Die Tote in der Henkersgasse (eBook)

Historischer Kriminalroman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40650-6 (ISBN)

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Die Tote in der Henkersgasse -  Astrid Fritz
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Die beliebte, charmant-energische ehemalige Begine Serafina ermittelt in ihrem fünften Fall in Freiburg. Die Erfolgsautorin Fritz nimmt einen historischen Fall als Grundlage für den spannenden, atmosphärischen Roman. Im Mai 1417 liegt in der düsteren Henkersgasse eine junge Frau mit eingeschlagenem Schädel, das Gesicht mit einem falschen Muttermal am Kinn seltsam geschminkt. Die reiche Kaufmannsgattin ist eines gewaltsamen Todes gestorben. Serafina, Frau des Arztes Achaz, findet in der missgünstigen Hausmagd des Witwers eine erste Verdächtige, der eine weitere Spur folgt. Damit nicht genug, führt Serafinas Bruder nichts Gutes im Schilde, und Stadtapotheker Jonas will ihre Armenapotheke schließen. Serafina hat alle Hände voll zu tun.

Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen «Die Hexe von Freiburg», «Die Tochter der Hexe», «Turm aus Licht», «Der dunkle Himmel». Astrid Fritz lebt in der Nähe von Stuttgart.

Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen «Die Hexe von Freiburg», «Die Tochter der Hexe» und «Die Vagabundin». Astrid Fritz lebt in der Nähe von Stuttgart. Mehr über Astrid Fritz erfährt man auf www.Astrid-Fritz.de

Kapitel 3


Ein schmaler Mond stand am sternenklaren Himmel und die Nachtluft war kühl, als Adalbert dem Büttel eiligen Schrittes hinüber zur Großen Gass folgte. Die Stadt schien in tiefem Schlaf zu liegen, aber er wusste, dass der Schein trog. Hinter den geschlossenen Fenstern stritt man sich und liebte sich, in den Hinterzimmern der Spelunken wurde noch gezecht, gewürfelt und gerauft, und in den dunklen Seitengassen lief man als Spätheimkehrer Gefahr, überfallen und seiner Geldkatze beraubt zu werden. Aus diesem Grund hatte er, wenn er zu später Stunde zu einem Krankenbesuch gezwungen war, nie etwas anderes dabei als seine Arzttasche und die Laterne, die er als anständiger Bürger nach Einbruch der Dunkelheit mit sich führen musste. Was nichts daran änderte, dass auch er schon Opfer solcher Erzlumpen geworden war.

Wie sicher fühlte er sich hingegen an Sackpfeiffers Seite. Der raubauzige Büttel war in Wirklichkeit ein braver, wagemutiger Kerl, und seit jenem Abenteuer in der Höllenschlucht letzten Herbst sah Achaz sich ihm fast freundschaftlich verbunden. Er hätte diesen Gang durch die nächtliche, stille Stadt genießen können, hätte er nicht gewusst, dass am Ziel ein Schwerverletzter oder Toter liegen würde. Auch das gehörte leider zu seinen Aufgaben, neben der Behandlung innerer Krankheiten, der Seuchenbekämpfung und der Aufsicht über die Apotheker, Hebammen und anderen Heilkundigen der Stadt: Zu jedem ungeklärten Todesfall oder unnatürlich zu Schaden gekommenen Schwerverletzten musste er hinzugerufen werden. Auch diesmal hoffte er, dass er nicht zu spät kam und das Opfer noch lebte.

«Wohin bringt Ihr mich?», fragte er, als sie sich dem spärlich mit zwei Pechpfannen erleuchteten Christoffelstor näherten.

«In die Neuburgvorstadt, zur Henkersgasse», war die knappe Antwort. Mehr würde Sackpfeiffer auf offener Straße nicht verraten, denn die Wände hatten Ohren, wie der Büttel immer sagte. Die Gerüchteküche würde früh genug zu brodeln beginnen.

In der nördlichen Vorstadt mit ihren schäbigen Holzhäusern und windschiefen Scheunen lebten die einfachen Leute, hier befanden sich Einrichtungen wie das Findelhaus und die Elendenherberge für arme Pilger und Reisende ebenso wie das Henkershaus oder das städtische Bordell. Die Gasse östlich von Sankt Nikolaus hieß eigentlich Steingasse, wurde aber von den Freiburgern wegen des dort wohnenden Scharfrichters nur Henkersgasse genannt.

Als sie in die holprige, enge Gasse einbogen, versperrte ihnen trotz der nächtlichen Stunde eine ansehnliche Gruppe Gaffer den Weg.

