Bad Feminist (eBook)

Essays

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
416 Seiten
btb Verlag
978-3-641-22755-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bad Feminist - Roxane Gay
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Leider liebt sie Rapmusik, das Frauenbild: grauenvoll. Leider liest sie sehr gerne Fashion-Magazine, das Frauenbild: ebenfalls erschreckend. Und ihre Lieblingsfarbe ist leider: pink. In einer Zeit, in der Barack Obama sich als Feminist bezeichnet und sogar Modeimperien den Schriftzug in großer Zahl auf T-Shirts drucken, wahrscheinlich keine gute Idee. Feminismus ist chic geworden und angekommen in der Popkultur. Aber was kann guter Feminismus heute wirklich sein? In ihrem hochgelobten Essayband sprengt Roxane Gay das ideologische Korsett eines guten und starren Feminismus und erklärt sich selbst ironisch zum Bad Feminist - stimmgewaltig, bestechend klug und fern jeder Ideologie unterzieht sie unsere Gegenwart einer kritischen Analyse und zeigt, wie man alles auf einmal sein kann: eine der bedeutendsten Feministinnen der Gegenwart und dabei definitiv nicht perfekt.

Roxane Gay, geboren 1974, ist Autorin, Professorin für Literatur und eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen und literarischen Stimmen ihrer Zeit. Sie schreibt u.a. für die New York Times und den Guardian, sie ist Mitautorin des Marvel-Comics »World of Wakanda«, Vorlage für den hochgelobten Actionfilm »Black Panther« (2018), dem dritterfolgreichsten Film aller Zeiten in den USA. Roxane Gay ist Gewinnerin des PEN Center USA Freedom to Write Award. Sie lebt in Indiana und Los Angeles.

Einleitung

Feminismus (m.): Plural


Die Welt verändert sich so schnell, dass wir kaum noch mitkommen. Sie ist kompliziert und wird komplizierter, das verwirrt und lässt uns oft fassungslos zurück. Das kulturelle Klima verändert sich, besonders für Frauen, wie Freiheit einschränkende Regelungen zu Abtreibung und Verhütung, anhaltende Rape Culture und falsche, Schaden verursachende Darstellungen von Frauen in Musik, Film und Literatur zeigen.

Wir sehen uns einem Fernsehkomiker gegenüber, der seine Fans auffordert, sich an wildfremde Frauen ranzumachen und ihren Bauch zu streicheln, weil es so lustig ist, persönliche Grenzen zu ignorieren. Wir hören jeden Tag jede Menge Songs, in denen die Herabsetzung von Frauen gefeiert wird, und diese Musik ist verdammt eingängig, weshalb ich mich oft beim Mitsingen eines mich selbst erniedrigenden Textes erwische. Sänger wie Robin Thicke wissen: »We want it«. Rapper wie Jay-Z verwenden das Wort »bitch« als eine Art Satzzeichen. Die meisten Filme erzählen Geschichten von Männern, als wären Geschichten von Männern die einzigen Geschichten, auf die es ankommt. Wenn Frauen darin vorkommen, dann als Sidekick, zum Zweck des romantischen Zwischenspiels, als Nebenrolle. Selten stehen Frauen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Selten kann man sagen, dass es unsere Geschichten sind, auf die es wirklich ankommt.

Wie können wir auf diese Dinge aufmerksam machen? Wie schaffen wir es, wirklich Gehör zu finden? Wie finden wir die Sprache, die nötig ist, um über die Ungleichheit und die kleinen und großen Ungerechtigkeiten zu sprechen, denen Frauen ausgesetzt sind? Je älter ich geworden bin, desto besser hat mir der Feminismus geholfen, diese Fragen zu beantworten, wenigstens zum Teil.

Der Feminismus ist nicht perfekt, aber er vermag es im besten Fall immer noch, uns durch die sich verändernde kulturelle Landschaft zu steuern. Der Feminismus hat mir auf jeden Fall dabei geholfen, meine eigene Stimme zu finden. Der Feminismus hat die Überzeugung in mir gestärkt, dass meine Stimme zählt, selbst in unserer heutigen Welt, in der so viele Stimmen danach verlangen, gehört zu werden.

