Diva -  Patrick Karez

Diva (eBook)

Whatever Happened to Martha Külföldi
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
224 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7481-9749-2 (ISBN)
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"TV-STAR SUCHT MANAGER FÜR COMEBACK". Diese vielversprechende Zeitungsannonce stürzt das Leben der arbeitssuchenden Irene unversehens in ein heilloses Durcheinander. Denn sie hat ihre Rechnung ohne die alternde und äußerst extravagante ungarische Ex-Wettermoderatorin Martha Külföldi gemacht, die sich nun einbildet, kurz vor ihrer Pensionierung die internationale TV-Welt als fragwürdige Talkshowmasterin aufmischen zu müssen. Als Irene sich dann auch noch in den einzigen Sohn der Möchtegern-Diva verschaut, ist das Chaos perfekt.

Patrick Karez wurde in den Siebziger Jahren als Kind Prager Eltern in Deutschland geboren. Nach seiner Matura lebte er zehn Jahre lang in Paris, wo er an der Université de Paris-Sorbonne in Kunst- und Architekturgeschichte s.c.l. promovierte und als Kunstkritiker für eine dem französischen Ministerium für Kultur anhängige Institution tätig war. In diesem Rahmen publizierte er bereits mit Mitte Zwanzig - so etwa Kunstkritiken, Übersetzungen aus dem Tschechischen, Englischen und Französischen - und verfasste nebenher kontinuierlich belletristische Texte. Nach seinem Studium ging er für ein Vierteljahr nach Südostasien, lebte ferner für mehrere Jahre in Budapest, Rom, New York und Wien, wo er sieben Jahre lang als Mitarbeiter für die Österreichische Nationalgalerie Belvedere samt anhängigen Häusern tätig war. Das 19. Jahrhundert und die Kunst der Jahrhundertwende zählen zu seinen Forschungsschwerpunkten. So stammen etwa aus der Feder des Autors u.a. die beiden Romanbiographien "Gustav Klimt" (erschienen im November 2014 im acabus Verlag, Hamburg; 2. Auflage im Juni 2018; russische Ausgabe bei Molodaya Gvardiya, Moskau, voraussichtlich Ende 2019) sowie "Egon Schiele" (erschienen im September 2016, im acabus Verlag, Hamburg). Nach seinem Romanerfolg "Schwartz auf Weiss" (2004, publiziert 2018), legt der Autor nun den im Jahre 1999 entstandenen, ironischen Roman "Diva - Whatever happened to Martha Külföldi" vor.

I


TV-STAR SUCHT MANAGER FÜR COMEBACK

Irene zog den Filzschreiber mit einem Klick aus der Verschlußkappe, während diese zwischen ihren Vorderzähnen klemmen blieb, und kreiste die Annonce zweimal ein.

Seltsame Anzeige“, dachte sie, während sie sich wieder auf den Rücken zurückrollen ließ, die Zeitung mit beiden Händen hoch über ihr Gesicht haltend.

Diese ewige Jobsuche hatte sie inzwischen völlig zermürbt – und mittlerweile kreiste sie ohnehin eine jede Anzeige wahllos und apathisch ein, ganz egal worum es sich dabei auch handelte. So hatte sie sich letztens erst telephonisch für eine Stelle als „Floor Manager“ beworben, ohne auch nur die leiseste Ahnung gehabt zu haben, was dies überhaupt bedeutete. „Manager“ klang jedenfalls gut. Nein, es klang super! Es klang nach Upper East Side, nach Penthouse, nach Rooftop-Bars, nach Cocktails, Longdrinks und Amuse-Gueules – ja, sogar nach Privat-Learjet und nach privater Karibikinsel. In ihrer Jugend, in den Achtzigern, da war es etwas ganz Tolles gewesen, Manager zu sein. Doch inzwischen war sie gewarnt: Alles, was mit „Manager“ endete, hatte ausschließlich etwas mit Putzen zu tun, warum auch immer. Ganz egal ob „Floor Manager“, „Store Manager“, und so weiter – scheinbar sagte man heute nicht mehr „Putzfrau gesucht“, wenn man eine Putzfrau suchte, sondern eben „Floor Manager gesucht“. Ein purer Zynismus, wie sie fand. Zumal, wenn eine Reinigungskraft für ein Hochhaus gesucht wurde und es dann in der Annonce hieß: „Floor Manager mit Aufstiegsmöglichkeiten gesucht!“. Ein „Store Manager“ war übrigens auch nicht viel besser. Ganz im Gegenteil sogar. Denn der durfte dann nicht nur putzen, sondern zusätzlich auch noch Regale befüllen. Nein. Ganz so tief war sie nun doch noch nicht gefallen. Das Bißchen Anstand und Würde wollte sie sich dann doch noch beibehalten, obwohl es inzwischen allerdings nicht mehr ganz so rosig für sie ausschaute. Denn ihre Jobsuche erstreckte sich nun schon fast über drei Monate.

