Mit 80 Viechern um die Welt (eBook)

Als Tiersitter auf Reisen

(Autor)

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2019
Penguin Verlag
978-3-641-22305-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mit 80 Viechern um die Welt - Markus Huth
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Weltreise mal anders: Markus Huth kümmert sich um Tiere auf allen fünf Kontinenten
Die ganze Welt sehen, ohne dafür zu bezahlen - was könnte schöner sein? In einem Backpacker-Hostel erfährt Tierfreund Markus Huth von einer anderen Art des Reisens: Überall auf der Erde suchen Menschen Tiersitter, die auf ihre Häuser und Haustiere aufpassen, während sie selbst in den Urlaub fahren. Andere brauchen Freiwillige, die sich gegen Kost und Logis auf Farmen um Tiere kümmern. Bald striegelt Markus Huth Westernpferde auf einer bulgarischen Ranch, füttert halbzahme Kängurus auf einer australischen Insel und kümmert sich auf einer Finca auf La Gomera um die launischste Katze der Welt. Am Ende seiner Reise ist sein Leben längst nicht mehr so, wie es einmal war ...

Markus Huth, Jahrgang 1982, ist Autor und Fotograf. Er volontierte bei der Nachrichtenagentur dapd und studierte Geschichte und Archäologie in Berlin und Moskau. Er ist Chefredakteur des Reportage-Magazins 'Weltseher' und hat schon viele entlegene Gegenden bereist, aber nirgends wäre er so gern geblieben wie in Kirgisistan. Derzeit lebt Markus Huth im bulgarischen Plovdiv.

Wie wird man Tiersitter?


Da war ich also am paradiesischen Arsch der Welt: Der wurstförmige Hund glotzte mich so fragend an, wie ich mich fühlte. Die mies gelaunte Miez forderte Fressen. Ein Koikarpfen schnappatmetete vorwurfsvoll aus dem Becken (ich hatte seinen Keks vergessen).

Eines der Hühner war schon wieder aus dem Stall ausgebüxt und stolzierte frech durch den Garten.

Und als wäre das alles noch nicht genug, flogen die Bienenvölker vom Nachbargrundstück koordinierte Luftangriffe auf mich. Wussten die nicht, dass ich ein netter Tierfreund war? Die summende Wolke um meinen Kopf deutete auf: Nein.

Ich war offenbar der Feind, den sie aus ihrem Paradies vertreiben wollten. Statt in der Hängematte zu baumeln und den Sonnenuntergang über dem Ozean hinter La Gomera zu genießen, rannte ich selbstverteidigend mit der zur Bienen- umfunktionierten Fliegenklatsche über die Terrasse und suchte Deckung.

Aber der Reihe nach.

Beziehungsweise: Was zur Hölle machte ich hier?

Bevor ich zu erklären versuche, was es mit La Gomera auf sich hatte, muss ich etwas gestehen. Ich hätte bis vor Kurzem nicht geglaubt, dass es diese Art zu reisen überhaupt gibt.

Zwar würde ich mich nicht als Pauschaltouristen bezeichnen. Aber dass man auf Reisen für eine Unterkunft bezahlen muss – so mit Geld –, war doch irgendwie selbstverständlich. Oder nicht?

Ich jedenfalls kam nicht mehr umhin, dieses Vorurteil zu hinterfragen.

Und schuld war der Typ aus Uruguay.

Sein Name war Barcelona. Er kam aus Montevideo. Ich begegnete ihm in Bulgarien.

Es war März, und ich lebte seit einigen Tagen in einem Hostel am Fuße der Rhodopen. Ich war ins verträumte Städtchen Plowdiw gekommen, weil ich eine Auszeit vom regulierten Großstadtleben in Deutschland brauchte, und um ein Buch über meine eben zu Ende gegangene Kirgisistan-Reise aufzuschreiben.

Das Hostel war dafür perfekt. Es gefiel mir so gut, dass ich die Wohnungssuche vergaß und zwei Monate im Zwölf-Betten-Schlafsaal lebte. Mit Reisenden und Abenteurern aus aller Welt, die hier abstiegen.

Oft nur für ein oder zwei Tage, um sich von für mich unvorstellbaren Strapazen zu erholen.

Zusammen chillten wir zwischen Katzen, Hängematten, Rucksäcken und Doppelstockbetten. Plowdiw war ein Sammelbecken für Reiseverrückte.

