Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
560 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-25205-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Gottkaiser des Wüstenplaneten - Frank Herbert
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Dreieinhalb Jahrtausende sind auf Arrakis vergangen, und die Welt hat sich gewandelt: Der ehemalige Wüstenplanet ist dank technischer Mittel eine grüne Oase geworden. Die einst so stolzen Fremen sind nur noch ein Schatten ihrer selbst, eine Touristenattraktion. Doch es gibt noch ein Stück Vergangenheit auf Arrakis, sorgfältig vor Feuchtigkeit geschützt: die Wüste Sareer. Dort lebt Leto II., der Sohn von Paul Muad'dib. Seit Jahrtausenden vollzieht sein Körper eine Wandlung, geht eine Symbiose mit dem Shai-Hulud ein. Er hat seine Menschlichkeit aufgegeben, um die Menschen zu retten, tritt jetzt als Gott auf und verlangt absolute Unterwerfung. Doch seine Gegner wissen, dass er verletzlich ist - und sie verfügen über die Waffen, um ihn zu vernichten ...

Frank Herbert (1920-1986) wurde in Tacoma, Washington, geboren. Nach einem Journalismus-Studium arbeitete er unter anderem als Kameramann, Radiomoderator, Dozent und Austerntaucher, bevor 1955 sein Debütroman »The Dragon in the Sea« zur Fortsetzung in einem Science-Fiction-Magazin veröffentlicht wurde. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm schließlich Mitte der 1960er-Jahre mit seinem Roman »Der Wüstenplanet«, der sowohl mit dem Hugo Award als auch mit dem Nebula Award ausgezeichnet wurde. Bis heute gilt »Der Wüstenplanet« zusammen mit den Nachfolgeromanen als einzigartige literarische Weltenschöpfung, die jede Generation von Leserinnen und Lesern neu für sich entdeckt.

Ich bin der leidenschaftlichste Menschenbeobachter, der je gelebt hat. Ich beobachte sie in meinem Inneren, und ich beobachte sie außerhalb von mir. Vergangenheit und Gegenwart überlagern sich in mir. Und während sich die Metamorphose meines Fleisches fortsetzt, widerfährt meinen Sinnen Wunderbares. Es ist, als würde ich alles aus nächster Nähe wahrnehmen. Ich habe ein extrem feines Gehör und scharfe Augen und kann mit meinem Geruchssinn exakte Unterscheidungen treffen. Ich kann Pheromone in einer Konzentration von drei Teilen auf eine Million entdecken und bestimmen. Das weiß ich, ich habe es überprüft. Es gibt nicht viel, was sich vor meinen Sinnen verbergen lässt. Ihr wärt entsetzt, wenn ihr wüsstet, was ich allein anhand von Gerüchen herausfinden kann. Eure Pheromone verraten mir, was ihr gerade tut oder worauf ihr euch innerlich vorbereitet. Und eure Gesten und Körperhaltungen! Ich habe einmal einen halben Tag lang einen alten Mann beobachtet, der in Arrakeen auf einer Bank saß. Er war ein Nachfahre des Naibs Stilgar in fünfter Generation und wusste es nicht einmal. Ich betrachtete seine Nackenlinie, die Hautlappen unter seinem Kinn, die rissigen Lippen, die Feuchtigkeit um seine Nasenlöcher, die Poren hinter seinen Ohren, das feine graue Haar, das unter der Kapuze seines uralten Destillanzugs hervorschaute. Es fiel ihm nicht auf, dass ich ihn beobachtete. Ha! Stilgar hätte es nach einer oder zwei Sekunden bemerkt. Doch dieser alte Mann wartete nur auf jemanden, der nie auftauchte. Schließlich erhob er sich und trottete davon. Nach dem langen Sitzen waren seine Bewegungen steif. Ich wusste, dass ich ihn als Menschen aus Fleisch und Blut nie wiedersehen würde. Er war dem Tod nahe, und sein Wasser würde gewiss verschwendet werden. Aber darauf kam es inzwischen ja nicht mehr an.

– Die gestohlenen Tagebücher

Leto dachte, dass der Ort, an dem er seinen gegenwärtigen Duncan Idaho erwartete, der interessanteste Ort im Universum war. Nach allen menschlichen Maßstäben war es ein gewaltiger Raum, der das Zentrum einer sorgsam angeordneten Reihe von Katakomben unter seiner Zitadelle bildete. Dreißig Meter hohe und zwanzig Meter breite Gewölbe gingen wie Speichen von der Nabe ab, in der er wartete. Sein Wagen stand genau in der Mitte der Nabe, einem unterirdischen Dom, der an seinem höchsten Punkt hundert Meter hoch war und einen Durchmesser von vierhundert Metern hatte.

