Totendamm (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
448 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-25189-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Totendamm - Eric Berg
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Neuausgabe von »So bitter die Rache«! Ein spektakulärer Küstenkrimi von SPIEGEL-Bestsellerautor Eric Berg.
Nach Jahren im Ausland kehrt Ellen Holst mit ihrem Sohn nach Deutschland zurück - und hofft, in dem kleinen Haus in der beschaulichen Siedlung »Vineta« in Heiligendamm an der Ostsee endlich zur Ruhe zu kommen. Erst beim Einzug erfährt sie, dass in ihrem neuen Zuhause vor sechs Jahren drei Menschen ermordet wurden. Ellen will sich von der schrecklichen Vorgeschichte ihres Hauses nicht irre machen lassen, doch plötzlich kommt es zu beunruhigenden Vorkommnissen: Gegenstände verschwinden spurlos aus dem Haus. Ellen fühlt sich beobachtet. Und es gibt merkwürdige Parallelen zu den Geschehnissen vor sechs Jahren ...
Dieser Roman ist bereits unter dem Titel »So bitter die Rache« erschienen.

Eric Berg zählt seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Autoren. 2013 verwirklichte er einen lang gehegten schriftstellerischen Traum und veröffentlichte seinen ersten Kriminalroman »Das Nebelhaus«, der 2017 mit Felicitas Woll in der Hauptrolle der Journalistin Doro Kagel verfilmt wurde. Seither begeistert Eric Berg mit jedem seiner Romane Leser und Kritiker aufs Neue und erobert regelmäßig die Bestsellerlisten.

1

Ende Mai 2016

Es wäre wohl für jeden ein seltsames, verstörendes Gefühl, in ein kleines Haus einzuziehen, in dem sechs Jahre zuvor drei Menschen ermordet worden sind. Hätte Ellen das doch nur früher gewusst …

Aber sie hat es gerade erst erfahren, rein zufällig, wenn man Dorfklatsch als Zufall bezeichnen will. Die Maklerin hat es ebenso wenig erwähnt wie der Notar, aus verständlichen Gründen, und selbst wenn, nach einem weiteren Blick auf ihr neues Zuhause ist sie sich ziemlich sicher, wie sie entschieden hätte. Es ist einfach zu schön. Ganz Heiligendamm ist einfach zu schön, um es sich von einer abstrakten Tragödie aus vergangenen Tagen kaputtmachen zu lassen.

Ellen stellt die beiden Einkaufstaschen ab, reibt sich die vom Tragen leicht geröteten Finger und blickt den breiten gepflasterten Weg hinauf, wo hinter zahlreichen Bäumen, Büschen und Sträuchern der Dachfirst zu erkennen ist. Obwohl … ist das überhaupt ihr Haus? Sie ist gerade erst eingezogen und findet sich noch nicht zurecht.

Die Anlage, die vier Häuser umfasst, liegt am Rand eines Buchenwaldes. Sonnenstrahlen dringen an diesem Frühlingsmorgen durch das junge Blattwerk und werfen Spots auf die lindgrünen Farne, das tiefe Violett der Rhododendren und das frische Gelb der Forsythien. Hunderte Iris, Tulpen und Narzissen säumen die verschlungenen Wege, zwischen den Gebäuden und zum Haupteingang. Das Gelände strahlt die Noblesse eines Kurparks aus, die jedoch durch den sie umgebenden Wald gemildert, sozusagen geerdet wird. Auch der schlechte Zustand der zu den Häusern gehörenden privaten Gärten konterkariert das gepflegte Erscheinungsbild der Anlage.

Obwohl, je länger sie verweilt und sich umsieht, desto mehr fallen ihr Anzeichen von Verfall auf, die ihr zwei Wochen zuvor beim Termin mit der Maklerin entgangen sind. Etwa ist die Siedlung von einer Mauer umgeben, die aussieht, wie von einer entstellenden Krankheit befallen. Wozu überhaupt eine Mauer, wenn der Haupteingang für Autos und Fußgänger frei passierbar ist? Gittertor und Schranke sind gewiss schon ewig nicht mehr geschlossen worden, sehr zur Freude alteingesessener Spinnenfamilien. Das Pförtnerhäuschen steht verlassen da, durch das verschmierte Fenster könnte man gefahrlos eine totale Sonnenfinsternis beobachten. Die drei Fahnenmasten daneben haben, wie zwangspensionierte Senioren, ihre Bestimmung verloren.