«Ab nach Hause mit euch, wenn ihr nicht den Rest der Woche im Turm verbringen wollt», blaffte der Büttel los. Zu Adalbert gewandt sagte er: «Dort vorne ist es.»

Vor der Einfahrt zu einer halb eingesackten Scheune, schräg gegenüber des Henkerhauses, sah man eine Laterne flackern. Adalbert wunderte sich, dass die Schaulustigen nicht näher ans Geschehen herangerückt waren, erkannte aber sogleich den Grund dafür: Neben dem Nachtwächter stand breitbeinig, in gelbem Wams und gelber Kappe, der Freiburger Scharfrichter. Fast jeder fürchtete den Mann, dem einige in der Stadt Zauberkräfte nachsagten. Für Adalbert indessen war er ein verlässlicher, höflicher Zeitgenosse, der zudem erstaunlich gebildet war.

Der Nachtwächter trat ihnen einen Schritt entgegen.

«Dank unserem Meister Hans hier konnte ich die Meute zum Glück im Zaum halten. Hier ist die Leiche, Medicus … Könnt Ihr mir mit Sicherheit sagen, ob sie tot ist? Mir scheint», seine Stimme begann zu zittern, «sie hat sich grad bewegt.»

Er leuchtete auf den großen Steinhaufen vor dem offenen Scheunentor. Dort lag rücklings auf den Steinbrocken eine zierliche Gestalt, in einen langen, dunklen Kapuzenmantel gehüllt, der nur einen Ausschnitt des Gesichts freigab. Der reichte aus, um zu erkennen, dass es sich um eine junge Frau handelte.

Für einen Moment krampfte sich Adalberts Herz zusammen. In diesem Alter war seine Lena gewesen, als der Tod sie mit sich gerissen hatte, und auch in dem feingeschnittenen Gesicht fand er eine gewisse Ähnlichkeit.

«Kennt einer von Euch die Frau?», fragte er, während er der Toten behutsam die Augen schloss. Ein einstimmiges Nein war die Antwort.

Er gab sich einen Ruck, zog der Toten die Kapuze aus dem Gesicht und drehte vorsichtig den Kopf zur Seite: Der hintere Teil des Schädels war eingeschlagen, das blonde, streng zurückgebundene Haar klebte blutverkrustet über der klaffenden Wunde. Er legte zwei Finger an den Hals, dann schüttelte er den Kopf in Richtung des Nachtwächters.

«Vielleicht ist ein Stein verrutscht, oder Ihr habt eine letzte Zuckung gesehen, aber sie ist eindeutig tot. Habt Ihr die Leiche denn genau so vorgefunden oder habt Ihr sie bewegt?»

«Um Himmels willen, nein! Ich hab ihr nur den Puls gefühlt, aber da war nichts mehr zu spüren.»

«Gut so.»

Fachmännisch betastete Adalbert die Muskeln und Gelenke an den Gliedmaßen, die sich zwar kalt, aber noch weich und teigig anfühlten. An einigen Stellen zeigten sich erste rötliche Flecken.

«Sie ist noch nicht allzu lange tot, soviel ist sicher», sagte er in die Runde und begann, die zarten, schmalen Hände genauer zu untersuchen.

«Vielleicht ist sie vor jemandem davongerannt und dann hier auf den Steinen gestürzt», warf Sackpfeiffer ein.

«Mag sein. Ich frage mich nur, warum sie beim Weglaufen über diesen Steinhaufen geklettert ist und warum sie an den Händen keine Abschürfungen hat, die man sich gemeinhin einfängt, wenn man sich nach einem Sturz auf solchen Steinen abfangen will. Stattdessen finden sich an den Handgelenken und am Hals Druckstellen, als ob sie jemand vor kurzem noch festgehalten und sogar gewürgt hätte. Außerdem frage ich mich, was eine junge Frau zu nachtschlafender Zeit auf dieser Gasse zu suchen hat.»

«Hier in der Neuburg treiben sich abends viele lose Weiber herum», gab Sackpfeiffer schulterzuckend zurück. «Zumal nicht weit von hier das Haus Zur Kurzen Freud ist.»

Er warf dem Scharfrichter, der sich in der Neuburgvorstadt bestens auskannte, einen fragenden Blick zu.

Der schüttelte den Kopf.

«Ich hab das Weib noch nie gesehen, und wie eine Hübschlerin sieht sie mir auch nicht aus.»