Leto empfand diese Ausmaße als beruhigend.

Es war früher Nachmittag, doch das einzige Licht in dem Kuppelgewölbe kam von einigen auf Suspensoren treibenden Leuchtgloben, die so eingestellt waren, dass sie einen schwachen, orangefarbenen Schein abgaben. Das Licht reichte nicht weit in die Speichen, aber Letos Erinnerungen sagten ihm, wo genau sich dort alles befand: das Wasser, die Knochen, der Staub seiner Vorfahren und jener Atreides, die auf dem Wüstenplaneten gelebt hatten und dort gestorben waren. Sie alle waren ebenso hier wie einige Behälter Melange, die den Eindruck erwecken sollten, dass es sich dabei um seinen ganzen Hort handelte – sollte es jemals zum Äußersten kommen.

Leto wusste, warum der Duncan kam. Idaho hatte erfahren, dass die Tleilaxu einen neuen Ghola herstellten, einen weiteren Duncan – nach den Maßgaben, die ihnen der Gottkaiser gesandt hatte. Und nun fürchtete dieser Duncan, dass man ihn nach beinahe sechzig Jahren Dienst ersetzen würde. Die moralische Zersetzung der Duncans begann immer mit solchen Vorgängen. Zuvor hatte ein Gildenbotschafter Leto seine Aufwartung gemacht und ihn darüber informiert, dass die Ixianer dem gegenwärtigen Duncan eine Lasgun hatten zukommen lassen.

Leto lachte leise. Die Gilde reagierte weiterhin extrem empfindlich auf alles, was ihre dürftige Versorgung mit dem Gewürz gefährden könnte. Der Umstand, dass Leto die letzte Verbindung zu den Sandwürmern war, die die ursprünglichen Gewürzvorräte erzeugt hatten, machte ihnen große Angst.

Wenn ich weitab vom Wasser sterbe, wird es kein Gewürz mehr geben. Nie wieder.

Das fürchtete die Gilde. Und ihre Buchhalter-Historiker versicherten ihr, dass Leto auf dem größten Melangevorrat des Universums saß – was die Gilde zu einem halbwegs verlässlichen Verbündeten machte.

Während er wartete, machte Leto die Hand- und Fingerübungen, die ihn sein Bene-Gesserit-Erbe gelehrt hatte. Diese Hände waren sein ganzer Stolz. Die langen Finger und die opponierbaren Daumen unter der grauen Sandforellenmembran waren wie Menschenhände einsetzbar. Seine Beine und Füße hingegen hatten sich in mehr oder weniger nutzlose Flossen verwandelt, die eher unpraktisch als peinlich waren. Er konnte kriechen, sich herumrollen und seinen Leib mit erstaunlicher Schnelligkeit nach vorne wuchten, doch manchmal fiel er dabei auf die Flossen, und das tat ziemlich weh.

Warum brauchte der Duncan nur so lange?

Leto stellte sich vor, wie der Mann schwankte, zögerte, wie er aus einem Fenster auf den verschwommenen Horizont der Sareer blickte. Die Luft flimmerte heute vor Hitze. Bevor er in die Krypta hinabgestiegen war, hatte Leto im Südwesten eine Fata Morgana gesehen. Der Hitzespiegel hatte ein Bild gekippt und auf den Sand geworfen: ein Trupp Museumsfremen, die zur Erbauung der Touristen an einem Schausietch vorbeigezogen waren.

Es war immer kühl in der Krypta, und das Licht war immer gedämpft. Die Tunnelspeichen waren dunkle Röhren, die sanft aufwärts und abwärts führten, sodass Leto sie mit seinem Wagen nutzen konnte. Manche Tunnel gingen hinter falschen Wänden noch viele Kilometer weiter – Passagen, die Leto mit ixianischen Werkzeugen für sich selbst geschaffen hatte, verborgene Zugänge, Geheimwege.

Während er über das bevorstehende Gespräch nachdachte, wurde Leto immer nervöser. Das war ein interessantes Gefühl, an dem er sich schon früher erfreut hatte. Leto war sich darüber im Klaren, dass er den gegenwärtigen Duncan durchaus mochte, und er hoffte, dass der Mann das Gespräch überleben würde. Manchmal kam es so. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Duncan eine tödliche Gefahr darstellte, war nicht sehr groß, aber Leto befasste sich nicht mit Wahrscheinlichkeiten. Er hatte einmal versucht, das einem der früheren Duncans zu erklären – hier in diesem Gewölbe.

