Das Weingut. Tage des Schicksals (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
736 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-24596-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Weingut. Tage des Schicksals -  Marie Lacrosse
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Schweighofen in der Pfalz, 1877. Das ehemalige Dienstmädchen Irene und ihr Mann, der Weinguterbe Franz Gerban, führen eine glückliche Ehe. Dennoch fühlt Irene sich fremd in seiner Welt der besseren Kreise. Als Franz häufig auf Reisen ist, leidet sie zunehmend unter der Einsamkeit und sucht sich eine Aufgabe. Sie beginnt, sich für die Rechte der Arbeiterfrauen einzusetzen - und trifft dabei ihren ehemaligen Geliebten, den Arbeiterführer Josef, wieder. Franz reagiert mit glühender Eifersucht, ihre Beziehung droht zu zerbrechen. Und dann erfährt Franz ein Geheimnis, das ihrer beider Leben vor eine große Herausforderung stellt ...

Marie Lacrosse hat in Psychologie promoviert und arbeitete viele Jahre hauptberuflich als selbstständige Beraterin überwiegend in der freien Wirtschaft. Ihre Autorentätigkeit begann sie unter ihrem wahren Namen Marita Spang und schrieb erfolgreich historische Romane. Heute konzentriert sie sich fast ausschließlich aufs Schreiben. Ihre Trilogie »Das Weingut « wurde ebenso zu einem großen SPIEGEL-Bestseller wie die »Kaffeehaus«-Saga. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in einem beschaulichen Weinort. Weitere Romane der Autorin sind bei Goldmann in Vorbereitung.

Prolog

Kirche St. Ulrich in Altenstadt
April 1874

Am Arm von Herbert Stockhausen, ihrem zukünftigen Schwager, betrat Irene die festlich geschmückte Kirche St. Ulrich. Ihre Augen weiteten sich vor Staunen.

Das sanfte Licht unzähliger Wachskerzen täuschte darüber hinweg, dass draußen ein grauer Apriltag herrschte, der ab und zu sogar noch einige Graupelschauer niedergehen ließ, die der Wind durch die Straßen trieb. Überall erblickte sie große und kleine Blumenbuketts. Jede der voll besetzten Kirchenbänke war von Sträußchen aus rosa Tulpen und weißen Narzissen geziert, umwunden mit einer Spitzenschleife. Im Mittelschiff standen in regelmäßigen Abständen Gebinde aus betörend duftenden blauen Hyazinthen und weißen und rosa Tulpen auf kleinen Säulen. Die prachtvollsten Blumenarrangements befanden sich zu beiden Seiten auf den untersten Stufen des Altars vor den mit rotem Samt überzogenen Stühlen, die man eigens aus dem Altenstädter Herrenhaus herbeigeschafft hatte und auf die Irene nun zuschritt. An diesem Platz würden sie und Franz heute getraut werden. Für die rosa Rosen, die blauen Iris und weißen Lilien, die zu dieser Jahreszeit nur in Gewächshäusern gediehen, musste Franz ein Vermögen ausgegeben haben. Diese Überraschung war ihm wahrhaftig gelungen.

»Was ist dir bei unserer Hochzeitsfeier besonders wichtig?«, hatte er sie vor einigen Wochen gefragt.

»Dass wir ein friedvolles Fest miteinander begehen«, antwortete Irene spontan.

Franz schnaubte etwas ungeduldig. »Das versteht sich von selbst, mein Schatz. Aber meine Mutter möchte natürlich jetzt schon mit den Vorbereitungen beginnen. Worauf legst du am meisten Wert? Auf das Essen, die Musik, die Garderobe der Gäste …«

»Blumen«, fiel Irene Franz spontan ins Wort. »Ich wünsche mir viele Blumen. Nichts Teures natürlich«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Tulpen, Narzissen oder was eben sonst gerade so blüht.«

Tatsächlich bestand ihr Brautstrauß aus Vergissmeinnicht und weißen und rosa Anemonen. Mathilde, Franz’ jüngere Schwester, hätte ihn als gewöhnlich bezeichnet, doch es waren gerade diese bescheidenen Frühlingsboten, die zu Irenes Lieblingsblumen zählten. Umso prächtiger war nun die Kirche geschmückt.

Der Organist spielte feierliche Weisen. Im Bemühen, kerzengerade den mit einem roten Teppich belegten Gang hinunterzuschreiten, verfing sich einer der Absätze von Irenes hochhackigen elfenbeinfarbenen Seidenschuhen im Saum ihres Hochzeitskleides von gleicher Farbe und Stoff. Irene geriet ins Straucheln, wurde aber geschickt von Herbert Stockhausen aufgefangen.