»Jetzt werd bloß nicht mäkelig«, raunt Ellen sich selbst zu und lässt den Blick in die andere Richtung schweifen, auf die Küste und das Meer. Wunderbar, wie sich dort, wo sie steht, alles versammelt, was Sinne erfassen können. Die Uferböschung ist nur zwei Steinwürfe entfernt, und vom Strand dringen gedämpft die Geräusche sanfter Wellen und spielender Kinder herauf, die sich mit dem Summen des Waldes vermengen. Das Meer ist wie blaues Perlglas. Alles strotzt von Leben und ist doch ganz ruhig, geradezu meditativ. Auf dem Weg die Uferböschung entlang ziehen, beinahe unwirklich, die schwarzen, stummen Silhouetten einiger Spaziergänger und Fahrradfahrer vorüber.

Wie um ein letztes gutes Argument vorzubringen, atmet sie das Gemisch aus aerosolhaltiger Brandung und moosigem Holz tief ein.

Alles richtig gemacht, denkt sie und nimmt die beiden Taschen wieder auf, um die letzten Meter hügelauf zu gehen.

Ellen ist am Morgen mit der Bäderbahn Molli, einem dampfenden Unikum mit nostalgischen Waggons und einem markanten Pfeifen aus einer anderen Zeit, nach Bad Doberan gefahren, um ein paar Lebensmittel einzukaufen. Eigentlich unvernünftig, gleich am ersten Tag nach dem Umzug einen umständlichen Ausflug zu unternehmen, doch ihre zweiundvierzig Jahre sind binnen Sekunden auf fünfundzwanzig zusammengeschmolzen. Sie wurde wieder zu jener jungen Frau, die sie mal war, abenteuerlustig und neugierig, voller Ungeduld, diesen Ort und alles, was dazugehört, zu ihrer neuen Heimat zu machen.

Im Café bekam ihre Euphorie einen unerwarteten Dämpfer versetzt. Ellen ließ sich gerade von der Chefin ein paar Tipps geben, als sie erwähnte, dass sie in die Vineta-Siedlung gezogen sei. Die Reaktion der Cafébesitzerin war ein »Oh«, und zwar eines von der Sorte, das sich wie »Autsch« anhört. Es folgte etwas, das man eine grauenhafte Geschichte hätte nennen können, hätte die Frau wenigstens mit ein paar Details aufgewartet. Doch als die Tragödie vor sechs Jahren passierte, hatte sie noch in Greifswald gewohnt und alles, was sie wusste, von einem Gast erfahren. Der Tourist hatte es wiederum von einem polnischen Saisonarbeiter erzählt bekommen.

Zog man alles ab, was unklar oder widersprüchlich war, blieben nur die Anzahl der Todesopfer übrig und die Tatsache, dass sie alle drei – merkwürdig genug – auf unterschiedliche Weise gestorben waren. Da eines der Opfer mit einem Schürhaken erschlagen worden war, ging die Polizei zunächst von mehreren Tätern aus. Allerdings fanden sich keine fremden DNA-Spuren am Tatort, und es fehlte auch nichts, weshalb Raubmord als Motiv ausschied. Irgendjemand aus dem Umfeld der Opfer war angeklagt worden, aber an diesem Punkt endete das Halbwissen der Erzählerin.

»Na ja, Hauptsache, Sie wohnen nicht im Haus ›Sorrento‹«, schloss sie. »In der Siedlung haben doch alle Häuser so komische Namen, oder? Jedenfalls herzlich willkommen bei uns. Und bis bald mal wieder, ja?«

Die Worte der Cafébesitzerin noch im Ohr, blickt Ellen auf den schmiedeeisernen Namenszug über der Haustür: Sorrento. Ein Städtchen am Golf von Neapel, bekannt für malerische Sonnenuntergänge und uralte Orangen- und Zitronenhaine, ist hier zum Synonym für ein brutales Verbrechen geworden.

Die anderen Häuser der Vineta-Siedlung sind durch das dichte Buschwerk kaum zu erkennen, allenfalls ragt mal ein Giebel über Hecken und Holunderbüschen heraus, oder ein Zipfel eines gelben Erkers lugt zwischen den Bäumen hervor. Beim ersten Rundgang am vorherigen Abend hat Ellen bemerkt, dass die Häuser zwar von ähnlichem Baustil, aber von unterschiedlicher Größe, Farbe und Form sind, sodass sie ein normales Dorf imitieren. Es gibt sogar einen Dorfplatz mit einer Linde und einem Brunnen, der jedoch stillgelegt ist.