Gestern erst war sie erneut reingefallen. Auf diese blöden, neuen Ausdrücke. Auf diese fadenscheinigen Anglizismen. Auf diese heimtückischen Euphemismen. Da hatte sie nämlich auf den Ruf nach einem „Platform Assistant“ geantwortet. Kurz darauf wurde ihr klar, daß es sich dabei um nichts weiter als um einen lausigen Callcenter-Job handelte. Eine Stelle also, die sie – neben jener eines „Floor-“ oder „Store Managers“ – unter gar keinen Umständen antreten wollte. Dennoch schien es zur Zeit gar keine anderen Jobangebote zu geben – außer eben irgendwo putzen zu gehen, beziehungsweise irgendwo telephonisch Klinken putzen zu gehen.

So hatte sie sich das letzte Jahr ihres Lebens nun wahrlich nicht vorgestellt. Als Teenager, da hatte sie sich einmal einen Plan gemacht. Einen Zeitstrahl erstellt. Auf einem großen Blatt Papier nämlich. Darauf hatte sie sich ihren weiteren Lebensverlauf minutiös aufgezeichnet. Im Jahre 2000 zum Beispiel, hatte sie eigentlich schon längst Millionärin sein wollen. Stattdessen war sie nicht nur arbeitslos, sondern auch vollkommen mittellos. Und zur Erfüllung ihres Fünfjahresplans blieben ihr nicht einmal mehr sechs Monate übrig. Denn dann stünde es bereits vor der Tür, dieses ominöse Jahr 2000. Nach ferner Zukunftsmusik hatte es einst geklungen, in den tiefen Strudeln ihrer eigenen Jugend. Das Jahr 2000! Das hatte ganz nach denkenden Robotern und nach fliegenden Autos geklungen. Nach fliegenden Autos, die mehr Raumschiffe waren als Autos. Nach Reisen zum Mars. Oder zur Venus. Mit denkenden Robotern in fliegenden Autos, die mehr Raumschiffe waren als Autos. „Raumschiff Venus antwortet nicht“, dieser todlangweilige Pseudo-Science-Fiction-DDR-Trash-Film, Baujahr 1959, war immer noch futuristischer als dieses so ganz und gar nicht futuristisch anmutende Jahr 2000, das in nur sechs Monaten schon ins Haus stand. Im Grunde hatte sich in den letzten 30 Jahren rein gar nichts geändert, dachte Irene bitter. Vor allem in ihrem eigenen, verkorksten Leben nicht.

Nein. So hatte sie sich das letzte Jahr ihres Lebens nun wahrlich nicht vorgestellt! Das letzte Jahr zumindest, in welchem ihr Alter sich bezüglich der ersten der beiden Ziffern noch aus einer Zwei zusammensetzte. Damit wäre nämlich bald schon Schluß. Sehr bald sogar! Dann stünde beinhart und unerbittlich eine Drei davor. Dann wäre alles aus. Dann wäre sie alt. Wie sie meinte. Unbrauchbar. Und unfickbar. (Aber das meinte sie nicht. Das dachte sie nur.) Denn fickbar war sie natürlich immer noch. Zumindest theoretisch. Praktisch allerdings nicht. Beziehungsweise schon länger nicht mehr. Seitdem ihr vor ein paar Monaten der letzte Trottel davongelaufen war. Ein wirklich sehr dummer Kfz-Mechaniker aus Dülken. Aber selbst der war immer noch schlau genug gewesen, um sich baldmöglichst vor ihrem ewigen, frustrierten Blabla in Sicherheit zu bringen. Und zwar für immer.

Es war ihr stets ein Rätsel gewesen, wie andere Mädels es nur schafften, einen Typen dauerhaft an sich zu binden. Entweder das, oder eben ständig einen neuen zu finden. Sie selbst war diesbezüglich nicht gerade sonderlich talentiert, was sie übrigens auch selbst erkannte, dennoch konnte sie einfach nichts daran ändern. Vermutlich war sie einfach zu schüchtern. Nein.

