Jahre an der Elbchaussee (eBook)

Die Geschichte einer Schokoladen-Dynastie
eBook Download: EPUB
2019 | 2. Auflage
400 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1785-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jahre an der Elbchaussee -  Lena Johannson
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Jahre der Veränderung.

Hamburg, Ende der zwanziger Jahre. Frieda ist überglücklich, ihre Hochzeit steht kurz bevor, und die Schokoladenmanufaktur feiert immer größere Erfolge. Endlich scheint sie ihren Platz im Familien-Kontor gefunden zu haben. Als dann jedoch unerwartet ihre erste große Liebe auftaucht, stellt Frieda alles in Frage, woran sie bisher geglaubt hat. Doch die Suche nach ihrem persönlichen Glück rückt schnell in den Hintergrund, als die Nazis an die Macht kommen und mit einem Mal das Leben ihrer besten Freundin, der Jüdin Clara, in Gefahr ist.

Per hat sein Verlobungsgeschenk eingelöst und ein Haus an der Elbchaussee gekauft. Eigentlich wollten er und Frieda endlich den Hochzeitstermin festlegen - doch immer kommt etwas dazwischen. Und dann steht plötzlich Jason vor ihr, ihre große Jugendliebe. Seit er damals Hals über Kopf Hamburg verlassen hat, um in Übersee das Teekontor seiner Familie weiterzuführen, hat sie ihn nicht mehr gesehen. Mit einem Mal spürt sie, dass noch zu viel Unausgesprochenes zwischen ihnen liegt, als dass sie ihr neues Leben mit Per beginnen könnte. Aber wird ihr Verlobter dafür Verständnis haben?

Auch die sich langsam verändernde politische Stimmung belastet Frieda. Ist doch nicht nur ihre beste Freundin, sondern auch das uneheliche Kind ihres Bruders jüdischer Abstammung. Und dann wird ihre Hoffnung, dass Freunde und Familie in diesen schweren Zeiten noch enger zusammenhalten, jäh enttäuscht ...

Authentisch und berührend: Nach dem Vorbild eines Hamburger Kakao-Kontors.



Lena Johannson, 1967 in Reinbek bei Hamburg geboren, war Buchhändlerin, bevor sie freie Autorin wurde. Die Speicherstadt und ihre alten Handelskontore haben sie schon als junges Mädchen fasziniert. Ihre Leidenschaft gilt dem Schreiben - und natürlich der Schokolade. Im Aufbau Taschenbuch liegen unter anderem der erste Teil der Hamburg-Saga, 'Die Villa an der Elbchaussee' sowie 'Die Malerin des Nordlichts' vor. Mehr Information zur Autorin unter www.lena-johannson.de.

Kapitel 1


Ende Mai 1925

»Das ging nu aber auch so fix, da hätt ich nicht mal Labskaus sagen können.« Ernst strahlte.

»Mir scheint, man hätte sogar Labskaus mit Matjes und Rote Bete sagen können«, gab Albert Hannemann zurück. »Du hast lange genug für mich gearbeitet, es wurde Zeit, dass du endlich belohnt wirst.«

Frieda musste lächeln. Ihr Vater war bester Laune. Er hatte den Braten, den Henni aufgetragen hatte, ebenso gelobt wie das Gemüse. Er strahlte über das ganze Gesicht, und er hatte mehrfach betont, dass es die richtige Entscheidung gewesen sei, die Villa an der noch immer sehr beliebten Elbchaussee zu kaufen.

»Ein Ort zum Wohlfühlen«, hatte er zufrieden gesagt. »Dass wir ihn behalten konnten, verdanken wir auch dir, Ernst!«

Da hatte Vater recht. Und darum hatte Ernst seine neue Position mehr als verdient. Seit er mit zehn als Laufbursche bei Hannemann & Tietz angefangen hat, war klar, dass er mehr wollte. Nun hatte er es geschafft. Durch geschicktes Taktieren und mutiges Handeln war er zu Geld gekommen, als alle anderen unter der Inflation gestöhnt und Verluste gemacht hatten. Ohne ihn wäre ihre geliebte Schokoladenmanufaktur in größter Gefahr gewesen. Sie wusste nur zu gut, dass die Produktion von Zartbitter- und Vollmilchtafeln, von Pralinen mit Champagner- oder Fruchtfüllung für ihren Vater im besten Fall eine Liebhaberei war. Während der Wirtschaftskrise, als Vater an allen Ecken und Enden sparen musste, wäre die Manufaktur beinah auf der Strecke geblieben. Aber Ernst hatte erkannt, dass die Produktion von köstlichen Süßwaren sogar die Rettung sein konnte, wenn der Import nichts einbrachte. Deshalb hatte er sie unterstützt, wenn sie beharrlich immer wieder neue Rezepte entwickelt, stundenlang Schokoladenmasse gerührt, in Formen gegossen, Tafeln in Silberpapier gewickelt hatte. Bis sie so erfolgreich waren, dass ihr Vater ihr endlich höchst offiziell das Sagen über diesen kleinen Bereich seines Geschäfts erteilte. Mehr noch, Vater hatte ihr sogar in Aussicht gestellt, irgendwann seine Nachfolgerin im Familienunternehmen zu werden. Mit Per an ihrer Seite traute Vater ihr die Geschäftsleitung zu. Manchmal konnte sie es immer noch nicht fassen.

