Moses und das Schiff der Toten -  Ortwin Ramadan

Moses und das Schiff der Toten (eBook)

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2019 | 1. Auflage
336 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-136-4 (ISBN)
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Stefan Moses kam als Kind aus Afrika nach Hamburg. Heute ermittelt er als Hauptkommissar bei der Mordkommission. Als schwarzer Kommissar sorgt er immer wieder für Irritationen, die er geschickt für seine Ermittlungen zu nutzen weiß. Stefan Moses, 43, wohnhaft im beschaulichen Hamburger Winterhude, ist gründlich, pünktlich, höflich und korrekt - was ihn nicht davor bewahrt, dass er aufgrund seiner Hautfarbe sowohl beim Bäcker als auch bei der Zeugenvernehmung immer wieder Überraschungen erlebt. In seinem ersten Fall wird Moses mit einem bizarren Fund konfrontiert: Mitten in der Stadt, im Lohmühlenpark in St. Georg, wird die Leiche eines Mannes entdeckt, der nackt auf einer Parkbank sitzt und, wie sich herausstellt, ertrunken ist. Zusammen mit seiner ebenso unfreiwilligen wie aufbrausenden Partnerin Katja, die als Hobby Kickboxen betreibt und in einer Plattenbausiedlung aufgewachsen ist, nimmt Moses die Ermittlung auf.

Ortwin Ramadan wurde 1962 in Aachen geboren. Er studierte Politik und Ethnologie und arbeitet heute als Drehbuchautor und freier Autor. Seit seiner Zeit in Hamburg lasst ihn die schönste Stadt der Welt nicht mehr los. Für seinen Roman ?Glück ist was für Anfänger? wurde er 2018 vom Syndikat (zu dem auch Sebastian Fitzek und Frank Schätzing gehören) mit dem Hans-Jorg-Martin-Krimipreis ausgezeichnet.

Ortwin Ramadan ist Halb-Ägypter und wurde 1962 in Aachen geboren. Er studierte Politik und Ethnologie und arbeitet heute als Drehbuchautor und freier Autor. Seit seiner Zeit in Hamburg lässt ihn die schönste Stadt der Welt nicht mehr los. Für seinen Roman ›Glück ist was für Anfänger‹ wurde er 2018 vom Syndikat (zu dem auch Sebastian Fitzek und Frank Schätzing gehören) mit dem Hans-Jörg-Martin-Krimipreis ausgezeichnet.

3


Das Polizeipräsidium am Bruno-Georges-Platz fiel aus jedem städtebaulichen Rahmen. Und das in jeder Hinsicht. Der monströse Bürokomplex besaß die Form eines zehnzackigen Sterns, was aufgrund seiner schieren Größe jedoch nur aus der Luft in Gänze zu erkennen war. Seine mehrstöckige Fassade bestand aus jeder Menge Glas, was noch zusätzlich den Eindruck unterstrich, das sternförmige Gebäude wäre vom Himmel gefallen und rein zufällig im gutbürgerlichen Winterhude gelandet. Der Haupteingang am Ende der gewaltigen Treppe wirkte auf jeden Besucher unweigerlich wie das unersättliche Maul eines fremdartigen Kraken. Auch wenn Moses nachvollziehen konnte, dass es für die organisatorischen Abläufe einer Behörde mit beinahe zweitausend Mitarbeitern von Vorteil war, sämtliche Abteilungen unter einem Dach zu vereinen, konnte er diesem monströsen Bauwerk dennoch wenig abgewinnen. Für sein Gefühl hatte eine derart große Behörde etwas Erdrückendes. Und sie erzeugte eine falsche Demut.

Er passierte die Sicherheitsschranke und ging zu den Aufzügen, um hinauf in sein Büro zu gelangen. Während er auf den Aufzug wartete, überlegte er kurz, ob er nicht doch erst noch in die Kantine gehen sollte. Sein Hunger würde vermutlich bald ein ernsthaftes Problem werden. Aber dann blieb er bei seiner Entscheidung. Da er mittlerweile wusste, dass sein Kollege Feldhusen für längere Zeit ausfiel, würde er den Fall wohl oder übel übernehmen müssen. Sein freier Sonntag war somit dahin. Abgesehen davon hatte der ungewöhnliche Fall längst seine Neugier und auch seinen Ehrgeiz geweckt. Wobei er Letzteres nie offen zugeben würde. Aber je schwieriger die Nuss zu knacken war, je raffinierter der Täter zu Werke gegangen war, desto mehr genoss er die Jagd. Auf dem Spielplatz hatte die Spurensicherung ihre Arbeit zwar endlich aufgenommen, aber bis die Kollegen neue Erkenntnisse zutage förderten oder gar auf eine heiße Spur stießen, konnte er nicht warten. Es galt die Zeit zu nutzen, bevor die Presse ihnen auf die Füße trat und Trittbrettfahrer ihnen das Leben schwer machten.

