Das Savoy - Schicksal einer Familie (eBook)

Roman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1739-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Savoy - Schicksal einer Familie - Maxim Wahl
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Dunkle Geheimnisse.

London 1936. Violet tritt das Vermächtnis ihres Großvaters an und leitet das Hotel Savoy. Neben ihren nicht enden wollenden Pflichten belastet sie eine große persönliche Schuld. Violet wirft sich vor, ihren Partner John in den Selbstmord getrieben zu haben. Erst die Begegnung mit dem französischen Adeligen Omar de la Durbollière scheint ihr neues Glück zu bringen. Obwohl sie die politischen Veränderungen in Deutschland mit Abscheu beobachtet, folgt sie seiner Einladung zu den Olympischen Sommerspielen. Doch nicht nur auf der Bühne der Weltpolitik, sondern auch im Savoy überschlagen sich Ereignisse, denen Violet sich nicht entziehen kann.

Der zweite Band der großen 30er-Jahre-Saga über das berühmteste Hotel der Welt.



Hinter Maxim Wahl verbirgt sich ein deutscher Bestsellerautor, der mit seinen zahlreichen Romanen auch international Aufmerksamkeit erregte. Für seine Stoffe sucht sich Maxim Wahl am liebsten große Schauplätze der europäischen Geschichte. Er lebt in Berlin und London, und am allerliebsten im Hotel Savoy. Im Aufbau Taschenbuch ist bisher 'Das Savoy. Aufbruch einer Familie', der erste Band seiner erfolgreichen Saga erschienen.

1
Die Geliebte


Halblanges kastanienbraunes Haar, das souveräne Lächeln, ein flaschengrünes Kleid, so sah sich Violet auf der Titelseite der Gesellschaftszeitung, die viele Gäste in der Lobby in den Händen hielten. Sie fand ihr Gesicht häufig in Magazinen. Violet war eine Frau, über die man sprach. Anders als auf der Fotografie trug sie heute ein schlichtes Kostüm in Dunkelbraun und erwartete ihren Gast.

Umgeben von vielen Menschen in der großen Eingangshalle des Savoy, fühlte sich Violet doch vollkommen allein. Rund um sie schimmerte poliertes Messing, brach sich das Tageslicht im geschliffenen Glas der Schwingtüren, marmorverkleidete Säulen erhoben sich zu beiden Seiten. Sie war Besitzerin dieses Hotels, sie war Arbeitgeberin und anerkannt in ihrer Zunft, ein Vorbild für Frauen, bewundert von Männern, und war schrecklich allein. Wäre es nach ihren Wünschen gegangen, hätte sie im Kreis von Gleichgesinnten gewirkt und sich in diesem Wir mit anderen, in diesem Miteinander bestens aufgehoben gefühlt. Doch die First Lady des Savoy zu sein bedeutete ein anderes Schicksal. In dem traditionsreichen Hotel, unweit der Themse gelegen, war es ihr bestimmt, einen Alltag zu leben, wie sie ihn sonst von Männern kannte. Violet war eine junge Frau, gerade erst dreißig geworden, und so genoss sie es, sich mit einer gleichaltrigen Frau zu treffen, die nichts mit dem Hotel und seinen Zwängen zu tun hatte.

Sie begrüßte ihren japanischen Gast und führte Miss Ayumi in den Golden Pavillon, den größten Speisesaal des Hauses. Es wurde noch kein Lunch serviert, die Flügeltüren schlossen sich hinter ihnen wieder. In der Weite des Saales nahmen sie an einem Tisch nahe des Fensters Platz.

Miss Ayumi war eine außergewöhnlich schöne Frau, sie trug ihr schweres Haar zu einem schlichten Knoten gewunden. Tagsüber zeigte sie sich mit dezentem Make-up, abends hatte Violet sie schon grellweiß geschminkt gesehen. Heute strahlte Ayumi nicht so sehr die reizvolle Unnahbarkeit aus, für die Violet sie bewunderte, sie befand sich in einem beängstigenden Zustand der Starre.

»Soll ich die Polizei verständigen, Miss Ayumi?«, fragte Violet, nachdem die Japanerin ihr geschildert hatte, was vorgefallen war.

»Die Polizei ändert nichts«, antwortete die Japanerin in jenem leichten Ton, der kaum etwas über ihre Gefühle verriet.