Jedenfalls schienen sie mir so: all die Australier, Polen und Russen, die über den Globus wanderten oder mit Fahrrädern kreuz und quer durch die Welt fuhren. Nichts dabei außer ein paar Klamotten und einem Zelt.

Da war etwa ein Holländer, der aus unerfindlichen Gründen von zu Hause aus Tausende Kilometer hierhergelaufen war und weiter zu Fuß durch den Himalaja wollte.

Oder der Zypriot, der auf seiner Insel sein altes Leben hingeschmissen und seine Ersparnisse gegen ein Motorrad getauscht hatte, mit dem er schon halb Europa abgeklappert hatte. Oder der junge Australier, der mit dem Fahrrad von Griechenland nach Schottland weiter wollte.

Die meisten dieser Rastlosen waren pleite oder kurz davor. Seltsamerweise schienen sie aber auch sehr zufrieden.

Viel zufriedener jedenfalls als die meisten Pauschalurlauber, die ich in meinem Leben getroffen hatte. Die sich immer am Büfett beschwerten, wie fett sie geworden seien, nur um sich dann die Teller vollzuhauen, weil sie schließlich dafür bezahlt hatten.

Je mehr ich mit den wechselnden Bewohnern des Hostels sprach, umso mehr dämmerte mir, dass es da eine Reisewelt zu geben schien, die neunzig Prozent meiner Landsleute nicht kannten. Eine Art Paralleluniversum, in dem alles, was ein Otto Normaltourist mit Urlaub verband, keine Rolle spielte. Statt Erholung suchten sie Abenteuer. Selbst wenn das mit Strapazen verbunden war.

Diesem Paralleluniversum war auch Barcelona aus Montevideo entsprungen.

Eines Morgens lümmelte er am Frühstückstisch im aus Holzlatten zusammengezimmerten Gemeinschaftsraum herum. Er sah aus wie ein Indianer: Lange dunkle Haare rahmten ein gebräuntes, maskulines Gesicht und fielen auf kräftige Schultern. Er trug nur ein einfaches braunes Shirt und eine erdfarbene Hose. Fehlte nur noch ein Tomahawk in seiner Hand.

»Hey, Kumpel, brauchst du was?«, nickte er mir auf die entspannteste Weise zu, die ich je bei einem Menschen beobachtet hatte.

Ich hielt ihn zunächst für einen der üblichen Verrückten hier. Doch zu meiner Überraschung war er weder von Südamerika nach Europa geschwommen, noch fuhr er Fahrrad. Genau wie ich wollte er für längere Zeit im Hostel bleiben.

Wir unterhielten uns kurz.

Er war Ingenieur und gerade ziellos am Rumreisen.

Dann stellte er mir eine weltverändernde Frage: »Sag mal, Kumpel, bezahlst du hier etwa?«

Ich perplex: »Du etwa nicht?«

Da sprang der letzte Mohikaner vom Tisch auf, schnappte sich aus der Ecke keinen Tomahawk, sondern einen alten Besen und wirbelte damit demonstrativ durch den Raum.

»Ich arbeite hier!«, rief er augenzwinkernd.

Das musste er mir jetzt aber genauer erklären.

Wie sich herausstellte, musste er nicht nur nicht bezahlen. Nein, er bekam auch noch das Essen umsonst!

Ich vermutete zunächst eine zwielichtige Abmachung mit dem Manager. Aber falsch gedacht.

»Kennst du nicht Housesitting oder Work­away?«.

Workawas?

Und dann erzählte er mir von einer unbekannten Welt. Und die begann im Internet. Darin gab es diese Seiten, wie mindmyhouse.com oder workaway.info, mit denen man sich in die Ferne arbeiten könne.

Barcelona hatte zudem eine Freundin dabei, die hier ebenfalls »arbeitete«. Und dann gesellte sich noch der laufende Holländer zu uns, der das Gleiche tat. Von uns vieren war ich der einzige zahlende Gast hier.

Und der Alltag der »Arbeiter« schien sich von meinem Urlaub nicht groß zu unterscheiden.

Außer dass sie Neuankömmlingen ein Bett im Schlafsaal zuwiesen und ab und zu mal durchfegten.

Ich kam mir leicht veräppelt vor.

Sofort klappte ich meinen Computer auf und sah mir dieses Work­away mal genauer an. Menschen waren hier in Gastgeber und Freiwillige (»Volunteers«) unterteilt und hatten bebilderte Profile, die darüber Auskunft gaben, wo sie wohnten, wohin sie reisten und was sie gerne machten.