»Immer mit der Ruhe«, hörte sie ihn leise raunen. Dankbar drückte sie seinen Arm.

Alles an dieser Feier war für Irene ungewohnt. Das kostbare Kleid mit der spitzenbesetzten, zwei Ellen langen Schleppe hatte die Weißenburger Schneiderin Madame Marat nach der neuesten Pariser Mode gefertigt. Der kleine Stehkragen betonte Irenes schlanken Hals, ein Einsatz aus geraffter Seide reichte vom keuschen Dekolleté bis zu dessen unterer Naht.

Irene hatte sich ein schlichteres Kleid gewünscht. Doch in diesem Punkt war ihre Schwiegermutter Pauline unnachgiebig geblieben. »Ich möchte, dass du in nichts hinter meiner Tochter Mathilde zurückstehst, die nur einen Monat nach dir heiraten wird. Da werden die Gäste natürlich besonders die Garderobe der Bräute miteinander vergleichen.«

Auch wenn Irene dies einleuchtete, vermutete sie noch einen anderen Grund hinter Paulines Beharrlichkeit. Eine späte Wiedergutmachung an meiner Mutter Sophia, die nie die Braut eines geliebten Mannes sein durfte, überlegte sie, während sie die langwierigen Anproben über sich ergehen ließ.

Sophia, die jüngere Schwester von Franz’ angeheirateter Tante Ottilie, war als blutjunges Mädchen von Paulines verstorbenem Gatten Wilhelm geschwängert worden. »Eher vergewaltigt als verführt, während ich selbst guter Hoffnung mit Franz war«, hatte ihr Pauline erst im vergangenen Jahr kurz vor Weihnachten erzählt.

Sophia hatte Irene unter dem Druck ihrer Familie anonym in einer Gebäranstalt zur Welt gebracht und dort als Waise zurückgelassen, den Verlust ihres Kindes jedoch nie verwunden und mit nur einundzwanzig Jahren den Freitod gewählt.

In Altenstadt, einem Vorort der kleinen elsässischen Stadt Weißenburg, war Irene dann Franz, ihrer großen Liebe, begegnet. Doch ihrer beider Glück stand zunächst unter keinem guten Stern. Durch den Deutsch-Französischen Krieg wurden sie getrennt. Franz verlor in der Schlacht bei Sedan ein Bein. Und Irene, die von ihm schwanger war, floh vor ihm, hielt sie ihn doch fälschlicherweise für ihren Halbbruder, nachdem sich sein Vater Wilhelm ihr gegenüber auch als der ihre zu erkennen gegeben hatte.

Erst nach vielen Irrungen und Wirrungen hatte Franz sie wiedergefunden und Irene zu ihrer unendlichen Erleichterung erklärt, dass sie doch nicht miteinander verwandt waren.

Und so wurde am heutigen Tag ein Traum wahr. Franz, ihr geliebter Franz, den sie für immer verloren geglaubt hatte, stand nun vor dem Altar von St. Ulrich und erwartete sie mit leuchtenden Augen.

Wieder strauchelte Irene leicht, wieder hielt Stockhausen sie fest. Hoffentlich hält meine Frisur, schoss es ihr durch den Kopf. Sie bewegte ihn vorsichtig hin und her. Doch das kleine Seidenhütchen mit dem zarten Schleier, der ihr nur bis knapp über die Augen reichte, saß fest auf ihren kunstvoll aufgesteckten, dichten braunen Haaren.

Denn in diesem Punkt hatte sich Irene von Anfang an durchgesetzt. Angesichts der Tatsache, dass ihr gemeinsamer Sohn Fränzel bereits drei Jahre alt war, erschien es ihr verlogen, mit dem üblichen Myrtenkranz über einem bodenlangen Schleier Jungfräulichkeit vorzutäuschen.

Um das elfenbeinfarbene Hochzeitskleid hatte es dagegen keinerlei Diskussionen gegeben. Diese Farbe war gerade in Mode gekommen und wirkte viel eleganter als das reine Weiß herkömmlicher Brautmoden.