»Dieser Mann tut Ihnen Dinge an, die in unserem Land streng bestraft werden.«

»Fujiwara-san ist mein Danna«, entgegnete Ayumi. »Mein Sponsor. An seiner Seite reise ich durch die Welt und biete meine Dienste an.«

»Selbst wenn Mr Fujiwara Ihr angetrauter Ehemann wäre, dürfte er nicht solche … Praktiken von Ihnen verlangen. Ich bin … Verzeihen Sie, ich weiß so wenig darüber. Im Grunde weiß ich nichts über Ihre Welt.«

Violet und die Japanerin waren keine Freundinnen. Die Position der Hoteldirektorin verlangte die höfliche Abgrenzung von ihren Gästen. Doch die beiden Frauen waren einander nähergekommen, da Miss Ayumis Begleiter, der japanische Geschäftsmann Mr Fujiwara, seit einem Monat im Savoy residierte.

Das Entscheidende hatte Violet bereits begriffen: Eine Geisha war keine Prostituierte. Diese Annahme wäre eine schlimme Beleidigung gewesen. Eine Geisha sah sich als Bewahrerin der traditionellen japanischen Künste, sie trat bei Festen und größeren Dinners auf und unterhielt die Anwesenden durch Gesang, Tanz und niveauvolle Konversation. Die Kosten für die Dienste einer Geisha richteten sich nach ihrer Arbeitszeit und wurden durch die Zahl der abgebrannten Räucherstäbchen bestimmt. Manche Geishas hielten sich einen Danna, der für einen Teil ihrer Lebenshaltungskosten aufkam. Eine Geisha zu sponsern, galt für den wohlhabenden Japaner als Statussymbol.

Ayumi nahm einen Schluck Tee, ihr Kimono rutschte hoch, rasch zog sie den Ärmel wieder über ihr Handgelenk. Violet hatte die Blutergüsse und Schwellungen jedoch vorhin schon bemerkt. Allein die Andeutung der Prozedur, von der Ayumi gesprochen hatte, ließ in Violet eine Wut aufsteigen, die sie in letzter Zeit häufiger an sich feststellte. Dabei war ihre Wut ein Paradoxon. Schon die kleinste Ungerechtigkeit an Frauen nahm Violet als Bestätigung für die unwürdige Position, in der sich die Frau im 20. Jahrhundert immer noch befand. Andererseits verkörperte sie selbst den Beweis dafür, dass die Vormachtstellung des Mannes nicht mehr absolut war. Ihre ersten dreißig Jahre hatte sie in der Zuversicht durchlebt, dass Männer zwar vom Mars und Frauen von der Venus stammten, dass ihr Konflikt jedoch ein kreatives Aufeinanderprallen war, von dem beide Seiten profitierten. Erst seit Violet dazu gezwungen gewesen war, in der Nachfolge ihres berühmten Großvaters die Leitung des vielleicht schönsten Hotels in London zu übernehmen, hatte sich ihre Sichtweise auf das Leben verändert. Violet war das Sinnbild des Savoy geworden. Diese Erkenntnis schwebte als Schatten über ihr, der sie auf Schritt und Tritt verfolgte.

Bevor sie Ayumi eine entsprechende Antwort gab, entstand eine Unruhe im Golden Pavillon, die für Violet normal, für die Japanerin jedoch überraschend war. Arturo Benedetti, der musikalische Leiter des Savoy, betrat das Podium und bat sein vierzigköpfiges Orchester zu einer Probe. Der Maestro nützte die Vormittagsstunden, um das abendliche Programm einzustudieren, mit dem die Gäste während des Dinners unterhalten werden sollten.

»La mia directrice!«, rief Benedetti, als er Violet in der Mitte des leeren Saales entdeckte. »Wir stören Sie doch nicht?«

»Im Gegenteil, Arturo, halten Sie nur Ihre Probe ab, sofern wir Sie nicht stören«, gab Violet lächelnd zurück.

Mit der Grandezza eines Florentiners verbeugte sich Benedetti und gab den Musikern den Einsatz. Eine schwungvolle Melodie aus Cavalleria rusticana ertönte, die im Kontrast zu dem ernsten Thema stand, das Violet mit der Japanerin besprach.

»Sie müssen diesen Mann verlassen, Ayumi. Es gibt keine Rechtfertigung, die ausreichen würde, Mr Fujiwaras Verhalten zu entschuldigen.«

»Fujiwara-san ist ein kluger, rechtschaffener Mann, durch den ich die halbe Welt bereist und viel Schönes erfahren habe.« Beide Frauen sprachen mit erhobener Stimme, um das fröhlich orgelnde Orchester zu übertönen.