Schüchtern war sie eigentlich gar nicht. Oder zu häßlich? Nein. Auch das war sie nicht. Solange sie auch nachdachte, sie kam einfach nicht darauf, was es war. Denn es war definitiv ein Problem. Nicht immer. Nicht früher. Aber jetzt. Und zwar zunehmend. Mit jedem einzelnen Tag, der verstrich. Der sinnlos verstrich. Der ungeliebt verstrich. Der ungefickt verstrich. Um es mit ihren Worten zu sagen. Beziehungsweise mit ihren Gedanken. Denn so etwas dachte man natürlich nur. Man sprach es nicht aus. Vor allem als „Dame“ nicht. Was sie ja ohnehin nicht war. Aber wer war das heute schon? Vielleicht noch die eine oder andere Oma im Pelzmantel und mit Perlenkette, dachte sie. Aber das war‘s dann auch schon. Die Damen waren mittlerweile genauso ausgestorben und obsolet geworden wie Telegraphenstationen, Telegramme oder Grammophone. Die Bezeichnung „Dame“ war geradezu eine Garantie für chronische Ungeficktheit, wie sie fand. Gut, eine Proletin war sie zwar auch nicht, aber im Grunde ihres Herzens bereute sie es, keine zu sein, denn die waren ja geradezu bekannt dafür, stets gut gefickt zu sein. „Dumm fickt gut“, heißt es so schön, beziehungsweise: „Dummheit frißt, Intelligenz säuft“ – und dies nicht ohne Grund. Denn nur mittels Alkohols läßt sich das Gehirn eines halbwegs intelligenten Menschen auf jenes eines Proleten zurückprogrammieren, sozusagen downgraden – die einzige Chance auf guten Sex. Und auf ein unbeschwertes Leben ohne tiefschürfende – also lästige und völlig unnütze – Gedanken obendrein. Im Grunde befand sich Irene in einer schrecklichen kognitiven Pattstellung, wie so viele durchschnittlich intelligente Menschen übrigens auch: Nicht dumm genug, um halbwegs glücklich sein zu können und obendrein auch noch guten Sex zu haben – und nicht intelligent genug, um seine überdurchschnittliche Intelligenz mittels billigen Fusels mutwillig auf ein unterdurchschnittliches Niveau zu senken, um somit ebenfalls halbwegs glücklich sein zu können und darüber hinaus endlich guten Sex zu haben. All die Millionen Menschen, die irgendwo dazwischen lagen – zwischen sehr dumm und sehr intelligent also – die hatten nunmal kein gutes Leben, und erst recht keinen guten Sex, so sehr sie sich auch danach sehnten und so sehr sie auch danach strebten. Irene war leider eine von ihnen. Dennoch bestand bei ihr durchaus noch Hoffnung. Wenn es so mit ihr weiterginge, würde auch sie eines schönen Tages zur Alkoholikerin werden und somit ihrem durchschnittlichen Leben einen unterdurchschnittlichen Anstrich verleihen. Guter Sex wäre dann natürlich inklusive. Endlich. Nach so vielen Jahren des Darbens. Und der sinnlosen Zeitverschwendung. Durch sinnlose Gedanken.

Endlich stand sie auf, fütterte geistesabwesend ihre Katze und sah dabei nicht minder geistesabwesend durch die speckigen Fensterscheiben ihres 30m2-Appartments in den tristen Hof hinab. Eigentlich wäre der Innenhof gar nicht mal so deprimierend gewesen, hätte es sich bei den hofseitigen Hinterhausfassaden nicht um graue Nachkriegsbauten gehandelt. Denn hier in Wien, zumal in den inneren Bezirken, erwartete man wohl eher die prachtvollen Gründerzeithäuser aus der Zeit Kaiser Franz Josephs – und nicht etwa diese grauen, schmucklosen Kästen mit Flachdach, deren Fenster horizontal anstatt vertikal verlaufen, sodaß man weder den Himmel noch die Erde sehen kann, sondern vielmehr dazu verdammt ist, gegen seinen Willen sozusagen, seine Nachbarn zur Rechten und zur Linken auszuspionieren… Die deprimierende Siedlung in Köln-Wahn, aus der Irene vor einigen Monaten geflohen war, hatte sie offensichtlich bis hierher, ins schöne...

Erscheint lt. Verlag 25.2.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7481-9749-7 / 3748197497
ISBN-13 978-3-7481-9749-2 / 9783748197492
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