Zudem boten die Gastgeber Unterkunft und Essen im Austausch gegen Arbeitskraft an. Die Freiwilligen waren entsprechend bereit, ohne finanzielle Entlohnung zu arbeiten. Verrückt.

Offenbar konnte man so wirklich die ganze Welt bereisen.

Um Freiwillige warb etwa ein Berber-Clan in Marokko, ein botanischer Garten auf Madagaskar oder eine Nomadenfamilie in der Mongolei. Die Aufgaben reichten von Rezeptionsdienst über Reparaturen am Haus bis hin zu Sprachunterricht.

Alles schöne Orte, sicher.

Aber ehrlich gesagt hatte ich auf keinen dieser Jobs besonders große Lust.

»Magst du Pferde?«, fragte Barcelona, den diese Frage noch indianerähnlicher erscheinen ließ.

Nun ja, »mögen« war vielleicht etwas zu euphorisch ausgedrückt. Das erste und letzte Mal hatte ich in Kirgisistan auf einem Gaul gesessen – doch da wusste ich nicht, was ich tat. Schmerzhafte Erinnerungen wurden wach, an meine wunden Schenkel und einen Beinahesturz in einen Bach.

»Ich will auf jeden Fall mehr über Pferde lernen«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

Daraufhin berichtete Barcelona, dass er als Nächstes auf einer bulgarischen Pferderanch anheuern würde, natürlich auch über diese Webseiten.

Und dann sagte er: »Also, wenn du mehr Komfort brauchst und Tiere magst, dann ist vielleicht House­sitting was für dich.«

Hauswas?

Da hatte Barcelona einen wunden Punkt bei mir getroffen. Denn ich muss noch etwas gestehen: Ich mag Tiere.

Jedenfalls die halbwegs plüschigen. Außer Ratten vielleicht.

Ich kann auch nicht genau erklären, warum.

Aber als ich noch Journalist bei einer Nachrichtenagentur war, haben sich meine Kollegen immer über mich lustig gemacht, weil ich Tiergeschichten quasi animagisch anzog.

»Tiere gehen immer« ist zwar eine journalistische Grundregel.

Aber niemand hat es damit so weit getrieben wie ich.

Einige Beispiele gefällig?

Ich war »Knut-Beauftragter« der Agentur und berichtete vor Ort, nachdem der berühmte Eisbär Knut plötzlich tot von seinem Felsen im Berliner Zoo gekippt war.

Und der einzige Leserbrief, den ich je bekommen habe, stammte von einer verärgerten Ponyfreundin. Also, eigentlich war der Brief an meinen Chef gerichtet. Jedenfalls verlangte sie meine Bestrafung, weil ich einem Pony namens Laski auf einer Hamburger Pferde­messe eine strubbelige Frisur zugeschrieben hatte sowie seinen niedrigen Kaufpreis mit viel teureren Rassepferden verglich.

»Laski ist sicher viel mehr wert als so ein blöder Holsteiner«, monierte sie.

Mein Chef degradierte mich deswegen zwar nicht. Aber der Spott der Kollegen war mir gewiss.

Und schließlich ist es traurig, aber wahr, dass einer der erfolgreichsten Artikel meiner Agenturzeit von einem Luxushuhn namens Lotte handelte. In der Journalistenwelt gibt es für solche »Storys« leider keinen Hennen-Nannen-Preis.

Das Huhn lebte als verwöhntes Haustier im Marco-Polo-Tower, einer der teuersten Immobilien in Hamburg. Lottes Frauchen konnte nicht arbeiten gehen, weil das Huhn nicht gerne alleine war. Die Zeitungen konnten nicht genug bekommen von dieser Geschichte. Sie vermeldeten später sogar Lottes Tod. Das Huhn war an Darmkrebs gestorben, obwohl Herrchen und Frauchen zuvor viele Tausend Euro für eine OP bezahlt hatten.

Wenn ich jemandem diese Geschichte erzählte, dann hielt er die reichen Hühnerbesitzer für verrückt. Was? So viel Geld für ein Huhn?...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte
Schlagworte Aussteiger • Australien • CouchSurfing • eBooks • Haustier • Housesitting • Kanada • Kanaren • Reisen • Tiere • Weltreise
ISBN-10 3-641-22305-9 / 3641223059
ISBN-13 978-3-641-22305-2 / 9783641223052
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