»Wenn er solche Dinge von Ihnen verlangt, ist er ein kranker Mensch«, widersprach Violet. »Er fesselt Ihren Oberkörper auf die Beine, bis Sie sich nicht mehr bewegen können, und dann trampelt er auf Ihnen herum?«

»Es ist eine Liebestechnik, die im alten Japan angewandt wurde, eine Form von Unterwerfung, die …«

»Hören Sie um Gottes willen auf, Ayumi. Wir haben über diese Art von Männern schon einmal gesprochen. Sie sind nur dann in der Lage, ihre Angst vor Frauen zu überwinden, wenn sie die Frauen dafür bestrafen, dass sie kostbar, schön und reizvoll sind. Was diese Männer tun, hat mit Liebe nichts gemein.«

Laut und grell standen Violets letzte Worte in der Stille des Raumes. Benedetti hatte das Musikstück unterbrochen.

»Nein, meine Herren, hier steht ein Des«, korrigierte er die Holzbläser. »Was ich aber von Ihnen höre, ist ein D.« Er hob den Taktstock. »Ziffer sieben, nur das Holz.«

Ein trauriges Lächeln überflog das Gesicht Ayumis. »Es gibt bei uns Unterschiede zwischen Mann und Frau, die in der Welt des Westens gänzlich unbekannt sind. Onnarashii, das Weibliche, umfasst unser gesamtes Verhalten, sogar unsere Art zu sprechen. Japanische Frauen sprechen absichtlich mit hoher Stimmlage. Sie verwenden häufig Höflichkeitsformen, onna kotoba, das sind Frauenworte. Otokorashii, die männliche Welt, basiert auf einer anderen Tradition. Und weil mir diese Tradition vertraut ist, weiß ich, Fujiwara-san liebt und ehrt mich auf eine ganz besondere Weise.«

»Es gibt keine Rechtfertigung für das, was Mr Fujiwara tut«, entgegnete Violet über die Töne der Holzbläser hinweg. »Er erregt sich an Ihrer Unterwerfung. Egal, aus welchem Kulturkreis Sie stammen, egal, ob Männer solche Dinge seit Jahrhunderten bei Ihnen tun, Sie dürfen es sich nicht länger gefallen lassen. Sie sind in London, Ayumi, wir schreiben das Jahr 1936. Was Mr Fujiwara von Ihnen verlangt, gehört ins Mittelalter. Sie müssen es stoppen, bevor es zu spät ist, bevor Mr Fujiwara Ihnen noch wirklich etwas antut.«

»Des, Des, Des, maledetto!« Benedetti unterbrach abermals. »Bitte nur die Klarinette allein.«

»Sie haben mir erklärt, was der Name Ayumi bedeutet«, fuhr Violet fort.

Die Japanerin musterte ihr Gegenüber. »Ayumi bedeutet den eigenen Weg gehen

Als ob damit alles gesagt wäre, hob Violet die Arme. »Ihren Weg gehen, Ayumi, wählen Sie Ihren eigenen Weg. Sie müssen diese krankhaften Zustände beenden.«

Die Japanerin senkte den Blick und dachte eine Weile nach. »Gut«, sagte sie schließlich. »Sie haben recht, Violet. Ich will es tun. Aber auf traditionelle Weise.«

Als hätte Ayumis Antwort auch die Unstimmigkeit im Orchester beseitigt, stimmten die Musiker jene strahlende Melodie an, in der Hoffnung, Aufbruch und das Glück der Liebe zum Ausdruck kamen. Durch diese Klänge fühlte sich Violet an Ereignisse erinnert, die trotz ihrer Jugend Ewigkeiten zurückzuliegen schienen.

Wenig später schwangen die Flügeltüren in den Golden Pavillon auf und dreihundert hungrige Menschen drängten an die Tische mit den Blumenarrangements, dem kostbaren...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2020
Reihe/Serie Die SAVOY-Saga
Die SAVOY-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Emanzipation • emanzipierte Frauen • Hotel Adlon • Hoteldynastie • Hotelleben • Hotel Ritz
ISBN-10 3-8412-1739-7 / 3841217397
ISBN-13 978-3-8412-1739-4 / 9783841217394
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