Teufelswerk (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
Goldmann Verlag
978-3-641-24409-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Teufelswerk - Lotte Petri
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Über tausend Skelette sollen auf einem Friedhof in Kopenhagen verlegt werden, um einer neuen U-Bahn-Station Platz zu machen. Als zwischen den Gräbern ein grausamer Mord geschieht, ist sich die Bevölkerung sicher, dass die gestörte Totenruhe damit zu tun hat. Kriminalhauptkommissar Alexander Damgaard versichert sich der Hilfe der jungen Anthropologin Josefine Jespersen, die an dem Exhumierungsprojekt beteiligt ist. Und Josefine entdeckt tatsächlich etwas: In den zertrümmerten Schädel des Opfers wurde ein umgedrehtes Kreuz geritzt. Eine makabere Signatur des Mörders oder ein Zeichen des Teufels?

Lotte Petri lebt in der kleinen Küstenstadt Hornbæk nördlich von Kopenhagen, wo sie sich ganz dem Schreiben widmet. Nach »Teufelswerk« ist »Knochengrund« ihr zweiter Thriller um die forensische Anthropologin Josefine Jespersen.

Kapitel 1

Kopenhagen, 2014

DU BIST NUN EIN ENGEL. Die Inschrift auf der schwarzen Marmorsäule des Kindergrabes auf dem Assistens Kirkegård ließ die Rechtsanthropologin Josefine Jespersen einen Augenblick innehalten. Sie spürte einen kurzen Stich in der Bauchgegend, als sie die Jahreszahl las. 1986. Der Junge war im gleichen Jahr gestorben wie ihr Bruder. Und sie waren im gleichen Jahr geboren. Sie räusperte sich, während ihre Gedanken eine kurze Reise in die Vergangenheit unternahmen. Dann drehte sie sich um und ging auf die in einem Halbkreis stehenden, neongrün gekleideten Angestellten der Baugesellschaft Metro Service AG zu und signalisierte ihnen mit einem kurzen Nicken, dass sie mit der Arbeit beginnen konnten.

Der zeitige Wintereinbruch kam ihr wie ein böses Omen vor. Die Tage flossen unbemerkt ineinander, morgens wurde es immer später hell, und viel zu früh am Nachmittag schlich sich bereits die Dämmerung heran. Die Sonne hatte den Kampf gegen die Dunkelheit verloren, und Josefine fühlte sich wie in einer Art Winterruhe. Dichter Nebel lag über allem, und der Assistens Kirkegård hatte sich in eine schlammig aufgewühlte Baustelle verwandelt. Es regnete seit mehreren Tagen ununterbrochen, das Wasser strömte aus allen Poren der Erde.

Ein greller Scheinwerfer beleuchtete den Flecken, von dem zuerst die hohe, schlanke Marmorsäule entfernt und aus dessen Erde danach die sterblichen Überreste ausgegraben werden sollten, die dort einmal ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Ein Schrank von Mann bediente das Bobcat, das aussah wie ein Spielzeugbagger.

Josefine und die Archäologin Rita Magnussen verfolgten die Arbeiten von der Seitenlinie. Sie waren Teil eines Teams, das im Zusammenhang mit dem bevorstehenden U-Bahn-Bau am Nørrebro-Rondell für eine ethisch korrekt verlaufende Räumung des nördlichen Friedhofsbereiches sorgen sollte. Die sterblichen Überreste der betroffenen Gräber mussten ausgehoben und auf einen anderen Teil des Friedhofs verlegt werden. Das Projekt war, wie zu erwarten, auf massiven Widerstand gestoßen. Wegen Störung des Grabfriedens, wie viele meinten, was aber nicht ausgereicht hatte, um die Bauarbeiten zu stoppen.

Für Josefine war dies eine einzigartige Gelegenheit, an große Mengen Knochenmaterial zu gelangen, die Aufschluss über den allgemeinen Gesundheitszustand der Kopenhagener aus anthropologischer Sicht geben konnten. Die unzähligen Skelette waren das reinste Eldorado und ein sicheres Fundament für ihr aktuelles Forschungsprojekt. Parallel musste sie ihre tägliche Arbeit im Anthropologischen Labor erledigen. Als Expertin für Knochen half sie zwischendurch in der Rechtsmedizin aus, vorrangig bei Obduktionen nach schweren Verkehrsunfällen oder stark fortgeschrittener Verwesung, wenn die Leichen äußerlich nicht mehr zu identifizieren waren.

