Das Drachenkind (eBook)
472 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7481-1614-1 (ISBN)
T.V. Ahrens ist die perfekte genetische Mischung aus einem kühlen Hamburger und einer flatterhaften Schwäbin. Wahrscheinlich konnte bei dieser Kombination nur das perfekte Chaos herauskommen! Zuhören ist die unangefochtene Lieblingsbeschäftigung der gelernten Online-Journalistin, egal ob es sich um prasselnden Regen handelt, oder um Menschen, Rock, Metal oder ihre zahllosen Buchfiguren. Da sie ihre Bücher nach dem Entdecker-Prinzip schreibt (und damit regelmäßig schockierte Blicke von planenden Autoren erntet), lässt sie sich zu hundert Prozent von den Charakteren durch die Geschichte leiten. Ein herausstechendes Merkmal all ihrer Geschichten ist die Tatsache, dass alle Hauptfiguren Züge von Hochsensibilität aufweisen, die bis in magische Fähigkeiten hinein verzerrt werden, zum Beispiel außerordentlich feine Sinne, ein hohes Maß an Intuition oder die Möglichkeit der Kommunikation mit einer Anderswelt. Seit ihrem Start als offizielle Selfpublisherin 2015 arbeitet sie an zwei großen Buchreihen: Der Drachenkind-Chronik und der School of Muses.
Kapitel 1
Irgendwann, als all die Tränen sie nicht mehr ruhiger, sondern wieder fahriger machten, erhob sich Moira vom Boden hinter ihrer Haustüre und sah sich schniefend um. Es war schon seltsam: Jahrelang war sie durch diese Tür gekommen, und obwohl sich hier in den vergangenen sechs Monaten nichts verändert hatte, fühlte sich ihr Haus jetzt komplett anders an. Alles, was immer ruhig, kuschelig und einladend auf sie gewirkt hatte, war jetzt falsch und leblos. Kein zufriedenes Glucksen begleitete ihre Schritte und sie hatte Angst vor dem Moment, in dem ihr geliebtes Baby bemerken würde, dass seine Mutter verschwunden war.
Moira atmete zwei Mal tief durch, und bevor sie ihre Gedanken an alles, was sie gerade verlassen hatte, endgültig einholen konnten, zog sie die Vorhänge auf und öffnete die Fenster. Dann trieb sie sich nach oben, um auch den Rest des Hauses aus dem Winterschlaf zu holen. Sie nahm auf der kleinen, knarzenden Holztreppe jeweils zwei Stufen auf einmal, stapfte den winzigen Gang entlang und in das kleine Büro mit Bibliothek. Sie hielt einen Moment in dem dunklen Zimmer inne und warf einen prüfenden Blick auf die Regale, auf die beiden dunkelbraunen Ohrensessel mit dem kleinen Beistelltisch und den Schreibtisch. Alles war genau so, wie sie es verlassen hatte. Dann erst ließ sie das orangene Licht der Straßenlaterne den Raum durchfluten, als wolle sie etwas vertreiben. Als Nächstes folgten Schlafzimmer und Bad, die alle hinter dem Büro aufgereiht waren.
Als der letzte Vorhang mit dem vertrauten Kreischen von billigen Plastikringen auf noch billigeren Gardinenstangen das Laternenlicht herein ließ, suchte Moira nach einer neuen Beschäftigung, denn die Gedanken an die vergangenen Minuten drohten, sie einzuholen.
Auf dem Rückweg durch den schmalen Gang heftete sie wie so oft ihren Blick auf den abgewetzten Teppich, den sie schon seit ihrem Einzug hatte austauschen wollen.
»Nun, vielleicht komme ich ja jetzt mal dazu, etwas am Haus zu machen«, dachte sie bitter.