»Wirklich, Ernst«, hörte sie jetzt ihren Vater sagen. »Du hast es dir absolut verdient, mein Kompagnon zu sein. An Hannemann & Krüger muss ich mich zwar erst gewöhnen, aber das wird schon.«

»Sie können den Namen wirklich gern beibehalten. Hannemann & Tietz hat einen guten Klang, weit über Hamburgs Grenzen hinaus. Und Krüger is ja nicht so richtig ein Name, sondern eher ein Sammelbegriff.«

»Das kommt gar nicht infrage. Hättest du uns in den schweren Zeiten nach dem Krieg nicht Geld geliehen – ich darf gar nicht darüber nachdenken, was aus dem Unternehmen geworden wäre!«

»Sie hätten das schon irgendwie anders geschafft …«

»Indem ich womöglich die Gerätschaften der Manufaktur verkauft hätte?«

»Auf keinen Fall!« Allein die Vorstellung ließ Frieda aufschrecken. Hatte sie es doch geahnt, kaum tauchte ein Engpass am Horizont auf, stellte ihr Vater zuerst die Manufaktur infrage.

»Siehst du, Ernst, schon bei dem bloßen Gedanken steht meine liebe Tochter kurz vor einem Ohnmachtsanfall«, sagte ihr Vater lächelnd.

Ernst grinste nur, dann zwinkerte er seiner Mutter zu, die sich immer noch sichtlich unwohl fühlte. Kein Wunder, bis vor Kurzem war sie Angestellte im Hause Hannemann gewesen. Erst hatte sie Rosemarie das Mieder geschnürt, ihr die Schuhe geputzt und die Kleider gerichtet, später hatte sie sich um Frieda und Hans gekümmert, als wären es ihre eigenen Kinder. Bis letzte Woche hatte Gertrud das Küchenpersonal unter sich gehabt und würde jetzt vermutlich lieber selbst am Herd stehen oder zumindest den Leuten auf die Finger schauen. Doch das war nun vorbei.

»Die Mutter meines Geschäftspartners kann uns unmöglich weiter den Braten auf den Teller legen«, hatte Albert erklärt.

Rosemarie Hannemann fühlte sich genauso unwohl wie Gertrud. »Sie wird mit uns am Tisch sitzen?«, hatte sie verwirrt gefragt, als Albert ihr erklärte, es werde eine kleine Feier zu Ehren von Ernsts Einstand geben. »Worüber soll ich mich denn mit ihr nur unterhalten?« Rosemarie hatte vollkommen ratlos ausgesehen. Es wäre wirklich besser gewesen, in einem anständigen Restaurant zu feiern als zu Hause. Dort hätten sich die beiden ungleichen Frauen vermutlich schneller mit der ungewöhnlichen Situation arrangiert. Frieda lächelte stillvergnügt. Ach was, sie würden den Abend schon überstehen. Und tatsächlich war das Essen ohne größere Zwischenfälle vonstattengegangen. Dennoch war Frieda erleichtert, als Henni den Nachtisch servierte, rote Grütze mit Sahne. Oder Rødgrød med fløde, wie Per sagte. Immer wieder sagen musste, denn Frieda konnte sich nicht daran satthören, wenn er dänisch sprach. Besonders diese drei Wörter liebte sie.

