Don Carlos - Friedrich Schiller (eBook)
100 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7467-9988-9 (ISBN)
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Achter Auftritt.
Die Prinzessin und bald nachher Don Carlos.
Prinzessin (hat sich in eine Ottomane geworfen und spielt).
Carlos (stürzt herein. Er erkennt die Prinzessin und steht da, wie vom Donner gerührt).
Gott!
Wo bin ich?
Prinzessin (läßt die Laute fallen. Ihm entgegen).
Ach, Prinz Carlos? Ja, wahrhaftig!
Carlos. Wo bin ich? Rasender Betrug – ich habe
Das rechte Kabinet verfehlt.
Prinzessin. Wie gut
Versteht es Carl, die Zimmer sich zu merken,
Wo Damen ohne Zeugen sind.
Carlos. Prinzessin –
Verzeihen Sie, Prinzessin – ich – ich fand
Den Vorsaal offen.
Prinzessin. Kann das möglich sein?
Mich däucht ja doch, daß ich ihn selbst verschloß.
Carlos. Das däucht Sie nur, das däucht Sie – doch, versichert!
Sie irren sich. Verschließen wollen, ja,
Das geb' ich zu, das glaub' ich – doch verschlossen?
Verschlossen nicht, wahrhaftig nicht! Ich höre
Auf einer – Laute Jemand spielen – war's
Nicht eine Laute? (Indem er sich zweifelnd umsieht.)
Recht! dort liegt sie noch –
Und Laute – Das weiß Gott im Himmel! – Laute,
Die lieb' ich bis zur Raserei. Ich bin
Ganz Ohr, ich weiß nichts von mir selber, stürze
Ins Kabinet, der süßen Künstlerin,
Die mich so himmlisch rührte, mich so mächtig
Bezauberte, ins schöne Aug' zu sehen.
Prinzessin Ein liebenswürd'ger Vorwitz, den Sie doch
Sehr bald gestillt, wie ich beweisen könnte.
(Nach einigem Stillschweigen, mit Bedeutung.)
O, schätzen muß ich den bescheidnen Mann,
Der, einem Weib Beschämung zu ersparen,
In solchen Lügen sich verstrickt.
Carlos (treuherzig). Prinzessin,
Ich fühle selber, daß ich nur verschlimmre,
Wo ich verbessern will. Erlassen Sie
Mir eine Rolle, die ich durchzuführen
So ganz und gar verdorben bin. Sie suchten
Auf diesem Zimmer Zuflucht vor der Welt.
Hier wollten Sie, von Menschen unbehorcht,
Den stillen Wünschen Ihres Herzens leben.
Ich Sohn des Unglücks zeige mich; sogleich
Ist dieser schöne Traum gestört. – Dafür
Soll mich die schleunigste Entfernung – (Er will gehen.)
Prinzessin (überrascht und betroffen, doch sogleich wieder gefaßt). Prinz –
O, das war boshaft.
Carlos. Fürstin – ich verstehe,
Was dieser Blick in diesem Kabinet
Bedeuten soll, und diese tugendhafte
Verlegenheit verehr' ich. Weh dem Manne,
Den weibliches Erröthen muthig macht!
Ich bin verzagt, wenn Weiber vor mir zittern.
Prinzessin. Ist's möglich? – Ein Gewissen ohne Beispiel
Für einen jungen Mann und Königssohn!
Ja, Prinz – jetzt vollends müssen Sie mir bleiben,
Jetzt bitt' ich selbst darum: bei so viel Tugend
Erholt sich jedes Mädchens Angst. Doch wissen Sie,
Daß Ihre plötzliche Erscheinung mich
Bei meiner liebsten Arie erschreckte?
(Sie führt ihn zum Sopha und nimmt ihre Laute wieder.)
Die Arie, Prinz Carlos, werd' ich wohl
Noch einmal spielen müssen; Ihre Strafe
Soll sein, mir zuzuhören.
Carlos (er setzt sich, nicht ganz ohne Zwang, neben die Fürstin).
Eine Strafe,
So wünschenswerth, als mein Vergehen – und, wahrlich!
Der Inhalt war mir so willkommen, war
So göttlich schön, daß ich zum – dritten Mal
Sie hören könnte.
Prinzessin. Was? Sie haben Alles
Gehört? Das ist abscheulich, Prinz. – Es war,
Ich glaube gar, die Rede von der Liebe?
Carlos. Und, irr' ich nicht, von einer glücklichen –
Der schönste Text in diesem schönen Munde;
Doch freilich nicht so wahr gesagt, als schön.
Prinzessin. Nicht? nicht so wahr? – Und also zweifeln Sie?
Carlos (ernsthaft).
Ich zweifle fast, ob Carlos und die Fürstin
Von Eboli sich je verstehen können,
Wenn Liebe abgehandelt wird.
(Die Prinzessin stutzt; er bemerkt es und fährt mit einer leichten Galanterie fort.)
Denn wer,
Wer wird es diesen Rosenwangen glauben,
Daß Leidenschaft in dieser Brust gewühlt?