Als die Aufzugtür sich öffnete, trat er ein und wählte die Etage. Kaum hatte sich die Tür wieder zu schließen begonnen, schob sich ein Fuß in den Spalt. Zu Moses’ Überraschung stand eine gepiercte junge Frau in Lederjacke und Jeans vor ihm. Sie würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen betrat sie den Fahrstuhl und drückte auf die Sechs, dann drehte sie ihm den Rücken zu. Moses musterte die ungewöhnliche Erscheinung aus den Augenwinkeln. Die Frau war nicht groß, eher zierlich, dennoch machte sie einen durchtrainierten, geradezu martialischen Eindruck. Im Gegensatz dazu war ihr Gesicht im Profil auffällig fein, beinahe hübsch, was in einem seltsamen Kontrast zu der Aggressivität stand, die sie mit jeder Faser ihres Körpers ausstrahlte. Diese kurz geschorenen Haare und der Ring in der linken Augenbraue machten die Sache auch nicht besser, dachte Moses. Aber er musste sich eingestehen, dass er neugierig war. Normalerweise liefen junge Frauen in einer solchen Aufmachung nicht ohne Begleitung und Handschellen im Präsidium herum. Und sie fuhren für gewöhnlich auch nicht in den sechsten Stock, die oberste Etage, wo sich das heilige Büro des Direktors befand. Ganz besonders nicht an einem Sonntagmorgen.

»Was gibt es da zu glotzen?«

Moses zuckte unwillkürlich zusammen. Die spiegelnden Metalltüren hatten seine Neugier offenbar verraten, denn die junge Frau hatte sich abrupt zu ihm umgedreht und sah ihn herausfordernd an. Ihre Augen waren tiefgrün.

»Äh, nichts«, entgegnete Moses. Er war völlig perplex. »Was soll denn sein?«

»Dann sind wir uns ja einig!«, erwiderte die junge Frau kalt und drehte ihm wieder den Rücken zu.

Moses fühlte sich wie ein ertappter Schuljunge. Als der Aufzug endlich auf seiner Etage hielt und er dem peinlichen Schweigen entkommen war, atmete er erleichtert auf. Wenn er nicht bald einen Kaffee bekam, konnte er für nichts mehr garantieren.

Auf den Fluren der Abteilung 41, Tötungsdelikte/-ermittlungen, ging es kaum ruhiger zu als an einem normalen Werktag. An Wochenenden hatten die menschlichen Triebe bekanntlich Hochkonjunktur.

Moses betrat sein Büro am Ende des Ganges und warf dabei einen Blick auf seine Chronoswiss, ein Geschenk seines Adoptivvaters. Er hatte die erste Teambesprechung auf Punkt neun Uhr angesetzt. Bis dahin blieben ihm noch zehn Minuten. Genug Zeit, um seinen Körper mit Koffein zu versorgen. Er hängte seinen Mantel an den Wandhaken, schob den Jadebuddha auf dem Fensterbrett zur Seite und kippte das Fenster. Dann warf er seine Kaffeemaschine an. Sie war neben der antiken Jadefigur die einzige Extravaganz, die er sich am Arbeitsplatz leistete. Ansonsten hatte er das typische Behördenmobiliar behalten. Ein einfacher Schreibtisch samt ausgeleiertem Drehstuhl, ein halbhoher Aktenschrank und zwei Stühle. Auf die obligatorische Grünpflanze hatte er beim Einzug dankend verzichtet.

Als endlich das wohlige Gurgeln der Kaffeemaschine den Raum erfüllte, kam ihm Juliane in den Sinn. Er zog sein Handy hervor, doch dann zögerte er. Vermutlich saß sie gerade alleine am Frühstückstisch und war stinksauer auf ihn. Was er verstehen konnte. Anstatt die guten Neuigkeiten gemeinsam zu feiern, pulte er auf Kinderspielplätzen Fischwürmer aus nackten Leichen. Einen schönen guten Morgen auch!

Er schmiss das Handy auf den Schreibtisch. Endlich signalisierte die Maschine, dass der Kaffee fertig war. Heiß, stark und schwarz, so wie er es mochte, und schon der erste Schluck weckte seine Lebensgeister. Diese Röstung liebte er ganz besonders. Sie stammte aus einer ebenso kleinen wie feinen Privatrösterei, auf die er zufällig gestoßen war. Moses trat mit der dampfenden Tasse ans Fenster und blickte hinaus in den runden Innenhof. Das Einzige, was es dort zu sehen gab, war ein verloren wirkender Baum inmitten der mehrstöckigen runden Fassade aus endlosen, wabenähnlichen Fensterreihen. Bei diesem ernüchternden Anblick fühlte er sich stets wie ein winziges, in seiner Welt gefangenes Insekt. Rastlos und entbehrlich. Aber der Ausblick war nun einmal der Preis, den er für sein eigenes Reich am Ende des Gangs zahlen musste.