Lächelnd schaute sie zu Per herüber – schon wieder wollte ihr ein Glücksgefühl das Herz fluten. Was war heute nur los mit ihr? So rührselig kannte Frieda sich selbst nicht. Im letzten Herbst hatten sie sich verlobt, da war sie gerade zweiundzwanzig gewesen. Ihr war es ein wenig früh vorgekommen, ihre Eltern dagegen hatten es kaum abwarten können. Nicht etwa, weil sie ihr Kind einfach gern unter der Haube gewusst hätten, sondern um durch eine einträgliche Heirat die finanzielle Lage des Handelsunternehmens zu stärken, so schlecht war es ihrem Vater damals gegangen. Mit siebzehn, so alt war sie, als ihre Eltern das erste Rendezvous einfädelten, war es ihr wie Verrat vorgekommen, als würden Vater und Mutter sie an einen Mann mit Geld verschachern. Und wirklich: Mit Per waren Vaters finanzielle Sorgen Geschichte. Doch zum Glück war er ein hochanständiger Mann. Mehr noch. Frieda empfand größte Zuneigung für ihn. Dass auch die Leidenschaft zwischen ihnen noch wachsen würde, daran hatte sie keinen Zweifel. Sie betrachtete ihn von der Seite. Seine blauen blitzenden Augen wurden von Lachfältchen eingerahmt, das blonde Haar war kurz und wie immer sehr ordentlich nach hinten gekämmt. Er bemerkte ihren Blick und sah sie fragend an. Frieda legte ihre Hand auf seine und lächelte ihn an. Die letzten Monate an seiner Seite waren schön gewesen. Sehr schön. Per freute sich darauf, in Hamburg sesshaft zu werden. Er hatte ein prachtvolles Haus am Rande der Elbchaussee gekauft. Bis zur Villa ihrer Eltern waren es nur wenige Schritte, und der Garten grenzte direkt an den Jenischpark. Frieda hatte sich auf den ersten Blick in das Anwesen verliebt. Nicht nur die Lage inmitten von Grün und oberhalb des kleinen Teufelsbrücker Hafens hatte sie sofort begeistert. Vor allem gefielen ihr die großen Fenster, die so viel Licht einließen. Die Zimmer in den beiden Stockwerken waren geräumig und freundlich. Da der Bau auf einem kleinen Hügel errichtet worden war, gab es statt eines Kellers ein Souterrain-Geschoss. Dort würde Selma Blumenstein wohnen, die im März das Kind von Friedas Bruder Hans zur Welt gebracht hatte. Es war Pers Vorschlag gewesen, sie mit ihrer Tochter zu sich zu nehmen. Ebenso gut hätte Selma in dem Anbau bleiben können, den Frieda bis zur Hochzeit noch bei ihren Eltern bewohnte, und wo die junge Frau aus Berlin seit ihrem Auftauchen während Friedas und Pers Verlobungsfeier Unterschlupf gefunden hatte. Doch Selma war Jüdin, und Rosemarie tat sich schwer mit diesem Umstand. Ein uneheliches Enkelkind war ohnehin schon mehr, als sie verkraften konnte. Per war sensibel genug, um zu begreifen, wie hilfreich ein wenig Abstand zwischen Rosemarie und Selma war. Frieda konnte den Umzug in ihr eigenes Reich kaum noch abwarten. Bald würden die Innenarbeiten – ein paar neue Tapeten, etwas Farbe – abgeschlossen sein. Dann mussten sie nur noch den Hochzeitstermin festlegen, ehe Frieda endlich ihren eigenen Haushalt haben würde.

»Ich fürchte, für mich wird es langsam Zeit.« Pers tiefe Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Mein Vater erwartet mich morgen schon sehr früh in unserem Stammhaus in Odense. Mir scheint, mein alter Herr hat einiges mit mir zu besprechen, da sollte ich ausgeschlafen sein. Seid mir bitte nicht böse, wenn ich mich daher jetzt verabschiede.« Er erhob sich. Sofort standen Ernst und Albert auf, Gertrud schien zu überlegen. Sie war es einfach nicht gewöhnt, als Dame Platz zu behalten.

»Ich begleite dich zur Tür.« Frieda erhob sich.

»Unsere beiden Turteltauben«, sagte Rosemarie mit einem Seufzer.

»Wird wirklich Zeit, dass ihr endlich vor den Altar tretet. Zwar wird das Haus ohne dich sehr leer sein, Sternchen, aber eine Frau gehört nun mal zu ihrem Mann.« Ihr Vater sah sie an. In seinem Blick lag so viel Wärme. Frieda wusste, wie froh er war, dass der finanzkräftige Bräutigam nicht nur Friedas Verstand hatte überzeugen können, sondern dass sie ihn von Herzen gern hatte. Wenn Albert das Unternehmen, das sein Großvater gegründet hatte, auch über alles stellte, rangierte das Glück seiner Tochter doch direkt dahinter. Ernst starrte auf das weiße Damasttuch, auf dem noch die leeren Kristallschalen mit roten klebrigen Grützespuren standen. Den ganzen Abend war er – abgesehen von einem kurzen Moment – ausgelassen gewesen und hatte mit Albert geplaudert, als wären sie schon immer zwei Kaufmänner, die gemeinsam zur Börse gingen oder an der Alster ihren Cognac nahmen. Jetzt aber wirkte er seltsam verkniffen, und seine Mutter ließ ihn nicht aus den Augen. Was er wohl hatte? Wahrscheinlich war ihm klar, dass Turteltauben es nicht ganz traf. Ernst war ein hoffnungsloser Romantiker, bestimmt hätte er es...

Erscheint lt. Verlag 6.12.2019
Reihe/Serie Die große Hamburg-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Carmen Korn • Chocolatier • Erste Liebe • Familie • Familienepos • Familiensaga • Familienschicksal • Glück • Hamburg • Handelskontor • Hansestadt • Judenverfolgung • Junge Frau • Kakao • Liebe • Nazis • NSDAP • Saga • Schokolade • Schokoladenmanufaktur • Unabhängigkeit • Uneheliches Kind • USA
ISBN-10 3-8412-1785-0 / 3841217850
ISBN-13 978-3-8412-1785-1 / 9783841217851
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