Läuft eine Fürstin Eboli Gefahr,
Umsonst und unerhört zu seufzen? Liebe
Kennt Der allein, der ohne Hoffnung liebt.
Prinzessin (mit ihrer ganzen vorigen Munterkeit).
O, still! Das klingt ja fürchterlich. – Und freilich
Scheint dieses Schicksal Sie vor allen Andern,
Und vollends heute – heute zu verfolgen.
(Ihn bei der Hand fassend, mit einschmeichelndem Interesse.)
Sie sind nicht fröhlich, guter Prinz. – Sie leiden –
Bei Gott, Sie leiden ja wohl gar. – Ist's möglich?
Und warum leiden, Prinz? bei diesem lauten
Berufe zum Genuß der Welt, bei allen
Geschenken der verschwendrischen Natur
Und allem Anspruch auf des Lebens Freuden?
Sie – eines großen Königs Sohn und mehr,
Weit mehr, als das, schon in der Fürstenwiege
Mit Gaben ausgestattet, die sogar
Auch Ihres Ranges Sonnenglanz verdunkeln?
Sie – der im ganzen strengen Rath der Weiber
Bestochne Richter sitzen hat, der Weiber,
Die über Männerwerth und Männerruhm
Ausschließend ohne Widerspruch entscheiden?
Der, wo er nur bemerkte, schon erobert,
Entzündet, wo er kalt geblieben, wo
Er glühen will, mit Paradiesen spielen
Und Götterglück verschenken muß – der Mann,
Den die Natur zum Glück von Tausenden
Und Wenigen mit gleichen Gaben schmückte,
Er selber sollte elend sein? – O Himmel!
Der du ihm Alles, Alles gabst, warum,
Warum denn nur die Augen ihm versagen,
Womit er seine Siege sieht?
Carlos (der die ganze Zeit über in die tiefste Zerstreuung versunken war, wird durch das Stillschweigen der Prinzessin plötzlich zu sich selbst gebracht und fährt in die Höhe).
Vortrefflich!
Ganz unvergleichlich, Fürstin! Singen Sie
Mir diese Stelle noch einmal.
Prinzessin (sieht ihn erstaunt an). Carlos,
Wo waren Sie indessen?
Carlos (springt auf). Ja, bei Gott!
Sie mahnen mich zur rechten Zeit. – Ich muß,
Muß fort – muß eilends fort.
Prinzessin (hält ihn zurück). Wohin?
Carlos (in schrecklicher Beängstigung). Hinunter
Ins Freie. – Lassen Sie mich los, Prinzessin,
Mir wird, als rauchte hinter mir die Welt
In Flammen auf –
Prinzessin (hält ihn mit Gewalt zurück). Was haben Sie? Woher
Dies fremde, unnatürliche Betragen?
(Carlos bleibt stehen und wird nachdenkend. Sie ergreift diesen Augenblick, ihn zu sich auf den Sopha zu ziehen.)
Sie brauchen Ruhe, lieber Carl – Ihr Blut
Ist jetzt in Aufruhr – setzen Sie sich zu mir –
Weg mit den schwarzen Fieberphantasien!
Wenn Sie sich selber offenherzig fragen,
Weiß dieser Kopf, was dieses Herz beschwert?
Und wenn er's nun auch wüßte – sollte denn
Von allen Rittern dieses Hofs nicht einer,
Von allen Damen keine – Sie zu heilen,
Sie zu verstehen, wollt' ich sagen – keine
Von allen würdig sein?
Carlos (flüchtig, gedankenlos). Vielleicht die Fürstin
Von Eboli –
Prinzessin (freudig, rasch). Wahrhaftig?
Carlos. Geben Sie
Mir eine Bittschrift – ein Empfehlungsschreiben
An meinen Vater. Geben Sie! Man spricht,
Sie gelten viel.
Prinzessin. Wer spricht das? (Ha, so war es
Der Argwohn, der dich stumm gemacht!)
Carlos. Wahrscheinlich
Ist die Geschichte schon herum. Ich habe
Den schnellen Einfall, nach Brabant zu gehn,
Um – bloß um meine Sporen zu verdienen.
Das will mein Vater nicht. – Der gute Vater
Besorgt, wenn ich Armeen commandierte –
Mein Singen könne drunter leiden.
Prinzessin. Carlos,
Sie spielen falsch. Gestehen Sie, Sie wollen
In dieser Schlangenwindung mir entgehn.
Hieher gesehen, Heuchler! Aug' in Auge!
Wer nur von Ritterthaten träumt – wird Der,
Gestehen Sie – wird Der auch wohl so tief
Herab sich lassen, Bänder, die den Damen
Entfallen sind, begierig wegzustehlen
Und – Sie verzeihn –
(Indem sie mit einer leichten Fingerbewegung seine Hemdkrause wegschnellt und...
Erscheint lt. Verlag | 5.1.2019 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Erwachsenenbildung | |
Schlagworte | Abitur • Don Carlos • Friedrich Schiller • Infant • Lektüre • Schiller • Spanien |
ISBN-10 | 3-7467-9988-0 / 3746799880 |
ISBN-13 | 978-3-7467-9988-9 / 9783746799889 |
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