Rita Magnussen war vom Städtischen Museum ausgeliehen worden und für die Katalogisierung der Gräber zuständig. Sie lenkte die Ausgrabungsarbeiten mit eiserner Hand. Selbst gestandene Kerle wurden ganz zahm, wenn Rita sie mit Argusaugen bei der Bedienung der Minibagger beobachtete, mit denen sie die Erde in hauchdünnen Schichten abtrugen, damit sie ja nicht zu tief gruben und womöglich empfindliches Knochenmaterial beschädigten.

Es erwies sich als echtes Unterfangen, die schwarze Marmorsäule aus dem Wurzelgewirr des Baumes zu befreien, das sich entschlossen um den Sockel geschlungen zu haben schien, um ihr Vorhaben zu vereiteln. Efeuranken wanden sich mit schimmernden Schuppenblättern um den Baumstamm. Unter Einsatz einiger Spanngurte versuchten die Männer, die Säule aus der Umklammerung zu befreien. Mehrere Mitarbeiter der Baugesellschaft waren dazugestoßen, und Josefine lauschte dem südländischen Kauderwelsch, in dem sie sich verständigten. Die Metro-AG hatte einen italienischen Subunternehmer für die Betongussarbeiten angeheuert. Die Bauarbeiter befanden sich inzwischen seit über einem Jahr auf dänischem Boden, und ihrer Blässe nach zu urteilen schien ihnen das raue Klima im Norden nicht zu bekommen.

Diese besondere Grabstelle war Die letzte Bastion getauft worden, weil die Angehörigen sich hartnäckig der Grabräumung widersetzt und sogar den Bischof aufgefordert hatten, in der Sache einzuschreiten. Das hatte dazu geführt, dass die Metro-AG buchstäblich um die Grabstelle herum hatte arbeiten müssen, bis in der Angelegenheit entschieden worden war. Der Bischof hatte am Ende nichts ausrichten können, da die ethischen Regeln der Räumung bis aufs letzte Komma eingehalten worden waren. Die Ruhezeiten für Gräber liefen auf dem Assistens Kirkegård nach zwanzig Jahren aus. Unmittelbar nach der Antwort des Bischofs hatte die Metro-AG sich unter Aufsicht der Archäologen des Städtischen Museums an die Räumung des Grabes gemacht.

Josefine betrachtete die widerspenstige Säule, auf der kleine weiße Marmorflügel die Lichter der ersten Laternen reflektierten. Das Monument war ausgesprochen prachtvoll und hatte vermutlich ein Vermögen gekostet. Noch mehrere Meter entfernt spürte sie das Nachbeben des harten Aufschlags der Säule, die wie ein gefällter Baum zur Seite kippte und ziemlich exakt in der Mitte zerbrach, wie sie verärgert feststellte.

»Meine Güte, was für Idioten«, flüsterte sie Rita zu, die mit geballten Händen und angespannter Miene dastand, ehe sie auf den Bobcatfahrer zusteuerte und ihn mit ein paar Kraftausdrücken überschüttete, die keiner Übersetzung bedurften, während sie energisch mit den Händen gestikulierte. Ihre Locken strahlten fast weiß im Licht der Scheinwerfer.

Die Grabungsarbeiter banden umständlich ein paar Stricke um die Säulenstücke, um sie anschließend mit dem Bobcat abzutransportieren. Danach ging es in die nächste Arbeitsphase, in der mit dem Bagger behutsam eine Erdschicht nach der anderen abgetragen wurde, bis die Schaufel mit einem hohlen Kratzen über eine harte Oberfläche schabte und Rita das Zeichen gab, ab jetzt ohne Maschinen weiterzuarbeiten. Der Bobcat wurde abgestellt.

Sie traten an den Rand des Grabes und blickten in den dunklen rechteckigen Aushub.

»Scheint Eiche zu sein«, bemerkte Rita. »Auch wenn es eins der neueren Gräber ist, wären andere Holzsorten längst verrottet.«

Josefine nickte stumm.

Der Sargdeckel schien intakt, an einigen Stellen schimmerte durch den Matsch die dunkel lackierte Oberfläche durch.

