gegen Tränen anblinzeln. Ja, sie war noch immer wütend auf ihren Vater, weil er sie im Stich gelassen hatte. Andererseits wollte ein Teil von ihr immer noch glauben, dass Ludwig Benneke recht und ihr Vater andere Gründe für ihre Flucht gehabt hatte.

Allerdings, welche sollten das sein? Immer wieder bewegten sich ihre Gedanken bei dieser Frage im selben Kreis. In was für eine Bedrängnis konnte ihr Vater geraten sein, dass ihm die Flucht als einziger Ausweg erschien? Warum hatte er nicht mit ihr darüber gesprochen, ihr zumindest gesagt, was er vorhatte? Nein, allein dass der Hansekapitän mit seinen Worten wieder diese alte Hoffnung in ihr geweckt hatte, war grausam von ihm gewesen. Und im schlimmsten Fall würden die alten Dokumente endlich bestätigen, was sie schon immer vermutet hatten und gar keinen Raum für Hoffnung mehr lassen.

Dennoch griff Katharina eifrig nach der Kiste, als Magda sie ihr hinhielt.

Nach und nach nahm Katharina die Dinge aus der Kiste und legte sie neben sich auf den Boden. Da war das kleine Gebetsbuch, das ihre Eltern zur Hochzeit bekommen hatten, mit den handgemalten Initialen und den Verzierungen am Rand. Tatsächlich fühlte sie sich ein wenig leichter zu wissen, dass das nicht den Flammen überantwortet worden war. Sie fand auch ein Taschentuch mit den eingestickten Initialen ihres Vaters, das er immer bei sich getragen hatte. Und schließlich kam sie zu mehreren Bündeln an Briefen.

Vorsichtig löste sie das Band des ersten und ging die Texte durch. »Das hier ist geschäftlich.« Enttäuscht faltete sie die Briefe wieder zusammen und legte sie beiseite.

»Oh, das tut mir leid!« Magda wirkte ehrlich zerknirscht. »Ich habe nur viel Text gesehen und dachte, er erzählt vielleicht was Interessantes.«

»Du kannst es ja nicht wissen«, beruhigt Katharina sie. Dass Magda sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, Dinge aufzubewahren, die ihr Onkel in seiner Wut hatte zerstören und die Katharina selbst nicht als Erinnerung an ihren Schmerz hatte behalten wollen, berührte Katharina tief. Das würde sie ihr so schnell nicht vergelten können.

Sie wandte sich dem nächsten Bündel zu. Wie beim ersten überprüfte sie zuerst den Absender. Als sie den Namen »Benneke« las, schlug ihr Herz schneller.

»Das ist es! Die Briefe sind unterschrieben mit Ferdinand Benneke! Und schau, wie viele er geschrieben hat!« Sie hielt den Stapel hoch, der ebenfalls mit einem Band zusammengehalten worden war, damit Magda sehen konnte, wie dick er war. Ludwig Benneke hatte also zumindest in dieser Hinsicht nicht gelogen.

Magda strahlte. »Dann lies schon! Los! Lass uns sehen, ob wir irgendetwas herausfinden können!«

Das ließ Katharina sich nicht zweimal sagen.

Der älteste Brief war dem Datum nach zehn Jahre alt. Falls es davor bereits einen Briefwechsel gegeben hatte, musste ihr Vater die alten Briefe irgendwann verloren oder weggeworfen haben. Außerdem fehlten natürlich all die Briefe, die ihr Vater an Ferdinand Benneke geschrieben hatte, und sie hatte nur Bennekes Antworten. Aber auch so ergab sich ein gutes Bild.

Ferdinand Benneke sprach viel und mit Stolz über seinen Sohn. Ludwig hatte zudem noch zwei jüngere Schwestern, und es fühlte sich ein wenig seltsam an, über das Leben eines Menschen zu lesen, den Katharina gerade erst getroffen hatte. Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, die Nase in Angelegenheiten zu stecken, die sie nichts angingen. Andererseits, wie sollte sie sonst Antworten bekommen? Onkel Emil würde ihr sicher nichts verraten.