Ellens Garten ist fast völlig zugewuchert, allerdings hat jemand vor Kurzem den schlimmsten Wildwuchs zurückgeschnitten, sodass man zumindest um das Haus herumgehen kann, ohne irgendwo hängen zu bleiben. Es gibt also noch viel zu tun, was sie nicht im Geringsten stört. Dann hat sie wenigstens eine Beschäftigung, die jene Grübeleien fernhält, die mit der Trennung von einem Lebenspartner einhergehen. Besonders schön – und ausschlaggebend für den Kauf des Hauses – sind die beiden Terrassen, eine große im hinteren Garten, die man vom Wohnzimmer aus betritt, und eine kleine im Vorgarten, die an die Küche grenzt. Beide sind ansprechend möbliert.

»Tris?«, ruft Ellen ins Obergeschoss hinauf, sobald sie das Haus betritt.

Es bleibt still.

Sie verstaut die Lebensmittel. Um die Küche hat sie sich schon am Vortag gekümmert. Sie hasst es, ihren morgendlichen Kaffee auf einer Baustelle zu trinken und das Mittag- und Abendessen zwischen Kisten zuzubereiten. Mit ihren zweiundvierzig Jahren ist sie bereits an die zwanzigmal umgezogen, zehnmal mehr als viele andere in achtzig Jahren, und immer war die Küche nach zwei, höchstens drei Stunden einsatzbereit. Das einfache Silberbesteck aus der Erbmasse ihrer Mutter lag in den Schubladen, die Kupfertöpfe ihres Vaters hingen an den Haken, die Backformen und altmodischen Gerätschaften der Großeltern standen in den Regalen.

Die Küche macht es ihr leicht, sich darin wohlzufühlen. Der weiße viktorianische Vitrinenschrank und der lange Tisch aus Erlenholz strahlen die Gemütlichkeit eines alten Ehepaares aus, wohingegen die Technik inklusive des imposanten Induktionsherds auf dem neuesten Stand ist.

Das gesamte Haus ist möbliert. Wer auch immer es eingerichtet hat, versteht etwas davon, wie man modernes Wohnen durch vereinzelte Antiquitäten behaglicher macht und umgekehrt Landhausstil durch futuristische Elemente vor Kitsch bewahrt. Je nach Zimmer dominiert mal das eine, mal das andere, mal die Vergangenheit und mal die Zukunft. Nur im Wohnzimmer gibt es neben einem offenen altmodischen Kamin auch ein riesiges Gemälde mit Meeresmotiv, das von einem zeitgenössischen Künstler stammt.

Ellen ertappt sich bei der Überlegung, in welchem Raum das Verbrechen wohl stattgefunden hat. Sie zieht es vor, das Geschehen von vor sechs Jahren als »Verbrechen« zu bezeichnen, da es trotz allem harmloser klingt als »Mehrfachmord« oder gar »Massaker«.

Wer wohl umgekommen ist? Und warum? Ist der Täter gefasst und verurteilt worden?

»Tris?«

Auf der Wendeltreppe ins Obergeschoss bemerkt sie, dass zwei der hölzernen, weiß lackierten Sprossen des Geländers angeknackst sind, eine war wohl sogar gebrochen. Statt sie zu ersetzen oder zu kleben, hat man sie an der Bruchstelle einfach mit einem gleichfarbigen Klebeband umwickelt. Unwillkürlich prüft sie, ob noch weitere Spuren von was auch immer auf der Treppe zu finden sind. Flecken? Schrammen?

Wenn es je welche gegeben hat, so sind sie vollständig beseitigt worden.

Eine Minute lang bleibt sie auf der Treppe stehen, bewegt sich kaum. Dann geht sie weiter und klopft an die Zimmertür ihres Sohnes.

»Tris?«

Sie öffnet, er ist nicht da. Seine Sachen sind zur Hälfte ausgepackt, offenbar hat er die Lust verloren. Tristan ist so rastlos und umtriebig wie die Kindheit, die er so gut wie hinter sich hat.

Ellens erste Vermutung bestätigt sich, als sie hinterm Haus entdeckt, dass sein Fahrrad...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Albanien • eBooks • Heiligendamm • Heimatkrimi • Klaus-Peter Wolf • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Küstengrab • Mord • Nebelhaus • Ostsee • Schattenbucht • So bitter die Rache • SPIEGEL-Bestsellerautor • Verbrechen
ISBN-10 3-641-25189-3 / 3641251893
ISBN-13 978-3-641-25189-5 / 9783641251895
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv (Verlag)
14,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49
Ein Provinzkrimi | Endlich ist er wieder da: der Eberhofer Franz mit …

von Rita Falk

eBook Download (2023)
dtv (Verlag)
14,99