Moses nippte an seinem Kaffee und setzte sich hinter den Schreibtisch. Als er erneut nach seinem Handy greifen wollte, klingelte das Diensttelefon auf seinen Tisch. Mit einem Seufzer nahm er ab.

»Ja, bitte?«

»Wir sind schon vollzählig.«

»In Ordnung. Ich komme.«

Moses nahm einen letzten Schluck und verließ das Büro. Als er kurz darauf den Besprechungsraum betrat, verstummten die Gespräche. Kriminaloberkommissarin Elvers saß wie gewohnt in der Nähe der Tür, während Kriminalkommissar Viteri, der Jüngste in dem kurzfristig zusammengestellten Team, und sein Kollege Leitner am Konferenztisch gegenüber Platz genommen hatten. An der Stirnwand des Raumes hingen auf einem übergroßen Whiteboard die ersten Fotos des Toten und des Spielplatzes. Daneben hing der Ausdruck eines Stadtplans, auf dem sowohl der Fundort der Leiche als auch die unmittelbare Umgebung des Parks zu sehen waren. Oberkommissarin Elvers hatte wieder einmal mitgedacht und ihr Organisationstalent bewiesen. Moses nickte ihr dankend zu und nahm Platz.

»Guten Morgen«, grüßte er in die Runde. »Ich hoffe, Sie hatten im Gegensatz zu mir wenigstens ein Frühstück.«

Dann wurde er ernst.

»Wie Sie bereits wissen, wurde heute Morgen gegen fünf Uhr im Lohmühlenpark eine männliche Leiche aufgefunden. Alter circa fünfzig, besondere Merkmale: Übergewicht und zahlreiche Tätowierungen. Bislang sind Todesursache und -zeitpunkt unbekannt, ebenso die Identität des Mannes. Das Einzige, was sich zu diesem Zeitpunkt mit einiger Sicherheit sagen lässt, ist, dass der Tote vermutlich im Wasser gelegen hat. Sie haben bestimmt schon von den fischartigen Tieren in seinem Körper gehört.«

An dem pikierten Kopfnicken von Elvers und Viteri konnte er ablesen, dass der ungewöhnliche Umstand bereits bekannt war.

»Ist er auch im Wasser gestorben?«, fragte Elvers.

»Das wissen wir leider noch nicht«, erwiderte Moses. »Auf den ersten Blick waren keine äußeren Verletzungen zu erkennen. Wir müssen also auf die Gerichtsmedizin warten. In jedem Fall können wir angesichts der Auffindesituation wohl einen klassischen Selbstmord ausschließen.« Er wandte sich an Leitner: »Sie waren noch länger vor Ort. Hat die Spurensicherung in der Zwischenzeit vielleicht etwas zutage gefördert, was uns weiterhelfen könnte?«

Wie erwartet, schüttelte Leitner den Kopf. »Sieht ziemlich schlecht aus«, sagte er. »Die Jungs meinen, dass sie in dem Fall nicht viel machen können. Auf dem Spielplatz tummeln sich jeden Tag Hunderte von Menschen. Außerdem hat es in der Nacht stark geregnet.«

»Und die Befragung in der Nachbarschaft?«

»Hat bislang auch nichts gebracht. Niemand hat was gesehen oder gehört. Das Übliche eben.«

»Was ist mit der Kleidung des Toten?«

»Ebenfalls Fehlanzeige.«

»Vielleicht wurde sie von jemandem gestohlen«, warf Oberkommissarin Elvers ein, während sie sich eine rotblonde Locke hinter das Ohr strich. Sie trug ein schlichtes Kostüm und war wie immer ungeschminkt.

»Was ist mit dem Penner?«, wollte Kriminalkommissar Viteri wissen. Er deutete mit einem Kopfnicken auf seinen Kollegen Leitner. »Leo hat uns erzählt, dass er den Toten gefunden hat.«

»Er ist Alkoholiker«, sagte Moses. »Ich habe selbst mit ihm geredet, aber ich denke nicht, dass er etwas Brauchbares weiß.«

»Und wo ist er jetzt?«

»In der Bahnhofsmission. Dort kümmert man sich um ihn. Ich wollte ihn nicht der Presse überlassen.«

»Die ist...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2019
Reihe/Serie Moses
Moses
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Glasaale • Hafen • Hamburg • Krimi • schwarzer Kommissar • St. Pauli
ISBN-10 3-03792-136-6 / 3037921366
ISBN-13 978-3-03792-136-4 / 9783037921364
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