Die zweite Abweichung von den üblichen Sitten und Gebräuchen war jüngerer Natur und unerwartet erforderlich geworden. Sie würde den Gästen allerdings vorläufig verborgen bleiben. Kurz vor der Hochzeit musste Madame Marat die Taille ihres Kleides wieder ein wenig herauslassen. Aufgrund morgendlicher Übelkeit und anderer untrüglicher Zeichen hatte Irene erkannt, dass sie schon kurz nach ihrer Wiedervereinigung mit Franz erneut schwanger geworden war. Zum Glück ersparte ihr das die allzu enge Schnürung in das ihr noch immer ungewohnte und mittlerweile sehr unangenehme Korsett, das sie unter ihrer schlichten Arbeiterinnentracht nicht benötigt hatte.

Wir werden ein weiteres Kind haben, durchzuckte es sie jetzt freudig, wie schon so oft in den letzten Tagen. Ihr Herz quoll vor Liebe schier über, als sie Franz immer näher kam. Schmuck sah er aus in seinem Frack mit dem blütenweißen gefältelten Hemd, das aus Herbert Stockhausens Weißnäherei stammte, und dem Sträußchen aus Vergissmeinnicht und Anemonen am Revers.

Mein geliebter Mann. Nun sind wir endlich vereint.

»Mama! Da kommt die Mama!«

»Pst!« Franz legte einen Finger auf seine Lippen, während sich seine Mutter Pauline zu seinem dreijährigen Söhnchen hinunterbeugte und ihm lächelnd etwas ins Ohr flüsterte, worauf der Kleine verstummte und sich sein Händchen vor den Mund hielt.

Liebevoll betrachtete Franz die beiden für einen Moment. Fränzel, der in seinem eigens für ihn geschneiderten Miniaturfrack entzückend aussah, entwickelte sich prächtig, trotz der großen Entbehrungen, unter denen Irene ihn bis zu ihrem Wiedersehen aufgezogen hatte. Sie hatte lieber selbst gehungert, als es dem Kind an irgendetwas fehlen zu lassen.

Fränzel glich beiden Eltern von Tag zu Tag mehr. Die dunklen Augen und Locken hatte ihm Franz vererbt, der sie wiederum seiner Mutter Pauline verdankte. Von Irene stammten die dichten Augenbrauen, die kleine, spitze Nase und der schmallippige Mund.

Darüber, wer Fränzel seine Aufgewecktheit und insbesondere sein Beharrungsvermögen, wenn er sich etwas in den Kopf setzte, vererbt hatte, stritten Irene und Franz oft lachend mit wechselnder Zuschreibung.

Franz’ Mutter Pauline in ihrem eleganten nachtblauen Kostüm mit dem dazu passenden, mit Pfauenfedern geschmückten Hut wirkte dank ihrer wiedergewonnenen Lebensbejahung und Energie jünger und beeindruckender denn je.

Wie ein weiblicher Phönix aus der Asche, dachte Franz, der Paulines Verwandlung oft mit der der mythischen Sagenfigur verglich. Tatsächlich erklärte seine Mutter selbst, dass sie an den Erfahrungen und Entbehrungen in den über drei Jahren, in denen sie auf Betreiben ihres Gatten Wilhelm widerrechtlich in der Irrenanstalt von Klingenmünster festgehalten worden war, gewachsen sei.

»Wenn man einmal so tief unten war, wie ich es gewesen bin, teils aus eigener Schuld wegen meiner Laudanum-Sucht, teils durch Wilhelms Tücke, kann alles nur noch besser werden, als es vorher war«, erklärte Pauline ihre positive Entwicklung. »Und wenn einen danach Fortuna nicht nur mit einem wunderbaren Sohn und einer entzückenden Schwiegertochter, sondern auch mit einem so reizenden, klugen Enkel entschädigt, sind Leid und Unbill vergangener Zeiten schnell vergessen.«

Dabei war auch die junge Pauline nicht immer die zaghafte, zurückhaltende Frau gewesen, als die Franz sie aus seiner Kindheit und Jugend überwiegend in Erinnerung hatte. Während eines Kuraufenthalts im österreichischen Bad Ischl hatte sie sich aus ihrer unglücklichen Ehe in die Arme jenes...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2019
Reihe/Serie Das Weingut
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Arbeiterbewegung • Berlin • Dienstmädchen • eBooks • Elsass • Ende des 19. Jahrhunderts • Familiensaga • Frauenroman • Gesellschaftsroman • Historische Romane • Historischer Roman • Hörbuch • Lesung • Liebesroman • Pfalz • Reichstag • SPIEGEL-Bestseller • Standesunterschiede • Uneheliche Kinder • Weinberge • Weinhandlung
ISBN-10 3-641-24596-6 / 3641245966
ISBN-13 978-3-641-24596-2 / 9783641245962
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