Entschlossen nahm sich Katharina den nächsten Brief vor und dann den nächsten. Der Ton der Texte war vertraut und warm, manchmal auch ein wenig traurig, wenn er von alten Zeiten sprach. Hin und wieder eröffneten Ferdinand Bennekes Worte kurze Einblicke auf das, was ihr Vater geschrieben haben könnte. Fragmente der Gedanken eines Mannes, von dem sie sich nicht mehr sicher war, ob sie ihn je gekannt hatte.

Mein lieber Jörg, ich möchte Dir und Deiner Katharina ganz herzlich zum Beginn ihrer Lehre gratulieren. Ich weiß, dass Du hart dafür gekämpft hast, und dass es Dir viel bedeutet, sie ihre Wünsche erfüllen zu sehen 

Erst als ein Tropfen auf das Papier fiel und Magda ihre Hand ergriff, wurde Katharina bewusst, dass sie weinte. Sie ließ den Brief sinken, schniefte und wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides die Tränen aus den Augen. Wenn das wirklich stimmte, was hatte sich zwischen damals und seinem Tod verändert?

Magda drückte ihre Hand und wartete stumm ab, bis Katharina sich wieder beruhigt hatte. Nach einem Moment legte Katharina den Brief wütend zur Seite. So viel konnte es ihm letztendlich doch nicht bedeutet haben.

Die restlichen Briefe ging sie nur noch oberflächlich durch. Die Abstände der Briefe wurden größer, je weiter die Zeit fortschritt, aber sie rissen nie ganz ab. Der letzte war nur ein paar Monate vor dem Tod von Katharinas Vater gekommen. Den las sie besonders sorgfältig, aber nichts deutete darauf hin, dass Ferdinand Benneke irgendetwas von der Flucht seines alten Freundes gewusst hatte. Stattdessen berichtete er von denselben Dingen, über die er schon die ganze Zeit zuvor geschrieben hatte. Ludwig Benneke war damals gerade Kapitän auf seinem eigenen Schiff geworden. Seine Schwester Julia hatte einen Mann gefunden. Ferdinand Benneks Frau war zum damaligen Zeitpunkt schon seit fünf Jahren tot. Typhus. Sie war offenbar nicht seine große Liebe gewesen, aber manchmal vermisste er sie.

Und dann hielt Katharina plötzlich nur noch ein Blatt Papier in der Hand, auf dem eine eilig hingekritzelte Nachricht in der Handschrift ihres Vaters stand:

Mein lieber Ferdinand,

im Moment habe ich nicht viel Ruhe zum Schreiben, aber Emil bereitet mir Sorgen und ich möchte Dir zumindest so weit davon erzählen, wie ich es kann. Wir haben schon wieder gestritten. Ich wünschte, wir könnten uns sehen und ich könnte Dir alles im Detail erzählen und mein Herz ausschütten.

Im Moment bin ich mir nicht sicher, was ich tun soll. Falls Du bald länger nichts mehr von mir hörst, habe ich keine gute Lösung gefunden. Wohnt unser gemeinsamer Freund Martin Spengler eigentlich immer noch in Mainz? Eventuell könnte ich seine Dienste benötigen.

Ich

Damit brach der Brief einfach ab. Es gab noch einen Klecks auf dem Papier, als wäre der Federkiel etwas zu heftig bewegt worden. Katharina drehte das Blatt um, aber auch auf der Rückseite gab es nichts zu finden.

Dass er vage blieb, überraschte sie nicht weiter. Das Rugamt überprüfte den Briefverkehr eines jeden Kompassmachermeisters, um sicherzustellen, dass er das Geheimnis nicht auf diese Weise weitergab. Zu Persönliches wollte man die Beamten dort nicht sehen lassen.

Dann jedoch fiel Katharinas Blick auf das Datum, mit dem ihr Vater seine Nachricht versehen hatte. Sie schnappte nach Luft. Aufgeregt hielt sie das...

Erscheint lt. Verlag 18.2.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Das Vermächtnis des Vaters • Geheimnis • Handwerk • Historische Berufe • Kompass • Kompassnadel • Nürnberg • Starke Frau • Vermächtnis
ISBN-10 3-8412-1829-6 / 3841218296
ISBN-13 978-3-8412-1829-2 / 9783841218292
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