Der Gedanke verklang gerade in ihrem Kopf, als sie erneut an der Tür zum Arbeitszimmer vorbeikam. Aus dem Augenwinkel nahm sie ein weißes Stück Stoff auf einem der Ohrensessel wahr und erstarrte schlagartig. Mit weit aufgerissenen Augen drehte sie sich in Richtung der Sitzgruppe, und ihre periphere Sicht hatte sie nicht getäuscht. Der weiße Stoff gehörte zu einem bodenlangen, weißen Rock. Der Rest der schlanken Figur war unter einem aschefarbenen Mantel mit Kapuze verborgen. »Mein Gott«, flüsterte Moira, als sie näher an die Gestalt herantrat.
»Nein, kein Gott«, entgegnete Trel, als sie ihre Kapuze von den blonden Haaren strich. »Nur eine Königin auf Hausbesuch.«
Moira verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen. »Tja, meine Liebe. Leider vom falschen Königreich.«
Trel schluckte merklich, entgegnete aber nichts.
»Schockiert?«, fragte Moira eisig. »Das ging schnell. Warum hast du Elhin nicht gleich mitgebracht? Dann hättet ihr mich zusammen zurück schleifen können.«
»Ich habe ihm ausdrücklich verboten, herzukommen«, entgegnete Trel leise.
»Das wird ihn nicht lange aufhalten.«
»Ich weiß.«
Nun wurde Moiras Blick weicher. »Ty?«, krächzte sie.
»Es geht ihm gut. Elhins Bruder und dessen Frau sind bei ihm, das hat er mir berichtet. Du brauchst dich nicht zu sorgen.«
»Gut«, log sie schnell. »Wenn ihr mich dann jetzt entschuldigt, Elhins Majestät, ich würde gerne meine Gedanken ordnen. Allein.«
»Ich hatte gehofft -«
»Was hattest du gehofft, Trel? Dass du mich auf die Schnelle überzeugen kannst, zu euch zurückzukommen und alles zu vergessen, was ich gerade erfahren habe? Mir einreden zu können, dass meine Pflicht gegenüber den Elfen wichtiger ist, als alles, was ich hier aufgebaut habe? Dass ich ein Monster bin, weil ich mein Kind alleine lasse? Dass der General mich angelogen hat?«
Trel erhob sich, schritt an das kleine Fenster, das den Blick zur Straße freigab und starrte einen Moment hinaus. »Denkst du wirklich, ich ordere dich zurück, Moira?«, fragte sie kleinlaut. »Denkst du so schlecht von mir? Glaubst du, ich zerre dich an den Haaren zurück in eine Welt, die dir so viel Leid gebracht hat? Du scheinst mich immer noch nicht zu kennen.« Sie drehte sich wieder um und sprach weitaus bestimmter weiter. »Du hast völlig recht, ich habe hier keine Befehlsgewalt über dich. Ich bin hier nur eine Frau, genau wie du. Und wenn du möchtest, dann verschwinde ich sofort.« Ihre Kraft schien mit diesen Worten aufgebraucht, denn sie ließ ihre Schultern sinken. Ihre nächsten Worte waren nur noch ein Flüstern. Doch das verwässerte nicht die Kraft, mit der Treis besondere Begabung flehte. »Aber bitte hilf mir vorher, deine Entscheidung zu verstehen. Mit was hat der General dich konfrontiert? Bitte, ich flehe dich an. Sprich doch mit mir, lass es mich verstehen!«
Moira zögerte. Die Worte ihrer Freundin schienen sich vom Ohr einen Weg tief in ihr Gehirn zu bahnen, bis es angefüllt war mit dem Wunsch, sich in den weichen Polstern direkt neben ihrer Freundin niederzulassen. Sich zu öffnen und einfach loszusprechen, egal wie wenig Lust sie darauf noch vor zwei Sekunden gehabt hatte. Also setzte sie sich schließlich doch auf den Sessel, in dem eben noch Trel Platz genommen hatte. Die Königin zog den anderen Sessel näher heran und ließ sich ebenfalls nieder.
»Der General hat mich abgefangen, direkt vor Elhins Haus«, begann Moira und musste schwer schlucken.