«Da habt Ihr recht», pflichtete Adalbert ihm bei. «Sie hat äußerst gepflegte Hände und ihr Mantel ist aus teurem flandrischen Tuch. Eher schon eine vornehme Bürgersfrau. Was mich aber am allermeisten verwundert, ist …», er ließ den Nachtwächter noch einmal zu ihrem Kopf leuchten, «dass ihr Gesicht so seltsam bemalt ist. Die Augenbrauen sind eindeutig mit Kohle nachgezogen, was überhaupt nicht zu dem Blondhaar passt. Und schaut, hier auf dem Kinn findet sich ein auffälliges Muttermal, das ebenfalls aufgemalt ist, und die Wangen sind künstlich gerötet. Was könnte uns das wohl sagen?», fragte er sich und den Büttel. Er wusste, dass Gallus Sackpfeiffer sich geehrt fühlte, wenn er in seine Überlegungen einbezogen wurde.

«Ich denke, sie wollte nicht, dass sie erkannt wird. Möglicherweise war sie tatsächlich auf der Flucht. Vor ihrer Familie, vor ihrem Ehemann, vor einem Gerichtsprozess …»

«Dann hätte sie eine Geldkatze am Gürtel, sie hätte Ersparnisse dabei. Aber da ist nichts.»

«Stimmt. Vielleicht hat irgendein Diebsgesindel sie niedergeschlagen und beraubt.»

«Gleich vor dem Henkershaus?» Adalbert blickte zweifelnd drein. «Jeder hier weiß, dass unser Meister Hans zu Tag- und Nachtzeiten auf den Beinen sein kann und ein Auge auf die Gasse hat. Und dieser jemand hätte sich deshalb umso mehr beeilt, eine Geldkatze kurzerhand vom Gürtel abzuschneiden, statt sie mühsam aufzuknoten. Aber, soweit ich sehe», er beugte sich hinab und inspizierte ihre Hüftgegend, «findet sich nicht der kleinste Rest eines Lederbandes.»

Er wandte er sich an den Scharfrichter: «Habt Ihr heute Abend Schreie gehört? Oder einen Tumult vor Eurer Haustür?»

«Nein, nichts. Aber ich muss zugeben, dass ich bis vor etwa einer Stunde zur peinlichen Befragung eines Falschmünzers im Marterhäuslein war. Leider ein äußerst hartnäckiger Fall, und ich musste ihn …»

«Gut, gut», winkte Adalbert ab, der sich weitere Ausführungen ersparen wollte. «Wem gehört eigentlich die Scheune hier?»

«Die hat mal zum Findelhaus gehört, aber jetzt steht sie leer und soll abgerissen werden, um neue Häuser zu bauen. Wird auch Zeit, diese Bruchbude war zum Treffpunkt von allerlei zwielichtigem Gesindel geworden. Und zum Liebesnest der Schlupfhuren.»

Achaz beugte sich noch einmal über das Gesicht der Toten. Was er zuvor als vagen Geruch wahrgenommen hatte, bestätigte sich, als er seine Nase über den offenstehenden Mund der Leiche hielt: Sie roch eindeutig nach starkem, saurem Wein.

Sie musste also zum Todeszeitpunkt angetrunken gewesen sein, doch diese Tatsache behielt er für sich. Ohnehin wussten der Henker und der Nachtwächter bereits weitaus mehr über die Leiche, als ihm lieb war. Gerade Letzterer war als rechte Tratschbase bekannt. Vielleicht hätte er seine Beobachtungen doch nicht so offenherzig mitteilen sollen.

«Bringen wir die Tote zur Aufbahrung in die Spitalkapelle, damit die Rats- und Gerichtsherren sie morgen früh beschauen können. Und hoffen wir, dass einer von ihnen sie kennt.»

Der Scharfrichter nickte. «Ich hol gleich meine Handkarre.»

Adalbert trat einen Schritt zurück. Was er als Stadtarzt auf jeden Fall morgen dem Kanzleischreiber als Tatsache in die Feder diktieren konnte, das war, dass die junge Frau keines natürlichen Todes gestorben war. Dass sie unglücklich...

Erscheint lt. Verlag 17.9.2019
Reihe/Serie Ein Fall für Serafina
Ein Fall für Serafina
Serafina
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 15. Jahrhundert • Achaz • Armenapotheke • Armenapothekerin • Begine • Beginen • Beginenschwestern • Bruder • Das Aschenkreuz • Die Wölfe vor den Toren • Ehe • Freiburg • Henkersmarie • historischer Fall • historischer Krimi • Historischer Kriminalroman • Historischer Roman • Hostienfrevel • Hure • Medicus • Mordfall • Prostituierte • Prostitution • Schwarzwald • Serafina • Siechenhaus • stadtarzt • Stadtarzt Achaz • Tod im Höllental • Totentanz zu Freiburg • Turm aus Licht
ISBN-10 3-644-40650-2 / 3644406502
ISBN-13 978-3-644-40650-6 / 9783644406506
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