Wie können wir die Fehler und Schwächen des Feminismus mit all dem Guten, das er bewirkt, versöhnen? Der Feminismus ist deshalb nicht perfekt, weil er eine Bewegung von Menschen ist und Menschen nun einmal unvollkommen sind und Fehler machen. Aus allen möglichen Gründen neigen wir dazu, aus dem Feminismus ein unerreichbares Ideal zu machen, eine Bewegung, die alle unsere Wünsche erfüllen muss und immer nur das Richtige tut. Wenn der Feminismus unsere Erwartungen nicht erfüllt, glauben wir, dass das am Feminismus liegt, statt an den mangelhaften Wesen, die im Namen der Bewegung handeln.

Das Problem mit Bewegungen ist, dass sie meistens nur mit denjenigen ihrer Repräsentanten und Repräsentantinnen in Verbindung gebracht werden, die am sichtbarsten sind, die Leute mit den größten Plattformen und den lautesten und provokantesten Stimmen. Aber der Feminismus ist nicht das oder nur zum Teil das, was in den Medien gerade als coolster neuer feministischer Trend gefeiert wird.

In letzter Zeit hat der Feminismus darunter gelitten, dass es Frauen gab, die ihn zu einem Bestandteil ihres persönlichen Markenzeichens machten. Wenn diese Leitfiguren das sagen, was wir von ihnen hören wollen, stellen wir sie auf den feministischen Sockel, und wenn sie etwas tun, was wir nicht mögen, zerren wir sie wieder herunter und sagen dann, der Feminismus ist schuld, weil unsere feministischen Ikonen uns enttäuscht haben. Wir vergessen den Unterschied zwischen Feminismus und professionellen Feministinnen.

Ich nehme ganz offen die Bezeichnung bad feminist, schlechte Feministin, für mich in Anspruch. Und zwar deshalb, weil ich ein unvollkommenes menschliches Wesen bin. In feministischer Geschichtsschreibung bin ich nicht besonders bewandert. Ebenso wenig kenne ich alle feministischen Schlüsseltexte so gut, wie ich sie gerne kennen würde. Ich habe gewisse … Interessen und persönliche Eigenschaften und Meinungen, die mit dem feministischen Mainstream vielleicht nicht übereinstimmen, und dennoch bin ich Feministin. Ich kann gar nicht sagen, wie befreiend es gewesen ist, das zu akzeptieren.

Ich nehme die Bezeichnung bad feminist in Anspruch, weil ich ein Mensch bin. Ich bin chaotisch. Ich versuche nicht, ein gutes Beispiel für andere zu sein. Ich versuche nicht zu sagen, ich hätte auf alles eine Antwort. Ich versuche nicht zu sagen, mit mir würde alles stimmen. Ich versuche nur das nach außen zu tragen, woran ich glaube. Ich versuche, etwas Gutes zu tun in dieser Welt, versuche, mit meinem Schreiben Aufmerksamkeit zu erregen und dabei ich selbst zu bleiben: eine Frau, die Pink liebt und es manchmal mag, einfach auszuflippen, und die manchmal wild zu Musik tanzt, von der sie weiß – ja, sie weiß es! –, dass sie schrecklich über Frauen spricht, und die sich manchmal dumm stellt, wenn ein Handwerker da ist, weil es einfach leichter ist zuzulassen, dass er sich als Macho fühlt, als den weiblichen Moralapostel zu spielen.

Ich bin eine schlechte Feministin, weil ich nicht auf einen feministischen Sockel gestellt werden will. Von Menschen, die man auf Sockel stellt, wird erwartet, dass sie etwas darstellen, und zwar perfekt. Und wenn sie es versauen, stürzt man sie. Ich versaue es regelmäßig. Betrachten Sie mich also als bereits gestürzt.

Als ich jünger war, distanzierte ich mich mit alarmierender Regelmäßigkeit vom Feminismus. Ich verstehe, warum Frauen sich noch immer so vehement dagegen wehren, als Feministinnen bezeichnet zu werden. Ich habe mich früher distanziert, weil sich die Bezeichnung Feministin für mich wie eine Beleidigung anfühlte. Tatsächlich war es meistens auch so gemeint. In einer Situation dachte ich mal: Aber ich hab doch gar nichts gegen Blowjobs! Ich hatte die fixe Idee, dass sich Feministinsein mit sexueller Offenheit nicht vertragen. Ich hatte jede Menge fixer Ideen, als ich jünger war.