»Es muss dir merkwürdig vorkommen, dass ich mit meinen Kräften von Glück und Zufall spreche«, hatte Leto gesagt.

Der Duncan war ziemlich wütend gewesen. »Du überlässt nichts dem Zufall. Ich kenne dich!«

»Wie naiv. Der Zufall ist die Natur unseres Universums.«

»Nicht der Zufall. Die Heimtücke. Und du bist der Urheber der Heimtücke!«

»Hervorragend, Duncan. Heimtücke ist etwas zutiefst Vergnügliches. Und unser Umgang damit schärft unsere Kreativität.«

»Du bist nicht einmal mehr ein Mensch!«

Oh, wie wütend dieser Duncan gewesen war.

Der Vorwurf hatte Leto geärgert. Er hatte sich wie ein Sandkorn im Auge angefühlt. Leto klammerte sich mit unbestreitbarer Ernsthaftigkeit an sein einst menschliches Selbst, auch wenn es ihm nicht gelang, mehr als diese leichte Verärgerung aufzubringen.

»Dein Leben wird zu einem Klischee«, hatte er erwidert.

Worauf der Duncan einen kleinen Sprengkörper aus den Falten seiner Uniformrobe gezogen hatte. Welche Überraschung!

Leto liebte Überraschungen, sogar hässliche.

Das hatte ich nicht vorhergesehen! Und das hatte er dem Duncan auch gesagt, der seltsam unentschieden vor ihm gestanden hatte, nun, da ihm eine endgültige Entscheidung abverlangt wurde.

»Das hier könnte dich töten«, hatte der Duncan gesagt.

»Tut mir leid, Duncan. Es wird nur zu einer leichten Verletzung führen, mehr nicht.«

»Aber du hast gesagt, dass du es nicht vorhergesehen hast!« Die Stimme des Duncan hatte einen schrillen Ton angenommen.

»Duncan, Duncan, die absolute Voraussicht kommt für mich dem Tod gleich. Und wie unaussprechlich langweilig der Tod doch ist!«

Im letzten Moment hatte der Duncan versucht, den Sprengkörper zur Seite zu werfen, doch das Material war instabil gewesen und hatte zu früh gezündet. Die Explosion hatte den Duncan getötet. Ah, nun gut – die Tleilaxu hatten immer einen neuen in ihren Axolotl-Tanks.

Einer der über Leto schwebenden Leuchtgloben begann zu blinken. Aufregung erfasste ihn. Moneos Zeichen! Der treue Moneo teilte seinem Gottkaiser mit, dass der Duncan auf dem Weg in die Krypta war.

Im Nordwestbogen der Nabe öffnete sich die Tür zum Menschenaufzug, und der Duncan trat heraus, eine kleine Gestalt in der Ferne, die Leto dennoch in all ihren Einzelheiten wahrnahm. So verriet ihm eine Falte am Ellbogen der Uniform, dass der Mann zuvor das Kinn in die Hand gestützt hatte. Ja, man konnte sogar noch den Handabdruck am Kinn erkennen. Der Geruch des Duncans eilte ihm voraus – der Mann befand sich in einem Adrenalinrausch.

Leto schwieg, während sich der Duncan näherte, und beobachtete alles ganz genau. Der Gang des Duncans war noch immer federnd wie der eines jungen Mannes, trotz der vielen Dienstjahre. Das hatte er der regelmäßigen Einnahme winziger Melangedosen zu verdanken. Der Mann trug die alte Atreides-Uniform mit dem goldenen Falken an der linken Brust. Das war eine interessante Botschaft: »Ich diene der Ehre der alten Atreides!« Sein Haar glich noch immer einer schwarzen Karakul-Mütze, und sein scharf geschnittenes Gesicht mit den hohen Wangenknochen war wie versteinert.

Die Tleilaxu machen wirklich gute Gholas, dachte Leto.

Der Duncan hatte eine dünne Mappe aus dunkelbraun gewebten Fasern in der Hand, die er...

Erscheint lt. Verlag 13.12.2021
Reihe/Serie Der Wüstenplanet - neu übersetzt
Der Wüstenplanet - neu übersetzt
Übersetzer Jakob Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel God Emperor of Dune
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Arrakis • Bestseller • Der Wüstenplanet • Dune • eBooks • Ferne Zukunft • fremde Galaxien • Fremde Welten • Fremen • Verfilmung
ISBN-10 3-641-25205-9 / 3641252059
ISBN-13 978-3-641-25205-2 / 9783641252052
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