Trel biss sich auf die Lippen. Natürlich hatte Elhin ihr die Einzelheiten im Thronsaal berichtet. Aber sie wollte und musste es von ihr hören, wenn sie den General zur Rechenschaft ziehen wollte. »Das tut mir sehr leid für dich«, gab sie leise zu. »General Kell ist eine Schlange von einem Mann. Schlau und kalt.«
»Das ist wohl wahr. Und zweifelsohne verfolgte er nur seine eigene Agenda. Er wusste genau, was er wann sagen musste, um mich abgrundtief zu schockieren. Und obwohl es wahrscheinlich dumm ist, glaube ich ihm sogar.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Trel mit aller gebotenen Vorsicht. Bei der Göttin, sie hasste Verhöre.
»Dass ich sehr leichtgläubig war und mich habe benutzen und belügen lassen.«
»Und woran hat er das festgemacht?«
Nun war es Moira, die sich auf die Lippen biss. Sie schaute lange in die seltsam ungewohnte Finsternis hinaus und sortierte ihre Worte sorgsam, bevor sie weitersprach. »An einigen Zahlen und Daten, die nicht zusammenpassen. Vielleicht hat er sich das alles ja wirklich nur ausgedacht, aber ich muss schon sagen: Seine Ausführungen klangen bald glaubhafter als das, was ich bisher für wahr gehalten hatte.«
»Was passt für dich nicht zusammen?«, fragte Trel vorsichtig. Sie musste dringend wissen, wie viel von der Wahrheit Moira sich zusammengereimt hatte.
»Fast niemand weiß davon, aber ich habe den fünften General hier in Gunnislake kennengelernt«, begann Moira. »Ebenso wie Elhins echtes Gesicht. Sie beide standen plötzlich an meinem Arbeitsplatz vor mir. Und von diesem Moment an sind meine Erinnerungen seltsam verschwommen. Da sind Gedanken an einen Kreis aus Kerzen, aber sie sind seltsam farblos. Da sind Gedanken an Elhin, getränkt in entsetzliche Angst. Und danach: nichts. Ein großes, klaffendes Nichts, bis zum nächsten Morgen. Wie der General mir in Erinnerung rief, fand dieses Ereignis genau sechs Monate vor Tys Geburt statt.«
Trel öffnete die Lippen, schloss sie wieder und legte beide Hände darüber. Dann wandte sie den entsetzten Blick ab. Nicht, weil ihr die Tatsachen neu waren. Die Göttin wusste, dass sie das Geheimnis um Tayrenns Zeugung schon seit vielen Monaten mit sich herum trug. Vielmehr stieß sie schon das leise Echo von Moiras Gefühlen in tiefe Verzweiflung. Sie musste an Elhin denken, der damals im Ratssaal gestanden und berichtet hatte, was an diesem verhängnisvollen Tag in der Bank geschehen war. Er hatte den Blick eines Mannes gehabt, der das Wichtigste in seinem Leben verloren glaubte. Eine Erkenntnis kroch unter ihrer Haut entlang, und sie spürte, dass ihr Talent sprechen wollte. Und weil sie selbst schon lange die Worte verloren hatte, ließ sie es zu. »Kannst du dich an den Abgrund in seinen Augen erinnern?«, hörte sie sich sagen.
Moira sah auf und schien sich sofort zu erinnern. »Ja«, gab sie zu. »Ich erinnere mich glasklar daran. Ich hatte damals in der Bank schreckliche Angst und mir schossen tausend Dinge durch den Kopf, als er vor mir stand. Damals habe ich zum ersten Mal in diesen Abgrund geblickt. Als seine grünen Augen sich auf mich richteten, wusste ich, dass alles verloren ist. Dass vor mir jemand steht, der sein Schicksal nicht mehr selbst in der Hand hat, sondern lange davon verschlungen wurde und nun eine tote Hülle durch die Welt schleift.«
Lautlose Tränen säumten Moiras letzten Worte und Trel...
Erscheint lt. Verlag | 26.11.2018 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-7481-1614-4 / 3748116144 |
ISBN-13 | 978-3-7481-1614-1 / 9783748116141 |
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