Ich distanzierte mich vom Feminismus, weil ich keine Vorstellung von der Bewegung hatte. Wenn man mich als Feministin bezeichnete, hörte ich: »Du bist ein zorniges, Sex und Männer hassendes weibliches Opfer.« Diese Karikatur haben Menschen aus Feministinnen gemacht, die den Feminismus am meisten fürchten. Die, die am meisten zu verlieren haben, wenn der Feminismus Erfolg hat, diffamieren die feministische Bewegung und verdrehen ihre Ziele. Jedes Mal, wenn ich mich daran erinnere, wie ich früher auf den Feminismus hinabgeschaut habe, schäme ich mich für meine Ignoranz. Ich schäme mich für meine Angst, denn der Grund für meine Missbilligung und Distanzierung war zum größten Teil die Angst, ausgegrenzt und missachtet zu werden, als Spielverderberin betrachtet und vom Mainstream nicht akzeptiert zu werden.

Ich werde wütend, wenn Frauen auf den Feminismus herabschauen und nicht wollen, dass man sie als Feministinnen bezeichnet, obwohl sie sagen, sie unterstützen alle Verbesserungen, die wir dem Feminismus verdanken, denn ich sehe eine Trennung, die nicht sein muss. Ich werde wütend, aber ich verstehe und hoffe, dass wir eines Tages in einer Kultur leben werden, in der wir es nicht nötig haben, uns vom Feminismus zu distanzieren, in der die Bezeichnung Feministin nicht die Angst hervorruft, allein zu bleiben, zu anders zu sein und zu viel zu wollen.

Ich versuche, meinen Feminismus einfach zu halten. Ich weiß, Feminismus ist komplex und vielfältig und nicht perfekt. Ich weiß, Feminismus wird und kann nicht alles in Ordnung bringen. Ich trete ein für die Chancengleichheit von Frauen und Männern. Ich trete dafür ein, dass Frauen die Freiheit haben zu verhüten und abzutreiben, und dass sie uneingeschränkten Zugang zu bezahlbarer medizinischer Versorgung haben. Ich trete dafür ein, dass Frauen für gleiche Arbeit den gleichen Lohn wie Männer bekommen. Feminismus ist ein Angebot, und wenn eine Frau keine Feministin sein will, ist das ihr Recht, aber es liegt dennoch in meiner Verantwortung, für ihre Rechte zu kämpfen. Ich bin davon überzeugt, dass Feminismus grundsätzlich dafür kämpfen muss, dass Frauen Entscheidungen frei treffen können, auch wenn ich selbst mit ihren Entscheidungen nicht übereinstimme. Ich glaube, dass Frauen nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern überall auf der Welt Gleichheit und Freiheit verdienen, aber ich weiß auch, dass ich nicht dazu befugt bin, Frauen aus anderen Kulturen zu sagen, wie diese Gleichheit und diese Freiheit aussehen sollen.

Als ich um die zwanzig war, missbilligte ich den Feminismus, weil ich befürchtete, dass er mir nicht erlauben würde, die chaotische Frau zu sein, die ich nun einmal war. Aber dann erfuhr ich mehr darüber. Ich lernte, den einfachen Feminismus von dem einzigartigen, idealen, heiligen Feminismus und den einzigartigen, idealen, heiligen Feministinnen zu unterscheiden – dem einzig wahren Feminismus, der über allen Frauen thront. Es war leicht, sich den Feminismus zu eigen zu machen, als ich erkannte, dass er für die Gleichheit der Geschlechter in allen Bereichen eintritt, während er sich gleichzeitig um Intersektionalität bemüht, das heißt, alle anderen Faktoren zu berücksichtigen versucht, die Einfluss darauf haben, wer wir sind und wie wir uns in der Welt bewegen. Feminismus hat mich Frieden finden lassen. Feminismus hat mir Orientierung für mein Schreiben und Lesen und für mein Leben gegeben. Natürlich folge ich seinen Prinzipien nicht immer, aber ich weiß auch, es ist okay, dass ich meinem besten feministischen Selbst nicht immer gerecht werde.

Frauen of Color, queere Frauen und Transgender-Frauen müssen im feministischen Projekt besser verankert werden. Frauen aus diesen Gruppen sind...

Erscheint lt. Verlag 13.5.2019
Übersetzer Anne Spielmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Bad Feminist
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Black lives matter • eBooks • exit racism • Feminismus • Girls • »Hunger« • Intellektuelle • Orange is the new black • Rassismus • USA
ISBN-10 3-641-22755-0 / 3641227550
ISBN-13 978-3-641-22755-5 / 9783641227555
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