*

Die Regentropfen trommelten hart und rhythmisch auf die Erde. Hinter einer Buchsbaumgruppe, die irgendwann sicher einmal ordentlich getrimmt gewesen war, jetzt aber wie in stillem Protest wild in alle Richtungen wucherte, stand eine Gestalt. Trotz der Kälte lief der Person salzig schmeckender Schweiß über die Wangen und weiter auf den Kragen der nach Imprägniermittel riechenden Regenjacke. Wie in unbeschreiblichem Schmerz gaben die zurückgezogenen Lippen die Zähne frei. Ein unbändiger Zorn sprühte aus der Tiefe des Körpers nach oben wie glühende Lava.

Aus ihrem Versteck beobachtete die Gestalt das makabre Schauspiel in dem künstlich aufgestellten Lichterhain. Die Säule war herausgerissen und zerbrochen. Der dumpfe Knall beim Aufschlag auf die Erde hatte als physischer Schmerz in den ganzen Körper ausgestrahlt.

Die Person beobachtete die Gruppe Menschen in den neongrünen Warnwesten mit Reflexstreifen, die wie Fahrbahnmarkierungen im Dunkeln strahlten. Man konnte ihre Gesichter nur erahnen. Besonders eins wirkte bekannt.

Ein Zweig knackte, als die Gestalt ihr Versteck verließ und die schwarze Silhouette von der Dunkelheit verschluckt wurde.

*

Josefine sah sich im hellen Licht eines Scheinwerfers den Oberschenkelknochen aus dem Kindersarg genauer an. Über ihrem Kopf klatschte der Regen schwer auf die weiße Zeltplane. Im Hintergrund war das dumpfe, niederfrequente Brummen eines Generators zu hören, der die zwei kräftigen Scheinwerfer mit Strom versorgte.

Sie nahm den Knochen mit in den knallblauen Arbeitscontainer, der wie ein überdimensionierter Legostein aussah und als behelfsmäßiges Labor diente. Sie drehte das Wasser auf und säuberte den Knochen gründlich in dem tiefen Stahlbecken. In südlichen Gefilden reichte es, Knochen mit einem weichen Pinsel zu säubern, aber die lehmige Erde in Dänemark erforderte krassere Methoden. Durch eine vermoderte Seite war Erde ins Innere des Sarges gelangt, doch der Rest der Wände war gut erhalten. Josefine legte den Oberschenkelknochen auf einen Stahltisch. Sie ignorierte das insistente Knurren ihres Magens, während sie den mobilen Röntgenapparat über den Knochen zog und konzentriert auf einen kleinen Monitor starrte, auf dem schwarzweiße Schatten wie in einer zernarbten Mondlandschaft zu sehen waren. Der völlig geruchsneutrale, vom Zahn der Zeit gründlich gereinigte Knochen hatte die Farbe der braunen Erde angenommen, deren penetrante Kompostnote sich auf die Schleimhäute legte.

Josefine platzierte den Knochen zum Trocknen auf ein feinmaschiges, in einen Holzrahmen gespanntes Drahtnetz.

Draußen frischte es auf. Der Wind rüttelte an dem Container und trug die Stimmen und Rufe einer Gruppe Kinder herüber, und es klang, als hätten sie in dem Augenblick den Friedhof betreten.

Sie unterbrach die Arbeit und sah auf ihre Armbanduhr. Halb acht schon.

Mit einem Seufzer zog sie die Latexhandschuhe aus und rieb sich müde das Gesicht. Sie beschloss, Feierabend zu machen, und schrieb mit einem feinen Edding die Referenznummer auf ein Schildchen und klebte es an das Trockenregal, in dem auch die übrigen Kinderknochen...

Erscheint lt. Verlag 20.1.2020
Übersetzer Maike Dörries
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Djævelens Værk
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anthropologin • Dänemark • eBooks • Friedhof • Josefine Jespersen • Knochenexpertin • Kopenhagen • Krimi • Krimi Dänemark • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2019 • Krimi Neuerscheinungen 2020 • Krimis • Krimis und Thriller • Neuerscheinungen Bücher 2020 • Scandi-Crime • Skandinavische Krimis • Skelette • Sommerlektüre • Taschenbuch • Thriller • Xander
ISBN-10 3-641-24409-9 / 3641244099
ISBN-13 978-3-641-24409-5 / 9783641244095
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